Schuldrecht AT, 15.07.2014. PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)



Ähnliche Dokumente
1. Bestimmungsgemäße Leistungsnähe des Dritten

Sachmangel gemäß 434 BGB

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

6. Fall Geschäftsführung ohne Auftrag???

Bürgerliches Recht I Prof. Dr. Dr. Burkhard Boemke Boemke. Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene Sommersemester

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Haftung des Telearbeiters gegenüber dem Arbeitgeber

Das Leitbild vom Verein WIR

a) Bis zu welchem Datum müssen sie spätestens ihre jetzigen Wohnungen gekündigt haben, wenn sie selber keine Nachmieter suchen wollen?

Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene Sommersemester Besprechungsfall Lösungsskizze Ein Sturz mit Folgen

Examensklausurenkurs im Zivilrecht ZR 9

Bereicherungsrecht Fall 2

Wichtig ist die Originalsatzung. Nur was in der Originalsatzung steht, gilt. Denn nur die Originalsatzung wurde vom Gericht geprüft.

Zivilrecht - BGB Schuldrecht AT_ Übersicht Nr. 3 Seite 1 von 10. Beachte: Schuldnerverzug ist Sonderfall der Pflichtverletzung i.s.d.

1 Rücktritt, 346 ff BGB Eine Darstellung über die Voraussetzungen zur Ausübung des Rücktrittsrechts

Was ich als Bürgermeister für Lübbecke tun möchte

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Einführungsfall Drittschadensliquidation (JuS 2007, 610)

Inhalt. Einführung in das Gesellschaftsrecht

433 II 433 I 421 I 2, 425 HGB 823 I 407, 421 I 2, 425 HGB

Das Rücktrittsrecht I

Papa - was ist American Dream?

Fall 3. Ausgangsfall:

B könnte gegen die K-Bau GmbH einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB haben.

9 Auto. Rund um das Auto. Welche Wörter zum Thema Auto kennst du? Welches Wort passt? Lies die Definitionen und ordne zu.

Fachanwältin für Familienrecht. Mietverhältnis

GPA-Mitteilung Bau 5/2002

Die Industrie- und Handelskammer arbeitet dafür, dass Menschen überall mit machen können

BGH (+) da es erforderlich und zweckmäßig war einen Detektiv einzusetzen.

Professor Dr. Peter Krebs

Mietpreisbremse: Auswirkungen einer berechtigten Rüge Folgen für den Immobilienerwerb

Unterrichtsreihe: Auf dem Amt

Elternzeit Was ist das?

Praxis des Mietrechts. I. Sanktionsmöglichkeiten des Vermieters bei vertragswidrigem Gebrauch. 1. Unterlassungsanspruch, 541 BGB (lex speciales

Handelsrecht / Gesellschaftsrecht / Wirtschaftsrecht

Lösungsstichworte zu den Handelsregister-Fällen. Zu Fall 1: Anspruch des K gegen V auf Lieferung des Safts ( 433 I BGB)

Erbrecht Vorlesung 5. Erbrecht

Nicht über uns ohne uns

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

Privatrecht I. Jur. Assessorin Christine Meier. Übung Privatrecht I

Fall 4 (zur Übung): Kann K von V Übergabe und Übereignung des Bildes verlangen? BGB-Tutorium Dr. Yvonne Matz

VERERBEN IN ZWEI STUFEN

Gläubigerverzug und Zurückbehaltungsrechte

e-book Garantie und Gewährleistung bei Insolvenz eines Automobilherstellers Autor: Dr. jur. Götz Knoop

Auswirkungen der Güterstände auf das Erbrecht eingetragener Lebenspartner

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Rüdiger Bönig. »Fehler vermeiden beim Vererben Fälle aus dem Leben« Rechtsanwalt und Notar a.d. Dortmunder Volksbank

Rücktrittsrechte bei Nicht- oder Schlechtleistung einschließlich Rücktritt und Minderung im Kauf-, Miet- und Werkvertragsrecht Prof. Dr.

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Übung im Zivilrecht für Anfänger Übungsstunde am Besprechungsfall. Prof. Dr. Thomas Rüfner

V ist reicher Erbe und verwaltet das von seinem Vater geerbte Vermögen. Immobilien oder GmbH-Anteile gehören nicht hierzu.

