Landtag von Baden-Württemberg 13. Wahlperiode Drucksache 13 / 2335 04. 08. 2003 Antrag der Abg. Ruth Weckenmann u. a. SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums Ausbildungsabbrecher Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie viele Ausbildungsverträge in Baden-Württemberg vorzeitig gelöst worden sind in den Jahren 1990, 1995 sowie 2000 und 2001; 2. wie viele dieser Jugendlichen ihre Ausbildung während der Probezeit, und wie viele später abgebrochen haben; 3. wie viele Ausbildungsabbrecher ihre Lehre in einem anderen Betrieb fortgesetzt haben, und wie viele auf eine Ausbildung komplett verzichtet haben; 4. welches die hauptsächlichen Ursachen für den Abbruch der Ausbildung waren und ob es hier signifikante Entwicklungen gibt; 5. wie groß die Zahl der Jugendlichen im Land in den genannten Jahren ist, die überhaupt keinen Ausbildungsabschluss besitzen. 04. 08. 2003 Weckenmann, Schmiedel, Capezzuto, Gaßmann, Gustav-Adolf Haas, Knapp, Rivoir, Wintruff SPD Eingegangen: 04. 08. 2003 / Ausgegeben: 06. 10. 2003 1
Stellungnahme*) Mit Schreiben vom 23. September 2003 Nr. 3-6001.9/74 nimmt das Wirtschaftsministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung: Zu Ziffer 1: Wie viele Ausbildungsverträge in Baden-Württemberg vorzeitig gelöst worden sind in den Jahren 1990, 1995 sowie 2000 und 2001. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes bzw. des Bundesinstituts für Berufsbildung wurden in Baden-Württemberg in den Jahren 1990: 18.801 1995: 15.159 2000: 16.140 2001: 17.060 2002: 14.850 Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Zu Ziffer 2: Wie viele dieser Jugendlichen ihre Ausbildung während der Probezeit, und wie viele später abgebrochen haben. Wie viele Jugendliche in Baden-Württemberg ihre Ausbildung während der Probezeit und wie viele ihre Ausbildung später abgebrochen haben, ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Jahr Vorzeitig gelöste Ausbildungsverhältnisse insgesamt Davon in der Probezeit gelöst Späterer Ausbildungsabbruch 1990 18.801 keine Angaben möglich! keine Angaben möglich! 1995 15.159 3.743 11.416 2000 16.140 3.905 12.235 2001 17.060 3.974 13.086 2002 14.850 3.355 11.495 Zu Ziffer 3: Wie viele Ausbildungsabbrecher ihre Lehre in einem anderen Betrieb fortgesetzt haben, und wie viele auf eine Ausbildung komplett verzichtet haben. Bei den Vertragslösungen handelt es sich in der Regel nicht um endgültige Ausbildungsabbrüche. In der Mehrzahl der Fälle wird vielmehr nur der Ausbildungsberuf oder der Ausbildungsbetrieb gewechselt. Exakte Angaben über den Verbleib der Jugendlichen liegen allerdings nicht vor. In der Berufsbildungsstatistik werden nur die Vertragslösungen als solche erfasst. Um dennoch Auskünfte über den Verbleib von Auszubildenden zu erhalten, die ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig lösen, hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Herbst 2002 eine schriftliche Befragung durchgeführt. Angeschrieben wurden bundesweit rund 9.000 Jugendliche, die im Ausbildungsjahr 2001/2002 einen Ausbildungsvertrag aufgelöst hatten. 2.303 Fragebögen konnten in die Auswertung einfließen. Gesonderte Angaben für Baden-Württemberg liegen allerdings nicht vor. *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 2
Nach Ergebnissen der BIBB-Studie begannen 50 % der Befragten wieder eine betriebliche Ausbildung. Weitere 5 % wechselten in eine Ausbildung in eine Berufsfachschule und 3 % nahmen ein Studium auf. 4 % besuchten zur Verbesserung ihres Abschlusses wieder die Schule. Insgesamt befanden sich also fast zwei Drittel der Befragten (62 %), die einen Ausbildungsvertrag gelöst hatten, weiterhin im Bildungssystem. Eine Erwerbstätigkeit hatten 9 % der Vertragslöser aufgenommen und 17 % war nach dem Ausbildungsabbruch arbeitslos. Rund sechs von zehn Befragten mit neuem Ausbildungsvertrag blieben in ihrem alten Beruf und konnten zumeist ihre Ausbildung in einem anderen Betrieb fortsetzen. In besonders hohem Ausmaß (86 %) gelang dies Konkurslehrlingen und Vertragslösern, die kurz vor der Prüfung standen. Jeder dritte Vertragslöser, der sich zum Befragungszeitpunkt nicht in einer Ausbildung befand, hatte weiterhin Interesse an einer Berufsausbildung. Am stärksten war die Absicht, wieder eine Ausbildung aufzunehmen, bei Personen, die arbeitslos waren bzw. keine Angabe zu ihrer Beschäftigung gemacht hatten. Als günstig für die Wiederaufnahme einer Ausbildung erwiesen sich