Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse



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Transkript:

............ Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Rechtsgutachten zur Evaluierung des Haftungsregimes für Host- und Access-Provider im Bereich der Telemedien im Auftrag des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.v. (Stand: 20. Dezember 2008) Erstellt durch: Rechtsanwalt Dr. Dieter Frey, LL.M. (Brügge) (Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht) Rechtsanwalt Dr. Matthias Rudolph

Wesentliche Ergebnisse des Rechtsgutachtens lassen sich wie folgt zusammenfassen: Jugendmedienschutzrechtliche Haftung von Host- und Access-Providern Rechtliche Grundlage für die jugendmedienschutzrechtliche Haftung von Host- und Access- Providern bildet 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV mit seinen Verweisen auf 7 bis 10 TMG sowie auf 59 Abs. 2 bis 4 RStV. o Komplexe Verweiskette Zunächst erweist sich 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV durch die in die Norm integrierten Verweise auf die Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den 7 bis 10 TMG sowie auf 59 Abs. 2 bis 4 RStV, die bereits jeweils isoliert betrachtet erhebliche Auslegungsschwierigkeiten bereiten, als eine äußerst komplexe Vorschrift. Es erscheint zumindest fraglich, ob die durch den JMStV Betroffenen die Rechtslage noch hinreichend klar erkennen und sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können. Sowohl Host- als auch Access-Provider lassen sich als Anbieter von Telemedien i.s.d. 20 Abs. 1 und Abs. 2 JMStV qualifizieren und können insoweit Adressaten von Maßnahmen nach dem JMStV sein. Während die Einordnung von Host-Providern als Anbieter von Telemedien keine Schwierigkeiten bereitet, kommen Access-Provider als Anbieter von Telemedien nur im Rahmen einer typisierten Betrachtung der von ihnen erbrachten Tätigkeiten als einheitlichen Dienst in Betracht. Zwar lässt sich ein wesentlicher Teil des als einheitlich zu betrachtenden Dienstes von Access-Providern funktional den Schichten 1 bis 4 des ISO/OSI- Referenzmodells und daher der reinen Telekommunikation zuordnen. Allerdings schließt die Vermittlung des Zugangs zum Internet für gewöhnlich Elemente ein, die der Anwendungsschicht zuzuordnen sind. Im Ergebnis werden Access-Provider daher noch als Anbieter von Telemedien, die überwiegend im Transport von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, zu qualifizieren sein. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Vermittlung des Zugangs zum Internet und dessen Nutzung aus der Perspektive des TKG einen Telekommunikationsdienst gem. 3 Nr. 24 darstellen. Access-Provider unterliegen daher einem doppelten Regelungsregime. Die ausdrückliche Anordnung in 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV, die Verantwortlichkeiten nach den 7 bis 10 TMG bei der jeweiligen Entscheidung zu beachten, kann dahingehend gedeutet werden, dass der Gesetzgeber ausdrücklich das in den 7 bis 10 TMG geregelte System abgestufter Verantwortlichkeiten auch im Bereich des Jugendmedienschutzes, insbesondere den Ausschluss von Überwachungs- und Nachforschungspflichten, festschreiben wollte. Die zuständige Landesmediananstalt dürfte sich daher bereits aufgrund der geforderten Beachtung des Systems der abgestuften Verantwortlichkeiten zunächst an die 2

Content-Provider halten müssen, bevor sie Host-Provider in Anspruch nimmt. Access-Provider dürfen erst in Anspruch genommen werden, wenn ein Vorgehen gegen Content- und Host- Provider wegen eines rechtswidrigen Inhalts ausscheidet. Darüber hinaus stellt der Gesetzgeber durch den Verweis nochmals klar, dass Host- und Access-Providern keine allgemeinen Überwachungs- und Nachforschungspflichten aufgeben werden dürfen. Das Erfordernis einer zwingend vorgeschriebenen Feststellung eines bestehenden Verstoßes gem. 