Die In-vitro-Wirkung von Chlorhexidin enthaltenden Mundspüllösungen auf polyspezies Biofilme



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Literaturverzeichnis siehe englischen Text, Seite 436 Forschung und Wissenschaft Bernhard Guggenheim André Meier Institut für Orale Biologie, Universität Zürich, Zentrum für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde Korrespondenzadresse B. Guggenheim Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Zürich Plattenstrasse 11 8032 Zurich Tel. +44 634 32 77 Fax +44 634 43 10 E-Mail: bernie@zzm.uzh.ch Schweiz Monatsschr Zahnmed 121: 437 441 (2011) Zur Veröffentlichung angenommen: 29. Oktober 2010 Die In-vitro-Wirkung von Chlorhexidin enthaltenden Mundspüllösungen auf polyspezies Biofilme Schlüsselwörter: Chlorhexidin, Biofilme, antimikrobielle Wirkung, Mundspüllösungen Zusammenfassung Das Ziel dieser Arbeit war es, die antimikrobielle Wirkung von auf dem Schweizer Markt erhältlichen Chlorhexidin (CHX) enthaltenden Mundspülungen im Zürcher Polyspezies-Biofilm-Modell vergleichend zu untersuchen. Als positive Kontrolle wurde eine wässrige 0,15%-CHX-Lösung, als negative Kontrolle Wasser verwendet. Listerine ohne CHX wurde ebenfalls in die Untersuchung ein geschlossen. Biofilme wurden in 24 Loch-Zellkulturplatten auf Hydroxylapatitscheiben gezüchtet. Ein Gemisch bestehend aus 70% Speichel (1:1 verdünnt) + 30% komplexes Medium wurden als Nährlösung verwendet. Während der 64,5 h dauernden Kulturperiode wurden die Biofilme an 2 aufeinanderfolgenden Tagen zweimal während 1 min den Testlösungen ausgesetzt. Danach wurden die Biofilme dreimal durch Eintauchen in phys. NaCl gewaschen. Nach der letzten Exposition wurden die Biofilme während 16 h weiter inkubiert und nach 64,5 h geerntet. Die dispergierten Biofilme wurden auf 2 Nährböden ausplattiert und die Kolonien (KBE) gezählt. Alle CHX-Spülungen und Listerine verminderten die Zahl der Mikroorganismen in den Biofilmen signifikant. Nach ihrem Wirkungsgrad liessen sich die Mundspülungen 2 Gruppen zuordnen: Die beiden Curasept-ADS-Spüllösungen sowie Parodontosan und Listerine verminderten die Totalkeimzahl in der Grössenordnung von 3 log 10-Stufen, was, übertragen auf In-vivo-Verhältnisse, für eine langfristige, prophylaktische Anwendung genügen sollte. Die beiden PlakOut -Lösungen und die CHX-Kontrolle fielen in die andere Gruppe, indem sie die Mikrobiota um 7 Zehnerpotenzen reduzierten. Diese Lösungen sind für einen kurzfristigen, therapeutischen Einsatz prädestiniert, und die reversibeln Nebenwirkungen müssen in Kauf genommen werden. Das Ziel, CHX-Produkte mit wirksamen ADS(Anti Discoloration System)-Zusätzen ohne Verlust antimikrobieller Wirkung zu formulieren, scheint wenig aussichtsreich. Einleitung Seit nun mehr als 40 Jahren ist die ausgezeichnete Wirkung von Chlorhexidin (CHX) zur Verhütung von Zahnplaque und Zahnfleischentzündungen bekannt (Löe & Schiott 1970, Flotra et al. 1972). Einer uneingeschränkten breiten Anwendung von CHX enthaltenden Lösungen in der täglichen Mundpflege standen jedoch zwei markante Nebenwirkungen oberflächliche Zahnverfärbungen und Verlust der Geschmacksempfindung im Wege. Diese wurden bereits früh erkannt (Schiott et al. 1970) und standen obwohl nach Absetzen der CHX-Behandlung reversibel einer uneingeschränkten Anwendung im Wege. Als Konsequenz dieser in vielen Studien gemachten Beobachtungen resultierten zwei Erkenntnisse. Erstens: CHX-Spülungen wurden auf befristete, therapeutische Anwendungen limitiert, bei welchen der Nutzen die nicht schwerwiegenden, aber Schweiz Monatsschr Zahnmed Vol. 121 5/2011 437

