Länderanalyse Brasilien



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November 2013 Länderanalyse Brasilien 1. Strukturdaten Fläche: 8.547.404 km 2 Einwohner (2013): 201,03 Mio. Bevölkerungsdichte: 24 Einwohner/km² Hauptstadt: Brasilia BIP pro Kopf (2012): 11.620 USD Währung: Real (BRL) Wechselkurs (November 2013): 2,29 BRL/USD 3,08 BRL/EUR 2. Politische Lage In Brasilien kommt es seit März 2013 immer wieder zu Demonstrationen mit teilweise heftigen Auseinandersetzungen der Bevölkerung mit der Polizei. Auslöser hierfür war die Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr in São Paulo. Nach und nach weiteten sich die Proteste jedoch auf das ganze Land aus. Den Demonstranten geht es dabei längst nicht mehr nur um Omnibustarife, sondern um nahezu alles, was in der unter Präsident Lula neu entstandenen Mittelschicht schon längere Zeit unterschwellig brodelt: Allem voran die bis in höchste Regierungskreise verbreitete Korruption; die Affäre um den systematischen Stimmenkauf von Parlamentariern ( Mensalão ) zwischen 2003 und 2005 stellt hierfür nur ein prominentes Beispiel dar. Jüngst wurde eine neue Korruptionsaffäre aufgedeckt, deren Ausmaß den Mensalão-Skandal in den Schatten stellen dürfte: So haben höhere Finanzbeamte seit 2006 zahlreichen Unternehmen Steuernachlässe gewährt; im Gegenzug hierfür erhielten sie satte Ausgleichszahlungen ( ISS- Mafia ). Neben der Korruption protestieren die Demonstranten aber auch gegen das marode Gesundheitswesen und das ebenso schlechte Bildungssystem, die zunehmende Kriminalität und gegen den schlecht funktionierenden, aber teuren öffentlichen Nahverkehr sowie andere Infrastrukturmängel. Staatspräsidentin Dilma Rousseff hat auf die Forderungen der Demonstranten schnell reagiert: So wurden die Fahrpreiserhöhungen teilweise wieder zurückgenommen, Ärzte wurden im Ausland angeworben und Einnahmen aus dem Erdölgeschäft wurden in die Verbesserung der Infrastruktur bzw. in das Bildungswesen umgeleitet. Inzwischen hat sich die Lage wieder etwas entspannt, vereinzelt kommt es aber immer noch zu kleineren, teilweise gewalttätigen, Ausschreitun-

Länderanalyse Brasilien 2 gen. Insgesamt stellen die Proteste keine Bedrohung der politischen Stabilität dar, vielmehr sind sie als Weckruf für die politischen Verantwortlichen zu verstehen, endlich die Defizite bei Bildung, Gesundheit und Mobilität anzugehen. Die Popularität von Dilma Rousseff hat unter den Protesten indes deutlich gelitten. Bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen im Oktober 2014 gilt sie mit ihrer Arbeiterpartei (PT) zwar nach wie vor als Favoritin, ihr Hauptkonkurrent, Aécio Neves von der Sozialdemokratischen Partei (PSDB), könnte ihr allerdings bis Herbst 2014 noch das Wasser abgraben. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn sich die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung im Land fortsetzen und weitere neue Korruptionsskandale aufflammen sollten. Auch die frühere populäre Umweltministerin Marina Silva von der Sozialistischen Partei (PSB) gilt als ernsthafte Konkurrentin Rousseffs. Sollte es im Herbst 2014 zu einem Regierungswechsel kommen, ist dennoch mit keinem grundlegenden (wirtschafts-)politischen Richtungswechsel in Brasilien zu rechnen. 3. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung Brasilien ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor Mexiko die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas (BIP 2012: 2.253 Mrd. US$). Der wirtschaftliche Erfolg des Landes fußt dabei überwiegend auf dem Reichtum an Bodenschätzen wie etwa Eisen, Mangan, Kohle, Bauxit, Nickel, Zinn, Silber, Diamanten, Gold oder Uran. Zudem wurden im Jahr 2007 große Erdölvorkommen vor der Küste Brasiliens entdeckt, die nach und nach erschlossen werden. Insgesamt werden die Ölvorräte unter dem atlantischen Ozean auf mehr als 100 Mrd. Barrel geschätzt. Hinzu kommt, dass das Öl vermutlich eine sehr hohe Qualität aufweist. Mittelfristig könnte Brasilien somit zu einer Energiegroßmacht aufsteigen. Sollten sich die Funde bestätigen und tatsächlich erschließbar sein, würde das Land unter die Top 10 der Erdölförderländer vorstoßen. Aber auch der Agrarsektor spielt eine bedeutende Rolle. Schlüsselprodukte in diesem Bereich sind Sojaprodukte, Fleisch und Zucker. Aufgrund der weltweit gestiegenen Nachfrage nach Rohstoffen insbesondere aus dem asiatischen Raum verzeichnete Brasilien in den zurückliegenden Jahren relativ robuste Wachstumsraten. Zwischen 2000 und 2010 wuchs das reale BIP durchschnittlich um knapp 4%. Derzeit bewegt sich Brasilien allerdings in einem schwierigen makroökonomischen Umfeld. Seit dem zweiten Halbjahr 2011 hat die Wirtschaft deutlich an Dynamik verloren. 