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV gegen die Bestimmungen des JMStV führt zu einem umfassenden Ausschluss von Überwachungs- und Nachforschungspflichten, der auch spezifische Fälle erfasst. Durch die vorgeschriebene Feststellung eines Verstoßes wird die KJM bzw. die zuständige Landesmedienanstalt angehalten, die konkret rechtsverletzenden Informationen zu identifizieren und damit exakt den Verfügungsgegenstand sowie den richtigen Adressaten zu bestimmen. Darüber hinaus unterbindet die zwingend vorgesehene Feststellung eines bereits eingetretenen Verstoßes gegen die Bestimmungen des JMStV eine vorbeugende Inanspruchnahme von Host- und Access-Providern. In der Bezugnahme auf 59 Abs. 3 und Abs. 4 RStV in 20 Abs. 4 JMStV drückt sich ein weiteres Mal die Möglichkeit einer nur subsidiären Inanspruchnahme von Host- und Access- Providern im Verhältnis zu Content-Providern aus. Es besteht insoweit ein Regel/Ausnahmeverhältnis bzw. ein Subsidiaritätsgrundsatz. Maßnahmen sind zunächst stets an den Content-Provider zu richten. An das Vorliegen der Voraussetzungen für eine nur ausnahmsweise vorgesehene Inanspruchnahme von Host- und Access-Providern sind daher strenge Anforderungen zu stellen. Aus dem sowohl in 59 Abs. 3 und Abs. 4 RStV als auch in den 8 bis 10 TMG vorgesehenen System abgestufter Verantwortlichkeiten ist zu folgern, dass Maßnahmen gegenüber Access-Providern, die nur den Zugang zu ihnen unbekannten fremden Inhalten vermitteln, lediglich als ultima ratio in Betracht kommen. Bei Inlandssachverhalten dürfte generell von einer Unzulässigkeit der Inanspruchnahme von Access-Providern auszugehen sein, da hier Content- und Host-Provider zur Gefahrenabwehr herangezogen werden können. Auch bei Sachverhalten, die Mitgliedstaaten der Europäische Union betreffen, wird eine Inanspruchnahme von Access-Providern infolge des in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste vorgesehenen Konsultations- und Prüfungsverfahrens nur ausnahmsweise zulässig sein. Im Ergebnis sind daher zunächst Maßnahmen an die jeweiligen Content- Provider zu richten, bevor Sperrungsverfügungen gegenüber Host-Providern erwogen werden können. Erst im Anschluss hieran dürfen Sperrungsverfügungen gegenüber Access-Providern in Betracht gezogen werden. Aufgrund fehlender Hinweise für eine abschließend gemeinte Regelung darf davon ausgegangen werden, dass die allgemeinen Grundsätze der Störerhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht zumindest ergänzend herangezogen werden können, soweit 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV i.v.m. 59 Abs. 3 und Abs. 4 RStV keine Regelung enthält. Entsprechend dieser Grundsätze sind Content-Provider als Verhaltensstörer, Host-Provider als 3

Zustandsstörer und Access-Provider, die polizei- und ordnungsrechtlich neutrale Infrastrukturdienste erbringen, als Nichtstörer zu qualifizieren. Es spricht viel dafür, eine Inanspruchnahme von Access-Providern im Lichte ihrer Nichtverantwortlichkeit entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts nur bei schwerwiegenden Rechtsverstößen zuzulassen. Als Maßstab für schwerwiegende Rechtsverstöße ließe sich auf den Katalog gem. 4 Abs. 1 JMStV rekurrieren. Aus einer ergänzenden Auslegung der 20 Abs. 1 und Abs. 4 i.v.m. 59 Abs. 3 und Abs. 4 RStV unter Heranziehung der Grundsätze der polizei- und ordnungsrechtlichen Grundsätze der Störerhaftung folgt zudem eine Entschädigungspflicht für nichtstörende Provider. o Technische Möglichkeit und Zumutbarkeit von Sperrungsverfügungen Schließlich sind Sperrungsverfügungen gegenüber Host- und Access-Providern nur zulässig, wenn sie technisch möglich und zumutbar sind. Führt ein technischer Weg der Sperrung zur Beeinträchtigung zahlreicher legaler Inhalte, ist die Sperrung des konkret zu sperrenden Inhalts mittels dieses technischen Ansatzes bereits technisch nicht möglich; die technische Möglichkeit muss geeignet sein, Informationen isoliert zu sperren. Im Hinblick auf die technische Möglichkeit einer Sperrung ist zudem zu berücksichtigen, dass sie stets auf den vorhandenen technischen Realitäten aufsetzen muss, vor allem auf der bestehenden (Netz- )Infrastruktur. Eine Sperrungsverfügung darf nämlich eine Sperrung nur anordnen, die technisch möglich ist, nicht indes die Sperrung technisch erst ermöglichen. Auch die Grenze der Zumutbarkeit dürfte überschritten sein, wenn ein Provider zur Umsetzung der Sperrungsverfügung Hard- und Softwarekomponenten erst erwerben, entsprechend Personal einstellen und gegebenenfalls die eigene Netztopologie ändern müsste. Solche staatlich erzwungenen Investitionen wären insbesondere einem nichtstörenden Provider unabhängig von seinem Entschädigungsanspruch nicht mehr zumutbar. In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass Sperrungsverfügungen Eingriffe in die gem. Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit bzw. in das gem. Art. 14 GG geschützte Eigentum darstellen. Im Rahmen der Zumutbarkeit sind auch Meinungs-, Presse-, Informations-, Kunstund Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 GG zu berücksichtigen; Access-Providern kommt in unserer heutigen Gesellschaft im Hinblick auf die Informationsbeschaffung der Bürger eine herausragende Rolle zu. Die Prüfung der bisher diskutierten Sperransätze zeigt, dass eine Sperrung im eigentlichen Sinn, namentlich die Verhinderung der Erreichbarkeit eines rechtswidrigen Inhalts, aufgrund der dezentralen Strukturen des Internets nicht möglich ist. Es sind allenfalls Zugangsbeschränkungen realisierbar, die sich im Ergebnis jedoch mit einfachen Mitteln umgehen lassen. Allerdings wird man im Lichte der zu den Düsseldorfer Sperrungsverfügungen ergangenen Rechtsprechung als Sperrung ausreichen lassen müssen, wenn ein technischer Sperransatz einen Schritt in die richtige Richtung darstellt und lediglich zu einer Erschwerung des Zugriffs auf Inhalte führt. Eine Sperrung dürfte allerdings 4

dann nicht mehr zumutbar sein, wenn der Aufwand für eine Sperrung außer Verhältnis zu der mit ihr erzielten moderaten Wirkung steht. Dabei ist auf die Verhältnisse des jeweiligen Access-Providers abzustellen, für den die Maßnahmen je nach Organisation seines Betriebes unterschiedlich belastend sein können. Sollte es zu einer Vielzahl von Sperrungsverfügungen gleicher Art kommen, wird die Zumutbarkeit wegen der damit verbundenen Belastung besonders sorgfältig zu prüfen sein. Unabhängig von der technischen Möglichkeit und der Zumutbarkeit einer Zugangsbeschränkung durch Manipulationen im Zusammenhang mit IP-Adressen, DNS- Namen, Portnummern, URLs usw. dürfen nur solche Zugangsbeschränkungen vorgenommen werden, die nicht in das Telekommunikationsgeheimnis eingreifen. Sperrungsverfügungen hingegen, die in das Telekommunikationsgeheimnis eingreifen, sind gem. 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV i.v.m. 59 Abs. 3 und Abs. 4 RStV nicht zulässig. Diese Vorschriften ermächtigen nicht zu Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis. Access-Providern als Anbietern von Telekommunikationsdiensten ist es gem. 88 Abs. 3 TKG daher untersagt, Inhalte und Umstände der Telekommunikation für Zwecke der Sperrung zu verwenden. Zugangsbeschränkungen zu rechtswidrigen Informationen durch Manipulationen im Zusammenhang mit Umständen der Telekommunikation, von denen Access-Provider Kenntnis erlangen, namentlich IP-Adressen, DNS-Namen, Portnummern, URls usw., werden folglich als unzulässige Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis aufzufassen sein, die empfindliche Sanktionen nach sich ziehen können. Aufgrund des Schutzes des Telekommunikationsgeheimnisses sind gegenwärtig außerdem keine freiwilligen netzbasierten Sperren durch Access-Provider möglich, wie sie teilweise diskutiert werden. o Schwachstellen und Lösungsansätze Im Rahmen der Überarbeitung des gesetzlichen Rahmens sollte deutlicher berücksichtigt werden, dass Access-Provider, die rechtlich neutrale und gesellschaftlich gewünschte Infrastrukturdienste erbringen, als polizei- und ordnungsrechtliche Nichtstörer nur als ultima ratio wegen Informationen, die schwerwiegende Verletzungen herausragender Rechtsgüter darstellen (wie z.b. der Fall der Kinderpornographie), für eine Zugangserschwerung herangezogen werden dürfen. Dabei wäre zu beachten, dass Access-Provider hierzu in der Regel nur für Sachverhalte herangezogen werden dürfen, die außerhalb der Europäischen Union liegen. Es ist weiterhin sicherzustellen, dass im grundrechtssensiblen Bereich von Zugangserschwerungen durch Access-Provider eine rechtliche Einstufung von Informationen als schwerwiegende Rechtsverletzungen herausragender Rechtsgüter, zu denen Access- Provider den Zugang als ultima ratio erschweren sollen, in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgt, in dem alle Umstände des Einzelfalls konfligierender Grundrechtspositionen der Betroffenen abgewogen werden. Ein solches Verfahren muss allen Betroffenen die 5

