Swiss Paper AG. Fallstudie 3



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Transkript:

Fallstudie 3: Swiss Paper AG 413 Fallstudie 3 Swiss Paper AG Papier entsteht durch Eigenverklebung und Verfilzung von Fasern. Der wichtigste Rohstoff für die Papierherstellung ist Holz (Fichten, Tannen, Kiefern, Pappeln usw.), das durch einen Verarbeitungsprozess in Holzschliff oder Zellstoff verwandelt wird. Mehr und mehr wird auch Altpapier als Rohmaterial eingesetzt. Die Rohstoffe werden mechanisch zerfasert, chemisch zerlegt, gebleicht, gewaschen und mit Füllstoffen, Leim und Farben vermischt. In der Schweiz produzieren nur sechs Werke jährlich mehr als 100 000 t Papier. Eines davon ist die «Swiss Paper AG». Das Unternehmen ist 1882 gegründet worden. Seit der Gründung hat es sich bis vor einigen Jahren stetig weiter entwickelt. Während zunächst nur der inländische (kartellierte) Markt bedient wurde, fand insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten eine Ausweitung in internationale, insbesondere europäische Märkte statt. Der Anteil der Papierindustrie am Bruttosozialprodukt beträgt in der Schweiz lediglich etwas weniger als 1%. Die gesamte Papierindustrie des Landes beschäftigt rund 5000 Mitarbeiter. Der Exportanteil der Gesamtindustrie beträgt heute etwa 50% der Produktion. Im globalen Wettbewerb spielen allerdings die Schweizer Papierunternehmen eine untergeordnete Rolle. Nur etwa 1,9% des in Europa hergestellten Papiers und Kartons stammt aus Schweizer Produktion. Wichtige Konkurrenten in Europa sind deutsche und skandinavische Papierproduzenten. Es bestehen in der Schweiz wenig Möglichkeiten zur Realisierung von

414 Anhang Synergiegewinnen durch Unternehmenszusammenschlüsse. Die hier ansässigen Unternehmen sind oft in verschiedenen Segmenten tätig, was sich auch in unterschiedlichen Maschinengrößen und in ungleichen Distributionskanälen ausdrückt. Zusammenschlüsse werden aber auch aus Gründen der Marktbeherrschung eher skeptisch beurteilt. So befürchtet man, dass ein Zusammenschluss von Produktionseinheiten im Zeitungspapiermarkt, die zu einem Marktanteil von über 60% im Schweizer Markt führen könnte, die Nachfrager aus strategischen Gründen dazu veranlasst, vermehrt auf ausländische Anbieter auszuweichen. 60 50 40 30 20 10 0 1980 1990 1995 Anzahl Betriebe Produktionskapazität pro Betrieb (in 1000 t) Anzahl Beschäftigte (in 1000) Strukturwandel in der schweizerischen Papier- und Kartonindustrie: Effizienzsteigerung 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1980 1990 1995 gesamte Produktionskapazität (in 1000t) Exporte (in 1000t) Importe (in 1000t) Strukturwandel in der schweizerischen Papier- und Kartonindustrie: Ausweitung der Produktionskapazität Mit der Entwicklung der Informatik hat sich schon Mitte der 80er Jahre die Technologie der Papierherstellung dramatisch verändert. Diese Entwicklung kam den Unternehmen in der Schweiz in gewisser Weise entgegen, denn die steigenden Lohnkosten erforderten eine stetige Rationalisierung der Papierproduktion. Diese gelang auch und führte zu

