Die Meldung von NATURA 2000-Gebieten

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Transkript:

Die Meldung von NATURA 2000-Gebieten Christiane Röper FFH-Richtlinie Die Europäische Union (EU) verabschiedete am 21. Mai 1992 die Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie). Die Mitgliedsstaaten sind seitdem verpflichtet, ein europaweites Netz von besonderen Schutzgebieten zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung aufzubauen. In dieses NATURA 2000 genannte Netz sind auch die auf der Grundlage der seit 1979 geltenden EU-Vogelschutz-Richtlinie gemeldeten Europäischen Vogelschutzgebiete (EU SPA) integriert. Die FFH-Richtlinie trat in Deutschland am 05. Juni 1992, dem Tag ihrer Bekanntgabe an die Bundesrepublik Deutschland, in Kraft. Sie statuiert unterschiedliche Fristen für die einzelnen Stufen der Umsetzung und des Vollzugs, z. B. sollten bis 04. Juni 1994 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedsstaaten verabschiedet worden sein und bis zum 04. Juni 1995 die nationalen Gebietslisten bei der Kommission vorliegen, die dann daraus bis zum 04. Juni 1998 eine Liste der Besonderen Schutzgebiete der jeweiligen biogeographischen Region erstellen sollte. Bisher wurde die Kommissionsliste jedoch nur für die makaronesische Region im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Damit verzögern sich alle weiteren Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Aufbau des Netzes NATURA 2000. Rechtliche Umsetzung In Deutschland erfolgte die rechtliche Umsetzung der Vogelschutz-Richtlinie bereits durch die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 10.12.1986 (BGBl. I, S. 2349), die der FFH-Richtlinie dagegen erst durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 30.04.1998 (BGBl. I, S. 823). Das war fast vier Jahre später als in der Richtlinie gefordert (s. o.). Somit konnte auch die Meldung von NATURA 2000- Gebieten nicht fristgerecht erfolgen. Sachsen-Anhalt gab dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) 1992 neun EU SPA mit einer Gesamtfläche von 27 200 ha bekannt (vgl. Abb. 2). Die erste Meldung von FFH-Gebieten des Landes Sachsen-Anhalt wurde unabhängig von der bestehenden Rechtsunsicherheit bereits 1995 an das BMU übermittelt, von dort aber erst 1998 als Teil der deutschen Meldung an die EU-Kommission weitergereicht (vgl. Abb. 2). Diese Gebietskulisse kritisierte die EU als nicht ausreichend. Es erging deshalb im Jahre 1999 eine Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen der Nichtumsetzung der FFH-Richtlinie. Außerdem kündigte die EU-Kommission mit Schreiben vom 23.06.1999 an, dass die Ausreichung der Strukturfondsmittel für die Jahre 2000 bis 2006 nicht erfolgen wird, wenn europäische Rechtsvorschriften, wie die FFH-Richtlinie und die Vogelschutz-Richtlinie, nicht erfüllt werden. 33

Weitere Einzelheiten sind für Sachsen-Anhalt inzwischen in einem Runderlass des zuständigen Umweltministeriums geregelt, dem sogenannten Einführungserlass vom 01.08.2001, veröffentlicht im Ministerialblatt für das Land Sachsen-Anhalt (MBl. LSA. - 11(2001)48 v. 19.11.2001, S. 921 930). Auswahl der FFH-Gebiete Erste Aktivitäten zur Auswahl von Gebieten nach der FFH-Richtlinie unternahmen das Umweltministerium und das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU) im Jahr 1993, gut ein Jahr nach Bekanntgabe der Richtlinie und lange vor ihrer Umsetzung in nationales Recht. Dabei wurde zunächst davon ausgegangen, dass nur Gebiete ausgewählt werden, für die Sachsen-Anhalt eine besondere Verantwortung hat. Auf der entscheidenden Beratung am 30.09.1993 wurde eine Vorschlagsliste erarbeitet, die folgende Gebiete enthielt: Karstlandschaft des Südharzes, Hochharz, Bodetal, Selketal, Fallstein - Huy - Hakel, Binnensalzstellen bei Hecklingen und Sülldorf, Steckby-Lödderitzer Forst und Bucher Brack-Bölsdorfer Haken. Nach Beratungen und fachlichen Diskussionen ergaben sich noch Veränderungen an der Liste, denn Sachsen-Anhalt verfügt über vier Lebensraumtypen in optimaler Ausprägung, die nach der FFH-Richtlinie besonders zu schützen sind. Damit hat unser Bundesland eine besondere Verantwortung für den Erhalt von Binnensalzstellen, mesophilen Laubwäldern (einschließlich Schluchtwäldern), Auenwäldern und montanen Fichtenwäldern. Daraus resultierte die weiterentwickelte Vorschlagsliste für FFH-Gebiete des Landes Sachsen-Anhalt, die um die Binnensalzstellen in Aseleben und am Salzigen See sowie um Flächen des geplanten Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe ergänzt wurde. Zusätzlich wurden die neun im Jahr 1992 bereits als EU SPA gemeldeten Gebiete Steckby-Lödderitzer Forst, Zerbster Land, Untere Havel und Schollener See, Helme-Stausee Berga-Kelbra, Hakel, Aland-Elbe-Niederung, Drömling, Landgraben-Dumme-Niederung sowie Milde-Niederung/Altmark in die FFH-Vorschlagsliste aufgenommen, so dass Ende 1993 eine erste abgestimmte Gebietskulisse für das Land Sachsen-Anhalt vorlag. Nach der Übergabe der fachlichen Vorschläge einiger Bundesländer an das BMU zeigte sich, dass Abstimmungen zwischen dem Bund und den Ländern dringend erforderlich waren. Dazu trafen sich zunächst die Abteilungsleiter für Naturschutz der Umweltministerien der Bundesländer am 11.01.1994 mit dem BMU. Ein Ergebnis dieses Treffens war, eine abgestimmte Entscheidungsgrundlage für die noch ausstehenden Meldungen von Schutzgebieten gemäß Artikel 4 Abs. 1 der FFH- Richtlinie in Form eines fachlich und räumlich abgestimmten Netzes von Vorschlagsgebieten durch die jeweiligen Landesanstalten bis zum April 1994 erarbeiten zu lassen. Die Fachbehörden und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) trafen sich dann am 24. und 25. Februar 1994 unter Federführung des Landes Nordrhein-Westfalen und diskutierten Rahmenkriterien zur Auswahl von FFH-Gebieten, die Festlegung der naturräumlichen Gliederung als Bezugssystem für die Bewertung und Beurteilung der Repräsentanz, Repräsentativitätsstandards für die einzelnen Lebensraumtypen und Arten, die Handhabung der Datenerfassungsbögen und einen Zeitplan. In dieser Beratung stellten die Vertreter der Fachbehörden dar, dass die zu erarbeitende Gebietskulisse ein unverbindliches Fachkonzept ist, das als vorläufige Liste verstanden und fortgeschrieben werden muss. Die Länder mahnten die Klärung der rechtlichen Umsetzung der FFH-Richtlinie als vordringlich an. 34

Für Sachsen-Anhalt ergab sich aus den aktuellen Vereinbarungen dieser Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine neue Gebietskulisse mit etwa 200 Gebieten auf ca. 5 8 % der Landesfläche. Die ca.-angaben für Sachsen-Anhalt sind darin begründet, dass das Land 172 Gebiete konkret benannte, sich aber eine Überprüfung von NSG sowie von Vorkommen von Arten und Lebensraumtypen vorbehielt. Zu dieser Gebietskulisse gehörten: der Nationalpark Hochharz, das Biosphärenreservat Mittlere Elbe und Teile der geplanten Biosphärenreservate Flusslandschaft Elbe und Karstlandschaft Südharz, die Feuchtgebiete internationaler Bedeutung (IBA), gleichzeitig RAMSAR-Gebiete Untere Havel/Sachsen-Anhalt und Schollener See sowie Helmestausee Berga-Kelbra sowie das Gebiet von gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung im Drömling. Diese Gebiete wurden 1995 in die FFH-Gebietskulisse übernommen, ebenso die bereits 1992 gemeldeten neun EU SPA. Zu überprüfen war die Aufnahme der Naturschutzgebiete über 75 ha Flächengröße in die FFH-Vorschlagsliste, soweit sie Lebensraumtypen gemäß Anhang I der Richtlinie enthalten, und