Vorlesung VWL II vom 09.11.2009 Wachstum in der längeren Frist (2). Die Rolle des Staates für das Wirtschaftswachstum
3.4 Die Rolle des Staates für das Wirtschaftswachstum Voraussetzungen: bestreitbare Märkte (Wettbewerb), politische Stabilität, Eigentumsrechte, stabiler Geldwert Förderung von Sparen und Investieren Schaffung günstiger Bedingungen für Investoren aus dem Ausland (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen) Förderung des Freihandels (Exportorientierung in Asien vs. Importsubstitution in Lateinamerika) Förderung von Aus- und Fortbildung (positive Externalitäten, Brain Drain Bevölkerungspolitik Förderung von Gesundheit und Ernährung)
Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum Wachstumsprozesse fanden über Jahrhunderte hinweg kaum statt; der Lebensstandard stagnierte mehr oder weniger. Der wichtigste Grund dafür lag darin, dass frühe Gesellschaftssystem nicht über hinreichend stabile Rahmenbedingungen verfügten, die den Wirtschaftssubjekten in ausreichendem Maße Anreize gaben, die Produktion von Gütern und Dienstleistungen auszuweiten. Wichtigste Faktoren: Bestreitbare Märkte (Wettbewerb). Märkte ermöglichen die Interaktion zwischen vielen Haushalten und Unternehmungen. Koordination über Preise, die Knappheitssignale aussenden. Marktzutritts- und Marktaustrittsmöglichkeit schafft Wettbewerb. Eigentumsrechte: Autonome Entscheidung des Besitzers über die Verwendung von sachlichem, finanziellem und geistigem Eigentum. Sichere Eigentumsrechte sind auch heute in vielen Ländern nicht gewährleistet (Enteignung, fehlende Strafverfolgung, Korruption) Politische Stabilität Stabiler Geldwert (Voraussetzung: Geldsystem, Inflation behindert das Funktionieren von Märkten und führt zu Enteignung von Sparern
Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum Der Staat muss die notwendigen öffentlichen Güter bereitstellen: Innere und äußere Sicherheit ( failed states ) Eine Rechtsordnung, die Eigentumsrechte honoriert Über die Grundvoraussetzungen hinaus kann der Staat die Politik so ausgestalten, dass Wachstum mehr oder weniger gefördert wird.
Förderung von Sparen und Investieren Ansatzpunkt Sachkapital. Sachkapitalbildung erfordert den Verzicht auf Konsum heute (I=S). Länder mit hoher Ersparnis wachsen in der Tendenz rascher: Produktion von Kapitalgütern statt Konsumgütern verändert BIP nicht, erhöht aber den Kapitalstock und das BIP der Folgeperiode. Bei abnehmendem Grenzertrag des Kapitals, führt eine höhere Sparquote zu einem höheren Niveau des BIP; im Übergang zu einer höheren Wachstumsrate. Regierung kann die Anreize dafür erhöhen, mehr zu sparen und/oder zu investieren. Besteuerung des Konsums statt des Einkommens.
Schaffung günstigerer Bedingungen für Investoren aus dem Ausland Ausländer können zur inländischen Kapitalbildung beitragen (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen). Vor allem DI ermöglichen Zugang zum Stand der Technik, Distributionskanälen etc. Ausländische Investitionen ermöglichen Kapitalstockerhöhung ohne entsprechenden Konsumverzicht sofort. Verbunden mit Leistungsbilanzdefizit, führen zu Auslandsverschuldung. Auslandskapital muss bedient werden; Abweichung von BIP und BSP. Rentable Investition erforderlich. Theorie: LB-Defizit in Entwicklungsländern, Überschuss in Industrieländern, da Kapital höhere Erträge in Entwicklungsländern abwerfen sollte (abnehmender Grenzertrag). Praxis?
