Deutscher Bundestag. Sachstand



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Transkript:

Deutscher Bundestag Finanzielle Hilfen für Mitgliedstaaten insbesondere nach Artikel 122 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Olaf Zehnpfund, Margot Heimbach 2009 Deutscher Bundestag

Seite 2 Finanzielle Hilfen für Mitgliedstaaten insbesondere nach Artikel 122 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Verfasser/in: ORnR Olaf Zehnpfund, M.A., MR n Margot Heimbach : Abschluss der Arbeit: 12. Februar 2010 Fachbereich: WD 11: Europa Telefon: 33614 Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin.

Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zur Diskussion über Modelle finanzieller Unterstützung für Mitgliedstaaten der Europäischen Union 4 2. Keine Gewährung von Zahlungsbilanzhilfen für Euro-Staaten 5 3. Gewährung eines finanziellen Beistands der Europäischen Union 6 4. Die sog. No-Bail-Out-Klausel: Verbot oder Beschränkung eines Beistands? 7

Seite 4 1. Zur Diskussion über Modelle finanzieller Unterstützung für Mitgliedstaaten der Europäischen Union Seit die Europäische Kommission (Kommission) im Frühjahr 2009 mit den Vorbereitungen für ein Verfahren wegen übermäßigen öffentlichen Defizits gemäß Art. 104 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) gegen Griechenland begann, werden Modelle diskutiert, mit denen Mitgliedstaaten unterstützt werden können, deren öffentliche Haushalte stark angespannt sind oder sogar der Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit gegenüberstehen. Die Bandbreite reicht dabei von direkten oder indirekten Finanzhilfen der EU oder der anderen Mitgliedstaaten bis hin zur Verweigerung finanzieller Unterstützung und Betonung der Eigenverantwortung jedes Mitgliedstaates für die Sanierung seiner Staatsfinanzen, insbesondere unter dem Druck der Instrumente eines Defizitverfahrens nach dem Regelungsrahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Um das Problem der durch Risikoprämien für seine Staatsanleihen verteuerten Kapitalaufnahme eines hoch verschuldeten Mitgliedstaats zu mildern, wird die Begebung gemeinsamer Anleihen durch die Staaten der Euro-Zone (sog. Eurobonds) angeregt. 1 Durch die der Konstruktion zugrunde liegende gesamtschuldnerische Haftung aller Staaten, die den Euro eingeführt haben, soll die gute Bonität von beispielsweise Deutschland und Finnland auf andere Euro-Staaten mit schlechteren Bonitätsbewertungen (rating) abstrahlen. 2 In der Folge wird auf die Reduzierung der an das rating gekoppelten Risikoaufschläge (spreads) gesetzt, was sich als erheblicher Zinsvorteil im Vergleich zum status quo für Staaten wie z.b. Irland, Griechenland, Spanien oder Portugal auswirken würde. Mit ähnlich indirektem Wirkungsmechanismus setzen auch Vorschläge an, nach denen Euro-Staaten mit guter Bonität für Staatsanleihen solcher Mitgliedstaaten garantieren. 3 Diskutiert werden darüber hinaus direkte Finanzhilfen, die die EU nach dem Vorbild der 2009 an Ungarn, Lettland und Rumänien gewährten Zahlungsbilanzdarlehen 4 auch an Griechenland ausreichen könnte. 5 Möglichkeiten der Gewährung eines finanziellen Beistands für Mitgliedstaaten, die an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) teilnehmen, werden in der Literatur auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV; zuvor Art. 100 Abs. 2 EGV) für möglich erachtet. Danach könnte eine defizitäre Haushaltslage, soweit sie in kausalem Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise steht, als außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 122 Abs. 2 AEUV betrachtet werden. 6 1 Vgl. EIB könnte Eurobonds aufnehmen im Notfall, Handelsblatt vom 23. Februar 2009. 2 In dieser Konstruktion liegt aber auch der zentrale Grund für die Ablehnung dieses Modells, die gerade die Euro- Staaten mit guter Bonität signalisiert haben. Sie fürchten insbesondere den Verlust ihrer vorzüglichen Ratings an den Finanzmärkten mit entsprechenden Folgen für die Kosten der Refinanzierung ihrer eigenen Haushalte. 3 Vgl. Den Griechen rennt die Zeit davon, Financial Times Deutschland vom 22. Januar 2010. 4 Das Beistandssystem zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten wurde seit Dezember 2008 durch Gewährung von Zahlungsbilanzhilfen im Umfang von insgesamt 14,6 Mrd. Euro an Ungarn (6,5 Mrd. Euro), Lettland (3,1 Mrd. Euro) und Rumänien (5 Mrd. Euro) in Anspruch genommen. 5 Vgl. Gerettet wird immer, Financial Times Deutschland vom 13. Februar 2009. 6 Vgl. Häde, Ulrich (2009), Haushaltsdisziplin und Solidarität im Zeichen der Finanzkrise, EuZW 2009, 399 ff., abrufbar unter: http://beck-online.beck.de/default.aspx?vpath=bibdata\zeits\euzw\2009\cont\euzw.2009.399.1.htm&pos=11&hlwords=h%c3%a4de#xhlhit (12. Februar 2010).

