Vorlesung VWL II vom 09.11.2009. Wachstum in der längeren Frist (2). Die Rolle des Staates für das Wirtschaftswachstum



Ähnliche Dokumente
Ersparnisse Ressourcen für Investitionen in Kapitalgüter Kapitalstock Produktivität Lebensstandard. Dr. Dr. Anna Horodecka: "Wirtschaftspolitik"

E-Lehrbuch BWL einfach und schnell DER WIRTSCHAFTSKREISLAUF

Wirtschaftskreislauf. Inhaltsverzeichnis. Einfacher Wirtschaftskreislauf. aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Sparen und Kapitalbildung

Makroökonomie I: Vorlesung # 2 Wirtschaftswachstum, I

Internationale Ökonomie I. Vorlesung 5: Das Standard-Handels-Modell (Masterkurs) Dr. Dominik Maltritz

Volkswirtschaftslehre

Rate (bzw. Preis), mit der zwei Währungen gegeneinander getauscht werden Mögliche Darstellung (z.b. bei und $)

Kapitel I : VWL Grundlagen der Makroökonomik Einführung: Was ist Makroökonomik? Was Bestimmt NIP, BIP, BSP, NSP? BIP. = Pro Kopf Einkommen

Kann eine Wirtschaft auch ohne Wachstum funktionieren? Prof. Dr. Mathias Binswanger

Internationaler Handel und Handelspolitik

1. Einführung. Gegenstand der Außenwirtschaft Fragestellungen Überblick Empirische Relevanz

Gesetzentwurf der Landesregierung

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

Lösungen zu Aufgabensammlung. Wachstumstheorie: Aufgabensammlung I. Was versteht man unter dem Begriff Produktionspotential einer Volkswirtschaft?

Komparativer Vorteil: Die Grundlage von Handelsbeziehungen

Kapitel 3: IS-LM mit Erwartungen. Makroökonomik I - IS-LM mit Erwartungen

8. Öentlich bereitgestellte private Güter

Bruttoproduktionswert (BPW) = Nettoproduktionswert (NPW)

Einführung 1. Einführung S. 14. Was versteht man unter dem Begriff Wirtschaft? Unter dem Begriff Wirtschaft verstehen wir

MID-TERM REPETITORIUM MACROECONOMICS I

Sozialpolitik I (Soziale Sicherung) Wintersemester 2005/06

7. Budgetdezite und Fiskalpolitik

Öffentliche Ausgaben nach Aufgabenbereichen

Ziel- und Qualitätsorientierung. Fortbildung für die Begutachtung in Verbindung mit dem Gesamtplanverfahren nach 58 SGB XII

Karriere in der IT und Informatik: Voraussetzungen für den Arbeitsplatz der Zukunft

IMMOBILIENMARKT Arbeitsauftrag

Haushalts- und Konsumökonomie

Das makroökonomische Grundmodell

informieren Steht die Schweiz vor einer Hyperinflation? Tagung der Finanzverwaltern/innen der Thurgauer Gemeinden, 24.

Vom Exportweltmeister zur Stärkung der Binnenwirtschaft Wo können neue Arbeitsplätze entstehen? Berlin, 29. April 2010 Dr. Michael Dauderstädt

Rahmenbedingungen für ausländische Unternehmen

Untätigkeit der Bürger

einfache IS-XM-Modell

Impuls. Lobby. Service. Lokalisierungsstrategie der russischen Regierung: Position der deutschen Wirtschaft

Spezielle Themen: Aussenwirtschaft. Lösung zu Aufgabensammlung. Aussenwirtschaft: Aufgabensammlung I

wirkungsorientierten Folgenabschätzung (WFA-GV), BGBl. II Nr. xxx/2012 sind. Dabei ist zwischen nachfrageseitigen und angebotsseitigen Maßnahmen zu

90 Jahre russisch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen: Wachstums- und Innovationsfelder bis 2020

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Übungsbuch für den Grundkurs mit Tipps und Lösungen: Analysis

M a r k t r i s i k o

Rhein-Main KOMPASS Der Wirtschaftstrend-Report der Helaba

How-to: Webserver NAT. Securepoint Security System Version 2007nx

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Positive Dualität: PKV und GKV aus Sicht der Bevölkerung

Zur Politik der Importsubstitution in Russland. Eine ökonomische Betrachtung. Russland-Konferenz Markt. Modernisierung. Mittelstand.

