Abstrakte Ersetzungssysteme

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c) {abcde, abcfg, bcade, bcafg} d) {ade, afg, bcde, bcfg} c) {abcabc} d) {abcbc, abc, a} c) {aa, ab, ba, bb} d) {{aa}, {ab}, {ba}, {bb}}

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Transkript:

Kapitel 3 Abstrakte Ersetzungssysteme Für viele Überlegungen spielt die Feinstruktur der Objekte, die durch ein Ersetzungssystem manipuliert werden, keine Rolle. So sind die folgenden Begriffe und Ergebnisse auf Wort-, Term- und Graphersetzungssysteme ebenso anwendbar wie auf s λ-kalkül oder auf Petrinetze. Wir abstrahieren also von den Objekten und den darauf definierten Ersetzungsschritten und nehmen eine beliebige Menge T und eine beliebige zweistellige Relation auf T als gegeben an. Die Relation nennen wir ein abstraktes Ersetzungssystem, oder kurz System, auf T. (Der Buchstabe T soll an Terme erinnern, der Pfeil an eine durch Regeln induzierte Ersetzungsrelation; später werde ich aber auch Beispiele vorstellen, wo T für ganz andere Mengen steht, etwa die Menge der natürlichen Zahlen.) Offenbar ist ein abstraktes Ersetzungssystem also nichts anderes als ein gerichteter Graph 1. 3.1 Termination und Konfluenz Seien s, t T. Gilt s t, dann heißt t Nachfolger von s und s Vorgänger von t. Mit s t heißt t direkter Nachfolger von s und s direkter Vorgänger von t. Gibt es kein t T mit t t, dann nennen wir t Normalform. Ist t eine Normalform und Nachfolger von s, so heißt t Normalform von s. Wird mit Ersetzungssystemen gerechnet, dann repräsentieren Normalformen die Ergebnisse von Rechnungen (siehe etwa die Abschnitte 1.1.1 und 1.2). Von besonderem Interesse sind deshalb die folgenden Fragen: Hat jedes t in T (mindestens) eine Normalform? Gibt es ein t in T mit mehreren Normalformen? Oder sind Normalformen immer eindeutig bestimmt? 1 Entsprechende Begriffe finden sich tatsächlich auch in neueren Büchern zur Graphentheorie, etwa in Schmidt und Ströhlein, Relations and Graphs Discrete Mathematics for Computer Scientists, Springer 1993. 25

26 KAPITEL 3. ABSTRAKTE ERSETZUNGSSYSTEME Die Existenz von Normalformen für jedes Element in T wird oft auch schwache Termination genannt. Diese Eigenschaft lässt sich aber meist nur schlecht nachweisen. Ein besser zugängliches hinreichendes Kriterium für die Existenz von Normalformen ist die Termination (auch starke Termination genannt). Definition 1. Das System auf T terminiert (oder: ist terminierend), falls keine Folge (t i ) i IN über T existiert mit t i t i+1 für alle i IN, falls es also keine unendliche Kette t 0 t 1 gibt. Eine direkte Konsequenz aus der Definition ist Satz 1. In terminierenden Systemen hat jedes Element eine Normalform. Die Umkehrung gilt nicht. So zeigt die folgende Abbildung zwei nichtterminierende Systeme, bei denen aber gleichwohl jedes Element eine Normalform besitzt, im ersten Beispiel sogar unendlich viele, im zweiten Beispiel genau eine....... Die Eindeutigkeit von Normalformen ist die folgende Eigenschaft: Sind t 1 und t 2 Normalformen eines Elements aus T, dann ist t 1 = t 2. Das lässt sich auch so formulieren: Gilt t 1 t 2 für Normalformen t 1 und t 2, dann ist t 1 = t 2. Eine hinreichende Bedingung dafür ist die Konfluenz 2. Definition 2. Das System auf T ist konfluent, wenn gilt, wenn also für alle s, t 1, t 2 T mit t 1 s t 2 ein t T mit t 1 t t 2 existiert. t 1 s t t 2 Satz 2. Konfluenz impliziert die Eindeutigkeit von Normalformen. Beweis. Gilt t 1 t 2, dann garantiert die Konfluenz t 1 s t 2 für ein s T. Sind t 1 und t 2 Normalformen, dann gilt damit aber schon t 1 = s = t 2. Das System {a a, b a, b c, c c} zeigt, dass die Umkehrung nicht gilt. Hier gibt es keine Normalformen, die Eindeutigkeit von Normalformen ist also nicht gefährdet. Trotzdem ist das System nicht konfluent, da zwar a b c gilt, nicht aber a c. Ein terminierendes und konfluentes System nennt man konvergent, gelegentlich auch vollständig oder kanonisch. Korollar 1. In konvergenten Systemen hat jedes Element genau eine Normalform. Beispiel 6. Für das Wortersetzungssystem aus Beispiel 1 ist T = {a, b, c} und die durch die Regelmenge R = {ba ab, ca ac, cb bc} definierte 2 lat. confluens: Zusammenfluss.