Forschung und Wissenschaft Articles published in this section have been reviewed by three members of the Editorial Review Board für die Patienten unangenehmen Erfahrungen deutlich übertraf. Zweitens: Industrie und Forschung suchten und suchen immer noch nach Mitteln und Wegen, wie mit Anpassungen der Anwendungskonzentration und/oder mit Formulierungszusätzen die Nebenwirkungen weitgehend unter Erhalt der antimikrobiellen Wirkung eliminiert werden könnten (Addy et al. 1989, 1991, 2005). Dies ist ein äusserst schwieriges Unterfangen, da die kationische Natur des CHX-Moleküls einerseits für dessen Substantivät und die damit verbundene nachhaltige antimikrobielle Wirkung sorgt. Andererseits bedingt die hohe Reaktivität des Moleküls mit anionischen Verbindungen eine rasche Inaktivierung der antimikrobiellen Aktivität, was antimikrobiell aktive gemischte Formulierungen schwierig, wenn nicht unmöglich macht (Jones 1997). Der Erfolg solcher Bestrebungen, die alle 4 kritischen Parameter Plaquereduktion, Verfärbungen, Geschmacksirritationen und Entzündungshemmung einschliessen, kann nur in klinischen Studien geprüft werden. Versuche, die nur die Verhütung von Verfärbungen und Geschmacksirritationen in vivo (Bernardi et al. 2004) sowie Verfärbungen in situ (Jones 1997) beinhalten, sind ohne begleitende mikrobiolgische Untersuchungen wenig aussagekräftig. Gleichermassen eingeschränkt ist die Aussagekraft von mikrobiologischen Untersuchungen mit CHX und CHX enthaltenden Produkten, aber auch mit anderen antimikrobiellen Stoffen, wenn die minimale Hemmkonzentrationen mit planktonischen Bakteriensuspensionen bestimmt wird (Hope & Wilson 2004). Ein wesentlicher Durchbruch wurde erst erzielt, als polyspezies Biofilme zur Bestimmung der Wirkung von antimikrobiellen Stoffen eingesetzt wurden (Kinniment et al. 1996). Besonders im Zürcher Biofilmmodell (Guggenheim et al. 2001, Shapiro et al. 2002) wurde ein erstaunlicher Grad der Übereinstimmung der optimalen Wirkstoffkonzentration in Biofil- men mit in klinischen Versuchen ermittelten Werten erzielt. Allerdings sind auch Biofilmmodelle untaugliche Mittel, um 3 der oben erwähnten in klinischen Versuchen messbaren Parameter zu ermitteln. Sie sind jedoch bedeutend weniger aufwendig und ermöglichen Expositionen von Biofilmen mit Testprodukten in praxisnaher Anzahl, Zeitdauer und Konzentration. Biofilmversuche sind deshalb ein erprobtes Auswahlverfahren, um Wirkung und Eignung neuer antimikrobieller Produkte für den Einsatz in der Mundhöhle als therapeutische und/oder prophylaktische Anwendung zu prüfen. Sie erlauben ferner einen Quervergleich der Wirkung von bereits auf dem Markt befindlichen Produkten (Shapiro et al. 2002). In der vorliegenden Studie wurden CHX enthaltende, auf dem Schweizer Markt erhältliche Produkte mit folgenden Fragestellungen geprüft: Eignen sich Mundspülungen mit vor Verfärbung schützenden Zusätzen (Anti Discoloration System; ADS) sowohl für einen befristeten therapeutischen als auch für einen langfristigen prophylaktischen Einsatz? Verändern solche Zusätze die antibakterielle Wirkung von CHX und schliesslich, gibt es Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen ASD enthaltenden CHX-Mundspülungen? Material und Methoden Mundspülungen und Kontrollen Die in der Studie geprüften wässrigen Mundspülungen und die verwendeten Positiv- und Negativkontrollen sind in Tabelle I aufgeführt. Zusätzlich zu den CHX enthaltenden Mundspülungen wurde auch Listerine in die Untersuchung einbezogen, da der Hersteller dieses Produkt als wirksame, nicht zahnverfärbende Alternative zu CHX-Mundspülungen empfiehlt. Alle Produkte wurden im Fachhandel bezogen. Tab. I Zusammenstellungen der geprüften Spüllösungen Produkt, Handelsname Hersteller und Vertrieb Wirkstoff(e) Konzentration Weitere Zusätze 1. PlakOut, Spüllösung KerrHawe SA, CH-6934 CHX-diglukonat 0,1% Aromatica, Farbstoff: E 127, Äthonal Bioggio*** 8% v/v, Ecipiens ad Solutionem 2. PlakOut, Liquid KerrHawe SA, CH-6934 CHX-diglukonat 0,2%* Äthonal. 