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz

Lösung Fall 23. Anspruch des G gegen S auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus 1147, 1192 Abs.1 BGB

Inhaltsübersicht Produktinformationsblatt zur Jahres-Reiserücktritts-Versicherung der Europäische Reiseversicherung AG

Unabhängige Sachverständige Partner der Autofahrer

Widerrufsbelehrung der Free-Linked GmbH. Stand: Juni 2014

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Newsletter Immobilienrecht Nr. 10 September 2012

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Lösung Fall 8 Anspruch des L auf Lieferung von Panini á 2,-

SCHADENANZEIGE HAFTPFLICHT BAU

Hinweise in Leichter Sprache zum Vertrag über das Betreute Wohnen

Erbrecht. Buch V BGB. Der Gesamtrechtsnachfolger erbt das Vermögen des Erblassers (positives & negatives Vermögen) 1967 BGB

10.1 Auflösung, Drucken und Scannen

Hinweise zur Erbengemeinschaft Stand: 1. Januar 2009

Die Gesellschaftsformen

Prof. Dr. Burkhard Boemke Wintersemester 2011/12. Bürgerliches Recht I. Allgemeiner Teil und Recht der Leistungsstörungen

Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Medienrecht Rechtsgeschäfte

Die unechte GoA / Fälle zur Wiederholung und Vertiefung. Prof. Dr. Thomas Rüfner. Materialien im Internet:

Das Thema von diesem Text ist: Geld-Verwaltung für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

Leitfaden zur ersten Nutzung der R FOM Portable-Version für Windows (Version 1.0)

Nettopolicen - Honorarberatung - quo vadis?

2. Gesellschafterhaftung, 128 HGB

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Wie funktioniert ein Mieterhöhungsverlangen?

1. Weniger Steuern zahlen

DNotI. Fax - Abfrage. GrEStG 1 Abs. 3 Anteilsvereinigung bei Treuhandverhältnissen. I. Sachverhalt:

Klausur Sozialrecht Thema Arbeitslosengeld II

Der Ausgleich unter den Gesamtschuldnern Baurechtszirkel

Die Gleichbehandlung der Gesellschafter

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

Teilnahme-Vertrag. Der Teilnahme-Vertrag gilt zwischen. dem Berufs-Bildungs-Werk. und Ihnen. Ihr Geburtsdatum: Ihre Telefon-Nummer:

Einführung KAPITEL 1 Welchen Nutzen hätte ein Unternehmen von der freiberuflichen Tätigkeit, und wie soll diese vergütet werden?...

Die Bundes-Zentrale für politische Bildung stellt sich vor

(Ihre Anspruchsprüfung beginnt stets mit dem Obersatz: Wer will was von wem woraus? )

Alle gehören dazu. Vorwort

Prüfungsschemata Allgemeines Schuldrecht 1

Zahnzusatzversicherungen. Sechs Fragen Sechs Antworten. Versicherungen Immobilienfinanzierungen Vermögensaufbau

Catherina Lange, Heimbeiräte und Werkstatträte-Tagung, November

Übung für Fortgeschrittene (ZR) Fall 5

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Der Mieter zahlt nicht

Pädagogische Hinweise B2 / 12

Transkript:

Schuldrecht AT, 15.07.2014 PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)

7: Das Schuldverhältnis bei der Beteiligung mehrerer Personen IV. Vertrag zugunsten Dritter 1. Grundideen Zwei Vertragsparteien können vereinbaren, dass ein Dritter aus ihrem Vertrag einen Anspruch gegen den Schuldner auf Leistung erhalten soll. Dritter Deckungsverhältnis Gläubiger =Versprechensempfänger Valutaverhältnis Vollzugsverhältnis Schuldner = Versprechender

Ein (echter) Vertrag zugunsten Dritter kommt vor allem vor, wenn der Dritte versorgt werden soll. Beispiel: Der junge Familienvater V hat schon fast alles erreicht: Er hat eine junge Ehefrau E, ein neues Haus, einen Baum im Garten und gerade ein Kind K bekommen. V hat eine Lebensversicherung bei der X abgeschlossen und als Begünstigte die E eingesetzt. Bei einem tragischen Unfall stirbt V. Was kann E von der X verlangen? Verträge zugunsten Dritter werden auch geschlossen, wenn ein Zugriff der Gläubiger des Versprechensempfängers auf die Leistung vermieden werden soll. Von echten Verträgen zugunsten Dritter sind unechte Verträge zugunsten Dritter zu unterscheiden, bei denen der Dritte keinen Anspruch hat.