3.1. TERMINATION UND KONFLUENZ 27 Relation R. Die folgende Abbildung zeigt alle zum Wort aabc äquivalenten Wörter. cbaa bcaa caba baca acba caab baac abca acab abac aacb aabc Das System terminiert (denn die Wörter werden mit jedem Schritt lexikographisch kleiner ohne ihre Länge zu verändern) und ist, wie in Abschnitt 4.1 noch gezeigt wird, konfluent. Alle Wörter aus der oben dargestellten Äquivalenzklasse haben die eindeutige Normalform aabc. Beispiel 7. Ein Bier kostet zwei Dollar, ebenso eine Limo. Das entsprechende Ersetzungssystem für die Relation kaufe ein Getränk ist hier für alle von einem Guthaben von drei oder fünf Dollar ausgehenden Transaktionen dargestellt. {$,$,$} {B,$} {L,$} {$,$,$,$,$} {B,$,$,$} {L,$,$,$} {B,B,$} {B,L,$} {L,L,$} Das System terminiert, wie die Erfahrung zeigt. Normalformen sind aber nicht eindeutig; so hat etwa {$,$,$,$,$} die drei Normalformen {B,B,$}, {B,L,$} und {L,L,$}. Führt man zusätzlich die Transaktion tausche Limo gegen Bier ein, {$,$,$} {B,$} {L,$} {$,$,$,$,$} {B,$,$,$} {L,$,$,$} {B,B,$} {B,L,$} {L,L,$} dann werden Normalformen eindeutig. Die Termination bleibt bewahrt. Aufgabe 7. Man zeige, dass für terminierende Systeme die Eindeutigkeit von Normalformen äquivalent zur Konfluenz ist. Aufgabe 8. Ein berühmtes offenes Problem ist die Termination des Systems n n/2 n 3n + 1 für n > 1 gerade, für n > 1 ungerade. auf T = IN \ {0}. Beispielsweise ist 3 10 5 16 8 4 2 1. Man zeige: Es gibt nur eine einzige Normalform, nämlich 1. Das System terminiert genau dann, wenn alle Zahlen in T äquivalent sind.

28 KAPITEL 3. ABSTRAKTE ERSETZUNGSSYSTEME Erweitert man T zu T = T {ω} und zu = {ω n n T }, dann sind folgende Aussagen äquivalent: 1. terminiert. 2. terminiert. 3. ist konfluent. Aufgabe 9. Seien 1 und 2 Systeme auf T mit + 1 = + 2. Gilt damit 1 = 2? Ist 1 konfluent genau dann, wenn 2 konfluent ist? Terminiert 1 genau dann, wenn 2 terminiert? Was gilt jeweils, wenn die Voraussetzung + 1 = + 2 durch 1 = 2 ersetzt wird? Beispiel 8. Neulich beim Frühstück fand sich folgendes auf einer Packung Cornflakes: It s Magic the Tumbler a Game Here s a simple trick which you ll love to do especially because your friends won t be able to do it! Here s what you have to do: Place three tumblers on the table, with the middle one right up and the other two upside down. With 3 moves (using both hands and turning two tumblers each time) you have to end up with all three tumblers right way up. The secret is to start with the tumblers in fig. A, then turn tumblers 2 and 3, then 1 and 3, and finally turn 2 and 3 to finish as fig. B. Now here s the clever way of fooling your friends! When you ask them to do it, let them start with the tumblers as in fig. C. No matter how they try they ll end with the tumblers upside down after 3 moves! a engl. Glas, Becher Fig. A: Fig. B: Fig. C: 1 2 3 Das folgende Diagramm zeigt alle möglichen Situationen und die Übergänge dazwischen. Offenbar sind und äquivalent (übrigens nicht nur der zur Verwirrung gewählten Kette wegen, sondern auch direkt wegen ), nicht aber und. Formalisiert man dieses System als Wortersetzungssystem über dem Alphabet {, } mit den Regeln und, erlaubt also nur das Umdrehen je zweier benachbarter Becher in der angegebenen Weise, dann erhält man zwar nach wie vor dieselbe Äquivalenz, jedoch eine kleinere Ersetzungsrelation:

