Wenn Ärztinnen und Ärzte selber zu Patienten werden

Ähnliche Dokumente
Mensch, du bist wichtig!

Ansätze zur Prävention psychischer Erkrankungen im Betrieb

Mensch, du bist wichtig!

Wertschätzend Führen

Stress am Arbeitsplatz und seine Folgen

Verhaltenssüchte Versuche, Ohnmachtgefühle zu vermeiden, zu kontrollieren und zu kompensieren. Prof. Dr. Franz Ruppert KSFH München

Arbeit - Burnout - Depression Was kann der Arbeitgeber tun?

Stress und Stressmanagement

IBO Initiative Burnout

UBS Health Forum "Life Balance", Mai 2010, in Seepark.Thun

Ergebnisse früherer Studien

Burnout Prophylaxe: Aufmerksamkeit für sich selbst - Eigene Ressourcen entdecken und nutzen

Chance und Herausforderung.

Wie machen innovative Gesundheitslösungen meinen Mitarbeitern Spaß? Die vitaliberty zeigt anhand dem moove Gesundheitsportal wie einfach BGM geht.

Möglichkeiten der Stress- und Burnoutbewältigung in der Prävention und Rehabilitation. Diplomarbeit von Sebastian Mösch

und Leitbild und Grundsätze für zusammenarbeit und führung

Kinder machen Stress - aber schützen vor Burnout!

Das Angebot der Mitarbeiterberatung seit 1987

Depression, Burnout. und stationäre ärztliche Versorgung von Erkrankten. Burnout I Depression Volkskrankheit Nr. 1? 1. Oktober 2014, Braunschweig

Die Macht der Angst in der Arbeit

Burnout & Schlaf. Auswirkung und Bedeutung des Schlafes beim Burnout-Syndrom

Was ist Stress. was ist Burnout?

Bündnis gegen Depression. Ernst Hoefler

Kein Stress mit dem Stress Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt fördern psyga

AUSWIRKUNGEN VON FÜHRUNGSVERHALTEN AUF WOHLBEFINDEN UND GESUNDHEIT

Lebensereignisorientierte Personalentwicklung als Antwort auf die demografischen Herausforderungen

Stress und Partnerschaft

Möglichkeiten und Grenzen der Stressbewältigung. Prof. Dr. Matthias Jerusalem Humboldt-Universität zu Berlin

Stressmanagement und Extremereignisse. Teil 1: Stressmanagement

Warnsignale von Körper und Psyche

ratgeber Stress lass nach Wenn Arbeit krank macht

EMOTIONSREGULATION IN DER ARBEIT MIT PATIENTEN AUS DER ARBEIT MIT MENSCHEN SCHÖPFEN ODER SICH ERSCHÖPFEN?

Entspannung «Zwischen bewusstem Nichtstun und gezieltem Auflockern»

Recovery: Wie werden psychisch kranke Menschen eigentlich wieder gesund?

Thomas Heiming. Alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung für Mittelständler demografische Herausforderungen

BURNOUT UND SCHLAF. AUS DEM GLEICHGEWICHT GERATEN? ÜBERLASTET? ERSCHÖPFT?

Ein Modell zur Gesundheits- und Krankheitsentwicklung Das Konzept der Salutogenese. Florian Schmidt, Marius Runkel, Alexander Hülsmann

Partnerschaftliche Brüche im Alter

Informationen zum Thema umfassende Gefährdungsbeurteilung: Psychische Belastungen erkennen und erfassen. FH Südwestfalen, 23.

Burnout-Prävention - ein Element des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Psychosomatische Rehabilitation

Pro-aging statt Anti-aging Besser älter werden / alterssensible Gesundheitsförderung

Betriebliches Eingliederungsmanagement Online-Seminar 01. Juni Seite 1

175'000'000. Stressmanagement eine Aufgabe (auch) der Gemeinden?! Treffer im Internet zum Suchbegriff Stress

B. Kröner Herwig 1, N. Nyenhuis 1, S. Zastrutzki 2, B. Jäger 2

Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten Prophylaxemaßnahmen bei beruflichem Burnout

Was drückt im Büro? Fachtagung: Ein Tag für gesundes und erfolgreiches arbeiten im Büro Referentin: Diana Boden Hannover, 1.

In 7 Stufen zum gesunden Unternehmen. Branka Kramaric

Grundbedingungen nach Jaspers (1965)

Engagiert und ausgebrannt Burnout-Prävention

CarpeDiem24 schafft hier professionell Hilfe. Der Nutzen für Ihr Unternehmen

Burnout und Depression Wie gehe ich mit Stress im Alltag um?