Seite 5 Ein auf derselben Rechtsgrundlage beruhender finanzieller Beistand der Union wird auch für den worst case der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit eines Staates der Euro-Zone diskutiert. 7 Auf die Sanierung der Staatsfinanzen hoch verschuldeter Mitgliedstaaten aus eigener Kraft in strikter Anwendung des Instrumentariums, das die Bestimmungen der Artikel 119 ff. AEUV und der darauf basierende Stabilitäts- und Wachstumspakt vorsehen, setzen dagegen die Kritiker der obigen Vorschläge. Gerade die bei den Mitgliedstaaten verbliebene fiskalpolitische Eigenverantwortung sei das Fundament des gemeinsamen Währungsraums. Daher sei das negative Signal zu vermeiden, das von Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung einzelner Mitgliedstaaten für die Nachhaltigkeitsbemühungen in der jeweils national zu verantwortenden Fiskalpolitik ausgeht. Die sog. No- Bail-Out-Klausel des Art. 125 Abs. 1 AEUV, nach der weder die EU noch ein Mitgliedstaat für die Verbindlichkeiten eines Mitgliedstaates haftet oder eintritt, sei strikt einzuhalten. 8 2. Keine Gewährung von Zahlungsbilanzhilfen für Euro-Staaten Mit Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates 9 vom 18. Februar 2002 wurde ein gemeinschaftliches System des mittelfristigen finanziellen Beistands eingeführt, das der Gemeinschaft erlaubt, einem oder mehreren Mitgliedstaaten, die von Leistungs- oder Kapitalbilanzschwierigkeiten betroffen oder ernstlich bedroht sind, Darlehen zu gewähren. Diese Verordnung stützt sich auf die Vertragsabrundungskompetenz des Art. 308 EGV und schafft den sekundärrechtlichen Rahmen für die Umsetzung der Bestimmungen des Art. 119 Abs. 1 und 2 EGV. Danach gewährt der Rat einem Mitgliedstaat, der in Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten ist oder zu geraten droht, einen gegenseitigen Beistand. Da in Art. 119 EGV offen gelassen wurde, mit welchem Instrument der gegenseitige Beistand zu leisten sein würde, wurde die Verordnung (EG) Nr. 332/2002 als Rahmenverordnung erlassen. 10 7 Vgl. EIB könnte Eurobonds aufnehmen im Notfall, Handelsblatt vom 23. Februar 2009. 8 Vgl. EZB düpiert Griechenlands Schuldenmacher, Financial Times Deutschland vom 6. Januar 2010; Strikte Koordinierung statt Blankoscheck für die Griechen, Handelsblatt vom 15. Dezember 2009; Kein Bail-Out zur Rettung des Euro- Raums, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. März 2009; Für gemeinsame Staatsanleihen ist es zu früh, Börsen- Zeitung vom 17. März 2009; Die staatlichen Stützungsmaßnahmen können den Abwärtsdruck nur abfedern, Die Welt vom 25. Februar 2009. 9 Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates vom 18. Februar 2002 zur Einführung einer Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten, abrufbar unter: http://eurlex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=oj:l:2002:053:0001:0003:de:pdf (12. Februar 2010). 10 Das im Jahre 2002 kodifizierte Beistandssystem zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten war kein Novum. Bereits 1975 war das Instrument der Zahlungsbilanzanleihe geschaffen worden, um den durch die Ölkrise 1973/74 verursachten Zahlungsbilanzdefiziten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) begegnen zu können, die eine Gefahr für die in Art. 2 EWG-Vertrag bestimmten Gemeinschaftsziele eines reibungslosen Funktionierens des Gemeinsamen Marktes und der schrittweisen Annäherung und Koordinierung der Wirtschaftspolitik unter Wahrung der Stabilität darstellten. Der Gemeinschaft wurde gestattet, sog. Gemeinschaftsanleihen an den Kapitalmärkten aufzunehmen und aus den Erlösen Darlehen an die Mitgliedstaaten zur Beseitigung ihrer Zahlungsbilanzdefizite auszureichen (Verordnung [EWG] Nr. 397/75 des Rates vom 17. Februar 1975 über Gemeinschaftsanleihen und Verordnung (EWG) Nr. 398/75 des Rates vom 17. Februar 1975 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 397/75 über Gemeinschaftsanleihen). Das neben dem Instrument der Gemeinschaftsanleihen bestehende System des durch die Mitgliedstaaten direkt finanzierten mittelfristigen finanziellen Beistands wurde im Jahre 1988 zu einem einzigen System des mittelfristigen finanziellen Beistands zusammengefasst (Verordnung [EWG] Nr. 1969/88 des Rates vom 24. Juni 1988 zur Einführung eines einheitlichen Systems des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten).