3.1. TERMINATION UND KONFLUENZ 29 Das neue System ist konvergent. Nun sind und äquivalent, weil beide dieselbe Normalform haben, während und nicht äquivalent sind, da die beiden Normalformen und verschieden sind. Das letzte Beispiel illustriert, wie die Äquivalenz zweier Elemente s und t aus T entschieden werden kann: Wir berechnen eine Normalform s von s und eine Normalform t von t. Sind s und t gleich, dann sind sicherlich s und t äquivalent; sind aber s und t verschieden, dann sollen damit s und t auch schon in verschiedenen Äquivalenzklassen liegen. Für dieses Entscheidungsverfahren setzen wir Termination voraus, damit Normalformen überhaupt existieren und berechnet werden können. Zusätzlich müssen äquivalente Elemente dieselbe eindeutige Normalform haben; dies garantiert die Church-Rosser-Eigenschaft 3. Definition 3. Das System auf T hat die Churcht 1 Rosser-Eigenschaft (oder: ist Church-Rosser), wenn t 2 gilt, wenn also für alle t 1, t 2 T mit t 1 t 2 ein t T mit t 1 t t 2 existiert. t Wegen impliziert die Church-Rosser-Eigenschaft sicherlich Konfluenz als Spezialfall. Wie die obigen Beispiele bereits nahelegen, gilt aber tatsächlich auch die Umkehrung. Satz 3. Konfluenz ist äquivalent zur Church-Rosser-Eigenschaft. Beweis. Sei konfluent. Wir zeigen n per Induktion für alle n 0. Wegen = n 0 gilt dann auch. n Zunächst gilt 0 = T. Und mit zweimaliger Anwendung der Induktionsvoraussetzung sowie der Konfluenz ist n+1 = ( n ) ( n ) ( ) ( ) ( + ) ( ) = Die nachfolgende Skizze veranschaulicht die im Induktionsschritt vorkommende Fallunterscheidung in n und n. Übrigens zeigt der Beweis auch, dass Konfluenz durch die schwächere Voraussetzung, gelegentlich einseitig lokale Konfluenz genannt, ersetzt werden kann. Insgesamt sind also Konfluenz, einseitig lokale Konfluenz und die Church-Rosser- Eigenschaft äquivalent. n IV n IV Konfluenz Korollar 2. Sei auf T ein konvergentes System. Dann haben alle s, t T eindeutige Normalformen s bzw. t und es ist s t genau dann, wenn s = t. Beweis. Mit s s und t t folgt aus s = t auch s t. Ist umgekehrt s t, dann gibt es ein r T mit s r t; sei r die Normalform von r. Damit ist r auch Normalform von s und von t, also gilt wegen der Eindeutigkeit von Normalformen s = r = t. 3 Alonzo Church und sein Schüler J. Barkley Rosser haben diese Eigenschaft in Arbeiten zum λ-kalkül eingeführt.

30 KAPITEL 3. ABSTRAKTE ERSETZUNGSSYSTEME Damit wird für konvergente Systeme die Äquivalenzrelation entscheidbar, vorausgesetzt allerdings, dass Normalformen auch berechenbar sind. Das ist sicher dann der Fall, wenn die Relation selber rekursiv aufzählbar ist und wenn die Frage, ob ein gegebenes Element aus T eine Normalform ist, entscheidbar ist. Für endliche Wort- und Termersetzungssysteme ist dies offenbar immer der Fall. 3.2 Lokale Konfluenz Konfluenz ist für konkrete Systeme meist nur schwer direkt nachweisbar. Weitaus besser lässt sich dagegen die lokale Konfluenz untersuchen, die gemeinsame Nachfolger nur für direkte Nachfolger eines Elements fordert. Damit können also lediglich lokal auseinanderlaufende Ketten wieder zusammengeführt werden. Definition 4. Das System auf T ist lokal konfluent, wenn gilt, wenn also für alle s, t 1, t 2 T mit t 1 s t 2 ein t T mit t 1 t t 2 existiert. t 1 s t Beispiel 9. Das System aus Aufgabe 3 ist, wovon man sich leicht überzeugt, lokal konfluent, aber nicht konfluent. Denn f(a) und f(b) haben c als gemeinsamen Vorgänger, aber keinen gemeinsamen Nachfolger. Und a und b sind äquivalent ohne einen gemeinsamen Nachfolger zu haben, das System ist also nicht Church-Rosser. Auch das System {c a, c d, d c, d b} ist zwar lokal konfluent (denn für die beiden Situationen a c d und c d b finden wir a d und c b), nicht aber konfluent (a und b haben den gemeinsamen Vorgänger c, aber keinen gemeinsamen Nachfolger). t 2 a c b f(a) d f(c) f(b) f(f(a)) f(d) f(f(c)) f(f(b)) a c d b Wegen impliziert Konfluenz als Spezialfall lokale Konfluenz. Für terminierende Systeme gilt nun sogar die Umkehrung. Das zeigt auch, dass es kein Zufall war, dass die beiden Beispiele für lokal konfluente aber nicht konfluente Systeme nicht terminieren (im ersten Beispiel ist etwa c d f(c) f(d) f(f(c)), im zweiten c d c eine unendliche Kette). Satz 4. Für terminierende Systeme ist Konfluenz äquivalent zu lokaler Konfluenz.