Beispiel: Der Händler H verkauft Waschmaschinen des Herstellers Meile (M). K bestellt bei H eine dieser Maschinen. H bestellt deshalb selbst eine entsprechende Maschine bei M und weist M an, die Maschine direkt an K zu liefern. Ob ein unechter oder ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegt, d.h. ob der Dritte einen eigenen An- spruch haben soll, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Auslegung hilft eine Reihe gesetzlicher Sondernormen: 330 BGB (Leibrentenverträge); 159 VVG (Lebensversicherung); 525 BGB u.a. Kein echter Vertrag zugunsten Dritter liegt im Zweifel im Fall des 329 BGB vor (Erfüllungsübernahme). Im Übrigen kommt es auf den Zweck des Vertrags an ( 328 II BGB).

2. Dogmatische Grundlagen Der Vertrag zugunsten Dritter ist kein eigener Vertragstyp. Prinzipiell kann jeder Vertrag des Besonderen Teils als Vertrag zugunsten Dritter abgeschlossen werden, d.h. jede vertragliche Leistung kann zugunsten eines Dritten vereinbart werden. Der Vertrag zugunsten Dritter weicht vom Vertrags- prinzipab, nach dem nur die Vertragsparteien durch einen Vertrag berechtigt oder verpflichtet werden können. Verträge zugunsten Dritter waren im römischen Recht nicht anerkannt (alteri stipulari nemo potest). Auch das englische Recht hat Verträge zugunsten Dritter erst 1999 im Contracts (Rights of Third Parties) Act anerkannt.

3. Das Deckungsverhältnis Das Deckungsverhältnis ist das Vertragsverhältnis, in dem der versprechende Schuldner und der versprechensempfangende Gläubiger den Anspruch und die Rechte des Dritten festlegen. Schuldner und Gläubiger können die Rechtsposition des Dritten grundsätzlich frei ausgestalten ( 328 II BGB). Die 331 ff. BGB sind weitgehend dispositiv. Beispiel: Der Vater V möchte seinen Sohn S ein bisschen für sein Jurastudium motivieren. Er schließt deshalb mit der B- Bank einen Sparvertrag über 5000 ab. Wenn S im Examen mehr als 10 Punkte erreicht, soll er einen Anspruch auf das Geld erhalten. S hält das für übertrieben und die Bedingung deshalb für unwirksam. Zurecht?

Der Dritte kann sich gegen den Inhalt des Deckungsverhältnisses nicht wehren, er kann ein Recht aus diesem Vertrag aber ablehnen ( 333 BGB). Die Form des Deckungsvertrags richtet sich nach dem jeweiligen Inhalt. Beispiel: Ein Vertrag, durch den ein Dritter einen Anspruch auf ein Grundstück erhält, unterliegt der Form des 311b I BGB. Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis kann der Schuldner grds. auch dem Dritten gegenüber geltend machen ( 334 BGB). Der Vertrag des Deckungsverhältnisses bestimmt auch, ob der Versprechensempfängerselbst einen eigenen Anspruch gegen den Versprechenden auf Leistung an den Dritten hat ( 335 BGB).

4. Das Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Drittem Das Valutaverhältnis zwischen dem Gläubiger (Versprechensempfänger) und dem Dritten klärt den Rechtsgrund, warum der Gläubiger dem Dritten die Leistung zukommen lässt. Fehlt es an einem Rechtsgrund im Valutaverhältnis, hat der Gläubiger ggf. Ansprüche nach 812 BGB gegen den Dritten auf Herausgabe des vom Schuldner Erlangten. Beispiel: V möchte seiner Freundin F ein Geschenk machen. Er geht deshalb zum Porschehändler P und bestellt einen 911 für sie. P und V vereinbaren, dass F einen eigenen Anspruch auf den Wagen haben soll. Kurz nachdem F das Auto von P erhalten hat, stellt sich ihre Untreue heraus. V verlangt deshalb das Auto von F heraus. Zurecht?

5. Das Vollzugsverhältnis zwischen Schuldner und Drittem Zwischen Schuldner und Drittem bestehtkein Vertragsverhältnis. Der Dritte hat nur einen Anspruch aus dem Vertrag zwischen Schuldner und Gläubiger, d.h. aus dem Deckungsverhältnis. Der Dritte kann auch Ansprüche nach 280 I BGB bei Verletzungen seines Integritätsinteresses und nach 280 II BGB wegen eines Verzögerungsschadens geltend machen. Beispiel: V hat für seine Tochter T einen Vertrag mit U abgeschlossen, nach dem U der T ein Haus bauen und T darauf einen eigenen Anspruch haben soll. U braucht länger als vereinbart, so dass T zwei Monate im Hotel wohnen muss.