Kapitalflüsse in ökonomisch sich entwickelnde Staaten

Klausur zur Vorlesung VWL II Makroökonomie (SoSe 13)

Auswertung des Fragebogens zum CO2-Fußabdruck

Warum wächst die Wirtschaft?

Steuerwettbewerb und Direktinvestitionen

Sparen mit der Sparkassen- RiesterRente. Da legt der Staat ordentlich was drauf.

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Senkung des technischen Zinssatzes und des Umwandlungssatzes

FORUM: Produktionsschule als Teil des Schulsystems

Neue Technologien und Produktivität im Euro Währungsgebiet und USA

Weltweite Wanderschaft

ULV und demographischer Wandel

RESOLUTION DER GENERALVERSAMMLUNG. verabschiedet am 29. November 1959

Berufsqualifikationen und Ethik der Steuerberater in Europa

Frauen in der Berufsfeuerwehr

Treffpunkt EPOL II. Referentin: Antje Schneeweiß

Neuerungen in den SK-Programmen Version 3.1 Stand: Juni 2004

Warum mehr Einkommen nicht glücklicher macht Die Tretmühlen des Glücks

2 AUFGABEN AUS DEN STOFFGEBIETEN

SSC Basismodulprüfung Stufe Berufsprüfung Musterprüfung mit Musterlösungen. Fach: Volkswirtschaftslehre (Basiswissen) Kandidat/in: 7 Aufgaben

Internationale Mikroökonomik Kurs, 3h, Do , HS VO8: Ausländisches Outsourcing

13 Öffentliche Güter

Das Mackenroth-Theorem

III. Theorie und Politik der Öffentlichen Ausgaben. A. Wohlfahrtsstaat B. Öffentlich angebotene private Güter

Bildungsinvestitionen- Impulse für Wachstum und Arbeit in Deutschland

Ihre Vorteile mit Leasing

Business Model Canvas

Grundlagen der Volkswirtschaftslehre Übungsblatt 11

1. KISS-Zusammenkunft Kanton Zürich

Jetzt kann ich nicht investieren!

Führung im Callcenter. und warum in Callcentern manch moderner Führungsansatz scheitert

Steuern sind zum Sparen da. Immobilien

BEVÖLKERUNGS- UND UNTERNEHMERBEFRAGUNG»VERMÖGENSTEUER UND EIGENTUM«

Aktivieren Sie Ihr Immobilien-Eigentum

Teil I Einleitung 19. Teil II Die kurze Frist 83

Marktintegration Erneuerbarer Energien und Strommarkt: Anforderungen an das Marktdesign

Modul 55208: Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht Vertiefung

Finanzierung: Übungsserie III Innenfinanzierung

Skriptum. zum st. Galler

Fragenkatalog zur Bewertung Ihres ERP Geschäftsvorhabens:

vereinfachtes Kreislaufmodell einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne staatliche Akteure Konsumausgaben (C) Konsumgüter Faktorleistungen

Bayerisches Programm für technologieorientierte Unternehmensgründungen (BayTOU)

Neuer Rahmen für die Unternehmensführung Welche Strategie soll es zukünftig sein? Franz Hunger Abteilung Bildung und Beratung

Pflegefall wer bezahlt, wenn es ernst wird?

9. Übung zur Makroökonomischen Theorie

DER SELBST-CHECK FÜR IHR PROJEKT

Ver-Fair-Selbsthandeln

Mit uns kann er rechnen.

IFZM. Die KASKO für Investmentfonds

Flüchtlingskinder in Deutschland Eine Studie von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes e.v.