Möglichkeit geben, vor einer Entscheidung gehört zu werden. Allen Betroffenen muss zudem die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung eröffnet sein. Es erscheint sachlich naheliegend, auf die bereits bestehende Kompetenz der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) bei der Indizierung von Träger- und Telemedien unter der bestehenden Einbindung der KJM sowie auf die insoweit bestehenden Verfahren zu rekurrieren. Entsprechend der Regelungslogik des JuSchG ließe sich eine gesonderte Liste gesetzlich vorsehen, in die nach abgeschlossener Prüfung die Informationen eingestellt werden, die sich als schwerwiegende Rechtsverletzungen herausragender Rechtsgüter erweisen, zu denen Access-Provider als ultima ratio den Zugang erschweren sollen. Eine gesetzliche Neuregelung muss in diesem Zusammenhang außerdem den Umfang bestimmen, in dem Access-Provider zu Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis berechtigt sind. Das Zitiergebot ist dabei zu wahren. Es sollte hinreichende Normenklarheit und Normenbestimmtheit angestrebt werden. Aufgrund der vielschichtigen Rechtspositionen, die durch die Erschwerung des Zugangs zu rechtswidrigen Informationen berührt werden, sollte eine Neuregelung in Bezug auf alle Handlungen, die Access-Provider als Nichtstörer in Erfüllung der von ihnen verlangten Zugangserschwerungen vornehmen, auch eine umfassende Freistellung von Haftungsansprüchen vorsehen. Darüber hinaus sollte eine Neuregelung eine ausdrückliche Regelung zur Kostenerstattung für Access-Provider als Nichtstörer enthalten. Zivilrechtliche Haftung von Host- und Access-Providern Die zivilrechtliche Haftung von Host- und Access-Providern im Hinblick auf Rechtsverletzungen Dritter stellt derzeit in der Praxis einen zentralen Diskussionspunkt dar. Obwohl das TMG, welches die EG-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr in deutsches Recht umsetzt, detaillierte Regeln zur Verantwortlichkeit von Diensteanbietern enthält, besteht insbesondere bei zivilrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Ansicht des BGH, wonach die Haftungsprivilegierung des TMG nicht auf Beseitigungsund Unterlassungsansprüche gegen Host-Provider anwendbar ist, überzeugt im Lichte des deutschen Rechts nicht und stößt vor dem Hintergrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des TMG auf schwerwiegende Bedenken. Im Interesse einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des deutschen Rechts sowie zur autoritativen Auslegung der umzusetzenden Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr wäre ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH erforderlich gewesen. Die 7ff. TMG mit ihrer Filterfunktion enthalten selbst keine Anspruchsgrundlage. Es werden daher auch keine unmittelbaren Regelungen zu den zivilrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen getroffen. Der BGH begründet in seiner neueren Rechtsprechung zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen Host-Provider im Hinblick auf 6

Rechtsverletzungen Dritter auf der Grundlage zweier dogmatischer Ansätze: Während er im Zusammenhang mit der Verletzung von absoluten Rechten die Grundsätze der Störerhaftung zur Anwendung bringt, hat er in dem Urteil Jugendgefährdende Medien bei ebay erstmals ausdrücklich eine täterschaftliche Haftung nach dem UWG wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten zugrunde gelegt. o Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten Die von dem BGH in dem Urteil Jugendgefährdende Medien bei ebay entwickelte täterschaftliche Haftung wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten hat die Störerhaftung im Wettbewerbsrecht verdrängt. Bei der Verletzung von Verkehrspflichten handelt es sich um tatbestandliche Elemente des 3 UWG, anhand derer das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes bestimmt wird. Weitere Tatbestandsvoraussetzung eines Verstoßes gegen das Lauterkeitsgebot in 3 UWG durch Host-Provider sind das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung sowie die Verursachung einer zurechenbaren, ernsten Gefahr. Da unter dem Begriff des Host-Providings ganz unterschiedliche Tätigkeiten zusammengefasst werden, ist in jedem Einzelfall gesondert zu würdigen, ob eine Wettbewerbshandlung gem. 