Product Environmental Footprint (PEF): ein umfassendes Instrument zur umweltbezogenen Produktinformation? Fachgespräch anlässlich der Neuauflage der BDI/BMUB/UBA-Broschüre Umweltinformationen für Produkte und Dienstleistungen Dr.-Ing., Prof. Matthias Finkbeiner Berlin, 17. Juni 2014 Technische Universität Berlin Institut für Technischen Umweltschutz Fachgebiet Sustainable Engineering
Product Environmental Footprint (PEF) Ziele Analyse von Umweltauswirkungen von Produkten und Dienstleistungen basierend auf einer harmonisierten Methode Anders ausgedrückt...bereitstellung eines neuen Instruments zur umweltbezogenen Produktinformation PEF: Ansatz: comparability over flexibility Erhöhung der Vergleichbarkeit von Produkten durch Festlegung bestimmter methodischer Aspekte Verringerung der Flexibilität des ISO 14044 Standards Die Grundidee einer lebenszyklusbezogenen, multikriteriellen harmonisierten Methode ist gut! 2
PEF-Ziele Theorie und Wirklichkeit Derzeit ist unklar, ob der vorgeschlagene Ansatz die genannten Ziele tatsächlich unterstützt oder diese ggf. konterkariert Außerdem stellt er potential eine Gefahr für etablierte Tools und Methoden dar Laufende kontroverse Diskussionen zum PEF (Organisationen, Verbände, Wissenschaft etc.) Veröffentlichung eines Positionspapiers vom BMUB/UBA/TUB Inhalte: Hintergrund zum PEF Analyse von PEF und ISO Standards Empfehlungen 3
PEF Kritikpunkte und Herausforderungen PEF Methode steht in Widerspruch zu einigen Kernanforderungen der ISO 14044 (auf die sich (fast) alle lebenszyklusbasierten Methoden beziehen) Ist kein Kompromiss bestehender Standards, sondern eher ein neuer Standard PEF erlaubt Gewichtung für vergleichende Aussagen an Dritte Widerspruch zu ISO 14044, ISO 14025 und ISO TS 14072 PEF definiert Wirkungsabschätzungsmethoden Da einige ungeeignet/nicht erprobt sind (z.b. Wasserverbrauch, Landnutzung) gefährdet ihre Anwendung potentiell die Glaubwürdigkeit von LCA-Ergebnissen PEF vernachlässigt einige ISO-Anforderungen an die Berichterstattung, z.b. die Aussage, dass die Wirkungsabschätzung nicht die einzige Grundlage für vergleichende Aussagen sein darf! Bislang fehlt ein Konsens, wie PEF-Ergebnisse kommuniziert werden sollen und wie mit existierenden Umweltkennzeichnungen umgegangen wird 4
PEF Kritikpunkte und Herausforderungen PEF definiert neue z.t. nicht ausreichend erprobte Anforderungen: Neue Terminologie Verknüpfung von Funktioneller Einheit mit CPA/NACE-codes Definition eines repräsentativen Produkts und Festlegung einer durchschnittlichen Materialliste für die Screening Studie Verbot der Nutzung von Cut-Off-Kriterien Vorgabe eines Allokationsansatzes für Recycling ( Recycling-Formel ) Vorgabe eines Bewertungsschemas für Datenqualität und Reviewerqualität Anwendbarkeit und Kosteneffizienz ist fraglich 5
PEF Pilotphase Ziel: Testen der PEF-Methodik und Entwicklung von PEFCR, d.h. Entwicklung konsistenter Regeln zur Berechnung von Umweltwirkungen und Nutzung der Informationen wo geeignet für Vergleiche/vergleichende Aussagen Stand: Pilotphase (1. Welle) startete im Nov. 2013 mit 14 PEF-Piloten Aufgabe der 1. Phase: Entwicklung des ersten PEFCR-Entwurfs Definition des Untersuchungsrahmens und des repräsentativen Produkts Mai/Juni 2014: Begutachtung und Abstimmung der PEFCR Entwürfe und Einleitung der 2. Phase, der Screening-Studie für das repräsentative Produkt Identifizierung relevanter Lebenswegphasen, Prozesse, Wirkungskategorien für die Produktkategorie Basis für die erste Definition von Benchmarks und Performance-Klassen für die Produktkategorie 6
