Internationale Harmonisierung der Methodik: GRADE als Chance

Ähnliche Dokumente
PD Dr. med. Nicole Skoetz. Ist GRADE die Lösung?

GRADE? Eine Einführung

Bewertung der Qualität von Evidenz - ist die klassische Evidenzpyramide obsolet?

Statistik und Studienauslegung. Teil 1: Studiendesigns, Bias, Confounding

Interne Validität bei RCTs und Non-RCTs

Guidelines, Evidence & Co

Graduierungen. Dachverband der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften (DVO) 2014: Evidenzbewertung

GRADE-Leitlinien: 3. Bewertung der Qualität der Evidenz (Vertrauen in die Effektschätzer)

Wie schreibe ich eine Richtlinie?

Isolated patellofemoral osteoarthritis A systematic review of treatment options using the GRADE approach

Die Weiterentwicklung und Anwendung der Forschungspyramide in der Physiotherapie

Information in der Medizin Expertenmeinung bis Leitlinie. Sylvia Stracke Leiterin des Bereichs Nephrologie + Rheumatologie

Leitlinienentwicklung und Evidenzgenerierung

Sind calciumhaltige Phosphatbinder noch zeitgemäß? PRO. Prof. Dr. D. Fliser Universitätsklinikum des Saarlandes Homburg/Saar

Erfahrungen mit wissenschaftlichen. Leitlinien aus Sicht der. Bundesanstalt für Arbeitsschutz. und Arbeitsmedizin

Empfehlungsgrad und Nachweisstärke der Effektivität einer Leitlinie * Empfehlungsgrad ** Evidenzgrad

Einblick in die weite Welt der Studien

Systematische Reviews und Meta-Analysen

Holger Schünemann McMaster University, Hamilton, Canada Köln, 28. November 2008

Interventionsstudien

Vergleich der Resultate von randomisiert und nichtrandomisiert kontrollierten Studien am Beispiel der laparoskopischen Gallenblasencholecystektomie

2.2.9 Einbeziehung der Zielgruppe in den Erstellungsprozess Hintergrund

Wie kommt die STIKO zu ihren Empfehlungen?

Kritische Bewertung der Evidenz von ernährungsmedizinischen Metaanalysen am Beispiel der perioperativen Immunonutrition.

Von Light -Linie zur Leitlinie. Leitlinien in der Physiotherapie

Study fact sheet für ID: Betsch, 2011

Evidenz in der Präventionsmedizin

Study fact sheet für ID: Knapp, 2004

Die neue S3-Leitlinie Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz

Wo ist der Beweis? Bewertung von klinischen Studien zur Hyperbaren Sauerstofftherapie

Epidemiologisches Bulletin

Evidence-based Nursing

Evidenzpolizei Welche Rolle sollen systematische Reviews haben?

GRADE-Leitlinien: 1. Einführung GRADE-Evidenzprofile und Summary-of-Findings-Tabellen

Studienprotokolle als Basis für transparente & vollständige Manuskripte (SPIRIT)

Klinikpfade in der Viszeralchirurgie: Evidenzbasierte Datenlage. P. Kienle. Universitätsklinikum Mannheim Chirurgische Klinik

Bach-Blütentherapie. Ergebnisbericht aktualisierte Fassung

Bach-Blütentherapie. Evidenzsynthese

Internationale Kooperation zur Erstellung von systematischen Reviews und Leitlinien: Erythropoietin in der Hämatologie/Onkologie.

Stand der Arbeit an der Leitlinie Thromboseprophylaxe

Studie 1: - / 23.6 Jahre Studie 2: - / 24.2 Jahre Keine Angaben. Studie 1: Studenten Studie 2: Studenten Studenten, keine weiteren Angaben Schweiz

Study fact sheet für ID: Berry 2002

Entscheidungen im Praxisalltag: Wo bekomme ich verlässliche Informationen

Regulierung von Interessenkonflikten bei der AWMF

Hydroxyethylstärke (HES) - Infusionslösungen Effektivität der angeordneten Risikominimierungsmaßnahmen Verfahren nach Art. 107i

Evidence Based Practice (Teil 1) Urs Albisser Andrea Weise (Februar 2006)

Anwendungsorientierte Hilfsmittelforschung

Erhöhte Proteinzufuhr: Warum und wie sollen wir das machen?

Kunsttherapie für Krebspatienten und deren Angehörigen

Rheologische Infusionstherapie beim Hörsturz

Study fact sheet für ID: Knapp, 2009

Chestpain in primary care: a systematic research programme to support guideline development

TOP Papers INFEKTIOLOGIE. Matthias Fellhauer

Qualität t und Evidenz in der Ernährungsmedizin Sind Leitlinien eine Hilfe?