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG wobei besonderes Augenmerk auf eine vermeintliche Wettbewerbsförderungsabsicht des Diensteanbieters zu legen ist angenommen werden kann. Gleiches gilt hinsichtlich des Merkmals der Verursachung einer zurechenbaren, ernsten Gefahr: Während die Eröffnung einer ernsten Gefahrenquelle anhand abstrakter Gesichtpunkte zu prüfen ist, zeigt die von dem BGH konkret geprüfte Manifestation der Gefahren, dass die Notwendigkeit einer konkreten diensteorientierten Prüfung für die Zurechnung besteht. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist nach dem BGH wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Welche Anforderungen dabei an Host-Provider bezüglich ihrer jeweiligen Tätigkeitsgebiete zu stellen sind, bleibt offen. Zur Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten nimmt der BGH auf die aus der Störerhaftung bekannten Prüfungspflichten Bezug. Die Prüfungspflicht, also die Pflicht zur Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Sachverhalts, geht dabei dem BGH zufolge Hand in Hand mit einer Pflicht des Host-Providers zum Eingreifen, um die identifizierte Gefahr zu bekämpfen. Das Spektrum der Eingreifpflichten umfasst dem BGH zufolge auch die Pflicht zur Verhinderung gleichgelagerter Rechtsverstöße. Die in dem Urteil Jugendgefährdende Medien bei ebay festgestellten weitreichenden Eingreifpflichten zur Verhinderung gleichgelagerter Rechtsverstöße beinhalten auch Filter- und Überwachungspflichten, mit denen neue Sachverhalte aufgeklärt werden, die wiederum einer Rechtswidrigkeitsprüfung zu unterziehen 7

sind und in neue Eingreifpflichten münden. Damit wird eine dogmatische Endlosschleife begründet, in der sich die haftungsauslösende Pflicht zur Prüfung einer spezifischen Rechtsverletzung des Dritten verliert und in eine allgemeine Überwachungspflicht mündet. Die mit den Prüfungspflichten intendierte einzelfallbezogene Interessenabwägung des BGH birgt zudem ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, da es an gesetzlich fixierten Kriterien der Inanspruchnahme in einem Bereich fehlt, den der Gesetzgeber durch ein ausdifferenziertes Haftungsregime klar und vorhersehbar regeln wollte. Es ist unklar, ob die Interessenabwägung zumindest die Möglichkeit einer subsidiären Inanspruchnahme von Host- Providern eröffnet. Die einzelfallbezogene Beurteilung lässt Raum für diese Voraussetzung einer prioritären Inanspruchnahme der unmittelbaren Rechtsverletzer, wenn weniger wichtige Rechtsgüter als der Jugendschutz oder andere Formen des Host-Providings, die den betreffenden Diensteanbieter nicht als Herrn des Angebots erscheinen lassen, in Rede stehen. Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten gemäß 3 UWG stellen lediglich eine lauterkeitsrechtliche Verhaltensanordnung dar, deren Nichtbeachtung insbesondere durch die negatorischen Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung nach 8 Abs. 1 UWG sanktioniert werden können. Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten sind gerichtlich daher nur inzident zu prüfen, wenn ein Unterlassuns- und Beseitigungsanspruch geltend gemacht wird. Dabei stellt sich das weitere Problem, dass der BGH nicht nur auf der Ebene des Lauterkeitstatbestands die Pflicht zur Verhinderung gleichartiger Rechtsverletzungen etabliert, sondern zusätzlich die sogenannte Kerntheorie zur Geltung bringt. Die Kerntheorie wird bei der Feststellung der Begehungsgefahr als weitere tatbestandliche Voraussetzung des Anspruchs sowie bezüglich der Reichweite des titulierten Unterlassungsgebots angewendet. Der BGH bürdet damit aus Rechtsschutzerwägungen denjenigen, die nur aufgrund einer Mitwirkungshandlung und nicht aufgrund der unmittelbaren Verletzung des geschützten Rechtsguts in Anspruch genommen werden können, erneut ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit auf. Es werden so wesentliche Elemente des Erkenntnisverfahrens in das Vollstreckungsverfahren verschoben. Es ist zweifelhaft, ob die bewusste Verschiebung zentraler Anspruchsvoraussetzungen in ein Ordnungsmittelverfahren gem. 890 