Seite 6 Das Volumen der Darlehen, die an Mitgliedstaaten als Zahlungsbilanzhilfen ausgereicht und durch die Emission von Anleihen finanziert werden können, war nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 zunächst auf 12 Mrd. Euro begrenzt. Dieser sog. Anleihe- bzw. Darlehensplafonds wurde angesichts der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahre 2008 auf zunächst 25 Mrd. Euro angehoben und Mitte des Jahres 2009 auf nunmehr 50 Mrd. Euro verdoppelt. 11 Die an der einheitlichen Währung beteiligten Mitgliedstaaten verfügen seit dem Beginn der dritten Stufe der WWU nicht mehr über eine jeweils gesonderte sondern über eine gemeinsame Zahlungsbilanz. Sie wurden daher mit dem Zeitpunkt ihrer Teilnahme an der dritten Stufe der WWU vom Kreis der Adressaten des gemeinschaftlichen Systems des mittelfristigen finanziellen Beistands ausgeschlossen (Art. 119 Abs. 4 EGV sowie Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates). 12 Damit kommt eine Unterstützung von Staaten wie Griechenland in Anwendung dieser Verordnung nicht in Betracht. 3. Gewährung eines finanziellen Beistands der Europäischen Union Seit Beginn der dritten Stufe der WWU am 1. Januar 1999 gilt die Regelung des Art. 100 Abs. 2 EGV (inhaltsgleich nunmehr Art. 122 Abs. 2 AEUV), die die Grundlage für einen finanziellen Beistand zugunsten aller Mitgliedstaaten und damit auch der Staaten bildet, die an der gemeinsamen Währung beteiligt sind. 13 Danach kann der Rat der Europäischen Union (Rat) beschließen, einem Mitgliedstaat, der aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht ist. Vorbehaltlich einer genauen Einzelfallprüfung wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass Art. 100 Abs. 2 EGV (nunmehr Art. 122 Abs. 2 AEUV; in der Folge werden die Normen des AEUV zitiert) grundsätzlich als Rechtsgrundlage für Finanzhilfen der EU gegenüber Mitgliedstaaten der Euro-Zone herangezogen werden kann. 14 Voraussetzung für die Gewährung eines finanziellen Beistands der Union ist ein außergewöhnliches Ereignis. In der Literatur wird die Möglichkeit gesehen, die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedstaates als ein solches außergewöhnliches Ereignis einordnen zu können. 15 Ein zu hohes Haushaltsdefizit sei dagegen nicht als außergewöhnliches Ereignis einzustufen, da die in Art. 126 Abs. 1 AEUV verankerte Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin in diesem Falle ins Leere liefe. Zu unterscheiden sei jedoch zwischen unsolider Haushaltspolitik und den Folgen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Erst deren histori- 11 Verordnung (EG) Nr. 1360/2008 des Rates vom 2. Dezember 2008 sowie Verordnung (EG) Nr. 431/2009 des Rates vom 18. Mai 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 zur Einführung einer Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten. 12 Auch Art. 143 Abs. 1 AEUV begrenzt den Anwendungsbereich der Zahlungsbilanzhilfen auf die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmegenehmigung gilt 13 Art. 116 Abs. 3 EGV. 14 Vgl. Häde, Ulrich (2009), Haushaltsdisziplin und Solidarität im Zeichen der Finanzkrise, EuZW 2009, 399 ff., abrufbar unter: http://beck-online.beck.de/default.aspx?vpath=bibdata\zeits\euzw\2009\cont\euzw.2009.399.1.htm&pos=11&hlwords=h%c3%a4de#xhlhit (12. Februar 2010). So auch Florian Becker, zitiert in: Berliner Koalition uneins über Griechenland-Hilfen, Die Welt, 12. Februar 2009. 15 Vgl. hierzu: Häde, Ulrich (2009), a.a.o., S. 401. Häde verweist auf die Parallelität zu den Formulierungen im Stabilitäts- und Wachstumspakt (Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97), der als Gründe für die ausnahmsweise Überschreitung des Defizitreferenzwerts einen schwerwiegenden Wirtschaftsabschwung neben einem außergewöhnliches Ereignis benennt.

