Psychosomatik in der Bauchchirurgie

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Psychosomatik. Erkennen - Erklären - Behandeln. Bearbeitet von Wolfgang Herzog, Johannes Kruse, Wolfgang Wöller

Transkript:

Handout Vortrag Interdigest 30.11.2017 Psychosomatik in der Bauchchirurgie Dr. Daniela Zeller

Definition «Psychosomatische Medizin erforscht das Zusammenwirken somatischer, psychischer und sozialer Faktoren bei körperlichen Beschwerden und Erkrankungen, um die Rolle in Diagnostik und Therapie berücksichtigen zu können.»

Das technisch-operative Fach Chirurgie Der Chirurg interessiert sich nur für das «Operationsfeld» des Patienten Psychische Aspekte wie Angst des Patienten, des Chirurgen, Körperbildstörungen, Krankheitsverarbeitung, selbstschädigendes Verhalten usw. werden nicht beachtet oder als psychische Überlagerung in andere Fachgebiete abgeschoben Prä- und postoperative Arzt-Patienten-Verhältnis ist unverstanden und unberücksichtigt

Chirurgie Erkenntnisse über positive Beeinflussung von postoperativen Heilungsprozessen und kürzere Liegezeiten bei besserer psychischer Betreuung Transplantationmedizin: enge Wechselwirkung zwischen Abstossung und Funktion des Transplantat mit dem psychischen Zustand Plastische Chirurgie: persistierende Körperbildstörungen die trotz wiederholten Eingriffen nicht behoben werden.

Artefaktkrankheiten Chirurgie (z.b. Münchhausen-Syndrom, Koryphäen-Killer) menschliche Zuwendung wird über den prekären Umweg der medizinischen, insbesondere chirurgischen Intervention gesucht werden (Objektverlust, Gewalterleben in der Kindheit)

Psychosomatik in der Chirurgie «Wenn Chirurgen vergessen, dass auf dem OP-Tisch fühlende Wesen mit Wünschen und Ängsten liegen, entstehen Fehler und unnötige Operationen» «Wenn Chirurgie nur ein Handwerk wäre, wäre der Patient (der Mensch) eine Maschine (gleicher input gleicher output) «geht es nicht um chirurgische Krankheiten oder um chirurgische Patienten, sondern um das chirurgische Handeln» Bernd Hontschick *1952, Chirurg

Chirurgisches Handeln 1. Phase: Indikationsstellung Angst vor Ausgeliefertsein, Verstümmelung, Schmerzen, Zukunftsangst, vor dem Tod Aufbau einer tragfähigen Arzt-Patienten-Beziehung über patientenzentrierte Kommunikation vor dem Hintergrund des biopsychosozialen Aspekts

2. Phase: Operation Chirurgisches Handeln technisch-handwerklich, wenig dynamisch (Maschinenmodell), Selbstkontrolle, «Selbstsabotage des Operateurs» (Allgöwer 1983)

3. Phase: Restitution Chirurgisches Handeln Rückgewinnung der persönlichen Integrität und Autonomie Verarbeiten der körperlichen Veränderungen z.b.: katastrophale Lebensqualität bei perfekt angelegtem Anus praeter produktiver Umgang mit der Arzt-Patienten-Beziehung

Chronische Bauchschmerzennach Bauchchirurgie nach Sigmaresektion bei chronischer symptomatischer Sigmadivertikulose nach Adhäsiolyse..Reizdarm? nach Eingriffen bei CED wegen der Chronizität der Erkrankung die seelisch und sozial nicht bewältigt werden kann? Nach Tumorchirurgie wegen zunehmenden Ängsten?

Therapie Aufklärung über Wesen und Ursache der Beschwerden Klare Diagnosevermittlung, Erläuterung ausgeschlossener Diagnosen Schaffen eines stabilen Vertrauensverhältnisses Entwicklung von einfach verständlichen Krankheitsmodellen Konfliktklärung im psychosozialen Bereich Förderung der Eigenverantwortlichkeit Beim RDS Zusätzlich: symptomorientierte Medikamente, Psychopharmaka, kognitive Verhaltenstherapie, Hypnotherapie Entspannungstechniken (PMR, autogenes Training, Biofeedbacktherapie zur Stressreduktion)

Therapie Prozess der Betreuung zusammen mit den Patienten gestalten Offene und patientenzentrierte Kommunikation, gemeinsame Entscheidungsfindung «shared decision making» und Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Konzepts Aus: Psychosomatik in der Gastroenterologie und Hepatologie, Gabriele Moser) 08_2017_der informierte arzt, H. Heinrich, W. Schwizer Praxis der Psychosomatischen Grundversorgung, Iris Veit

Therapie Aufbau einer verlässlichen Beziehung, die es dem Betroffenen zur Selbsthilfe befähigt und hilft die Krankheit zu akzeptieren Diagnostische/ therapeutische Massnahmen nur fallweise nötig (Vermeiden des Furor Medicus) Aus: Psychosomatik in der Gastroenterologie und Hepatologie, Gabriele Moser 08_2017_der informierte arzt, H. Heinrich, W. Schwizer Praxis der Psychosomatischen Grundversorgung, Iris Veit

Zusammenfassung Psychosomatik gehört in die Chirurgie hinein, und in alle anderen Fächer auch «Integrierte Medizin» funktionierende Arzt-Patienten Beziehungen führen zu ü ü ü ü Patienten-/ und Arztzufriedenheit verbesserte Compliance Vorbeugen von Rechtsstreitigkeiten bessere klinische Resultate Wandel der biomedizinischen zu einer biopsychosozialen Medizin

«Mein Magen tut weh, die Leber ist geschwollen, die Füße wollen nicht so recht, das Kopfweh hört auch nicht mehr auf, und wenn ich von mir selber reden darf: Ich fühle mich auch nicht wohl.» Karl Valentin (1882-1948) «The good physician treats the disease; the great physician treats the patient who has the disease.» Sir William Osler (1948-1919)