BURNOUT-PRÄVENTION

Coaching und Burnoutprävention auf Intensivstationen Ein ressourcenorientierter Ansatz

Prof. Dr. T. Heidenreich Achtsamskeitstraining als Option der Burnout-Prophylaxe bei Psychotherapeutinnen und -therapeuten

Psychische Erkrankungen und psychische Gesundheit

Wege aus Angst und Panik BADEN-BADEN. Behandlungsangebot für Menschen mit akuten Angsterkrankungen

Burnout Prävention. Damit LehrerIn sein auch morgen noch Freude macht. Lembach, 8.April 2008

Ausbildung als langfristige Burnoutprävention

Kurs: «Gesund und aktiv mit Krankheit leben»

F A G S B G F. Fragebogen zum Arbeits- & Gesundheitsschutz -Betriebliche Gesundheitsförderung - Thorsten Uhle

Universitätsklinikum Regensburg PSYCHOONKOLOGIE. Krebs und Psyche wie kann psychoonkologische Unterstützung helfen? Manja Girbig, Dipl.-Psych.

Fragebogen zur Einleitung oder Verlängerung einer ambulanten Psychotherapie

Stressbewältigung und Strategien im Umgang mit Stress. 17. Juni 2015

FIRMENANGEBOT GESUNDHEIT

Standortbestimmung. Dr.Kingerter, Betriebsversammlung GEW 2007

Zahlen, Daten und Fakten zum Gesundheitszustand Arbeitsuchender

Angststörungen. Phobische Angstsyndrome

Psychischer Stress Das teure Tabu

Akademisches Lehrkrankenhaus der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Unser Leitbild

Forum 5: Umgang mit psychisch belasteten Frauen

Burnout Was tun? Vortrag am beim DGB Heide. Stimmen zum Thema Burnout:

Psychische Gesundheit und Resilienz stärken

Burnout und die Macht automatischer Gedanken

Zahlen, Daten, Fakten zur gesundheitlichen Lage von Heranwachsenden

Ihr Gesundheitsassistent

Stressmanagement Tobina Brinker Ideen und Konzepte für das Lernen und Lehren an Hochschulen Seite 1 von 5.

DEPRESSIONEN. Referat von Sophia Seitz und Ester Linz

Stressmanagement Der Erfoglsfaktor für Ihr Unternehmen Borse Training & Coaching Wilhelmstr Wiesbaden

Arbeitsbedingungen in NRW Fokus auf psychische Belastungen und Arbeitszeit

Muster-Auswertung. Stressmonitor.de. 1. Vorbemerkung. Beispiel-Unternehmen, 05/2013 bis 07/2013. Grundgesamtheit. Spalte "Benchmark"

Gesundes Führen. Online-Seminar 24. November Seite 1

Herzpatienten besser verstehen

Work-Life-Balance & Burnout-Prävention Vortragsreihe der NÖGKK in Kooperation mit Dr. Schmid & Dr. Schmid

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung

Sp tal Wattwil. Alkoholkurzzeittherapie PSA Psychosomatische Abteilung

Arbeitsbedingte psychische Störungen Gründe Folgen Hilfe

EIN PROGRAMM FÜR PSYCHISCHE GESUNDHEIT. Mit der AOK-Gesundheitsaktion stärker durchs Leben.

Sucht und Trauma. Die schwarzen Brüder

Gesundheitskonzept. Leitfrage: Was hält den Menschen gesund und wie können diese Ressourcen gestärkt werden?

Psychische Belastungen

STRATEGIEN GEGEN BURNOUT

Ziel 9: Psychosoziale Gesundheit bei allen Bevölkerungsgruppen fördern

Transkript:

Wenn Ärztinnen und Ärzte selber zu Patienten werden

Wirklich, er war unentbehrlich! Überall, wo was geschah Zu dem Wohle der Gemeinde, Er war tätig, er war da. Schützenfest, Kasinobälle, Pferderennen, Preisgericht, Liedertafel, Spritzenprobe, Ohne ihn da ging es nicht. Wilhelm Busch (1874) Kritik des Herzens Ohne ihn war nichts zu machen, Keine Stunde hatt' er frei. Gestern, als sie ihn begruben, War er richtig auch dabei.

Was führt bei Ärztinnen und Ärzten zu Stress?

Stress - Modell Innere und äussere Anforderungen an die Person Bewältigungsmöglichkeiten der Person Missverhältnis zwischen Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten und damit verbundener Kontrollverlust

Hohe persönliche Anforderungen an eigene Rolle Fachliche Qualität Vermeidung von Fehlern Kostendruck Kundenorientierung Verfügbarkeit Administration vs. Zeit für Patientinnen und Patienten

Gestiegene private Anforderungen an die Person Das Arztsein ist eine der wenigen gesellschaftlich anerkannten Möglichkeiten, die eigene Familie zu vernachlässigen oder zu verlassen. Ann Gundersen, 2001 Arztehen sind gefährdet ihre Scheidungsquote ist fast 40% höher als die der Allgemeinbevölkerung. zit. nach Thomas Bergner 2006: Burnout bei Ärzten 80% der Arztfrauen sagen über ihre Männer, sie kämen nach der Praxis oft ausgelaugt nach Hause. 78% dieser Männer sagen, sie kämen meinst nicht ausgelaugt daheim an. zit. nach Thomas Bergner 2006: Burnout bei Ärzten Partnerinnen und Partner führen eigenständiges Berufsleben