2012 legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) real lediglich um 0,9% zu, im ersten Quartal 2013 lag der Zuwachs gerade einmal bei 0,6% gegenüber dem Vorquartal. Im zweiten Quartal 2013 zeichnete sich mit einer Rate von 1,5% zwar eine allmähliche Erholung ab, dennoch kann die Nachhaltigkeit des Aufschwungs angezweifelt werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen spielt die ungünstige weltwirtschaftliche Lage und der damit verbundene Rückgang der Nachfrage

Länderanalyse Brasilien 3 nach Rohstoffen insbesondere aus Asien eine Rolle. Da sich momentan allerdings wieder eine Erholung auf den Weltmärkten abzeichnet, dürfte sich dies auch positiv auf die brasilianische Wirtschaft auswirken. Durch die Ankündigung der amerikanischen Zentralbank (Fed), sich allmählich aus der expansiven Geldpolitik zurückzuziehen ( Tapering ), und dem damit verbundenen Kapitalabfluss, wird diese Erholung allerdings gedämpft: Zwar hat sich mit der Verschiebung des Tapering der Fed (voraussichtlich auf März 2014) die Situation wieder etwas entspannt, es ist aber davon auszugehen, dass sich der Abzug von Kapital Anfang 2014 wieder verstärken und in Folge davon zu einer weiteren Abwertung des Brasilianischen Real führen wird. Dies wird wiederum zu einer Verteuerung der Importe und in Folge zu höheren Inflationsraten führen. Die brasilianische Zentralbank wird dann nicht umhin kommen, die Leitzinsen erneut zu erhöhen, was sich negativ auf das Wachstum auswirkt. Zudem weist die Wirtschaft eine Reihe von hausgemachten bzw. strukturellen Wettbewerbsnachteilen auf, die sich ebenfalls negativ auf das Wachstum auswirken. So haben die Unternehmen mit hohen Steuerbelastungen, Lohnnebenkosten und Finanzierungskosten sowie mit einer ineffizienten Infrastruktur und öffentlichen Verwaltung zu kämpfen. Dennoch dürfte die Konjunktur Ende 2013 bzw. Anfang 2014 weiter an Fahrt gewinnen, allerdings werden die hohen Wachstumsraten jenseits der 5%-Marke in diesem und im kommenden Jahr nicht mehr erreicht. Wachstumsfördernd dürften sich die, infolge der Proteste auf den Weg gebrachten, Infrastrukturprojekte sowie die anstehenden Großereignisse (2014: Fußball-Weltmeisterschaft; 2016: Olympische Spiele) auswirken. Auf die mittlere bis lange Sicht werden die Investitionen in die Erschließung der neu entdeckten Öl- und Gasfelder einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung des Wachstums in Brasilien leisten. Auch vom privaten Konsum, der traditionell einen hohen Anteil am BIP ausmacht (2012: ca. 62%), sind positive Impulse für das Wirtschaftswachstum zu erwarten: Hierfür spricht einerseits der stabile Arbeitsmarkt 2013 wird die Arbeitslosenquote voraussichtlich bei durchschnittlich 5,6% liegen (September 2013: 5,4%) und auch 2014 dürfte sie nur marginal ansteigen, andererseits setzt die Regierung weiterhin Steueranreize für wichtige Branchen (Kfz, Haushaltselektronik). Die negative Seite des Konsumrauschs der letzten Jahre stellt jedoch ein beunruhigend starkes Wachstum des Kreditvolumens insbesondere bei Konsumentenkrediten dar. Ungefähr ein Viertel ihrer Einkünfte müssen die Brasilianer indes für ihre Ratenzahlungen aufbringen. In diesem Zusammenhang warnte der amerikanische Ökonom Robert Shiller jüngst vor der Bildung einer Immobilienblase in den größeren Städten Brasiliens. Insgesamt ist sowohl für 2013 als auch für 2014 mit einem für ein Schwellenland moderaten Zuwachs des realen BIP von 2,5% zu rechnen. Aufgrund der hohen Inflationsraten sowie der starken Abwertung des brasilianischen Real begann die Zentralbank im April, den Leitzins sukzessive von 7,25% auf