darüber hinaus der Naturschutzgebiete kleiner 75 ha, soweit sie Lebensraumtypen gemäß Anhang I der Richtlinie in besonderer Ausprägung enthalten (z. B. Binnensalzstellen). Weiterhin waren folgende Gebiete zu bewerten: die IBA-Gebiete Untere Mittelelbe von Derben bis Schönhausen und Saale-Elster- Aue, die Gebiete der Schattenliste zu IBA- und RAMSAR-Gebieten, die Außendeichsflächen der großen Flüsse sowie geplante NSG. Die Frage, ob alle Naturräume des Landes ausreichend in den Vorschlagsgebieten vertreten waren, musste geklärt werden. Außerdem war unbedingt zu beachten, dass im Land Sachsen-Anhalt noch eine Vielzahl anderer, in den Anhängen der FFH-Richtlinie genannte Arten eines besonderen Schutzes bedürfen! Die durch die Landesanstalten und Landesämter erarbeiteten bzw. überarbeiteten Gebietslisten und Karten der FFH-Gebietsvorschläge wurden einschließlich der Klärung grenzübergreifender Fragen am 14. und 15. April 1994 in Recklinghausen unter Beteiligung des BfN ausführlich diskutiert. Die Vertreter der Länder erklärten überwiegend, dass die vorgelegten Gebietslisten nicht abschließend und zum Teil erhebliche Nacharbeiten erforderlich sind. Dies galt sowohl für die Vollständigkeit der Gebietslisten als auch für die Vollständigkeit der Sachinhalte, wie z. B. die Auflistung der FFH-Lebensraumtypen und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse sowie die Flächenangaben. Am 30. Mai 1994 wurden die vorläufige Liste und eine Karte der FFH-Vorschlagsgebiete des Landes Sachsen-Anhalt an das BfN übersandt. Hier wurden zunächst nur die konkret benannten 172 Gebiete unverbindlich gemeldet. Unabhängig von der späten Umsetzung der Regelungen der FFH-Richtlinie in nationales Recht erfolgte durch Kabinettsbeschluss des Landes Sachsen-Anhalt vom 12.12. 1995 bereits am 28.12.1995 die verbindliche Meldung von 86 der 172 Vorschlagsgebiete nach FFH-Richtlinie mit 65 912 ha Gesamtgröße (vgl. Abb. 2). Davon wurden durch das BMU bis zum 04.03.1998 aber nur 78 Gebiete mit 55 200 ha (GIS-Fläche = 56 159 ha) an die Kommission weitergeleitet. Die Meldung von Bundesliegenschaften auf Truppen- 35

übungsplätzen unterblieb. Die Gebietsmeldung beinhaltete die bereits 1992 gemeldeten neun EU SPA, die zugleich alle als FFH-Gebiete vorgeschlagen wurden, darüber hinaus eine Anzahl unter fachlicher Verantwortung des LAU nach Kriterien der FFH-Richtlinie ausgewählter Naturschutzgebiete. Mit fortschreitender Ermittlung der Grundlagendaten zur Verbreitung von Lebensräumen und Arten, z. B. im Rahmen der selektiven Biotopkartierung und im Zusammenhang mit den Planungen zu Ökologischen Verbundsystemen (ÖVS) sowie der Erfassung von Arten als Ergebnis der Erstellung von Arten- und Biotopschutzprogrammen bzw. von Kartierungsvorhaben bestimmter Artengruppen, wurden bis Ende 1998 Defizite der ersten NATURA 2000-Gebietsmeldung sichtbar. Gleichzeitig mahnte die Kommission bei der Bundesregierung erneut die vollständige und abschließende Meldung aller geeigneten Gebiete an. In der gemeinsamen Besprechung mit Vertretern der Abteilung Naturschutz des Umweltministeriums am 29.10.1998 wurden vom LAU die bekannten Defizite bezüglich der ersten Gebietsmeldung von 1995 benannt und Vorschläge zur Vorbereitung einer abschließenden Meldung aller geeigneten Gebiete unterbreitet. Gemäß den Vorgaben der FFH- Richtlinie [Artikel 3(1)] wurden sowohl die FFH-Gebiete als auch die Vogelschutzgebiete berücksichtigt. Im März 1999 erhielt das LAU den Auftrag zur Überarbeitung der NATURA 2000-Gebietsmeldung. Dabei sollten auch die bereits 1995 vorgeschlagenen Gebiete nochmals anhand fachlicher Kriterien überprüft werden. Zu den Schwerpunktaufgaben gehörten z. B. die Prüfung und die Beurteilung des Vorkommens von Lebensraumtypen, Gefäßpflanzenarten