AUTOMOTIVE INFOKOM VERKEHR & UMWELT LUFTFAHRT RAUMFAHRT VERTEIDIGUNG & SICHERHEIT Überraschungen bei Zuschlagsformeln mit Gewichtung Wolfgang M. Bartsch, Diplom-Informatiker Bird&Bird LawCamp Frankfurt, 17. März 2012
Ausgangslage 21 Abs. 1 EG VOL/A: Der Zuschlag ist auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend. Erwägungsgrund 46 Abs. 3 zur RL 2004/18/EG: Beschließen die öffentlichen Auftraggeber, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen, so bewerten sie die Angebote unter dem Gesichtspunkt des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. 2
Umsetzung in der UfAB Einfache Richtwertmethode (ERM): L = gewichtete Punktsumme der Leistungswertung P = Gesamtpreis des Angebots Erweiterte Richtwertmethode: Vorbereitung: Festlegung einer Schwankungsbreite (z.b. 10 %) und des Entscheidungskriteriums 1. Auswerteschritt: Sortierung aller Angebote nach der Zuschlagskennzahl Z ERM 2. Auswerteschritt: Stich-Entscheidung gemäß Entscheidungskriterium zwischen allen Angeboten, deren Zuschlagskennzahl innerhalb der Schwankungsbreite vom besten Angebot aus Schritt 1 liegen. 3
Gewichtung von Preis und Leistung bei der Bewertung Ohne Gewichtung: (bzw. Gleichgewichtung) Mit Gewichtung: (Leistung zu Preis = = GL : GP = 2 : 1) Intuitive Balance von gewichtetem Preis und gewichteter Leistung 26.03.2012 IABG 2012 4
Ist die Gewichtung von Leistung zu Preis grundsätzlich sinnvoll? Eine Übergewichtung der Leistung bedeutet, dass eine im Vergleich zum Marktdurchschnitt höhere Leistung mit einem überproportionalen Preisaufschlag auf den durchschnittlichen Marktpreis (im Verhältnis von ) zu bezahlen ist. Preis Leistung Wenn die höhere Leistung erforderlich ist, dann hätte man von vornherein die Leistungskriterien höher ansetzen müssen, anstatt dafür einen Premiumaufschlag zu bezahlen. Wenn die höhere Leistung nicht erforderlich ist, dann ist es unsinnig, dafür einen Premiumaufschlag zu bezahlen. Eine Übergewichtung des Preises bedeutet, dass ein im Vergleich zum Marktdurchschnitt niedrigerer Preis mit einer potenziellen überproportionalen Leistungsreduzierung (im Verhältnis von ) einher geht. 5
Neulich in der Vergabestelle Die Gewichtete Richtwertmethode Karin Hemmerle, Leiterin der Vergabestelle, lies sich das aufwändige Verhandlungsverfahren noch einmal durch den Kopf gehen Gewichtete Richtwertmethode der UfAB: Z GRM = Zuschlagszahl (Maß für die Wirtschaftlichkeit) L = Leistungspunkte des einzelnen Angebots P = Preis des Angebots GL = Gewichtung der Leistung; GP = Gewichtung des Preises; L avg = Mittelwert der Leistungspunkte aller Angebote P avg = Mittelwert aller Angebotspreise avg 6
Neulich in der Vergabestelle die Angebote (letzter Stand) Gewicht 6 4 Rang Angebote Leistung Preis A 10 100 Mio. 1 B 8 70 Mio. 2 C 6 78 Mio. 3 Warum liegt A vor B? Leistung: 10 zu 8 = + 25% Preis: 100 zu 70 = + 43% 15 % 10 % + 25 % + 37,5 % 7
Neulich in der Vergabestelle Das überraschende Endergebnis Verhandlungsverfahren; Stand vor dem letzten Preisangebot: Bieter L P Z RANG A 10 100 Mio. 2,7 1 B 8 70 Mio. 2,6 2 C 6 78 Mio. 0,7 3 Flipping Stand nach dem letzten Preisangebot: Nur C ändert seinen Preis Aber A und B tauschen Platz! Bieter L P Z RANG A 10 100 Mio. 2,4 2 B 8 70 Mio. 2,5 1 C 6 67 Mio. 1,1 3 8