Wirtschaftliche Effekte und Selbstfinanzierung des Steuerkonzepts des Team Stronach. 31. Oktober 2014

Terms of trade = Preis des Exportgutes / Preis des Importgutes [WE/Ex / WE/Im = Im/Ex] TOT P also in T/W TOT E also in W/T

Thorsten Lang. Studiengebühren ein notwendiger Baustein der Hochschulreform? Voraussetzungen, Effekte, internationaler Vergleich

Aufgabenblatt 3: Rechenbeispiel zu Stiglitz/Weiss (AER 1981)

Transkript:

Vorlesung VWL II vom 09.11.2009 Wachstum in der längeren Frist (2). Die Rolle des Staates für das Wirtschaftswachstum

3.4 Die Rolle des Staates für das Wirtschaftswachstum Voraussetzungen: bestreitbare Märkte (Wettbewerb), politische Stabilität, Eigentumsrechte, stabiler Geldwert Förderung von Sparen und Investieren Schaffung günstiger Bedingungen für Investoren aus dem Ausland (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen) Förderung des Freihandels (Exportorientierung in Asien vs. Importsubstitution in Lateinamerika) Förderung von Aus- und Fortbildung (positive Externalitäten, Brain Drain Bevölkerungspolitik Förderung von Gesundheit und Ernährung)

Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum Wachstumsprozesse fanden über Jahrhunderte hinweg kaum statt; der Lebensstandard stagnierte mehr oder weniger. Der wichtigste Grund dafür lag darin, dass frühe Gesellschaftssystem nicht über hinreichend stabile Rahmenbedingungen verfügten, die den Wirtschaftssubjekten in ausreichendem Maße Anreize gaben, die Produktion von Gütern und Dienstleistungen auszuweiten. Wichtigste Faktoren: Bestreitbare Märkte (Wettbewerb). Märkte ermöglichen die Interaktion zwischen vielen Haushalten und Unternehmungen. Koordination über Preise, die Knappheitssignale aussenden. Marktzutritts- und Marktaustrittsmöglichkeit schafft Wettbewerb. Eigentumsrechte: Autonome Entscheidung des Besitzers über die Verwendung von sachlichem, finanziellem und geistigem Eigentum. Sichere Eigentumsrechte sind auch heute in vielen Ländern nicht gewährleistet (Enteignung, fehlende Strafverfolgung, Korruption) Politische Stabilität Stabiler Geldwert (Voraussetzung: Geldsystem, Inflation behindert das Funktionieren von Märkten und führt zu Enteignung von Sparern

Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum Der Staat muss die notwendigen öffentlichen Güter bereitstellen: Innere und äußere Sicherheit ( failed states ) Eine Rechtsordnung, die Eigentumsrechte honoriert Über die Grundvoraussetzungen hinaus kann der Staat die Politik so ausgestalten, dass Wachstum mehr oder weniger gefördert wird.

Förderung von Sparen und Investieren Ansatzpunkt Sachkapital. Sachkapitalbildung erfordert den Verzicht auf Konsum heute (I=S). Länder mit hoher Ersparnis wachsen in der Tendenz rascher: Produktion von Kapitalgütern statt Konsumgütern verändert BIP nicht, erhöht aber den Kapitalstock und das BIP der Folgeperiode. Bei abnehmendem Grenzertrag des Kapitals, führt eine höhere Sparquote zu einem höheren Niveau des BIP; im Übergang zu einer höheren Wachstumsrate. Regierung kann die Anreize dafür erhöhen, mehr zu sparen und/oder zu investieren. Besteuerung des Konsums statt des Einkommens.

Schaffung günstigerer Bedingungen für Investoren aus dem Ausland Ausländer können zur inländischen Kapitalbildung beitragen (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen). Vor allem DI ermöglichen Zugang zum Stand der Technik, Distributionskanälen etc. Ausländische Investitionen ermöglichen Kapitalstockerhöhung ohne entsprechenden Konsumverzicht sofort. Verbunden mit Leistungsbilanzdefizit, führen zu Auslandsverschuldung. Auslandskapital muss bedient werden; Abweichung von BIP und BSP. Rentable Investition erforderlich. Theorie: LB-Defizit in Entwicklungsländern, Überschuss in Industrieländern, da Kapital höhere Erträge in Entwicklungsländern abwerfen sollte (abnehmender Grenzertrag). Praxis?