Pilotphase und PEFCR-Entwürfe Eindrücke Wesentliche Kriterien für den Erfolg des PEF-Ansatzes sind Konsistenz zwischen den Piloten, die Formulierung eines klaren Ziels und ein generierter Mehrwert im Vergleich zu existierenden Methoden/Kennzeichnungsystemen! derzeit nicht erfüllt Große Inkonsistenzen zwischen den PEFCR-Entwürfen Ziele/geplante Anwendungsfelder sind nicht explizit oder transparent dargestellt Ein Mehrwert gegenüber existierenden Systemen, z.b. PCRs oder Methoden generell (ISO 14044) ist derzeit nicht erkennbar Viele Entscheidungen, z.b. Festlegung des Ziels oder Umgang mit Allokationen werden auf später verschoben, sind jedoch gerade jetzt relevant... Ist nämlich das Ziel und seine Umsetzung nicht eindeutig definiert, scheint der enorme Aufwand der Pilotphase nicht gerechtfertigt 7
Pilotphase und PEFCR-Entwürfe Eindrücke Inkonsistenzen und Herausforderungen: Produktkategorien und CPA/NACE-codes PEFCRs basieren auf 4-,5- oder 6-stelligen CPA/NACE-Codes z.t. werden Subgruppen definiert, wenn die Produkte der gewählten Kategorie zu unterschiedlich sind (z.b. Papier Pilot) Kategorien sind z.t. sehr speziell (z.b. Waschmittel-Pilot) oder sehr breit (z.b. Papier-Pilot) Das CPA/NACE-Klassifizierungssystem ursprünglich gedacht zur Unterstützung der Vergleichbarkeit hat hier eher den Charakter eines Ablagesystems Definition der funktionellen Einheit Folgt nicht immer den Anforderungen des PEF Guides Ist definiert basierend auf Masse, Stückzahl, Fläche, Gewicht, Funktionalität etc. Vernachlässigt z.t. relevante Informationen (z.b. Wassertemperatur im Waschmittel-Pilot) 8
Pilotphase und PEFCR-Entwürfe Eindrücke Inkonsistenzen und Herausforderungen: Repräsentatives Produkt/Materialliste (Bill of Material) Definition eines repräsentativen Produkts ist oft nur durch Einengung der Produktkategorie möglich Ob das repräsentative Produkt auch als Basis für die Definition der Benchmarks/ Performance-Klassen genutzt werden soll, ist nicht transparent dargestellt Viele Materiallisten vernachlässigen relevante Aspekte (z.b. T-Shirt Pilot) Widerspruch zum Cut-off Verbot Systemgrenzen Inkonsistente Behandlung von Lebenszyklusphasen (Bsp. Fixierung der Nutzungsphase im T-Shirt-Pilot; Berücksichtigung der Wasserverbrauchs im Waschmittel-Pilot, nicht aber im Wasserleitungs-Pilot) Kapitalgüter/Infrastruktur z.t. vernachlässigt Widerspruch zum Cut-off Verbot 9