Epidemiologie - Ansätze. Anke Huss, PhD Institute for Risk Assessment Sciences Utrecht University

Prof. Dr. Dr. Holger Schünemann, M.Sc. Berlin, 21. Oktober 2008

Abstract für das Symposium DGGG/SGG Potsdam,

IQWiG im Dialog 2016 Sind strengere Kriterien zur Evidenzbewertung notwendig? Zusammenfassung

Transparenz in Leitlinien was ist im AWMF-Regelwerk abgebildet?

Zertifikate: Nutzen für wen?

Leitlinie Kohlenhydrate

Darstellung und Anwendung der Assessmentergebnisse


Hüftarthroskopie. erstellt von Dr. in Anna Glechner.

How does the Institute for quality and efficiency in health care work?

Study fact sheet für ID: Wright 2009

Study fact sheet für ID: Chumbley 2002

Grundlagen der EBM. Univ.-Prof. DI Dr. Andrea Berghold Institut für Med. Informatik, Statistik und Dokumentation. Medizinische Universität Graz

Die Verbindung von Forschung und klinischer Praxis Leitlinien als Erleichterung eines Evidenz-basierten (Be-)Handelns in der Physiotherapie

Workshop EbM-Basics für AutorInnen und HerausgeberInnen von Patienteninformationen

Ausgangssituation und Zielsetzung

Leitlinien-Konferenz der AWMF 2004 Ina Kopp, Hans-Konrad Selbmann Ständige Leitlinien-Kommission der AWMF

Wie wirksam ist Gruppenpsychotherapie? Aktueller Forschungsstand und Leitlinienempfehlungen. Name Datum

TAXOTERE (Docetaxel) Systemtherapie des Prostatakarzinoms: Taxotere, wann, wie lange und was dann? IX-1. Wann Wie lange Und was dann?

,,Summary-of-Findings -Tabellen

Jahrestagung refonet Methodenseminar Fehlerquellen in Studien Bias und Confounding

Evidenzbasierte Dekubitusprophylaxe 2016

Evaluationsstudie DMP DIABETES

FEI-Workshop Bonn, 22. März M

Study fact sheet für ID: Garcia-Retamero 2013

Von der Evidenz zur Empfehlung: GRADE Methodik und Schritt für Schritt Analyse anhand eines Beispiels

POET-Trial. JC 10. September Sarah Dräger

Welche Evidenz gibt es für die Wirksamkeit / Sicherheit für Ciclesonid bei Patienten mit Asthma bronchiale im Vergleich zu herkömmlichen ICS?

Study fact sheet für ID: Hawley, 2008

Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik WIE ENTSTEHT WISSEN? EVIDENZBASIERTE MEDIZIN

Study fact sheet für ID: Mazor KM, 2007

Nutzen-Schaden-Bewertung von Arzneimitteln nach der Zulassung

Operative Behandlung des Schnarchens (Rhonchopathie)

Study fact sheet für ID: Man-Son-Hing, 2002

HIR Method & Tools for Fit Gap analysis

Medikamentöse Thromboseprophylaxe Bedeutung der DOAKs

Galaktomannan, Beta-D-Glucan und PCR-basierte Tests für die frühzeitige Diagnose von IFI bei Kindern mit Krebserkrankungen und bei Kindern nach HSZT

Die Wirksamkeit kardialer Rehabilitation in Deutschland: Eine systematische Literaturübersicht [1]

EVIDENZ KOMPAKT. Lungenfunktionstestung mittels Spirometrie bei asymptomatischen Erwachsenen

RCT vs. Real World - Klinische Studien und onkologischer Alltag

Evidenz in der Ernährungsforschung: Was ist möglich?

20. Leitlinienkonferenz der AWMF Berlin, David Klemperer

Transkript:

Internationale Harmonisierung der Methodik: GRADE als Chance 23. Leitlinienkonferenz der AWMF Berlin, 07.12.2012 Joerg Meerpohl Stellvertretender Direktor Deutsches Cochrane Zentrum Universitätsklinikum Freiburg

?????

Harmonisierung der Methodik ist sinnvoll, um Interpretation zu erleichtern Ressourcen zu sparen kann erreicht werden durch Gemeinsame Entwicklung der Methodik Adoption existierender Methodik durch Organisationen Methodik sollte state of the art sein

GRADE Working Group (heute) Ca. 300 Wissenschaftler aus > 30 verschiedenen Ländern von ~ 100 unterschiedlichen Institutionen Uptake: 64 organizations 14 countries siehe www.gradeworkinggroup.org/about_us.htm

Organisationen, die GRADE einsetzen

Prozess der Leitlinienentwicklung Priorisierung, Zusammenstellung / Auswahl des Panels Systematische Übersichtsarbeit Evidenz-Profil Relative Wichtigkeit der Endpunkte (Gesamt-) Qualität der Evidenz Nutzen-Schaden - Abwägung Stärke der Empfehlung Implementierung und Evaluation der Leitlinie GRADE