Fallstudie 3: Swiss Paper AG 415 erheblichen Produktivitätsfortschritten, die es in den letzten Jahren erlaubten, den Ausstoß von Papier und Karton zu erhöhen und gleichzeitig den Bestand an Mitarbeitenden zu senken. Allerdings war dies mit erheblichen Investitionen verbunden. Die Kosten für die Erstellung einer modernen Produktionsstraße beliefen sich zu Beginn der 90er Jahre auf beinahe 500 Mio. Franken. Dies bedeutete auch, dass nur bei einer Produktion von großen Mengen mit der Erreichung der Gewinnschwelle gerechnet werden konnte. Wichtige Grundstoffe der Papierproduktion sind unter anderem: Zellulose, Zellstoff, Altpapier, Holzschliff, Frischwasser, Chemikalien, Füllstoffe, Stärke, Leim und Energie. Zellulose und Zellstoff werden fast ausschließlich für die Papierproduktion nachgefragt. Energie- und Wasserpreis sind in der Schweiz vor allem politisch bestimmt. Auch für Großabnehmer ist die Verhandlungsspanne relativ gering. In jedem Fall ist aber die Versorgungssicherheit sehr groß. In der Schweiz erforderten in den letzten Jahren neue Umweltschutzgesetze zusätzliche Investitionen für eine umweltgerechte Produktion und weitere Aufwendungen für die Entsorgung von Abfällen. Dies war einer der Faktoren, der auch eine Veränderung in der Rohstoffnutzung bewirkte. Die Schweizer Papierindustrie verlegte sich zunehmend auf den Rohstoff Altpapier. Innerhalb von nur fünf Jahren stieg die Einsatzquote von 48% auf 61%. Über drei Viertel des Altpapiers stammt aus dem Inland, ganz im Gegensatz zum Zellstoff, der zu 90% importiert werden muss. Die kostengünstige Rohstoffbeschaffung ist von entscheidender Bedeutung, da der Materialanteil etwa 50% der Gesamtkosten ausmacht. Je nach Produkt fallen auch die Energiekosten ins Gewicht. Bei Wellpappe beträgt der Energieanteil etwa 35%, bei Zeitungspapier allerdings nur etwa 10%. Wegen der Produktivitätssteigerung nehmen die Arbeitskosten, die zur Zeit etwa noch 20% der Gesamtkosten ausmachen, stetig ab. Insgesamt ist festzuhalten, dass die hohen Energiekosten sowie die Regulierungsdichte (Umwelt, Bau, Arbeit) die Attraktivität des Standortes Schweiz beeinträchtigen, obwohl die Arbeitskosten nur wenig höher als in Deutschland und in Skandinavien liegen. Vorteilhaft wirkt sich hingegen das niedrige Zinsniveau aus. Ebenso das vergleichsweise günstige Angebot an Altpapier. Mit einer Sammelrate von 58% liegt die Schweiz in Europa an vierter Stelle. Der inländische Rohstoff unterliegt geringeren Preisschwankungen als der Zellstoff. Teilweise können mit den Gemeinden Verträge abgeschlossen werden, die den Preis des Altpapiers bereits sechs bis neun Monate im voraus regeln. Allerdings ist auch der Altpapiermarkt in Bewegung. Noch vor kurzer Zeit wurden die Papierfabriken für die Übernahme des Altpapiers entschädigt. Inzwischen müssen sie pro Tonne bereits wieder um die 100, Franken bezahlen.

416 Anhang Die Preisschwankungen beim Zellstoff sind allerdings etwas gemildert worden, seit in Helsinki ein Rohstoffmarkt mit Zellstoff eröffnet worden ist. Mit Futures Notierungen, die sich zu Standardkontrakten mit der Papierindustrie entwickeln sollen, wird für die Branche die Möglichkeit geschaffen, sich besser vor den massiven Preisbewegungen am Zellstoffmarkt zu schützen. Fr. pro Tonne 1400 1200 1000 Northern Bleached Softwood Kraft 800 600 400 200 0 1980 1984 1988 1992 1996 Preisentwicklung von skandinavischem Langfaserzellstoff Massenpapiere auf Zellstoffbasis Massenpapiere auf Zellstoffbasis lassen sich in der Schweiz kaum noch gewinnbringend produzieren. Die hohe Abhängigkeit nicht integrierter Unternehmen (Papierhersteller ohne eigene Zellstoffproduktion) erweist sich als Nachteil, da der Einfluss der zyklischen Bewegungen des Zellstoffpreises sehr hoch ist. Die größten Konkurrenten auf dem europäischen Markt, die Skandinavier, bestehen meist aus integrierten Betrieben und sind daher diesen Preisbewegungen weit weniger ausgesetzt, denn sie können einen Margenzerfall beim Endprodukt durch Preiserhöhungen auf dem Zellstoff ausgleichen. Heute befindet sich ca. 45% der gesamten europäischen Holz- und Papierproduktion in «nordischer Hand». Der Schlüssel für diesen Erfolg lag in erster Linie in einer rigorosen Straffung der Betriebsstrukturen. Es ist den Skandinaviern gelungen, die Produktion auf einige wenige Fabriken zu konzentrieren, die Anzahl der Mitarbeitenden insgesamt zu reduzieren und gleichzeitig den Ausstoß deutlich zu steigern. Neben diesem Konzentrationsprozess kam es in Skandinavien auch zu einer Neuorientierung im Hinblick auf das Produktsortiment. Während einst Zellstoff das wichtigste Gut der Produktpalette war, verlegte man sich in den letzten Jahren zunehmend auf Zeitungs- und Druckpapier und vereinzelt auch auf Spezialitäten wie Hygienetücher und Windeln. Diese Verlagerung im Produktsortiment führte auch zu einer

