Arthur Schopenhauer Rationalist und Aufklärer?

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Transkript:

Arthur Schopenhauer Rationalist und Aufklärer? Ein Symposium zu Schopenhauers Werk und seiner fortdauernden Bedeutung Ziel der Veranstaltung am 8. Oktober 2016 im Nürnberger Marmorsaal war es, Schopenhauers Leben und Werk nicht nur philosophiegeschichtlich nachzuzeichnen, sondern von dessen Verhältnis zum Denken der Aufklärung aus die Bezüge zu heutigen Problemlagen herausarbeiten für sozialphilosophische und ethische Fragen ebenso wie für das Menschenbild, wobei Schopenhauer u.a. als Wegbereiter der modernen Psychologie und Neurophilosophie sowie als Vorreiter der Evolutionstheorie zu würdigen war. Mitleidsethik und Vernunftkritik sind hier einschlägige Anknüpfungspunkte. Von hier aus wurde der Bogen gespannt bis zu politischen Debatten der Gegenwart (z.b. Tierschutz, Flüchtlingsfrage, öffentlicher Diskurs). In sechs Vorträgen mit jeweils anschließender Frage- und Diskussionsmöglichkeit sowie einer abschließenden Podiumsdiskussion mit den Referenten wurde zunächst herausgearbeitet, dass die entscheidende Neuerung von Schopenhauers Metaphysik darin bestand, dass er als Wesen oder Grund der Wirklichkeit nicht mehr ein vernünftiges Prinzip oder einen göttlichen Geist annimmt, sondern einen blinden, unvernünftigen Lebenswillen, und dass Schopenhauer damit entgegen seinem Image auch in der Tradition der Aufklärung steht, denn er vertritt eine rationale, an Erfahrung und Wissenschaft orientierte philosophische Grundhaltung, die großen Wert auf Klarheit legt. Schopenhauer wurde somit als Rationalist des Irrationalen sichtbar, der dem Projekt der Aufklärung neue Impulse gegeben und der modernen Anthropologie und Tiefenpsychologie den Weg bereitet hat. Auch Konsequenzen, die zeitgenössische Neurophilosophen aus dem gegenwärtigen Stand der Neurowissenschaften ziehen, sind bei Schopenhauer nicht nur vorgeprägt, sondern es zeigte sich, dass in der Frage der Willensfreiheit Schopenhauers vielschichtige Version des Determinismus sogar als adäquater betrachtet werden kann als viele aktuelle neurowissenschaftlich inspirierte Problemlösungsversuche. Zudem zeigen Schopenhauers sozialphilosophische Erörterungen, dass auch aus seiner pessimistischen Sicht auf Mensch und Welt gesellschaftlicher und politische Fortschritt möglich ist bei richtiger Einsicht in ebenjene Natur von Mensch und Welt, womit sich der Kreis zu seiner Willensmetaphysik und der darauf aufbauenden Mitleidsethik schließt. Die abschließende Diskussion begann mit der Feststellung, dass sich bei Schopenhauer zwei Welten finden, die auch in den verschiedenen Vorträgen immer wieder aufschienen: auf der einen Seite die weltverneinende Willensmetaphysik, auf der anderen Seite die weltzugewandten Schriften zur Lebenskunst sowie die eigene Lebenspraxis Schopenhauers. Es wurde diskutiert, inwiefern beides nur schwer oder gar nicht miteinander zu vereinbaren ist oder eben doch ein konsistentes Weltverhältnis ergeben kann. Weitere Fragen waren u.a.: Welche Rolle spielt die Vernunft im Menschenbild Schopenhauers, der sich ja in der Erkenntnistheorie an Kant orientiert hat? Zugleich aber hat er auf die wahren Triebkräfte im Menschen hingewiesen, die oft keineswegs bloß auf rationale Problemlösung ausgerichtet sind. Verweist Schopenhauers Orientierung an der schottischen und französischen Tradition der Aufklärung auf ein Defizit der Religionskritik in Deutschland? Fehlt hierzulande eine dezidiert religionskritische Ausprägung der Aufklärung? Und wäre das nicht ein Ziel einer 2. Aufklärung? Schopenhauer war alles andere als ein politischer Revolutionär, nicht einmal ein Reformer. Soll Philosophie den Anspruch haben, durch Denken die Welt zu verändern, oder soll sie die Welt belassen wie sie ist und nur unsere Einstellung dazu reflektieren? Bericht: Dr. Frank Schulze

Bilder vom Schopenhauer-Symposium 2016

Fotos: Helmut Walther