u. a. folgende Faktoren: Lösung des Ausbildungsvertrags zu einem frühen Zeitpunkt (Probezeit bzw. erstes Ausbildungsjahr); Lösung des Ausbildungsvertrags auf Initiative des Auszubildenden und nicht des Betriebs (Ausnahme Konkurslehrlinge); ein höherer Schulabschluss. Die Anzahl der endgültigen Ausbildungsabbrecher wurde in der BIBB-Studie mit 28 % angegeben. Auf sie traf folgender Sachverhalt zu: Sie haben nach Lösung ihres Ausbildungsvertrags keine vollqualifizierende Berufsausbildung fortgesetzt oder begonnen und planten auch nicht, dies zu tun. Zu Ziffer 4: Welches die hauptsächlichen Ursachen für den Abbruch der Ausbildung waren und ob es hier signifikante Entwicklungen gibt. Ein wesentliches Ziel der genannten Befragung des BIBB war es, Gründe für die Vertragslösung zu ermitteln. Diese sind zumeist vielschichtig und nur selten auf einen einzelnen Anlass zurückzuführen. Daher waren in der BIBB-Befragung Mehrfachantworten möglich. Als Hauptgründe für die vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen wurden nach dieser Studie genannt: a) Betriebliche Gründe Mit 70 % werden betriebliche Gründe am häufigsten als Grund für die Lösung eines Ausbildungsvertrags angeführt. Dazu zählten: Konflikte mit Ausbildern, Meister, Chef (60 %); Mangelnde Vermittlung der Ausbildungsinhalte (43 %); Ungünstige Überstunden-/Urlaubsregelungen (31 %); Ausbildungsfremde Tätigkeiten (26 %); Konflikte mit Facharbeitern, Gesellen (23 %); Überforderung (20 %); Unterforderung (19 %); Schwere körperliche Arbeit (14 %); Sonstige betriebliche Gründe (34 %). 3
b) Persönliche Gründe Persönliche Gründe wurden in knapp der Hälfte der Fälle (46 %) genannt. Dazu zählten gesundheitliche Gründe und familiäre Veränderung. Zumeist waren die Angaben nicht näher spezifiziert. c) Berufsbezogene Gründe Rund ein Drittel der Befragten (34 %) nannte Gründe, die im Themenkreis Berufswahl und berufliche Orientierung liegen. 48 % aller Befragten, die berufsbezogene Gründe nannten, gaben an, dass der Beruf nicht ihr Wunschberuf war oder dass sie sich den Beruf anders vorstellten, als er sich in der Ausbildungsrealität darstellte (42 %). Berufliche Perspektiven und Einkommenserwartungen spielten eine eher untergeordnete Rolle. d) Schulische Gründe Probleme in der Berufsschule wurden vergleichsweise selten (19 %) als Grund für eine Vertragslösung genannt. Diejenigen, die schulische Gründe anführten, erwähnten vor allem die mangelnde Vermittlung der Unterrichtsinhalte und Überforderung. Letzteres war überwiegend bei ehemaligen Hauptschülern der Fall. Hinweis: Ergänzende aktuelle Informationen zum Thema Ausbildungsabbrecher enthält die im Juli 2003 vom Landesarbeitsamt Baden-Württemberg herausgegebene Broschüre Vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen 2002. Zu Ziffer 5: Wie groß die Zahl der Jugendlichen im Land in den genannten Jahren ist, die überhaupt keinen Ausbildungsabschluss besitzen. Über die Zahl der Jugendlichen, die keinen Ausbildungsabschluss besitzen, existieren keine unmittelbaren statistischen Erhebungen. Hilfsweise lassen sich hierzu Aussagen auf der Grundlage der Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit machen, die sich jeweils auf den Stichtag 30. Juni beziehen. Danach gab es in Baden-Württemberg in den genannten Jahren folgendes Bild: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte insgesamt darunter: Keine abgeschl. Berufsausbildung insgesamt darunter: Jugendliche im Alter zwischen 15-24 Jahren 1990 1995 2000 2001 2002 3.785.977 3.737.740 3.802.475 3.850.918 3.851.416 1.113.354 921.666 854.785 858.229 833.364 729.596 507.142 486.364 501.675 500.258 darunter: 15-24-Jähige ohne abgeschl. Berufsausbildung davon: In Ausbildung 338.219 230.444 241.285 248.057 243.662 223.436 186.648 206.123 208.890 204.393 Rest 114.783 43.796 35.162 39.167 39.269 Bei dieser Statistik ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie sich nur auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigte bezieht, sodass beispielsweise Schüler, Wehr- und Zivildienstleistende, Studierende, Beamten, Freiberufler oder Arbeitslose nicht erfasst sind. 4
Außerdem sind in der Kategorie Jugendliche zwischen 15 und 24 ohne abgeschlossene Berufsaubildung auch die Auszubildenden im Rahmen des dualen Ausbildungssystems enthalten, die davon abgezogen werden müssen. Insgesamt handelt es sich bei dieser Betrachtung deshalb nur um eine grobe Annäherung. Dr. Döring Wirtschaftsminister 5