Genderspezifische Stresswahrnehmung Objektive Belastung durch kritische Lebensereignisse oder Alltagsstress bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern (Maschewsky-Schneider, Sonntag & Klesse, 1999) Frauen leiden mehr unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen hormonelle Einflüsse verhindern einen Niederschlag dieser Belastungen in physiologischen Veränderungen Frauen geben Symptome eher zu als Männer. Diese höhere «Klagsamkeit» der Frauen wird «als Ausdruck grösserer emotionaler Offenheit» angesehen, denen «gefühlsabwehrende und schwächeverleugnende Männer» gegenüberstehen (Brähler et al., 1999)

Genderspezifische Stresswahrnehmung In Stresssituationen ist der Cortisol-Anstieg von Frauen signifikant tiefer als derjenige von Männern. Frauen reagieren jedoch besorgter. Die Funktion der Sorgen besteht darin, die angstbedingte Anspannung ins Bewusstsein zu holen, um etwas dagegen tun zu können (Tallis et al. 1991). Männer neigen eher zu Symptomunterdrückung. Männer, die angeben, sich im Mittel weniger Sorgen zu machen als Frauen, reagieren physiologisch dennoch stärker auf Stress. Sorgen haben also keinen verstärkenden, sondern eher einen hemmenden Effekt auf die physiologische Erregung (Brody, Veit & Rau, 1996; Tausch, 1996).

Gestiegene äussere Anforderungen an die Rolle Verschiebung der Kontrolle über das medizinische Vorgehen von Ärztinnen und Ärzten hin zur Ökonomie verschärfter Kostendruck ethische Fragen Normkostenmodelle Medizinische Machbarkeit und Ethik Ärztemangel

Folgen des Fachkräftemangels

Stress ist ansteckend Empathischer Stress ist eine ausgeprägte physiologische Stressreaktion, die allein dadurch ausgelöst wird, dass man beobachtet, wie eine andere Person eine belastende Situation erlebt.» (Engert et al. 2014) Ergebnisse signifikant erhöhte Cortisolwerte bei insgesamt 26% der Beobachter 30% erhöhte Cortisolwerte bei direkter Beobachtung vs. 24% bei Videobeobachtung 40% erhöhte Cortisolwerte bei Beobachtung bekannter vs. 10% bei Beobachtung fremder Personen Herzfrequenz stärker erhöht bei direkter als bei Videobeoachtung zwei Formen empathischen Stresses: 1. Stressresonanz 2. stellvertretender Stress

Chronischer Stress macht auf Dauer krank

Was ist besonders, wenn der Arzt oder die Ärztin zum Patienten wird?

Ärztinnen und Ärzte als Patienten Ebene Person Person: Persönlichkeitsschutz, Diskretion eigenes Rollenverständnis Rollentausch Selbstmedikation Persönlichkeit: Mühe, eigenes Hilfsbedürfnis zu nennen und um Unterstützung zu bitten hohe Ansprüche an sich oft erhöhter Alkohol- und Drogen- bzw. Medikamentenkonsum Suizidgedanken. Vorwürfe von Partnerin bzw. Partner, sich zu wenig um die Partnerschaft und die Kinder zu kümmern

Ärztinnen und Ärzte als Patienten Ebene Arbeit Eigene Praxis: Druck, schnell zurückkehren zu müssen Kommunikation an Patientinnen und Patienten Krankenhaus: Rollenverständnis des Vorgesetzten / der Vorgesetzten Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich erhöhter Frauenanteil Teilzeitarbeit und Karriere Fachärztemangel Ökonomie vs. Ethik oft kaum Unterstützung für den Wiedereinstieg

Was könnten Arbeitgeber zur Primär- und Sekundärprävention tun?

Stressprävention durch Wertschätzung fördert die Arbeitsfähigkeit (Illmarinen 2003) setzt Dopamin frei -> verbesserte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit (Bauer 2006) reduziert Ängste setzt Endorphine frei -> gesteigertes Wohlbefinden Einfluss von Wertschätzung auf Gesundheit reduziert das Depressionsrisiko (Hawkins et al. 1999) soziale Unterstützung entstresst -> Belastungspuffer reduziert Gratifikationskrisen -> Reduktion von Herz-Kreislauf- Erkrankungen (Siegrist 2002) setzt Oxytocin frei nach Matyssek

Steigerung der Arbeitsfähigkeit Vier Handlungsfelder der Prävention, auf denen interveniert werden kann, um die Arbeitsfähigkeit bei Beschäftigten zu fördern (geordnet nach Wichtigkeit!): 1. Aspekte der Führung und Arbeitsorganisation 2. Arbeitsinhalt und Arbeitsumgebung 3. individuelle Gesundheit 4. professionelle Kompetenz Ilmarinen & Tuomi 2004

und sonst

Die Kunst des Arztes ist es, den Patienten solange zu amüsieren, bis die Natur ihn heilt. Voltaire 1694-1778

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! lic. phil. Andi Zemp Fachpsychologe für Psychotherapie FSP Leitender Psychologe AG a.zemp@privatklinik-wyss.ch