Was wird beurteilt? Methodologische Qualität (Evidenz) Vertrauen in Effektschätzer / Wahrscheinlichkeit, dass systematische Fehler vorliegen Hoch, moderat, niedrig und sehr niedrig Stärke / Grad der Empfehlung stark und schwach

Wechsel der Perspektive: I B II V III I A IV Endpunkt # 1 Endpunkt # 2 Endpunkt # 3 Qualität: Niedrig Qualität: Mittel Qualität: Hoch

Qualität der Evidenz

Qualität des body of evidence GRADE Perspektive: Vertrauen in den `body of evidence Hohe Qualität: Wir sind uns sehr sicher das der wahre Effekt nahe dem Effektschätzer liegt. Mittlere Qualität: Wir sind einigermassen sicher in Hinblick auf den Effektschätzer: Der wahre Effekt liegt wahrscheinlich nahe bei dem Effektschätzer, allerdings besteht die Möglichkeit, dass er substantiell unterschiedlich ist. Niedrige Qualität: Unser Vertrauen in den Effektschätzer ist begrenzt: Der wahre Effekt ist vermutlich substantiell verschieden vom Effektschätzer. Sehr niedrige Qualität: Wir haben nur sehr geringes Vertrauen in den Effektschätzer. Der wahre Effekt ist wahrscheinlich substantiell unterschiedlich vom Effektschätzer.

Evidenzhierarchie Studiendesign Randomisierte kontrollierte Studien BIAS Kohortenstudien und Fall-Kontroll- Studien Fallserien und Fallberichte Experten-Erfahrung

Everything should be made as simple as possible but not simpler.

BMJ 2003

Determinanten des Vertrauens (Qualität) RCTs beginnen als (hoch) Beobachtungsstudien beginnen als (niedrig) Fünf Faktoren können die Qualität verringern 1. Risiko für Bias (Mängel in Studienmethodik und ausführung) 2. Inkonsistenz (heterogene Ergebnisse) 3. Indirektheit (indirectness) 4. Fehlende Präzision (imprecision) 5. Publikationsbias (Reporting Bias) Drei Faktoren können die Qualität steigern 1. Grosse Effektstärke 2. Dosis-Wirkungs-Beziehung 3. Evtl. vorhandenes residual confounding würde beobachteten Effekt verringern

GRADE-Bewertung der Qualität (Vertrauen) Qualität der Evidenz Hoch Mittel Niedrig Sehr Niedrig Studiendesign Herabstufen falls Heraufstufen falls Randomisierte Studien (RCTs) Beobachtungsstudien Risiko für Bias -1 schwerwiegend -2 sehr schwerwiegend Inkonsistenz -1 schwerwiegend -2 sehr schwerwiegend Indirektheit -1 schwerwiegend -2 sehr schwerwiegend Fehlende Präzision -1 schwerwiegend -2 sehr schwerwiegend Publikationsbias -1 wahrscheinlich -2 sehr wahrscheinlich Effekt + 1 groß + 2 sehr groß Dosis-Wirkungsbeziehung + 1 Nachweis einer Dosis- Wirkungsbeziehung Alle vorstellbaren Confounder + 1 würden nachgewiesenen Effekt verkleinern, oder + 1 würden für den Fall, dass die Ergebnisse keinen Effekt zeigen, fälschlicherweise einen Effekt suggerieren

GRADE Evidenz-Profil (GRADEpro) Frage: Heparin vs kein Heparin bei Krebspatienten ohne Indikation für Antikoagulation

Von der Evidenz zur Empfehlung Achtung Festlegung über Qualität der Gesamtevidenz erforderlich!!! across outcomes

Grade up Grade down P I C O Outcome Outcome Outcome Outcome Systematic review Critical Critical Important Not Summary of findings & estimate of effect for each outcome High Moderate Low Very low O OO OOO 1. Risk of bias 2. Inconsistency 3. Indirectness 4. Imprecision 5. Publication bias 1. Large effect 2. Dose response 3. Opposing bias & Confounders Guideline development Grade recommendations For or against (direction) Strong or conditional/weak (strength) By considering balance of: Quality of evidence Balance benefits/harms Values and preferences Revise if necessary by considering: Resource use (cost) Guideline Grade overall quality of evidence across outcomes based on lowest quality of critical outcomes Formulate Recommendations ( ) We recommend using Clinicians should We suggest using Clinicians might We suggest not using Clinicians not We recommend not using Clinicians should not

Was macht GRADE aus? SR ist Basis für GRADE-Anwendung A priori Hierarchisierung patienten-relevanter Endpunkte GRADE betrachtet den Body of evidence GRADE ist outcome-centric GRADE Evidenzprofil Explizite Unterscheidung von Vertrauen in Effektschätzer (Qualität der Evidenz) und Empfehlungsstärke

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!