und Tierarten einschließlich der Abgrenzung der Gebiete; die Vorbereitung einer Broschüre mit Kartengrundlagen für die öffentliche Diskussion; die Ermittlung von Gebietszuständen und Nutzungseinflüssen durch Befragungen von Naturschutzbehörden und die Feststellung administrativer Angaben. Weil im Frühjahr 1999 wesentlich umfangreichere Datengrundlagen als 1995 zur Ermittlung der geeigneten Flächen zur Verfügung standen, ergab sich für das LAU ein erheblicher, aber Erfolg versprechender Arbeitsaufwand. Die auf der Grundlage der Interpretation von Color-Infrarot-Luftbildern erarbeitete Biotop- und Nutzungstypenkartierung war landesweit digital verfügbar und stellte eine wichtige Voraussetzung zur groben Abgrenzung von NATURA 2000-Verdachtsflächen dar. Bei der Vorauswahl geeigneter Gebiete konnte auf Daten von den Oberen Naturschutzbehörden und von den Verwaltungen der Großschutzgebiete aus Schutzwürdigkeitsgutachten und Pflege- und Entwicklungsplänen zurückgegriffen werden. Die zur Ermittlung der konkreten FFH-Lebensraumtypen notwendige selektive Biotopkartierung war für etwa 98 % der Landesfläche abgeschlossen. Die Auswahl und die Bewertung von NATURA 2000-Gebieten hinsichtlich der in den Anhängen der FFH- bzw. Vogelschutz-Richtlinie genannten Tier- und Pflanzenarten war besonders problematisch. Nur für die im Rahmen von Arten- und Biotopschutzprogrammen (ABSP) abschließend bearbeiteten Landesteile Landschaftsraum Harz und Stadt Halle standen für fast alle diese Arten ausreichende und aktuelle Angaben zur Verbreitung und manchmal auch zu Populationsgrößen zur Verfügung. Für das Elbe-Gebiet konnten Daten des seinerzeit für diesen Landschaftsraum in Arbeit befindlichen ABSP verwendet werden. Spezielle Erfassungsvorhaben wurden 1999 für die relevanten Gefäßpflanzenarten durchgeführt. Dabei wurden die aufgrund historischer Angaben und aktueller Kartierungen bekannten Wuchsorte der entsprechenden Arten überprüft. So konnten sehr detaillierte Angaben über das Vorkommen und die Häufigkeit dieser Arten gewonnen werden. Teilweise gering war die Kenntnis über die Verbreitung und die Häufigkeit von wirbello- 36

sen Tierarten. Hier kam der Grundlagenermittlung für die Gebietsauswahl die Existenz eines seit der Gründung des LAU aufgebauten und intensiv betreuten Stabes ehrenamtlicher Artspezialisten zugute. Viele dieser ehrenamtlichen Naturschutzmitarbeiter verfügen aufgrund langjähriger Forschungsarbeiten über exzellente Kenntnisse der Vorkommen auch schwer nachweisbarer Arten. Sie stellten diese dem LAU auf Anfrage zur Verfügung, so dass auch nahezu alle Wirbellosen bei der Abgrenzung und Auswahl der NATURA 2000-Gebiete gebührend berücksichtigt werden konnten. Einige der schwierig zu erfassenden und in ihrer Verbreitung nur lückenhaft bekannten Arten sind aufgrund ihrer Habitatansprüche jedoch durch die FFH-Lebensraumtypen ausreichend im NATURA 2000-System des Landes repräsentiert. Die Erarbeitung der korrigierten Vorschlagsliste für die NATURA 2000-Gebiete einschließlich der Erstellung von kurzen Gebietscharakteristiken in Form einer Broschüre der vorgesehenen Gebiete mit Angaben zur Gebietsgröße und zu den für NATURA 2000 relevanten Lebensräumen und Arten sowie der entsprechenden Kartengrundlagen (Übersichtskarte 1 : 220 000, 14 Teilkarten 1 : 50 000) erfolgte durch das LAU in enger Abstimmung mit dem Umweltministerium von Anfang April bis Ende August 1999. Hierbei wurden auch die bisher verwendeten Gebietsgrößen aus den Verordnungen mit Hilfe des GIS präzisiert. Im Zuge der Erarbeitung der Liste fand durch das Umweltministerium unter Beteiligung des LAU eine fachliche Abstimmung der an den Landesgrenzen gelegenen Vorschlagsgebiete mit den angrenzenden Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen statt. Die Gesamtfläche der NATURA 2000-Gebiete Sachsen-Anhalts betrug nach dieser Vorschlagsliste rund 180 000 ha. Insgesamt handelte es sich um 168 FFH-Gebiete und 21 EU SPA. Ende August bis Anfang September 1999 wurde die Vorschlagsliste einschließlich des zugehörigen Kartenmaterials den Oberen und Unteren Naturschutzbehörden als Grundlage für eine öffentliche Diskussion übergeben. Gleichzeitig begann die Ressortabstimmung. Im Zuge der öffentlichen Diskussion der Vorschlagsliste gingen etwa 1 800 Einwendungen ein; ca. 150 weitere NATURA 2000-Gebiete wurden vorgeschlagen. Die Einwendungen und die Neuvorschläge wurden nach den Kriterien gemäß Anhang III der FFH- Richtlinie fachlich geprüft. Die überprüfte Liste enthielt nunmehr 193 FFH-Gebiete und 23 EU SPA mit einer Gesamtfläche von 200 023 ha (vgl. Abb. 2). Das entspricht einem Flächenanteil von 9,76 % an der Gesamtfläche des Landes Sachsen-Anhalt. Die Vorschläge wurden mit Kabinettsbeschluss vom 28./29. Februar 2000 bestätigt, am 30.06.2000 an das BMU übersandt und von dort am 20.10.2000 an die EU-Kommission weitergeleitet. Bewertungstreffen für die Biogeographischen Regionen in den Jahren 2001 und 2002 Bis zum Jahr 2001 hatten auch die bisher bezüglich der Meldung von FFH-Vorschlagsgebieten zögerlichen Mitgliedsstaaten der EU, darunter Deutschland, zumindest grundsätzlich brauchbare nationale Gebietslisten an die Kommission weitergeleitet. Damit konnte auch für die alpine, die atlantische und die kontinentale biogeographische Region die zweite Phase zum Aufbau des europäischen Schutzgebietsnetzes NATURA 2000 beginnen. In dieser zweiten Phase prüft die Kommission, getrennt nach biogeographischen Regionen, die nationalen Gebietslisten und entscheidet, welche der vorgeschlagenen Flächen als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung in das Netz NATURA 2000 zu integrieren sind. Dabei gegebenenfalls festgestellte Defizite bei der 37

Auswahl der Vorschlagsgebiete teilt die Kommission den betroffenen Mitgliedsstaaten mit der Auflage zur kurzfristigen Behebung der Mängel mit. Dies kann möglicherweise die Erweiterung oder die Nachmeldung von Gebieten erforderlich machen. Vor einer endgültigen Entscheidung der Kommission über die Auswahl der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung finden für die einzelnen biogeographischen Regionen Bewertungstreffen statt. Dort haben Vertreter der Mitgliedsstaaten, Mitglieder des Habitat-Ausschusses, von der Kommission benannte Experten sowie Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, d. h. von Umwelt- und Nutzerverbänden, die Möglichkeit, zu den nationalen Gebietslisten Stellung zu nehmen. Deutschland hat Anteil an der alpinen, der atlantischen und der kontinentalen biogeographischen Region. Das Bewertungstreffen für die alpine Region hat im Jahr 2001 stattgefunden, wobei von den deutschen Bundesländern nur Bayern betroffen war. Das Bewertungstreffen zur atlantischen Region fand vom 04. bis 06. Juni 2002 in Zandfoort (Niederlande) statt. Hier war Sachsen-Anhalt betroffen, da kleinere Bereiche des Landes, so das nördliche Harzvorland, der Drömling und seine unmittelbare Umgebung sowie die westlichsten Teile der Altmark an der Grenze zu Niedersachsen, zur atlantischen Region gehören. Das übrige Sachsen-Anhalt gehört zur kontinentalen Region. Hierfür fand das Bewertungstreffen vom 11. bis 13. November 2002 in Potsdam statt. Auf diesen Bewertungstreffen der EU-Kommission wurde die bisher erstellte Gebietsliste für Deutschland als teilweise unzureichend eingeschätzt, weshalb in den Protokollen zu den jeweiligen biogeographischen Regionen Defizite zu den bisher gemeldeten Vorkommen von Lebensraumtypen und Arten für die einzelnen