Nach h.m. soll der Dritte aber keine Rechte ausüben können, die den Vertrag als ganzen betreffen. Nur der Gläubiger soll einen Rücktritt erklären oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen können. Umgekehrt bestehen aber auch für den Dritten Schutzpflichten nach 241 II BGB gegenüber dem Schuldner. Beispiel: X hat mit dem Hersteller H einen Liefervertrag abgeschlossen, nach dem H dem D 300t Holz liefern und D einen eigenen Anspruch gegen H haben soll. Als H das Holz bei der Fabrik des D anliefert, hantiert der sonst stets zuverlässige Angestellte A des D unvorsichtig mit dem Gabelstapler und verletzt den H. Welche Ansprüche hat H gegen D?

Der Schuldner kann gemäß 334 BGB Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis grundsätzlich auch dem Dritten gegenüber geltend machen. Der Begriff der Einwendung isd 334 BGB ist weit zu verstehen. Es sind alle Gründe gemeint, die gegen Ansprüche des Dritten vom Schuldner vorgebracht werden können, so dass diese nicht (voll) durchsetzbar sind. Beispiel: Der reiche V hat für seine Tochter T den Chauffeur C eingestellt, der allein für sie und ihre Wünsche zur Verfügung steht. Eines Tages baut C infolge einer Unaufmerksamkeit einen Unfall, bei dem T schwer verletzt wird. Die Unfallfolgen sind auch deshalb so schlimm, weil die Anschnallgurte des Autos nicht mehr funktionierten, was V wusste. Was kann T von C verlangen?

6. Änderung und Widerruf des Rechts des Dritten Der Dritte erhält nur die Rechte, die ihm durch die Vereinbarungen im Deckungsverhältnis zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger gegeben werden. Das Deckungsverhältnis bestimmt also, inwieweit Gläubiger und Schuldner das Recht des Dritten auch nachträglich noch ändern können und ob der Gläubiger das Recht des Dritten noch widerrufen kann. Beispiel: V hat eine Lebensversicherung zugunsten seiner Ehefrau E abgeschlossen. Nach ein paar Jahren lernt V aber die attraktive A kennen. V widerruft er die Einsetzung der E bei der Versicherung und setzt stattdessen A ein. Als E davon nach V s Tod erfährt, hält sie das für unwirksam.

II. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte Nach den allgemeinen Prinzipien des Schadensrechts braucht jeder Geschädigte eine eigene Anspruchsgrundlage und kann dann auch nur seinen eigenen Schaden ersetzt verlangen. Diese Prinzipien werden zweifach durchbrochen: Dritter Schaden Vertrag Drittschadensliquidation mit Schutzwirkung für Dritte Anspruch auf Abtretung Schadensersatzanspruch des Anspruchs gegen den Schädiger bzw. auf Herausgabe des Erlöses. Verletzter Gläubiger Schaden Schadensersatzanspruch Schuldner Schädiger

Es gibt Fälle, in denen jemand gegenüber einer bestimmten Person ein Schuldverhältnis eingeht, dessen pflichtgemäße Durchführung auch die Interessen Dritter berührt. Beispiel: M nimmt zum Einkaufen im Supermarkt S ihre kleine Tochter T mit. T wird von dem eigentlich stets zuver- lässigen Mitarbeiter M des S beim unaufmerksamen Steuern eines Gabelstablers verletzt. Welche Ansprüche hat T gegen S? Eine Drittschadensliquidation kommt hier nicht in Betracht, weil es sich nicht um eine zufällige Verlagerung des Schadens von M auf T handelt. In so einem Fall wird der Dritte in den Schutzbereich des Schuldverhältnisses einbezogen.

Drittschadensliquidation Zufällige Verlagerungdes Schadensrisikos von Anspruchsinhaber auf Dritten Anspruchsinhaber darf Schaden des Dritten geltend machen Zu prüfen in der Rechtsfolge des Anspruchs des eigentlichen Anspruchsinhabers Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ZusätzlichesSchadensrisiko bei Drittem Dritter wird in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen und erhält einen eigenen Anspruch Zu prüfen im Rahmen eines eigenständigen Schadensersatzanspruchs des Dritten bei der Begründung der Pflicht(-verletzung).

1. Dogmatische Grundlagen Die Figur des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte ist durch die Rechtsprechung in Analogie zum Vertrag zugunsten Dritter ( 328 BGB) entwickelt worden. Seit einiger Zeit werden Schutzwirkungen für Dritte auch durch ergänzende Vertragsauslegung ( 133, 157 BGB) hergeleitet. Der Dritte erhält aber keine Leistungsansprüche wie bei 328 BGB, und Schutzwirkungen gibt es auch schon im vorvertraglichen Stadium. Manche knüpfen deshalb an 311 III 1 BGB an. Anspruchsgrundlage des Dritten wären dann die 311 III 1, 241 II, 280 I BGB. Für die Tatbestandsvoraussetzungen ändert die unterschiedliche Begründung aber nichts.