Flipping - am Beispiel Autorennen Erstes Rennen: Fahrzeug A gewinnt! A B C Zweites Rennen: Nur Fahrzeug C wurde verändert. Aber A und B tauschen Platz! A B C 9
Störung durch Ausreißer (Z GRM ein Maß für die Wirtschaftlichkeit?) GRM Der Preis von Angebot X entscheidet, welches der Angebote A, B, C oder D gewinnt! 10
Grund der Störanfälligkeit Der Preisausreißer P(X) geht linear in den Mittelwert P avg ein. avg Deswegen wird der zweite Term beliebig klein. 11
Die gewichtete Medianmethode L med P med med = Median *) der Leistungspunkte aller Angebote med = Median aller Angebotspreise Die Gewichtete Medianmethode ist unempfindlich gegenüber Ausreißern. Die Gewichtete Medianmethode bildet (für fast alle Angebote) die intuitive gewichtete Balance zwischen Preis und Leistung ab. ABER: Auch die Gewichtete Medianmethode ist anfällig für Flipping! aber nur dann, wenn der ausgerechnet der mittlere Preis (der den Preismedian repräsentiert,) verändert wird *) Median: Der Median teilt eine sortierte Liste in zwei gleiche Hälften. 12
Einfluss der Anzahl N der Angebote Median Spielraum für den Median 13
Brautjungfer-Angebote Taktische (evtl. mittelbare) Angebote, die das Kernangebot aufwerten ( gut aussehen lassen ) Beispiel zur Gewichteten Richtwertmethode: Ein Schwarm von hochpreisigen, aber leistungsarmen Angeboten zieht den Preismittelwert hoch (der Preis spielt dann eine untergeordnete Rolle) und drückt den Leistungsmittelwert nach unten (die Leistung erhält mehr Gewicht). Die beabsichtigte Gewichtung von Leistung und Preis ist also gestört. Leistungsstarke, aber teure Angebote haben eine verbesserte Zuschlagschance. Beispiel zur Gewichteten Medianmethode: Ein Bieter kann sich beider Mediane (Leistung und Preis) bemächtigen, indem er (mittelbar) mehr als die Hälfte aller Angebote abgibt. 14
Die Relative Preispunkte-Methode RPPM Grundidee: Der Preis ist eines von mehreren Zuschlagskriterien. Alle Zuschlagskriterien werden nach demselben Punkteraster (0 bis L max ) gewertet. Der niedrigste Preis P nied bekommt volle Punktzahl = L max. Der höchste Preis P höchst bekommt 0 Punkte. Alle anderen Angebote erhalten einen Punktwert proportional zu P nied und P höchst. Zugehörige Formel: ö ö Relative Preispunkte Die Relative Preispunkte-Methode flippt! 15
Die Zuschlagsformel FIX mit fixierten Preisgrenzen Grundideen / Ziele: Preis-Strafpunkte Unabhängigkeit der Normierung durch Vorgabe fester (fixierter) Preisgrenzen P min und P max min max Umrechnung der Angebotspreise in Preisstrafpunkte durch lineare Interpolation zwischen den Preisgrenzen Maximale Preisstrafpunkte = maximale Leistungspunkte Einfach, gebrauchstauglich L max Punktwert für A 0 P min P(A) P max Preisspektrum Mathematisch robust gegenüber Preisausreißern, Flipping oder Brautjungferangebote Abbildung der intuitiven gewichteten Balance von Preis und Leistung 16
Austarierung von gewähltem Preisspektrum und Gewichtung 2. Term der Formel FIX Vergabestelle 1 Vergabestelle 2 17
Dank und Fragen Wolfgang Bartsch IABG mbh Beschaffungs- und Projektmanagement bartsch@iabg.de Weitere Informationen unter http://www.iabg.de/formel 18