ZPO noch unter Hinweis auf die Kerntheorie (und die Reichweite von lauterkeitsrechtlichen Prüf- und Eingreifpflichten) zu rechtfertigen ist. Wenn der Kern einer Rechtsverletzung systembedingt erst im Vollstreckungsverfahren konkretisiert wird, ist es für den Unterlassungsschuldner weder möglich, sein Verhalten aufgrund des titulierten Unterlassungsgebots konkret zu steuern, noch kann er selbst im Erkenntnisverfahren ausufernden Deutungen des Entscheidungstenors vorbeugen. Die Vereinbarkeit dieser Rechsprechung mit 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sowie dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot ist fragwürdig. Zudem werden Host-Providern allgemeine Überwachungspflichten aufgebürdet, die gemäß 7 Abs. 2 S. 1 TMG und Art. 15 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr unzulässig sind. 8

Die Rechtsprechung des BGH zur täterschaftlichen Haftung von Host-Providern wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten ist nicht auf Access-Provider übertragbar. Access-Provider stellen die Verbindung zu dem weltweiten Kommunikationsnetz her, ohne dabei in irgendeiner Weise über Inhalte und die Form der Angebote und Webseiten bestimmen zu können und zu wollen. Der Transport fremder Informationen über die Infrastruktur der Access-Provider ist inhaltsneutral, d.h. der erbrachte Telekommunikationsdienst erschöpft sich in der technischen Übermittlung von Datenpaketen, ohne dass diese inhaltlich zu qualifizieren wären. Etwaige Wettbewerbsverstöße Dritter sind daher nicht erkennbar, so dass eine Handlung zur Förderung fremden Wettbewerbs gem. 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt UWG ausscheidet. Access-Provider schaffen zudem keine zurechenbaren Gefahrenquellen. Ihr Verantwortungsbereich erstreckt sich nicht auf die Durchsetzung der deutschen Rechtsordnung im weltweiten Internet. Dies belegen auch die Wertungen des Jugendschutzgesetzes, welches auf den Einsatz nutzerautonomer Filterprogramme im Hinblick auf indizierte Webseiten aus dem Ausland setzt ( 24 Abs. 5 JuSchG) und damit auf die Letztverantwortung der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten abhebt. Schließlich ist festzuhalten, dass wettbewerbsrechtlich begründete Sperrungsmaßnahmen gegen Access-Provider nicht nur erheblichen technischen Restriktionen unterlägen, sondern auch unzumutbar wären. Sie würden Access-Providern als polizei- und ordnungsrechtliche Nichtstörer kostenintensive Maßnahmen der staatlichen Gefahrenabwehr aufbürden. Dabei zeigt gerade der Jugendschutzbereich, dass die sensible Frage einer Sperrung ausländischer Webseiten nur aufgrund einer förmlichen und eingehenden verwaltungsrechtlichen Prüfung mit einer daran anknüpfenden hoheitlichen Entscheidung erfolgen kann. Es handelt sich um schwierige Abwägungsentscheidungen der zuständigen Landesmedienanstalt. Letztere muss durch die KJM gem. 20 Abs. 4 JMStV entscheiden und auch Gesichtspunkte wie entgegenstehende Grundrechte, die Subsidiarität einer Inanspruchnahme von Access- Providern nach 59 Abs. 4 RStV, die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs sowie gegebenenfalls das vorrangige Recht der Europäischen Gemeinschaft prüfen. o Immaterialgüterrechtliche Störerhaftung Im Gegensatz zum Wettbewerbsrecht hält der BGH an den Grundsätzen der Störerhaftung im Immaterialgüterrecht uneingeschränkt fest. Wer bei der Verletzung absoluter Rechte ohne Täter oder Teilnehmer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines absoluten Rechts beiträgt, kann als Störer in Anspruch genommen werden. Auch im Bereich der immaterialgüterrechtlichen Störerhaftung soll der potentiell weitreichende Haftungsrahmen dadurch eingeschränkt werden, dass zusätzlich die Verletzung von Prüfungspflichten durch den vermeintlichen Störer Voraussetzung der Haftung ist. 9