45 Vol.%, Aromastoffe, Bioggio*** Excipiens ad Solutionem v** 3. Curasept ADS 212 Curaden Health-Care s. r. l. CHX-diglukonat 0,12% Xylit, Propylenglycol, PEG 40, Saronno (VA), Italien Hyd. Castor Öl, Ascorbinsäure, Poloxamer 407, Na-Metabisulfit Na-Citrat. Aroma Cl. 42090 4. Curasept ADS 220 Curaden Health-Care s. r. l. CHX-diglukonat 0,2% Xylit, Propylenglycol, PEG 40, Saronno (VA), Italien Hyd. Castor Öl, Ascorbinsäure, Poloxamer 407, Na-Metabisulfit Na-Citrat. Aroma Cl. 42090 5. Parodentosan Spüllösung Tentan AG, CH-4433, CHX-diglukonat 0,05% Pro ml: Myrrhetinktur 1,9 mg, Ramlinsburg*** Salbeiöl 0,5 mg, Pfefferminzöl 0,08 mg, Äthanol 15 Vol.%, Xylit und weitere Hilfsstoffe 6. Listerine Johnson & Johnson Thymol 0,064% Sorbit, 1-Propanol, Äthanol 21%, Maidenhead UK Menthol 0,042% Methylsalicylat, Poloxamer 407, SL6 3UG Eucalyptol 0,060% Benzoesäure Cl l47005, Na-Fluorid 100 ppm und andere 7. Chlorhexidin Sigma-Aldrich CHX-diglukonat 0,15% Keine (positive Kontrolle) Chemie Gmbh D-Steinheim 88552* 8. Wasser Keine Keine (negative Kontrolle) * in der gewählten Verdünnung ** in der unverdünnten Originallösung *** Vertrieb 438 Schweiz Monatsschr Zahnmed Vol. 121 5/2011

Wirkung von Chlorhexidin auf Biofilme Forschung und Wissenschaft Herstellung der Biofilme Die verwendete Testmethode wurde bereits in allen Einzelheiten publiziert (Guggenheim et al. 2001, Shapiro et al. 2002), sodass für das Verständnis dieser Arbeit eine Synopsis genügt. Polyspezies Biofilme wurden mit Actinomyces naeslundii OMZ 745, Veillonella dispar OMZ 493, Fusobacterium nucleatum OMZ 598, Streptococcus mutans OMZ 918, Streptococcus oralis OMZ 607 und Candida albicans OMZ 110 hergestellt. Mit Speichelpellikel überzogene Hydroxylapatitscheiben (HA-Scheiben; Ø 10,6 mm) wurden in 24 Loch-Polystyren-Zellkulturplatten mit 1,6 ml 70% unstimuliertem Mischspeichel + 30% mfum (modified universal fluid medium) überschichtet. Das Medium, das mit 67mmol Sørensenpuffer auf ph 7,2 eingestellt wurde, enthielt 0,3% Kohlehydrat. Während der ersten 16,5 h Kulturdauer wurde hierfür Glukose verwendet, danach von 16,5 64,5 h eine 1:1(w/w)-Mischung von Glukose und Saccharose. Zum Zeitpunkt 0 wurden die einzelnen Kulturbehältnisse mit 200 μl einer gemischten Mikroorganismensuspension in physiologischer NaCl-Lösung inokuliert, die aus gleichen Volumina jeder Spezies (OD 1,0 ± 0.05) zusammengesetzt war. Die Biofilmkulturen wurden bei 37 ºC anaerob inkubiert. Das Medium wurde nach 16,5 und 40,5 h jeweils nach der Exposition mit den Testlösungen gewechselt. Prüfung der antimikrobiellen Wirkung der Testlösungen Die mit Biofilm bedeckten HA-Scheiben wurden der Kultur entnommen und in einer weiteren Kulturplatte während 1 min in die Testlösung getaucht und leicht geschüttelt, danach durch 3-maliges Dippen in 2 ml physiologischer Kochsalzlösung gewaschen. Die Biofilme wurden nach 16,5, 24,5, 40,5 und 48,5 h den Testlösungen exponiert. Nach der letzten Behandlung wurden die Biofilme weiter inkubiert und nach 64,5 h durch 2 min kräftiges Vortexen in 1 ml physiologischer Kochsalzlösung geerntet. Die abgelösten, suspendierten Biofilme wurden 5 sek mit Ultraschall behandelt, vorverdünnt und mit einem Spiralplatter auf Columbia Blood Agar Base (Difco Laboratories, Inc., Detroit, USA) mit 5% (v/v) humanem Blut und auf Mitis-Salivarius Agar (Difco Laboratories, Inc., Detroit, USA) ausplattiert. Die kolonienbildenden Einheiten (KBE) wurden nach 72 h anaerober Inkubation unter einem Stereomakroskop gezählt. Die totalen KBE wurden auf Columbia Blutagar, S. mutans und S. oralis auf Mitis-Salivarius Agar ermittelt. Alle Experimente wurden dreimal mit Triplikaten wiederholt (N = 9). Statistik Für die statistische Analyse der Wirkung der verschiedenen Testlösungen auf die Biofilm-Mikrobiota wurden die log 10-transformierten Zahlen der KBE auf den beiden Nährböden verwendet. Die Verteilung der Messwerte (total KBE, S. mutans KBE, S. oralis KBE) sind in «box-plots» (Chatfield 1983) dargestellt. Die Unterschiede in der antimikrobiellen Wirkung der Testprodukte Curasept ADS 212 und 220, Parodentosan sowie Listerine wurden auf ihre statistische Signifikanz mittels Varianzanalysen und Scheffe-Tests im StatView-II-Programm (Abacus Concepts, Inc., Berkley, Calif., USA) überprüft. Resultate Die Resultate sind in der Abbildung 1 zusammenfassend dargestellt. Die Grafik zeigt, dass die getesteten Lösungen aufgrund der erzielten antimikrobiellen Wirkung drei deutlich verschiedenen Gruppen zugeteilt werden können. Gruppe 1 beinhaltet einzig die negative Wasserkontrolle, Gruppe 2 die Curasept ADS 212-, die Curasept ADS 220-, Parodentosan- und die Listerine -Mundspülungen, Gruppe 3 die PlakOut -Spüllösung, PlakOut liquid und die positive CHX-Kontrolle. Wie die «boxplots» ferner auch ohne statistisches Prüfverfahren klar zeigen, bestehen zwischen den 3 Gruppen grosse Unterschiede. Ins Auge stechen die Ergebnisse der Gruppe 3. Hier wurde die Biofilmbildung mit nur 2 einminütigen täglichen Expositionen mit CHX-Lösungen im Konzentrationsbereich zwischen 0,1 0,2% während 2 Tagen um 7 log 10 Stufen reduziert, was sogar mehr als der verlangten Keimreduktion von Sterilisationsverfahren entspricht. Aber auch die Mundspülungen der Gruppe 2 zeigten im Vergleich zur Wasserkontrolle eine starke Verminderung der totalen Mikrobiota um etwa 3 log 10- Stufen. Weniger deutlich fielen die Unterschiede zwischen den Mundspülungen in nerhalb dieser zweiten Gruppe aus. Die Varianzanalyse zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen den Spüllösungen in Bezug auf die totalen KBE der Mikroorganismen. Bezüglich S. mutans waren diese Unterschiede aber statistisch signifikant (Varianzanalyse P < 0,001, Scheffe- Test P < 0,05 bis P < 0,01). Auch in Bezug auf S. oralis wurden signifikante Unterschiede zwischen Listerine und Curasept ADS 220 bzw. Parodentosan gefunden (Scheffe-Tests: P < 0,05 resp. P < 0,001). Weiter wurde auch zwischen Curasept ADS 212 und Parodentosan ein signifikanter Unterschied festgestellt (Scheffe-Test: P < 0,01). Diskussion Die vorliegenden Resultate erlauben eine klare Beantwortung der eingangs gestellten Fragestellung. Alle CHX enthaltenden Mundspülungen reduzierten die Biofilmpopulation obwohl nur 4 mal während 1 min exponiert. Allerdings tun sie dies in sehr unterschiedlichem Ausmass. Alle CHX-Mundspülungen, die mit dem Ziel formuliert wurden, Zahnverfärbungen zu vermindern oder zu verhüten, und auch Listerine (ohne CHX) hatten eine hochsignifikant geringere antimikrobielle Aktivität als die beiden PlakOut -Spülungen und die CHX-Kontrolle. Dies grenzt die Anwendung dieser beiden Produktegruppen deutlich ab. Alle Spüllösungen der Gruppe 2 scheinen dem Anspruch zu genügen, langfristig als prophylaktische Mundspülungen eingesetzt werden zu können, sofern sie Zahnverfärbungen verhüten. Für die zahlreichen