Förderung des Freihandels: Unterschiedliche Entwicklungsstrategien: Importsubstitution vs. Exportorientierung. Begründung für IS-Strategie: Entwicklungsländer, die Rohstoffe exportieren, können für diese relativ niedrige Preise erzielen und müssen für veredelte Produkte aus den Industrieländern hohe Preise zahlen (säkularer Fall der Terms of Trade): Versuch, die gesamte Wertschöpfungskette im eigenen Land zu behalten (insbes. LA, aber auch Indien). Mittel: Zölle und andere Handelshemmnisse für Importe, Subventionen für heimische Produzenten IS-Strategie weniger erfolgreich: Verzicht auf die Vorteile der Arbeitsteilung (Spezialisierung, komparative Vorteile, Größenvorteile der Produktion, Erwerb von KnowHow und Technik (Argentinien- Philadelphia) Demgegenüber eine nach außen gerichtete Wachstumsstrategie in Ländern wie Südkorea, Singapur, Taiwan; Verzicht auch Importvermeidung, stattdessen Exportförderung

Bevölkerungspolitik: Unterschiedliche Theorien über die Auswirkung von Bevölkerungswachstum: Bevölkerungsfalle vs.motor des technischen Fortschritts Malthus (1766-1834) : Prophezeite Zusammenbruch wg. Unterschiedlicher Wachstumsdynamik von Bevölkerung und Nahrungsmittelproduktion. Tatsächlich: Fortgesetztes Bevölkerungswachstum und Steigerung der pro-kopf- Lebensmittelproduktion (aber: Jared Diamond, Kollaps, 2005, Kapitel über Ruanda) Zum einen ermöglichte technischer Fortschritt eine massive Steigerung der Bodenproduktivität, zum anderen schwächte sich die Geburtenrate irgendwann ab (Einkommen, Bildung, Opportunitätskosten von Kindern ). Aber: höhere Lebenswerwartung lässt Bevölkerung weiter wachsen. Demographische Dividende. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern durch politische Maßnahmen gefördert (Vorschriften oder Erziehungsprogramme). Übrige WiPo muss die Phase für rasches pro-kopf-wachstum nutzen

Förderung der Aus- und Fortbildung Humankapital ist in den Modellen der neuen Wachstumstheorie besonders wichtig. Technischer Fortschritt endogenisiert. Humankapitalbildung entscheidend. Führt zu einer dauerhaft höheren Wachstumsrate. Opportunitätskosten der Humankapitalbildung, aber volkswirtschaftlich rentabel Staat soll Ausbildung mit Steuermitteln fördern. Grund: positive externe Effekte. Neuere Studien: Qualität wichtiger als Quantität. Große Öffentlichkeit seit international Vergleichstests durchgeführt werden (PISA). Brain Drain als Problem für Entwicklungsländer (Auslandsstudium, Verlust selbst im Inland ausgebildeter ans besser bezahlende Ausland)

Förderung von Gesundheit und Ernährung Humankapitalbestand hängt auch von der körperlichen Leistungsfähigkeit ab. Beispiel: UK 1780, 20% der Bevölkerung zu stark unterernährt für produktive Arbeit. Produktivität steigt mit Ernährungsstand. Wichtig: Ausgewogene Ernährung, in reichen Ländern auch Bewegungsmangel.

Zusammenfassung Staatliche Maßnahmen können die Faktoren, welche über die Produktivität einer Wirtschaft entscheiden, beeinflussen Voraussetzung für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum sind Anreize zum Sparen und Investieren (in Sach- und Humankapital). Dazu bedarf es funktionierender Märkte, der Gewährleistung von Eigentumsrechten, politischer Stabilität und eines hinreichend stabilen Geldwertes. Als förderlich für das Wirtschaftswachstum haben sich zudem erwiesen: Integration in die internationalen Arbeitsteilung - ein funktionierendes Aus- und Fortbildungssystem - ein funktionierendes Gesundheitssystem/ ausreichende Ernährung - Begrenzung des Bevölkerungswachstums