Finanzhilfeinstrumente in der europäischen Schuldenkrise Hintergrund, Rechtsgrundlagen, Inhalte



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Transkript:

Finanzhilfeinstrumente in der europäischen Schuldenkrise Hintergrund, Rechtsgrundlagen, Inhalte 1. Einleitung 1992 wurde mit dem Vertrag von Maastricht die Währungsunion beschlossen. Im Vor- feld der Verhandlungen hatten die wirtschaftlich schwächer aufgestellten Länder Spani- en, Portugal, Griechenland und Irland einen Finanzausgleich zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gefordert. Dadurch sollte die Einhaltung der EU- Konvergenzkriterien, auch Maastricht- Kriterien genannt, vereinfacht und Wettbe- werbsfähigkeit gewonnen werden. Insbesondere Deutschland, unterstützt von Frank- reich, verlangte jedoch Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Länder, um zu verhin- dern, dass einzelne Staaten auf Kosten anderer über ihren Verhältnissen wirtschaften. Der deutsche Standpunkt setzte sich schließlich durch und wurde in der so genannten No- Bailout- Klausel in Art. 104b EG- Vertrag manifestiert. Auch die heutige Version dieser Norm, Art. 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgen- den AEUV), schließt finanzielle Unterstützungen für überschuldete Mitgliedsstaaten bzw. die Haftung für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedsstaaten aus. 1 Diese und weitere Vereinbarungen, unter die auch die konkreten Defizit- und Verschuldungsgrenzen fallen, werden auch Stabilitäts- und Wachstumspakt genannt. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt hat viel Kritik erfahren, die insbesondere auf der fehlenden Durchsetzung gründet. Die Regelungen wurden von den Mitgliedsstaaten be- reits mehr als 60 Mal verletzt, ohne dass dies auch nur ein einziges Mal zu den für solche Fälle vertraglich vereinbarten Sanktionen geführt hätte. Anfang 2010 wurden die Schwächen in Gestaltung und Umsetzung der wirtschaftspoliti- schen Steuerung des Euroraums im Rahmen der Finanzkrise deutlich, 2 der Stein für die Entwicklung eines Krisenmechanismus ins Rollen gebracht und der Begriff Euro- Rettungsschirm geprägt. Darunter werden verschiedene Maßnahmen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten der Euro- Zone gefasst, die dazu dienen sollen, die finan- zielle Stabilität im gesamten Euro- Währungsgebiet zu sichern. 3 Hierzu gehören neben der Griechenland- Hilfe der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) so- wie der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM).

2. Griechenland- Hilfe Die Mitglieder der Euro- Zone haben am 11. April 2010 beschlossen, bilaterale Hilfskre- dite mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 80 Milliarden Euro an Griechenland zu leis- ten. Das Hilfspaket ist mit einem dreijährigen Programm des Internationalen Währungs- fonds in Höhe von weiteren 30 Milliarden Euro verbunden. Der Bundestag hat dieses Abkommen durch den Erlass des Währungsunion- Finanzstabilitätsgesetzes 4 umgesetzt. Die Beteiligung der Bundesrepublik beträgt knapp 22,5 Milliarden Euro. 3. Europäischer Finanzmarktstabilisierungsmechanismus Schon kurz nach der Zubilligung der Kreditgarantien an Griechenland stiegen die Zinsen für die schwachen Länder derart an, dass der Notfallplan nicht mehr ausreichte und wei- tere Maßnahmen erforderlich wurden. Im Mai 2010 wurde daher der EFSM verabschie- det, ein provisorischer Stabilisierungsmechanismus, der gegenseitige Kreditgarantien der Mitgliedsstaaten ermöglichte. Der EFSM basiert auf einer EU- Verordnung 5, die wie- derum auf Grundlage von Art. 122 AEUV erlassen wurde. Diese Norm erlaubt der EU, in Notfällen zur gegenseitigen Unterstützung Rechtsakte zu erlassen. Das Hilfspaket des EFSM hat ein Volumen von mehr als 750 Milliarden Euro, das sich zusammensetzt aus Krediten aus dem EU- Haushalt in Höhe von 60 Milliarden Euro, 440 Milliarden Euro aus der Einzweckgesellschaft Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, die Anleihen aus dem Kapitalmarkt aufnimmt, für die alle Eurozonen- Länder gemein- schaftlich haften, sowie einer Kreditlinie des IWF in Höhe von bis zu 250 Milliarden Eu- ro. Die BRD ist hieran mit einem Volumen von 123 Milliarden Euro beteiligt. 6 Die Euro- päische Zentralbank hat darüber hinaus Schuldpapiere der krisengeschüttelten Staaten aufgekauft und hat damit gegen ihren bis dahin verfolgten Grundsatz verstoßen, keine Staatsanleihen von Mitgliedsstaaten zu kaufen. 7 Der Mitgliedsstaat, der diese Kredite in Anspruch nimmt, muss diese später zurückzahlen und zwar zu einem deutlich niedrige- ren Zinssatz als er auf dem freien Kapitalmarkt zahlen müsste. Im Ausgleich dafür ver- pflichtet der Staat sich der EU und dem IWF gegenüber zu der Vornahme diverser Wirt- schaftsreformen, um damit späteren erneuten Schuldenkrisen vorzugreifen. 8 4. Europäischer Stabilitätsmechanismus Da die Krise nicht auf Griechenland beschränkt blieb, sondern sich vielmehr auf den ge- samten Euro- Raum auszudehnen begann, das Finanzstabilisierungsgesetzt sich aber