3.3. ANHANG: NOETHERSCHE INDUKTION 31 Beweis. Sei terminierend und lokal konfluent. Wir zeigen mit Noetherscher Induktion entlang der somit wohlfundierten Ordnung + die Aussage 4 t für alle t T. Wegen = t T t gilt dann auch. Wir betrachten t 1, t 2 T mit t 1 t t 2. Ist t 1 = t oder t = t 2, dann gilt t 1 t 2 oder t 1 t 2, in beiden Fällen also t 1 t 2. Andernfalls gibt es s 1, s 2 T mit t 1 s 1 t s 2 t 2. Wegen der lokalen Konfluenz ist also t 1 s 1 s 2 t 2. Die Induktionsvoraussetzung auf s 1 angewendet ergibt t 1 s 2 t 2, also t 1 s 2 t 2, erneut angewendet, diesmal auf s 2, liefert sie t 1 t 2, also t 1 t 2. s 1 t lokale Konfluenz t 1 Induktionsvoraussetzung s 2 Induktionsvoraussetzung t 2 Korollar 3. Terminierende und lokal konfluente Systeme sind konvergent. Konkrete Kriterien für den Nachweis lokaler Konfluenz für Wort- und Termersetzungssysteme werden im nächsten Kapitel vorgestellt. Hier ist lokale Konfluenz für endliche und terminierende Systeme sogar entscheidbar! Aufgabe 10. Man beweise folgende Aussagen und zeige durch Angabe von Gegenbeispielen, dass die umgekehrten Implikationen nicht gelten: Gilt = =, dann ist konfluent. Eine Verallgemeinerung der ersten Aussage: Gilt =, dann ist konfluent. Hinweis: Aus = folgt ( = ) ( = ). Wie steht es mit folgender Aussage? Gilt ( = ) ( = ), dann ist konfluent. 3.3 Anhang: Noethersche Induktion Noethersche Induktion 5 ist eine Schlussregel zum Nachweis allquantifizierter Aussagen. Ist P ein einstelliges Prädikat auf einer Menge T und > eine Ordnung 6 4 Dabei ist t die Relation {(t 1, t 2 ) t 1 t t 2 } auf T. 5 Emmy Noether, 1882 1935 6 Hier wird Ordnung und partielle Ordnung synonym gebraucht, nämlich für beliebige transitive und irreflexive Relationen.

32 KAPITEL 3. ABSTRAKTE ERSETZUNGSSYSTEME auf T, dann erlaubt Noethersche Induktion den Schluss von auf t T : [ t T : t > t P(t )] P(t) t T : P(t). Korrekt ist dieser Schluss allerdings nur dann, wenn > terminierend (oder: wohlfundiert 7 ) ist. Eine Ordnung ist übrigens genau dann wohlfundiert, wenn jede nichtleere Teilmenge ein minimales Element 8 enthält. Satz 5. Noethersche Induktion ist korrekt für jede wohlfundierte Ordnung >. Beweis. Sei t T : [ t T : t > t P(t )] P(t) wahr und t T : P(t) falsch. Ist t T : P(t) falsch, dann ist die Menge {t T P(t)} nicht leer, enthält also ein minimales Element bezüglich >, sagen wir t 0. Damit trifft P auf alle t mit t 0 > t zu, t T : t 0 > t P(t ) ist also wahr, nach Wahl von t 0 ist P(t 0 ) aber falsch, insgesamt ein Widerspruch zur ersten Annahme. Zum Abschluss hier noch ein Beispiel für einen inkorrekten Schluss mit einer nicht wohlfundierten Ordnung: Wählt man T als die Menge der ganzen Zahlen und > als die übliche Relation ist größer als, sowie P als das Prädikat ist größer 0, dann gilt sicher nicht t T : t > 0. Nichtsdestotrotz ist die Formel t T : [ t T : t > t t > 0] t > 0 wahr (Hinweis: Es gilt schon t T : t 1 > 0 t > 0). 7 Für Relationen wird wohlfundiert, Noethersch und terminierend synonym benutzt, wohlfundiert allerdings meist nur für transitive Relationen. Man beachte, dass nur irreflexive Relationen terminierend sein können. 8 Ein minimales Element einer Menge S bezüglich > ist ein s S, so dass s > s für kein s S gilt.