Pilotphase und PEFCR-Entwürfe Zwischenfazit Die PEFCR-Entwürfe weisen große Inkonsistenzen auf ( unterschiedliche Interpretation des PEF/PEFCR-Guides) Es ist unklar, wo durch PEF/PEFCRs die heutige Praxis der lebenszyklusbasierten Analyse und Bewertung von Produkten verbessert wird Der Aufwand der Pilotphase ist enorm, der Nutzen derzeit aber noch nicht klar Ein klare Zieldefinition fehlt! Prozesse in der Pilotphase sind z.t. starr und wenig anwenderfreundlich : Einfache Änderungen, z.b. Anpassung der PEF-Terminologie an die weltweit akzeptierte ISO-Terminologie erfolgt nicht im laufenden Betrieb Die wichtigen (physischen) Stakeholder-Konsultationen finden nur am Anfang und am Ende der Pilotphase statt Der Zeitraum zur Begutachtung der PEFCR-Entwürfe durch das Technical Advisory Board vor der Abstimmung durch das Steering Komitee sind zu knapp bemessen 10
PEF Aufgaben für die Pilotphase und offene Fragen In der 2. Phase der laufenden Pilotstudien und in den jetzt startenden Pilotstudien muss eine Konsistenz der Ansätze erreicht werden und die Ziele/Anwendungsfelder der PEFCRs klar definiert werden Zudem müssen folgende Punkte diskutiert und geklärt werden: Berücksichtigung und Umgang mit anderen Kennzeichnungssystemen Die für die einzelnen PEFCR erforderliche Analyse existierender verwandter und zu berücksichtigender PCRs zeigte erwartungsgemäß, dass keine den PEF- Anforderungen genügt... Das bedeutet, dass künftig ggf. PCRs und PEFCRs für gleiche Produkte nebeneinander existieren könnten (z.b. im Baubereich) Einheitliche Umweltbewertung? Diskussion, wie die Kommunikation von PEF-Ergebnissen aussehen soll (Bericht?, Label?, Zertifikat?,...) Spezifizierung des Prozesses der Entwicklung der geplanten Benchmarks und Umweltperformance-Klassen und Diskussion ihrer Sinnhaftigkeit generell 11
Fazit und Ausblick Ist der PEF ein umfassendes Instrument zur umweltbezogenen Produktinformation? Prinzipiell, ja... Aber: Die Umsetzung des Ziels, eine Vergleichbarkeit von Produkten sowie die Harmonisierung bestehender Methoden zur lebenszyklusbasierten Umweltbewertung zu erreichen, ist derzeit noch nicht in Sicht Es ist derzeit intransparent, wie der PEF politisch genutzt werden soll Gegenwärtig bestehen Risiken bzgl. einer verlässlichen Analyse und Kommunikation der Umweltperformance von Produkten (z.b. durch Auswahl bestimmter Wirkungskategorien, Daten etc.) PEF verursacht Kollateralschäden und entwertet die etablierten Methoden der umweltbezogenen Produktinformation 12
Fazit und Ausblick Um zu vermeiden, dass der PEF/die Pilotphase so fortgeführt wird, sollten sich mehr Stakeholder aktiv und wahrnehmbar positionieren! Wir erhalten für unsere konstruktiv-kritische Haltung sehr viel Zustimmung hinter vorgehaltener Hand und hinter verschlossenen Türen Viele Multiplikatoren (Institute, Consultants) verdienen mit PEF viel Geld... Die Position vieler Unternehmen, die etablierte Tools seit Jahren tatsächlich nutzen, ist nicht wahrnehmbar. Die Position von Umweltverbänden ist nicht wahrnehmbar. Durch die Masse und Breite des Prozesses und die Größe der Gremien ist eine deutlichere Positionierung notwendig, um Verbesserungen zu erreichen! Die Festlegung, wie der PEF politisch genutzt werden soll, wie die Kommunikation aussehen soll, ob es vergleichende Benchmarks für die Produkte geben soll, muss JETZT eingefordert werden! 13
Vielen Dank Kontakt: Dr.-Ing. Tel.: 030.314-79501 / Fax: -21720 e-mail: annekatrin.lehmann@tu-berlin.de web: www.see.tu-berlin.de Technische Universität Berlin Institut für Technischen Umweltschutz Fachgebiet Sustainable Engineering