ausschließlich auf Griechenland bezieht und das Volumen des EFSM nicht ausreicht, wurde nach Möglichkeiten gesucht, finanziellen Krisen auch in Zukunft vorzubeugen. Die Vorschläge, Eurobonds oder eine Staateninsolvenzordnung einzuführen, wurden mehrheitlich abgelehnt. Im Dezember 2010 beschloss der Europäische Rat schließlich die Einrichtung des ständigen ESM, der über 2013 hinaus als Mechanismus für finanziel- le Krisenfälle fungieren und ein anfängliches Volumen von 700 Milliarden Euro haben soll. Der Beitrag der einzelnen Mitgliedsstaaten richtet sich nach ihrer Beteiligung an der Europäischen Zentralbank. 9 Der ESM wurde in Deutschland durch das Stabilisie- rungsmechanismusgesetz umgesetzt. 10 Der ESM sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten in einen speziell zu diesem Zweck einge- richteten ESM- Fonds 80 Milliarden Euro als Grundkapital einzahlen. Dafür stehen, an- ders als beim EFSM, keine unmittelbaren Kredite mehr aus dem EU- Haushalt zur Verfü- gung. Der ESM- Fonds kann eigene Anleihen bis zu einer Höhe von 420 Milliarden Euro ausgeben, für die die Mitgliedsstaaten bürgen. Damit die Anleihen die gewünschte AAA- Bewertung erhalten, die einzelnen Mitgliedsstaaten aber unterschiedlich bewertet sind, müssen diese für mehr als nur den eigenen Anteil bürgen, sodass die Garantiesumme insgesamt sogar 620 Milliarden Euro beträgt. Darüber hinaus kann der Fonds Staatsan- leihen bei den kriselnden Staaten ankaufen. Falls erforderlich, wird der IWF weiterhin die Kreditlinie in Höhe von 250 Milliarden Euro bereitstellen. Sämtliche Rettungspakete, von Bareinzahlungen über Bürgschaften bis hin zu Staatsan- leihenkäufen der EZB, haben ein Gesamtvolumen von 1849 Milliarden Euro. Die Bundes- republik Deutschland ist daran mit mehr als einem Drittel beteiligt und müsste im denk- bar schlechtesten Fall, dass die Kredite nicht zurückgezahlt werden können, in Höhe von 732 Milliarden Euro einstehen. 11 Um einen Verstoß gegen die No- Bailout- Klausel zu verhindern, interpretierte man die Norm dahingehend, dass sie lediglich die automatische Haftung ausschließen solle, nicht aber eine freiwillige Schuldenübernahme durch andere Länder. 12 Auch wurde argumen- tiert, der EZB sei nur der unmittelbare Erwerb staatlicher Schuldpapiere verboten, nicht aber der Kauf von Schuldtiteln auf dem Kapitalmarkt. 13 Die Änderung des AEUV bereite- te dieser Diskussion ein Ende. Zwar soll dabei die No- Bailout- Klausel nicht angetastet werden. Art. 136 des Vertrags soll dafür aber um einen Absatz erweitert werden, der die