Seite 7 sche Ausmaße hätten bei Staaten, die zuvor durch eine unvernünftige Schuldenpolitik selbst zu ihrer defizitären Haushaltssituation beigetragen haben, aus Haushaltsproblemen die Insolvenzgefahr werden lassen. 16 Daher ließe sich jedenfalls nicht ausschließen, dass Ursache der existenziellen Probleme in einigen Mitgliedstaaten ein außergewöhnliches Ereignis ist. Weitere Voraussetzung für die Anwendung von Art. 122 Abs. 2 AEUV ist die fehlende Kontrolle des Mitgliedstaates über die ihn gefährdende Situation. Es sei davon auszugehen, dass die einem Mitgliedstaat drohende Zahlungsunfähigkeit einen Zustand beschreibt, in dem dieser nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu helfen. Die Gefahr der Staatsinsolvenz erfülle weiterhin auch das dritte Tatbestandsmerkmal, nach der die nicht mehr zu kontrollierende Ausnahmesituation gravierende Schwierigkeiten im Sinne schwerwiegender schädigender Auswirkungen verursacht oder zu verursachen droht. Art. 122 Abs. 2 AEUV lässt offen, in welcher Form die EU einen finanziellen Beistand zugunsten eines ihrer Mitgliedstaaten gewährt. Die zur Finanzierung eines solchen Beistandes z.b. durch die Begebung von Anleihen erforderliche Ermächtigung gewährt Art. 122 AEUV der EU jedoch nicht. 17 Hierfür könnte daher (vergleichbar der beschriebenen Gewährung von Zahlungsbilanzhilfen gemäß Art. 119 Abs. 1 und 2 EGV) der Erlass einer Rahmenverordnung auf der Grundlage einer einschlägigen Kompetenznorm, ggf. unter Rückgriff auf die Flexibilitätsklausel des Art. 352 AEUV, erforderlich sein. 4. Die sog. No-Bail-Out-Klausel: Verbot oder Beschränkung eines Beistands? Der Gewährung eines finanziellen Beistandes der EU zugunsten eines Mitgliedstaates könnten die Bestimmungen des Art. 125 Abs. 1 S. 1 AEUV entgegenstehen. Mit dem Ziel, die Mitgliedstaaten zu zwingen, fiskalpolitisch so zu agieren, dass sie die Haushaltsdisziplin nach Art. 126 Abs. 1 AEUV einhalten, weil sie ansonsten die Konsequenzen eines Verstoßes allein und unter den Bedingungen des Kapitalmarktes tragen müssen, schließt Art. 125 Abs. 1 AEUV die Haftung der Union wie auch die Haftung der Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten eines Mitgliedstaats aus. Die finanzielle Unterstützung eines Mitgliedstaates, der sich insbesondere auch wegen eines hohen öffentlichen Defizits einer Zahlungsunfähigkeit gegenübersieht, könnte einer Übernahme der Haftung im Sinne des Art. 125 Abs. 1 S. 1 AEUV sehr nahe kommen. Ungeachtet der strengen Disziplinierungsfunktion, die der No-Bail-Out-Klausel zuzuordnen ist, wird in der Literatur die Rechtsauffassung vertreten, dass diese der Gewährung eines finanziellen Beistands der EU nicht zwingend entgegensteht. Einerseits lasse die Analyse der Entstehungsgeschichte der beiden Vorgängerbestimmungen des EGV den Schluss zu, dass ein vollständiger Ausschluss jeglicher Unterstützungsinstrumente für Mitgliedstaaten, die an der dritten Stufe der WWU teilnehmen, nicht gewollt war, sondern vielmehr ausdrücklich Beistandsinstrumente für die Mitgliedstaaten der Euro-Zone vorgesehen wurden. Andererseits befänden sich die Bestimmungen der Artikel 100 und 103 EGV (nunmehr Artikel 122 und 125 AEUV) auf der gleichen Ebene der Normenhierarchie, weswegen keine Norm der anderen vorgehe. Vielmehr durchbreche die Beistandsnorm die Verbotsnorm, jedoch nicht mit der Konsequenz einer vollständigen Verdrängung des Verbots. 16 Als außergewöhnliche Ereignisse werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur sog. Schocks bezeichnet. Vgl. Häde, Ulrich in: Callies, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.), EUV/EGV, München, 2007, Art. 100, Rn. 4. 17 Vgl. Häde, Ulrich in: Callies, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.), EUV/EGV, München, 2007, Art. 100, Rn. 5.

Seite 8 Vor diesem Hintergrund sei zu beachten, dass durch die Anwendung von Art. 122 Abs. 2 AEUV weder die dem betroffenen Mitgliedstaat auferlegte Haushaltsdisziplin, noch das Verbot der gegenseitigen Haftung außer Kraft gesetzt würden. Der Einsatz des finanziellen Beistands als Instrument der Nothilfe dürfe keine grundsätzliche Abkehr von den Mechanismen implizieren, die eine solide Haushaltspolitik fördern und die Währungsstabilität garantieren sollen. 18 (Olaf Zehnpfund) (Margot Heimbach) 18 Vgl. hierzu: Häde, Ulrich (2009), a.a.o., S. 401 ff.