klinischen Situationen, bei denen bereits von Bakterien verursachte Erkrankungen der Zahn- Hart- und/oder Weichgewebe im Vordergrund stehen, sind die Spüllösungen der Gruppe 3 für eine zeitlich limitierte therapeutische Anwendung weit besser geeignet. Die bekannten Nebenwirkungen (Verfärbungen, Geschmacksirritationen) müssen unter solchen Voraussetzungen in Kauf genommen werden. Interessant sind die unterschiedlichen Wirkungskonzentrationen der verschiedenen CHX-Spülungen. Für die Lösungen der Gruppe 3 diskriminiert das gewählte Biofilmmodell über einer Konzentration von 0,1% nicht weiter, da die maximale Wirksamkeit bereits erreicht ist. In der Gruppe 2 sind zwischen den 0,12 und 0,2% Curasept-ADS-Spülungen in Bezug auf die totalen KBE keine signifikanten Unterschiede auszumachen. Dies kann nur dadurch erklärt werden, dass die die Verfärbung verhindernden Zusätze mit der antimikrobiellen Wirkung von CHX nur beschränkt kompatibel sind. Diese Feststellung wurde bereits früh in vielen Studien gemacht (Addy et al. 1991, 2005; Shapiro et al. 2002; Slots 2002 und viele andere). Die von den Herstellern von Parodentosan eingeschlagene Strategie zur Verhütung von Verfärbungen ist interessant. Die sehr geringe 0,05%-CHX-Konzentration scheint durch die minimalen Men- Schweiz Monatsschr Zahnmed Vol. 121 5/2011 439

Forschung und Wissenschaft Articles published in this section have been reviewed by three members of the Editorial Review Board Abb. 1 Hemmung der Mikrobiota mit verschiedenen Mundspüllungen im Biofilmmodell. Die Resultate sind mit «Box-Plots» zusammmenfassend dargestellt (N = 9). gen von Zusatzstoffen (Ätherische Öle, Äthanol, Xylit etc.) nicht beeinträchtigt zu werden. Trotzdem lässt sich Parodentosan der Gruppe 2 zuordnen. Die grosse Streuung lässt sich dadurch erklären, dass nach der ersten CHX-Exposition die Zahl der im Biofilm überlebenden Mikroorganismen wegen der tiefen CHX-Konzentration breiter streut. Diese Streuung wird in den nachfolgenden CHX-Behandlungen weiter amplifiziert. Polyspezies Biofilmmodelle werden seit mehr als 10 Jahren mit Erfolg zur vergleichenden Prüfung der Wirkung von antimikrobiellen Substanzen für den Einsatz in der Mundhöhle eingesetzt (Review: ten Cate 2006). Die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration mit planktonischen Kulturen ist obsolet geworden, weil die ermittelten Werte bis zu einem Faktor 1000 von klinisch wirksamen Konzentrationen abweichen. Die Gründe dafür sind einfach. Biofilme können mit Testsubstanzen während kurzen Zeitperioden und Intervallen, die auf die menschlichen Hygienegewohnheiten abgestimmt sind, exponiert werden. Sie haben sehr ähnliche Diffusionseigenschaften wie Zahnplaque und eine höhere Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen (Gilbert P et al. 1997). Dies wird mit unterschiedlicher Genexpression und damit auch der Präsenz verschiedener Phänotypen in Biofilmen im Vergleich zu planktonischen Mikroorganismen erklärt. Vor allem zwei Modelle wurden bisher mit Erfolg eingesetzt. Das in dieser Arbeit eingesetzte Zürcher Modell (Guggenheim et al. 2001, Shapiro et al. 2002) und der Einsatz des «constant-depth film fermenter» (Kinniment et al. 1996, Pratten et al. 1998). Hier sind auf einer drehenden Scheibe Probenträger aufgebracht, auf welchen in einem Laborfermenter Biofilme submers gezüchtet werden. Eine konstante Biofilmdicke wird dadurch erreicht, dass die Biofilme unter 2 in gewünschtem Abstand angebrachten Messer rotieren. Der Biofilmfermenter wird aus einem zweiten Fermenter mit einer kontinuierlich fliessenden Mischkultur inokuliert und die sich auf den Probenträgern bildenden Biofilme mit Medium versorgt (variierbare Flussrate). Durch periodisches und zeitlich beschränktes Einfliessenlassen von Testlösungen in einer gewünschten Konzentration kann deren antimikrobielle Wirkung getestet werden. Dieses Verfahren hat jedoch erhebliche Nachteile. Es ist sehr aufwendig, und es kann pro Ansatz nur eine Testsubstanz in einer Konzentration geprüft werden. Die vollständige Ausverdünnung aus dem Medium erfordert Zeit, sodass eine praxisnahe sehr kurze Exposition zu Testlösungen nicht möglich ist. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass durch Steuerung der Flussrate konstante, wählbare Scherkräfte auf die Biofilme einwirken. Das Züricher Biofilmmodell hat diese Nachteile nicht. Es ist nicht aufwendig, es können in einem Versuch 8 Verfahren mit je drei Wiederholungen geprüft werden. Konstante Scherkräfte fehlen allerdings. Die Biofilme werden bei den häufig wiederholten dip-waschungen beim Durchführen durch eine Gas-/Flüssigkeitsphase sehr starken Scherkräften ausgesetzt. Für dieses Modell spricht vor allem dessen ausgezeichnete Reproduzierbarkeit, so ist zum Beispiel die mit Listerine erzielte antibakterielle Wirkung in Versuchen vor mehr als 9 Jah ren 440 Schweiz Monatsschr Zahnmed Vol. 121 5/2011

Wirkung von Chlorhexidin auf Biofilme Forschung und Wissenschaft (Shapiro et al. 2002) nahezu identisch ausgefallen wie in den hier aufgeführten Versuchen und dies unter klinisch relevanten Bedingungen. Was ist nun der Stellenwert der vorliegenden Resultate für die klinische Applikation von CHX-Mundspülungen? Die ausserordentlich starke Wirkung von gut formulierten sowie reinen CHX-Lösungen im Konzentrationsbereich 0,1 0,2% ohne Verfärbung verhindernde Zusätze (ADS) in der Klinik ist bekannt und wird auch durch diese Biofilmexperimente bestätigt. Reversible Zahnverfärbungen und Geschmacksirritationen müssen dabei in Kauf genommen werden, weshalb sich diese Mundspüllösungen nur für den kurzfristigen therapeutischen Einsatz eignen. Versuche, durch ADS-Zusätze oder die Reduktion der CHX-Konzentration unter Erhalt der antimikrobiellen Wirkung die Verfärbungen zu verhüten, müssen als gescheitert betrachtet werden, mindestens was die Keimverminderung in Biofilmen betrifft. Wie zu erwarten war, deckten sich die Ergebnisse der vorliegenden Biofilmversuche sehr gut mit einer klinischen Plaque-Studie (Arweiler et al. 2006). Wie die Resultate in der Gruppe 2 zeigen, ist die antimikrobielle Wirkung im Vergleich zur Gruppe 3 10 000-mal (4 log 10 - Stu fen) schwächer, was jedoch durchaus für einen langfristigen prophylaktischen Einsatz genügen sollte. Allerdings reiht sich das CHX-freie Listerine lückenlos in die Reihe der CHX-haltigen Produkte ein. Letztere haben jedoch eine besonders starke Wirkung auf S. mutans (Abb.1), was sicher für die Kariesprophylaxe von Vorteil sein könnte. Abschliessend soll nochmals daran erinnert werden, dass mit Biofilmversuchen in vitro die antimikrobielle Wirkung in vivo sehr genau eingeschätzt werden kann. Weitere Parameter (Verfärbungen, Geschmacksirritationen, Entzündungshemmung, Akzeptanz etc.), welche für die Praxistauglichkeit eines Produktes entscheidend sind, können nach wie vor nur in klinischen Studien ermittelt werden. Verdankungen Die Autoren sind Dr. G. Menghini für die Hilfe bei der statischen Auswertung der Resultate verbunden, Dr. R. Gmür für die kritische Durchsicht des Manuskripts und Dr. Fabien Decaillet für die französische Übersetzung der Zusamenfassung dankbar. Literaturverzeichnis siehe englischen Text, Seite 436. Schweiz Monatsschr Zahnmed Vol. 121 5/2011 441