Einrichtung eines dauerhaften Stabilitätsmechanismus ausdrücklich zulässt, 14 um im Notfall die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu sichern, wobei die Finanzunterstüt- zung strikten Bedingungen unterworfen" wird. Ob eine solche Notsituation vorliegt und der betroffene Staat keine alternative Refinan- zierungsmöglichkeit hat, entscheidet das Leitungsorgan des ESM, der Gouverneursrat, der aus den Finanzministern der Mitgliedsstaaten der Euro- Zone und weiteren für Fi- nanzen zuständigen Mitgliedern der nationalen Regierungen gebildet wird. Der ESM erhält im Vergleich zu anderen Gläubigern eine bevorzugte Stellung und ist lediglich dem IWF untergeordnet. 15 In den Fällen, in denen eine Notsituation festgestellt wird, nehmen die Europäische Kommission und der IWF ferner eine Schuldentragfähigkeitsanalyse vor, um zu über- prüfen, ob es sich hierbei um einen nur vorübergehenden Engpass oder eine dauerhafte Notsituation handelt. Kommen sie zu letzterem Ergebnis, wird ein teilweiser Schulden- erlass gewährt. 16 Dadurch kommt es faktisch zu einer Staatsinsolvenzordnung. Private Gläubiger des notleidenden Staates sind von dieser Regelung ebenfalls betroffen, sodass im Ernstfall auch ihre durch den Staatsanleihenkauf entstandenen Darlehensforderun- gen nicht in voller Höhe befriedigt werden. 5. Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht Gegen das Stabilisierungsmechanismusgesetz und auch gegen das Währungsunion- Finanzstabilitätsgesetz wurden verschiedene Verfassungsbeschwerden vor dem Bun- desverfassungsgericht erhoben. 17 Frühere Verfassungsbeschwerden gegen Europarecht wurden üblicherweise auf eine mögliche Verletzung des Wahlrechts gestützt. Bei so ge- nannten Ultra- Vires- Akten, bei denen eine Entscheidung von einer diesbezüglich nicht kompetenten Stelle getroffen wurde, darf das Bundesverfassungsgericht eingreifen. Wenn die Bundesrepublik aber ihre Zusage von Finanzhilfen auf intergouvernementale Absprachen stützt wie bei der durch nationale Bürgschaften besicherten Kreditvergabe und der Beteiligung des IWF geschehen, wird hierdurch weder EU- Sekundärrecht erlas- sen noch werden Hoheitsrechte übertragen. Eine Ultra- Vires- Kontrolle durch das Bun- desverfassungsgericht war daher weder für den EFSM noch für den dauerhaften ESM zulässig. 18

In Betracht kam daher nur eine nicht hinreichende Einbeziehung des Bundestags und eine Missachtung der Schuldenbremse. 19 Das Bundesverfassungsgericht verwarf die Klagen allerdings, da mit den Bürgschaften noch keine Obergrenze überschritten wor- den seien, wovon erst ausgegangen werden könne, wenn die Haushaltsautonomie des Bundestags praktisch vollständig leerliefe. Dem Einwand, der Bundestag sei nicht ausreichend beteiligt worden begegneten die Richter aus Karlsruhe jedoch mit einer Vorgabe an die Bundesregierung, künftige Fi- nanzhilfen von der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestags abhängig zu machen. 20 Dieses Ergebnis wurde auch durch ein weiteres Urteil am 28.12.2012 bestä- tigt, in dem die Richter befanden, dass das Stabilisierungsmechanismusgesetz die Bun- destagsabgeordneten in ihrem Recht auf Mitwirkung an der haushaltspolitischen Ge- samtverantwortung des Deutschen Bundestages verletzt. 21 6. Schluss Aus juristischer Sicht stellt der Rettungsschirm eine Besonderheit dar: Da das Unions- recht ein derartiges reaktives Krisenmanagement nicht bereithält, ist die gewählte zwi- schenstaatliche Zusammenarbeit, die sich aus privat-, europa- und völkerrechtlichen Elementen zusammensetzt ein Novum. Ihr Vorteil liegt in der Flexibilität, durch die Staa- ten in der Lage sind, möglichst schnell, auf Krisen oder deren Verlauf einzuwirken. Auf der anderen Seite besteht freilich die Gefahr, das jeweilige nationale Verfassungsrecht zu unterlaufen. Dem ist durch die Änderung des AEUV jedoch weitestgehend Einhalt geboten worden. Die Erweiterung des Art. 136 AEUV sichert die europarechtliche Zuläs- sigkeit des ESM und bestimmt gleichzeitig, dass dessen Errichtung keinen Verstoß gegen die No- Bailout- Klausel in Art. 125 AEUV darstellt. Das dauerhafte Krisenmanagement wurde damit auf rechtlich solide Füße gestellt, sodass diesbezügliche zukünftige Ver- fassungsbeschwerden keine Aussicht auf Erfolg haben dürften. 22 Es ist davon auszugehen, dass auch in näherer Zukunft die Krisenbewältigung eher auf intergouvernementalen Abreden beruht, jedenfalls bis die europäische Währungsver- fassung, deren Schwerpunkt bislang eher auf der Problemvermeidung liegt, entspre- chend geändert wird. 23