Fallstudie 3: Swiss Paper AG 417 Massenpapiere auf der Basis von Altpapier und TMP (Thermo Mechanical Pulp) Verlagerung von einer Produktionsorientierung zu einer Marktorientierung. Die Produktion von Massenpapieren (z.b. grafische Papiere) zeichnet sich durch stark steigende Skalenerträge aus. Der Frage nach der optimalen Betriebsgröße kommt deshalb eine zentrale Rolle zu. Um die Kostenführerschaft zu erlangen, investierten die Konkurrenten im Markt für graphische Papiere in größere und effizientere Maschinen. So kam es, dass eine Investition der «Swiss Paper AG» zu Beginn der 90er Jahre in die damals größte Produktionsanlage, sich nicht auszahlte. Die Anlage sank Mitte der neunziger Jahre europäisch bereits von Platz 1 auf Platz 10 ab und dürfte schon bald weitere zwei bis drei Plätze verlieren. Massenpapiere auf der Basis von Altpapier und TMP bieten den Herstellern eine etwas bessere Zukunft. Zu diesen Papieren gehören unter anderem Zeitungspapiere. Die «Swiss Paper AG» deckt zur Zeit noch ca. 40% des Zeitungspapiermarktes in der Schweiz mit solchen Papieren ab. 200 150 100 Anzahl Fabriken Gesamtkapazität je Fabrik (in 1000 t) Anzahl Beschäftigte (in 1000) 50 0 1980 1990 1995 Strukturwandel in Schweden Da die skandinavischen Konkurrenten in erster Linie die Kostenführerschaft in einem Commodity-Segment anstreben, drängt sich für Schweizer Unternehmen eine Differenzierungsstrategie geradezu auf. Papier lässt sich in erheblichem Ausmaß differenzieren, was eine Chance für Nischenanbieter darstellt. Konkret bedeutet dies eine Entwicklung weg von den Massenpapieren hin zu Produkten mit hoher Wertschöpfung (z.b. digitale Farbbildträger, Informationsträger), die einen bedeutenden Einsatz von Know-how erfordern. Diese Verlagerung erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den Kunden, bietet aber den Vorteil, dass aufgrund der geringen Volumina auch auf kleinen Maschinen kostengünstig produziert werden kann.

418 Anhang Die Papierindustrie als Basisindustrie ist in starkem Maße konjunkturabhängig. Sie ist so etwas wie ein «volkswirtschaftliches Fieberthermometer». Zu Beginn der 90er Jahre verschlechterte sich die allgemeine Wirtschaftssituation und führte zu einer Stagnation des Wachstums bei gleichzeitig steigenden Energiepreisen. Ferner lehnte das Schweizer Volk den Beitritt zum EWR ab, was die Situation der Unternehmen (und auch der «Swiss Paper AG») auf den europäischen Märkten zusätzlich belastete, zumal einige nordische Länder inzwischen Vollmitglieder der EU geworden sind. Die Entwicklung der Wechselkurse verteuerte zudem die Produkte auf den ausländischen Märkten. Da die «Swiss Paper AG» rund 70% der grafischen Papiere ins Ausland liefert, wirken sich Währungsschwankungen verheerend aus. Der sinkende Dollarkurs hatte zwar einen günstigen Einfluss auf die Zellstoffpreise, aber im Verkauf haben die Währungsschwankungen, die neuerdings auch den Yen umfassen, eine um so ungünstigere Auswirkung und führen zu einem raschen Zerfall der Margen. Besonders die starken Fluktuationen können kurzfristig nicht abgewälzt werden. Da im Papierhandel die Transportkosten nur einen vernachlässigbar geringen Anteil der Gesamtkosten ausmachen und kaum Handelsschranken vorhanden sind, herrscht im Papiermarkt schon seit einiger Zeit ein globaler Wettbewerb. Der Abbau von Zollschranken führte zu einer weiteren Intensivierung des internationalen Wettbewerbs. Auch dies führte zusammen mit der gleichzeitig bedeutenden Rationalisierung zu einem wachsenden Margendruck. Technologieschübe hatten außerdem zur Folge, dass die vorhandenen Produktionsanlagen rasch veralteten, was wiederum einen hohen Abschreibungsbedarf zur Folge hatte. Papier wird insbesondere im Zeitungs- und Zeitschriftenwesen, in der Werbung, im Buchdruck, im Haushalt (Toilettenpapier, Haushaltspapier usw.) und in der Verpackungsindustrie verwendet. In den Verwendungsbereichen Zeitung, Werbung und Buch (und teilweise auch Verpackung) steht Papier unter erheblichem Substitutionsdruck. Besonders im Bereich der Werbung haben in den letzten Jahren elektronische Medien (insbesondere das Fernsehen) gegenüber den Papiermedien deutliche Zunahmen zu verzeichnen. So erhöhte sich nach einer Studie der «European Graphic Paper Review» der Anteil des Werbeträgers TV am gesamten Werbeaufkommen in der Zeit von 1980 bis 1994 von 23% auf 32%. Der sich daraus ergebende Druck auf die Papierindustrie konnte allerdings teilweise aufgefangen werden, da das Werbevolumen sich insgesamt entsprechend erhöhte. Der «Swiss Paper AG» stehen zur Produktion drei große Maschinen zur Verfügung, wovon die eine noch zu den etwa zehn größten Maschinen der Welt gehört. Die Jahreskapazität liegt derzeit bei ca. 300 000 Tonnen pro Jahr. Das Unternehmen beschäftigt ca. 800 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (Stand 1994). Im Zuge einer Restrukturierung fusio-