Länderanalyse Brasilien 4 9,5% (Oktober 2013) anzuheben. Sollte es im Zuge des Tapering zu einer weiteren Abwertung des Real kommen, ist nicht auszuschließen, dass der Zinssatz weiter erhöht wird. Der Preisauftrieb konnte durch die Anhebung der Leitzinsen indes wieder in moderate Höhen gebracht werden: Mit 5,4% (Oktober 2013) bewegt sich die Inflationsrate wieder deutlich unter der Obergrenze des Inflationszielbands der Banco Central do Brasil (2,5% bis 6,5%). Im Durchschnitt wird der Preisauftrieb dieses Jahr voraussichtlich bei 5,7% liegen und 2014 leicht auf 5,9% ansteigen. 4. Außenwirtschaft Der solide Überschuss, den Brasilien in den vergangenen Jahren in der Handelsbilanz auswies (2012: 19,4 Mrd. US$), wird 2013 voraussichtlich deutlich schrumpfen. Von Januar bis September 2013 gingen die Warenexporte gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum nominal um 1,7% zurück, wohingegen die Warenimporte im gleichen Zeitraum um knapp 9% zulegten überwiegend bedingt durch die starke Abwertung der Landeswährung Real. Damit wies die Handelsbilanz per Ende September 2013 mit -1,6 Mrd. US$ ein Defizit auf, im Jahr davor betrug der Überschuss zum gleichen Zeitpunkt noch knapp 16 Mrd. US$. Auf Jahressicht ist davon auszugehen, dass die Handelsbilanz nur noch mit einem Mini-Überschuss von knapp 4 Mrd. US$ abschließen wird. Dies macht sich auch in der Leistungsbilanz bemerkbar: Das Defizit fiel Ende September mit rund 60 Mrd. US$ fast doppelt so hoch aus wie in den Jahren davor, da die sonst hohen Überschüsse der Handelsbilanz die Negativsalden der Dienstleistungs- und Einkommensbilanz nicht mehr kompensieren konnten. Die wachsenden Dividendenzahlungen ausländischer Konzerne in das Ausland und die gestiegenen Ausgaben brasilianischer Touristen im Ausland haben zusätzlich zu einem Anschwellen des Defizits geführt. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Negativsaldo der Leistungsbilanz 2013 mit 76,6 Mrd. US$ oder 3,5% gemessen am BIP im Vergleich zu 2012 rund einen Prozentpunkt höher ausfallen wird. Auch 2014 wird mit einem Defizit in dieser Größenordnung gerechnet. In den vergangenen Jahren wurden die Defizite der Leistungsbilanz durch den Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen durchweg mehr als ausgeglichen. Dies hat sich 2013 geändert: Im September klaffte zwischen dem Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen und dem Negativsaldo der Leistungsbilanz eine Lücke von 16,6 Mrd. US$. Dadurch wird Brasilien wieder verstärkt auf kurzfristige ausländische Portfolioinvestitionen (Aktien, Anleihen oder Kredite) zurückgreifen müssen, um die Defizite der Leistungsbilanz zu decken. Um dem Kursverfall des Real Einhalt zu gebieten, kündigte die brasilianische Notenbank neben der stetigen Erhöhung der Leitzinsen Mitte 2013 reguläre Markeingriffe an. So schleust die Banco Central do Brasil momentan über Swap- und Repogeschäfte bis mindestens Ende dieses Jahres zwischen 50 und 60 Mrd. US$ in die Devisenmärkte. Die

Länderanalyse Brasilien 5 Zentralbank betonte zudem, falls notwendig, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Seit der Tapering-Ankündigung der US-Notenbank Mitte 2013 wertete der brasilianische Real gegenüber dem US-Dollar (nominal) zeitweise um knapp 20% ab. Mit der Verschiebung des Tapering hat sich die Währung wieder etwas stabilisiert; es ist aber davon auszugehen, dass, je näher das Frühjahr heranrückt, der Real wieder verstärkt unter Abwertungsdruck geraten wird. 5. Finanzstatus Brasiliens Auslandsverschuldung bewegt sich mit 22% gemessen am BIP (2012) auf einem im internationalen Vergleich niedrigen Niveau. Daran wird sich im kommenden Jahr voraussichtlich auch nichts Wesentliches ändern. Die Schuldendienstquote wird dieses Jahr aufgrund der rückläufigen Exportdynamik deutlich zulegen: So müssen 2013 voraussichtlich gut 27% der Exporterlöse aus Waren und Dienstleistungen für den Schuldendienst aufgebracht werden. Dieser relativ hohe Wert wird jedoch dadurch relativiert, dass brasilianische Unternehmen zunehmend selbst im Ausland investieren. Der Finanzstatus hat sich zudem durch die enorme Akkumulation von Währungsreserven in den vergangenen Jahren auch wenn diese durch die