1 AEUV, abrufbar unter http://dejure.org/gesetze/aeuv/125.html. 2 EZB Monatsbericht Juli 2011, S. 76. 3 Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 125 Rn. 14; Erklärung der Staats- und Regierungschefs der EU vom 11.02.2010 und der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der Euro- Zone vom 25.03.2010, abrufbar unter www.consilium.europa.eu. 4 Währungsunion- Finanzstabilitätsgesetz WFStG, BGBl I 2010, 537, abrufbar unter http://www2.bgbl.de/xaver/start.xav?startbk=bundesanzeiger_bgbl&bk=bundesanzeiger_bgbl&star t=//*%5b@attr_id=%27bgbl110s0537b.pdf%27%5d. 5 Verordnung zur Einführung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus, abrufbar unter http://eur- lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=oj:l:2010:118:0001:0001:de:pdf. 6 Manager- Magazin vom 10.05.2010, abrufbar unter http://www.manager- magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,693902,00.html; Spiegel vom 10.05.2010, abrufbar unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,693899,00.html. 7 Spiegel vom 29.05.2010, abrufbar unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,697489,00.html. 8 Spiegel vom 10.05.2010, abrufbar unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,693899,00.html. 9 FTD vom 21.03.2011, abrufbar unter http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:schuldenkrise- deutschland- schultert- ein- viertel- der- euro- rettung/60029054.html. 10 Stabilisierungsmechanismusgesetz, abrufbar unter http://www.gesetze- im- internet.de/stabmechg/index.html. 11 Handelsblatt vom 26.10.2011, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/ex- cdu- wirtschaftsminister- parlament- wird- zur- reinen- alibi- funktion- genoetigt/5737230-4.html; FAZ vom 29.02.2012, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schuldenkrise- die- bundesbank- fordert- von- der- ezb- bessere- sicherheiten- 11667413.html; FAZ vom 28.02.2012, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/analyse- der- commerzbank- target- saldo- zwingt- zur- transferunion- 11664707.html. 12 Infobrief des Bundestags vom 03.05.2010, abrufbar unter http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/finanzhilfen_griechenland.pdf. 13 Spiegel vom 14.05.2010, abrufbar unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,694783,00.html. 14 Der Standard vom 16.12.2010, abrufbar unter http://derstandard.at/1292462056319/eu- Vertragsaenderung- EU- Gipfel- ueber- permanenten- Krisenmechanismus- einig. 15 FTD vom 21.03.2011, abrufbar unter http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:schuldenkrise- deutschland- schultert- ein- viertel- der- euro- rettung/60029054.html. 16 Süddeutsche Zeitung vom 22.03.2011, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/geld/euro- rettungsschirm- milliarden- euro- aus- deutschland- 1.1075343; FTD vom 21.03.2011, abrufbar unter http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:schuldenkrise- deutschland- schultert- ein- viertel- der- euro- rettung/60029054.html. 17 Süddeutsche Zeitung vom 05.07.2011, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/verfassungsbeschwerde- karlsruhe- prueft- griechenland- hilfe- 1.1116166. 18 Thym, Euro- Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kon- trolle, EuZW 2011, 167, 169. 19 FAZ vom 07.07.2010, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas- schuldenkrise/eurokrise- warnung- vor- transferunion- 11010845.html; Tagesschau vom 05.07.2011, abrufbar unter http://www.tagesschau.de/wirtschaft/rettungsschirmklage100.html; Klageschrift im Volltext, abrufbar unter: http://www.asm- ev.de/upload/pdfs/texte/klage_kas%20insg_%20endg_vom%2005_07_10.pdf. 20 Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.09.2011, abrufbar unter http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg11-055.html.

21 Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 28.02.2012, abrufbar unter http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/es20120228_2bve000811.html. 22 Thym, Euro- Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kon- trolle, EuZW 2011, 167, 170. 23 Thym, Euro- Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kon- trolle, EuZW 2011, 167, 171.