Förderung des Freihandels: Unterschiedliche Entwicklungsstrategien: Importsubstitution vs. Exportorientierung. Begründung für IS-Strategie: Entwicklungsländer, die Rohstoffe exportieren, können für diese relativ niedrige Preise erzielen und müssen für veredelte Produkte aus den Industrieländern hohe Preise zahlen (säkularer Fall der Terms of Trade): Versuch, die gesamte Wertschöpfungskette im eigenen Land zu behalten (insbes. LA, aber auch Indien). Mittel: Zölle und andere Handelshemmnisse für Importe, Subventionen für heimische Produzenten IS-Strategie weniger erfolgreich: Verzicht auf die Vorteile der Arbeitsteilung (Spezialisierung, komparative Vorteile, Größenvorteile der Produktion, Erwerb von KnowHow und Technik (Argentinien- Philadelphia) Demgegenüber eine nach außen gerichtete Wachstumsstrategie in Ländern wie Südkorea, Singapur, Taiwan; Verzicht auch Importvermeidung, stattdessen Exportförderung
Bevölkerungspolitik: Unterschiedliche Theorien über die Auswirkung von Bevölkerungswachstum: Bevölkerungsfalle vs.motor des technischen Fortschritts Malthus (1766-1834) : Prophezeite Zusammenbruch wg. Unterschiedlicher Wachstumsdynamik von Bevölkerung und Nahrungsmittelproduktion. Tatsächlich: Fortgesetztes Bevölkerungswachstum und Steigerung der pro-kopf- Lebensmittelproduktion (aber: Jared Diamond, Kollaps, 2005, Kapitel über Ruanda) Zum einen ermöglichte technischer Fortschritt eine massive Steigerung der Bodenproduktivität, zum anderen schwächte sich die Geburtenrate irgendwann ab (Einkommen, Bildung, Opportunitätskosten von Kindern ). Aber: höhere Lebenswerwartung lässt Bevölkerung weiter wachsen. Demographische Dividende. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern durch politische Maßnahmen gefördert (Vorschriften oder Erziehungsprogramme). Übrige WiPo muss die Phase für rasches pro-kopf-wachstum nutzen
Förderung der Aus- und Fortbildung Humankapital ist in den Modellen der neuen Wachstumstheorie besonders wichtig. Technischer Fortschritt endogenisiert. Humankapitalbildung entscheidend. Führt zu einer dauerhaft höheren Wachstumsrate. Opportunitätskosten der Humankapitalbildung, aber volkswirtschaftlich rentabel Staat soll Ausbildung mit Steuermitteln fördern. Grund: positive externe Effekte. Neuere Studien: Qualität wichtiger als Quantität. Große Öffentlichkeit seit international Vergleichstests durchgeführt werden (PISA). Brain Drain als Problem für Entwicklungsländer (Auslandsstudium, Verlust selbst im Inland ausgebildeter ans besser bezahlende Ausland)
Förderung von Gesundheit und Ernährung Humankapitalbestand hängt auch von der körperlichen Leistungsfähigkeit ab. Beispiel: UK 1780, 20% der Bevölkerung zu stark unterernährt für produktive Arbeit. Produktivität steigt mit Ernährungsstand. Wichtig: Ausgewogene Ernährung, in reichen Ländern auch Bewegungsmangel.
Zusammenfassung Staatliche Maßnahmen können die Faktoren, welche über die Produktivität einer Wirtschaft entscheiden, beeinflussen Voraussetzung für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum sind Anreize zum Sparen und Investieren (in Sach- und Humankapital). Dazu bedarf es funktionierender Märkte, der Gewährleistung von Eigentumsrechten, politischer Stabilität und eines hinreichend stabilen Geldwertes. Als förderlich für das Wirtschaftswachstum haben sich zudem erwiesen: Integration in die internationalen Arbeitsteilung - ein funktionierendes Aus- und Fortbildungssystem - ein funktionierendes Gesundheitssystem/ ausreichende Ernährung - Begrenzung des Bevölkerungswachstums