Fallstudie 3: Swiss Paper AG 419 nierte die «Swiss Paper AG» vor drei Jahren erfolgreich mit einer anderen größeren Papierfabrik. Die hohen Investitionskosten rufen geradezu nach operationeller Zusammenarbeit mit dem Ziel der Kostensenkung, da der Papiermarkt ein ausgesprochener Mengenmarkt ist. Die «Swiss Paper AG» hat Zugang zu etablierten Distributionskanälen. Insbesondere im Markt für Zeitungspapiere werden nach Branchenusanz längerfristige Kontrakte abgeschlossen. Dies hat zwar den Nachteil mangelnder Preiselastizität, erschwert aber neuen Marktteilnehmern den Markteintritt. Da in der Branche eine zunehmende Konzentration festzustellen ist, werden schwache Marktteilnehmer zunehmend abgedrängt. Die «gesunden Kleinen» wiederum werden begehrte Übernahmekandidaten. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Verkaufspreise verschiedener Papiersorten: 250 200 Gestrichen holzfrei Natur holzfrei Durchschnitt Gestrichen holzhaltig 150 100 50 0 1991 1992 1993 1994 Entwicklung der Verkaufspreise seit 1991 (Fr. pro 100 kg) Der europäische Marktanteil der «Swiss Paper AG» liegt durchschnittlich bei knapp 3%. Der Anteil variiert allerdings je nach Produkt (Öko, LWC usw.) erheblich. Das Produktionsprogramm der «Swiss Paper AG» umfasst hauptsächlich die folgenden Produktgruppen: holzfrei gestrichene Papiere (TCF), Öko-Papiere, LWC-Papiere («light white coated», leichtes gestrichenes Papier, holzhaltig), holzfreie Naturpapiere (Büro- und Offsetpapiere). Wie die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, ist der Absatz von Qualitätspapieren nicht so sehr von der Situation einzelner Abnehmer