Die mit dem Merkmal der Prüfungspflichten intendierte Interessenabwägung im Einzelfall ermöglicht eine gewisse Parallelität der Wertung im Wettbewerbsrecht und im Immaterialgüterrecht. Anders als im Wettbewerbsrecht werden für die immaterialgüterrechtliche Störerhaftung aber keine persönlichen Tatbestandsmerkmale vorausgesetzt, die mit einer Wettbewerbshandlung oder einer Verursachung einer zurechenbaren, ernsten Gefahr korrespondieren. Im Hinblick auf die Verletzung absoluter Rechte im Immaterialgüterrecht ist neben den rechtsgebietsspezifischen Anspruchsgrundlagen Ausgangspunkt einer vermeintlichen Störerhaftung die adäquate (Mit-)Verursachung eines rechtswidrigen Erfolges, den Dritte herbeiführen (z. B. Urheberrechtsverletzungen). Ein willentlich adäquater Beitrag liegt nach dem BGH bereits in der Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Eine klare Grenzziehung zwischen allgemeinem Lebensrisiko und der einem vermeintlichen Störer zurechenbaren Urheberrechtsverletzung hat der BGH zuletzt in dem Urteil Paperboy aus dem Jahre 2003 vorgenommen. Dieser Ansatz scheint aber mit den Prüfungspflichten als Haftungskorrektiv für den sonst ausufernden Anwendungsbereich der immaterialgüterrechtlichen Störerhaftung weitgehend in den Hintergrund zu treten. Die von Host-Providern erbrachten Leistungen dürften nach dem BGH regelmäßig als adäquat kausaler Beitrag zu bewerten sein, wenn Rechtsverletzungen Dritter in ihrer Sphäre vorkommen. Welche Prüfungspflichten sie treffen, bleibt dabei ebenso wie bereits in Bezug auf die wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten festgestellt vage, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Interessenabwägung im Rahmen heterogener Fallgestaltungen. Prüfungspflichten müssen in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung sowie des Geschäftsmodells eines vermeintlichen Störers ermittelt werden. Dabei ist übergreifend zu berücksichtigen, dass auch nach den Grundsätzen der immaterialgüterrechtlichen Störerhaftung Host-Providern keine allgemeinen Überwachungspflichten im Sinne des 7 Abs. 2 S. 1 TMG und des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auferlegt werden dürfen. Die vor dem Hintergrund unklarer Prüfungspflichten auftretende Problematik nur schwer zu beurteilender Rechtsverletzungen Dritter kann entgegen der Haltung des BGH durch die Subsidiarität der Störerhaftung gegenüber einer prioritären Inanspruchnahme des unmittelbaren Verletzers abgemildert werden. Trotz der Subsidiarität dürfte aber die Pflicht des Host-Providers zumutbar sein, Informationen zu der vermeintlichen Immaterialgüterrechtsverletzung unter Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen zu sichern und den Rechteinhabern Auskunft auf der Basis der seit dem 1. September 2008 geltenden immaterialgüterrechtlichen Auskunftsansprüche, die mit dem sog. Durchsetzungsgesetz eingeführt wurden, zu erteilen. 10

Auch im Zusammenhang mit der immaterialgüterrechtlichen Störerhaftung illustriert die Rechtsprechung zur Verhinderung gleichgelagerter Rechtsverletzungen, die gleichzeitig mit der sogenannte Kerntheorie und mit in die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüchen kombiniert wird, anschaulich die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Dadurch wird deutlich, dass zur Klärung der weitreichenden Haftungsfragen in der Online-Sphäre der Gesetzgeber und nicht die Rechtsprechung aufgerufen ist, die Sorgfaltsmaßstäbe festzulegen, die Host-Provider zur Verhinderung einer Inanspruchnahme ergreifen müssen. Eine Inanspruchnahme von Access-Providern im Hinblick auf die Verletzung von Immaterialgüterrechten, die sich in der Sphäre des weltweiten Internets ereignen, scheidet aus. Im Hinblick auf die gesellschaftlich erwünschte und inhaltsneutrale Infrastrukturleistung der Access-Provider sind allenfalls allgemeine Informations- und allgemeine Aufklärungspflichten gegenüber ihren Kunden denkbar. Diese können darin bestehen, auf die Verpflichtung ihrer Kunden zur Beachtung fremder Urheberrechte und sonstiger Immaterialgüterrechte hinzuweisen. Ergänzend kann die Aufklärung auch in einer für Nichtjuristen verständlichen Art und Weise auf einer medientypisch verfügbaren Webseite des Access-Providers vorgenommen werden. o Schwachstellen und Lösungsansätze Das gegenwärtige zivilrechtliche Haftungsregime erzeugt in der durch die Rechtsprechung erfahrenen Auslegung teilweise erhebliche Rechtsunsicherheit bezüglich der anzulegenden Sorgfaltsmaßstäbe von Host-Providern. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes hat der BGH in seiner Rechtsprechung zur Haftung von Online-Marktplätzen weitreichende, aber inhaltlich unbestimmte Prüfungs- und Eingreifpflichten aufgestellt, die sehr deutlich die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung offenbaren. Auf der rechtlichen Grundlage von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen wurden vage und nur schwer zu handhabende Sorgfaltsmaßstäbe, die durch eine denkbar weite Ausdehnung des Pflichtenkreises im Rahmen einer täterschaftlichen Haftung wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten sowie der immaterialgüterrechtlichen Störerhaftung begründet. Dieser Versuch, ein Sorgfaltsgebäude ohne gesetzliche Statik und allein auf der Grundlage negatorischer Abwehransprüche aufzubauen, widerspricht der Intention des europäischen und des deutschen Gesetzgebers, durch detaillierte Regeln einen zuverlässigen Interessenausgleich anzustreben. Dabei werden zugunsten des effektiven Rechtsschutzes die Vorhersehbarkeit und Bestimmtheit von Sorgfaltsanforderungen außer Acht gelassen und das Verbot allgemeiner Überwachungspflichten des 7 Abs. 2 S. 1 TMG sowie des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehrs nicht ausreichend beachtet. Die Ergänzung und Änderung des gesetzlichen Rahmens, die den Ausgleich unterschiedlicher Grundrechtspositionen (z.b. das Eigentumsrecht, das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, die Berufsfreiheit und das Fernmeldegeheimnis) erforderlich machen, 11

erfordern im Hinblick auf den sensiblen Bereich der Haftung in der Online-Sphäre eine gesetzgeberische Legitimation mit einem demokratischen Willensbildungsprozess. Die Überarbeitung des TMG sollte in Bezug auf Host-Provider genutzt werden, klare Grenzen für die Anwendung einer täterschaftlichtlichen Haftung wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten sowie einer immaterialgüterrechtlichen Störerhaftung zu setzen. Sorgfaltsmaßstäbe sind zu konkretisieren und eine Subsidiarität der Haftung wäre unter bestimmten Bedingungen zu etablieren. Zur Verbesserung der Effektivität des Rechtsschutzes ist für den Bereich des Immaterialgüterrechts auch die Etablierung eines gesetzlich geregelten Notice & Takedown -Verfahrens denkbar; hieran sind aber eine Reihe gesetzlicher Anforderungen zu stellen. Bezogen auf Access-Provider würde sich nur insofern eine Ergänzung des gesetzlichen Rahmens empfehlen, als der Gesetzgeber deutlich machen sollte, dass Access-Provider aufgrund ihrer gesellschaftlich besonders erwünschten, inhaltsneutralen Tätigkeit generell nicht für Rechtsverletzungen in der Sphäre des Internets haften. Im Hinblick auf die Kunden der Access-Provider könnten daneben allgemeine Informations- und allgemeine Aufklärungspflichten als Sorgfaltsmaßstab konkretisiert werden. Überlegungen nach dem französischen und englischen Modell Graduated Response, die auch in Deutschland angestellt werden, sind kein probates Mittel, um nach deutschem Recht die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten zu stärken. Solche (freiwilligen) Maßnahmen von Access-Providern im Hinblick auf vermeintliche Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden, die bis zur Sperrung des Internetzugangs eines Kunden gehen sollen, sind mangels eines gesetzlich geregelten Rahmens, der sicherstellt, dass alle betroffenen Grundrechtspositionen zu einem interessengerechten Ausgleich gebracht und die rechtsstaatlichen Standards des Grundgesetzes beachtet werden, ausgeschlossen. Der gesetzliche Rahmen wurde erst kürzlich durch die Einführung des immaterialgüterrechtlichen Drittauskunftsanspruchs ergänzt. Seit dem 1. September 2008 können auch Access-Provider unter Beachtung des Richtervorbehalts bei der Verwendung von Verkehrsdaten von Rechteinhabern auf Auskunft in Anspruch (vgl. 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG) genommen werden. Die aufgrund des Anspruchs ergehenden Auskunftsanordnungen ermöglichen Rechteinhabern ein unmittelbares Vorgehen gegen Rechtsverletzer. Der Anspruch stellt daher strukturell einen richtigen Ansatz dar, um die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten in der Internetsphäre im Interesse der Rechteinhaber zu verbessern. Weitergehende Schritte erscheinen kurzfristig, ohne eine Bewertung dieses neuen Instruments der Rechtsverfolgung, nicht angebracht. 12