Bundesländer oder für ganz Deutschland benannt wurden. Hervorzuheben ist, dass für Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ wenige Defizite bei den Meldungen landestypischer Naturraumausstattungen festgestellt wurden. Für die atlantische Region stuften die Sprecherprotokolle der deutschen Delegation speziell für Sachsen-Anhalt nur für drei Arten die Meldung als unzureichend ein. Minimal unzureichende Meldungen, deren Defizite durch Einträge in den Standarddatenbögen behoben werden können, wurden für drei Lebensraumtypen und für eine Art festgestellt. Für die kontinentale Region wurde für Sachsen-Anhalt die Meldung für acht Lebensraumtypen und für zehn Arten als unzureichend eingeschätzt. Minimal unzureichende Meldungen, deren Defizite durch Einträge in den Standarddatenbögen behoben werden können, gab es für vier Lebensraumtypen und für sieben Arten. Die wissenschaftliche Überprüfung von Daten bzw. Vorkommen ist für zwei Lebensraumtypen und für drei Arten notwendig. Dazu kommen Defizit-Meldungen, die im Zusammenhang mit der Vogelschutz-Richtlinie für einzelne Vogelarten als Prüfempfehlung der EU-Kommission stehen sowie solche durch das BfN für Lebensraumtypen und Arten, für die Deutschland insgesamt eine Defizit-Meldung erhielt (ohne besondere Nennung einzelner Bundesländer), wie z. B. für eutrophe Seen, Unterwasservegetation in Flüssen der Submontanstufe und der Ebenen, acht Fischarten, den Kammolch, eine Fledermausart und einzelne Insektenarten. Für die Vogelschutzgebiete wurde Sachsen-Anhalt von der EU-Kommission bisher eine sehr gute Arbeit und die mit Abstand beste Umsetzung von Fachwissen in eine Gebietsauswahl bescheinigt. Für die als defizitär eingeschätzten Lebensraumtypen und Arten wurde vom LAU bis zum Mai 2003 eine fachliche Vorschlagsliste der nachzumeldenden Gebiete erstellt. Dabei konnten aktuelle Daten der selektiven Biotopkartierung und aus den ABSP sowie aus Arterfassungsprogrammen genutzt werden. 38

Abb. 2: Entwicklung der Natura 2000-Gebietskulisse in Sachsen-Anhalt 39

Die ergänzenden Neuvorschläge zur NATURA 2000-Gebietskulisse enthalten zusammengefasst: 43 neue FFH-Gebiete von etwa 25 900 ha (davon ca. 20 900 ha auf Truppenübungsplätzen und 5 000 ha sonstige Flächen) sowie ca. 97 km Flussläufe, 31 Erweiterungen von schon gemeldeten FFH-Gebieten in einer Größenordnung von etwa 5 100 ha, 28 Fledermausquartiere in Gebäuden (überwiegend jeweils weniger als 0,01 ha, daneben einige flächige Habitate), acht Erweiterungen schon bestehender Vogelschutzgebiete um etwa 27 500 ha, neun neue Vogelschutzgebiete mit etwa 20 800 ha. Mit Kabinettsbeschluss vom 09.09.2003 beträgt damit der Anteil der NATURA 2000- Gebiete in Sachsen-Anhalt 230 744 ha, das sind 11,26 % der Landesfläche. Davon entfallen 177 352 ha (= 8,65 % der Landesfläche) auf FFH-Gebiete und 170 444 ha (8,31 % der Landesfläche) auf Vogelschutzgebiete, wobei sich beide teilweise überlappen (vgl. Abb. 2). Die über Jahre währenden Aktivitäten zur Erarbeitung der Vorschlagslisten der NATURA 2000-Gebiete haben die Weiterentwicklung des NSG-Systems in Sachsen-Anhalt etwas in den Hintergrund treten lassen. Früher erfolgten die NSG-Ausweisungen eher sporadisch und in Abhängigkeit von den vor Ort tätigen und ansässigen Spezialisten. Nun sind die Länder gemäß Artikel 6 der FFH-Richtlinie dazu verpflichtet, die NATURA 2000-Gebiete durch Gebietsschutz oder durch vertragliche Regelungen zu erhalten. Somit könnten die momentan verhalten durchgeführten NSG-Ausweisungen in den nächsten Jahren einen neuen Schub erhalten. Welchen Beitrag die NSG bereits heute zur Sicherung der Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie leisten, verdeutlicht der folgende Beitrag. Literatur: 1265, 1266, 1460, 2526, 2527 40