420 Anhang abhängig, sondern vielmehr von der Wirtschaftslage in den Absatzgebieten. Infolge der momentanen Marktsättigung sind die Abnehmer (Wiederverkäufer, Druckereien, internationale Großhandelsfirmen) in einer Position der Stärke, die allerdings durch die heterogene Kundenstruktur etwas relativiert wird. Die «Swiss Paper AG» hat in der Vergangenheit versucht, durch eine vertikale Vorwärtsintegration (Papierverarbeitung und Handel) eine direkte Kontrolle über wichtige Abnehmer auszuüben. Im Rahmen einer Neuausrichtung der Strategie mit dem Ziel «Zurück zur reinen Papierfertigung!» wurden diese Beteiligungen jedoch wieder abgestoßen. Die «Swiss Paper AG» will ihre Position im Markt durch gezielte Differenzierung sichern. Gute Marketingfähigkeiten, eine stetige Verbesserung der Rezepturen, ein guter Ruf in Sachen Qualität sowie eine enge Kooperation mit Beschaffungs- und Vertriebskanälen bilden dazu eine gute Voraussetzung. Die Investitionen in Großanlagen, die vor einigen Jahren vorgenommen wurden, zielten hingegen eher auf Kostenführerschaft ab. Unternehmen Land Vertikale Integration Angebot Umsatz (Mio. Fr.) Gewinn (Mio. Fr.) [ROS] Swiss Paper AG CH Nein Grafische Papiere Zeitungsdruckpapiere 390 210 Total 600 70 +20 [ 8,3%] Konkurrent A CH Nein Spezialpapiere für grafische Industrie Sicherheitspapiere (z.b. Pässe, Banknoten) Technische Spezialpapiere (z.b. Laserplotterpapiere) Konkurrent B CH Ja Zellstoff Hygienepapier chemische Spezialprodukte (Zellstoffderivate) 197 +2 [1,0%] 520 +25% [4,8%] Konkurrent C CH Nein Zeitungsdruckpapier 140 +3 [2,1%] Konkurrent D CH Nein Spezialkartons (z.b. Kraftkartons, Mikrowell-Deckenstoffe) 110 +2 [1,8%] Konkurrent E SF Ja Universalpapierhersteller (alles mögliche...) 16 000 +300 [1,9%] Konkurrent F S Ja Universalpapierhersteller 9 000 +300 [3,3%] Konkurrent G SF Ja grafische Massenpapiere teilweise Spezialpapiere (Hygiene) Konkurrent H SF Ja grafische Massenpapiere Zeitungsdruckpapiere 3 700 +110 [3%] 1 420 +120 [8,5%] Wettbewerber in der Papierherstellung

Fallstudie 3: Swiss Paper AG 421 A. Grafische Papiere 1. Holzfrei gestrichene Papiere (TCF) Katalog- und Broschürenpapiere, Geschäftsberichte, anspruchsvolle Verkaufsdokumentationen Bilderdruckpapiere Kunstdruckpapiere 2. Gestrichenes Öko-Papier für Bilderdruck 3. Holzhaltiges, leichtgestrichenes Papier (LWC) 4. Holzfreie Naturpapiere für Büro- und Offsetdruck Zeitschriften mit ökologisch interessierter Leserschaft Werbepapiere für umweltbewusste Unternehmen Kataloge, Reiseprospekte Zeitschriften/Illustrierte Wurfsendungen weißes Druck- und Schreibpapier Kopierpapier (u.a. 100% chlorfrei) Endlosformularpapier Buchpapier B. Zeitungsdruckpapiere (wird von dem mit der Swiss Paper AG fusionierten Unternehmen produziert) Öko-Papiere (holzhaltige ungestrichene Papiere) Zeitungsdruckpapier Naturtiefdruckpapier Recyclingpapier (für Kopierpapier, Formulare, Endlosformulare) Einsatzrate des Altpapiers Zeitungsdruckpapier 73% grafisches Papier 4% Verpackungspapier 90% Hygiene- und Haushaltspapier 113% Kartons 103% Verwendungszweck der von der Swiss Paper AG hergestellten Papiere

422 Anhang Fragen zur Fallstudie Nehmen Sie aufgrund der Angaben in diesem Fall eine möglichst systematische Umwelt- und Branchenanalyse vor. 1. Welche Entwicklungen im globalen Umfeld sind für die «Swiss Paper AG» von entscheidender Bedeutung? 2. Wie schätzen Sie die fünf Wettbewerbskräfte nach Porter ein? Umschreiben Sie die einzelnen Kräfte anhand der Angaben im Fall. Wie attraktiv schätzen Sie die Branche für die Swiss Paper AG ein? 3. Sie überlegen sich, ob Sie eine brancheninterne Strukturanalyse vornehmen sollen. Welcher Nutzen könnte eine solche Analyse erbringen? Welche Wettbewerbsdimensionen könnten sich eignen, um die Branche in sinnvolle und aussagekräftige strategische Gruppen aufzuteilen? Versuchen Sie, mit Hilfe der Tabelle der Wettbewerber eine Karte mit strategischen Gruppen zu zeichnen. Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Karte? 4. Welche strategischen Möglichkeiten ergeben sich für die «Swiss Paper AG», um sich bezüglich den Wettbewerbskräften optimal zu positionieren? 5. Um frühzeitig auf wichtige Entwicklungen reagieren zu können, möchte die Swiss Paper AG ein Frühwarnsystem aufbauen. Welche Beobachtungsfelder und Frühindikatoren wären dabei besonders geeignet?