2. Tatbestandsvoraussetzungen Indem ein Vertrag Schutzwirkungen für Dritte erhält, wird das Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse durchbrochen. Schutzwirkungen für Dritte sind deshalb nur restriktiv anzuerkennen, der Tatbestand ist eng zu deuten! Grundsätzlich ist erforderlich, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommt (Leistungsnähe), der eigentliche Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Einbeziehung des Dritten hat, Leistungsnähe und Gläubigerinteresse für den Schuldner erkennbar sind, und der Dritte schutzbedürftig ist.

a. Leistungsnähe des Dritten Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der Leistung in Kontakt kommen. Der Dritte muss vonschutzpflichtverletzungen genauso betroffen werden können wie der eigentliche Gläubiger. Beispiel: A wohnt im vierten Stock eines Hauses des V zur Miete. Vor einiger Zeit ist auch seine Freundin F bei ihm eingezogen. Um dies zu feiern, veranstalten A und F eine Party. P, der im Auftrag des V das Treppenhaus reinigt, hat just an diesem Tag fahrlässig zu viel Seife benutzt, so dass sowohl F als auch der Partygast G ausrutschen und sich verletzen. Welche Ansprüche haben F und G gegen V?

b. Gläubigerinteresse an der Einbeziehung des Dritten Ursprünglich hat die Rechtsprechung gefordert, dass der Gläubiger für das Wohl und Wehe des Dritten verantwortlich sein müsse. Nach der neueren Rechtsprechung soll es auch genügen, wenn der Gläubiger ein besonderes berechtigtes Interesse an der Einbeziehung des Dritten hat. Beispiel (nach BGHZ 127, 378): Beispiel (nach BGHZ 127, 378): A will sein Haus verkaufen und lässt es deshalb von G begutachten. G übersieht fahrlässig Schwamm im Dachstuhl. A legt das Gutachten des G dann dem K vor, der das Haus unter Ausschluss der Gewährleistung prompt kauft. Als K später den Schwamm entdeckt, ist er empört. K hatte sich ganz auf das Gutachten verlassen. Nun will er Schadensersatz von dem G. Zurecht?

c. Erkennbarkeit für den Schuldner Das Haftungsrisiko des Schuldners soll nicht uferlos und für ihn unüberschaubar werden. Die Leistungsnähe des Dritten und das Interesse des Gläubigers an seiner Einbeziehung muss deshalb für den Schuldner erkennbar sein. d. Schutzbedürftigkeit des Dritten Der Dritte darf keinen eigenen gleichwertigen vertraglichen Anspruch haben. Beispiel: A wohnt zur Miete bei V. Eines Tages rutscht sein Untermieter U im Treppenhaus aus und verletzt sich, weil auch hier der mit dem Putzen von V beauftragte P es vergessen hatte, die Schmierseife ordentlich zu entfernen. Kann U von V Schadensersatz verlangen?

3. Rechtsfolgen Gegenüber dem Dritten bestehen Schutzpflichten nach 241 II BGB, bei deren Verletzung er Schadensersatz nach 280 I BGB verlangen kann. Nach h.m. muss sich der Dritte grundsätzlich ein Mitverschulden des Gläubigers entsprechend 334 BGB zurechnen lassen. Leistungspflichten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger können Schutzpflichten zugunsten des Dritten begründen. Beispiel (nach BGH JZ 1966, 141): E hat den Anwalt A beauftragt, ein Testament zu entwerfen, bei dem seine Tochter T als Alleinerbin eingesetzt wird. A begeht dabei aber einen Fehler, so dass die gesetzliche Erbfolge nach dem Tod des E gilt.

Literaturhinweise: Heyers, Anfechtung von Verträgen zugunsten Dritter, Jura 2012, 539-542 Höhne/Kühne, Der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter - Anspruchsgrundlage und Anspruchsumfang, JuS 2012, 1063-1069 Looschelders/Makowsky, Relativität der Schuldverhältnisse und Rechtsstellung Dritter, JA 2012, 721-728 Pinger/Behme, Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte als Rechtsgrundlage der Gutachterhaftung gegenüber Dritten, JuS 2008, 675-678 Vollersen, Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip beim Lebensversicherungsvertrag, Jura 2009, 923-927