Interventionen der Zentralbank wieder leicht gesunken sind bzw. sinken werden deutlich verbessert. Per Ende Oktober 2013 standen Währungsreserven von 362 Mrd. US$ zu Buche. In den vergangenen fünf Jahren haben sich diese mehr als verdoppelt. Damit verfügt das Land über ein komfortables Polster, um auf das gegenwärtig schwache makroökonomische Umfeld und insbesondere auf den Abwertungsdruck des Real zu reagieren. Die Staatsverschuldung befindet sich mit 68% gemessen am BIP (2012) auf einem für ein Schwellenland relativ hohen Niveau. Da im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen anstehen, ist davon auszugehen, dass die Schulden auch 2014 nochmals bis auf knapp 70% ansteigen werden. Dementsprechend wird auch das Defizit der öffentlichen Haushalte ansteigen: 2013 dürfte dieses bei 3% gemessen am BIP und 2014 bei 3,2% liegen. Somit ist auch für den brasilianischen Staat in den kommenden Jahren Konsolidierungsbedarf angezeigt. Ungeachtet dessen bleibt der Finanzstatus des Landes solide. Im Länderkreditranking des Finanzmagazins Institutional Investor vom September 2013 belegt Brasilien mit 67,7 von 100 Punkten Rang 39 unter 179 gewerteten Ländern. Damit konnte das Land seine Position gegenüber der März-Ausgabe behaupten. 6. Ausblick Die Wachstumsdynamik der brasilianischen Wirtschaft hat seit 2011 deutlich nachgelassen. Ursächlich hierfür sind vor allem die schwächelnde Weltwirtschaft. Die Perspektiven für die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas bleiben mäßig: Die

Länderanalyse Brasilien 6 Erwartung höherer Zinsen in den USA und die verschlechterten Wachstumsaussichten beim wichtigsten Exportkunden China sorgen dafür, dass die brasilianische Wirtschaft auch 2013 und 2014 nur um 2,5% wächst. Ungeachtet der Proteste in der Bevölkerung und der massiven Kapitalabflüsse in den letzten Monaten bleibt das Land jedoch mittelfristig für ausländische Investoren attraktiv insbesondere aufgrund seiner immensen Rohstoffvorkommen und nicht zuletzt aufgrund der Ölfunde vor der Küste Brasiliens. Zudem verfügt das Land heute im Vergleich zur Krise 2002 über deutlich verbesserte Abwehrmechanismen: Einerseits hat Brasilien einen flexiblen Wechselkurs, mit dem über eine Abwertung des Reals ein Ausgleich der Leistungsbilanz begünstigt werden kann, andererseits verfügt das Land über Devisenreserven in Höhe von gut 360 Mrd. US$; dies entspricht rund 16% des BIP. Allerdings wird durch das steigende Doppeldefizit (Staats- und Leistungsbilanzdefizit) die Abhängigkeit Brasiliens von ausländischen Krediten wieder erhöht. Langfristig kann sich das Land aber nicht nur auf seinen Rohstoffreichtum und den (bereits geschwächten) Binnenkonsum verlassen. Brasilien benötigt eine moderne, diversifizierte und wettbewerbsfähigere Wirtschaft. Hierzu muss die Regierung den Ausbau der defizitären Infrastruktur angehen, die hohen Energiekosten senken, das Arbeitsrecht flexibilisieren, Bürokratie abbauen sowie verstärkt in die Bildung investieren. Den Weckruf, diese nötigen Reformen anzugehen, hat die Regierung bereits in Form der Massenproteste der Bevölkerung erhalten. Allgemeiner Hinweis Diese Publikation ist lediglich eine unverbindliche Stellungnahme zu den Marktverhältnissen und den angesprochenen Anlageinstrumenten zum Zeitpunkt der Herausgabe der vorliegenden Information am 25. November 2013. Die vorliegende Publikation beruht unserer Auffassung nach auf als zuverlässig und genau geltenden allgemein zugänglichen Quellen, ohne dass wir jedoch eine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der herangezogenen Quellen übernehmen können. Insbesondere sind die dieser Publikation zugrunde liegenden Informationen weder auf ihre Richtigkeit noch auf ihre Vollständigkeit (und Aktualität) überprüft worden. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit können wir daher nicht übernehmen. Die vorliegende Veröffentlichung dient ferner lediglich einer allgemeinen Information und ersetzt keinesfalls die persönliche anleger- und objektgerechte Beratung. Für weitere zeitnähere Informationen stehen Ihnen die jeweiligen Anlageberater zur Verfügung. Verfasser: Dr. Alexander Kalb Tel +49 89 2171-22858 alexander.kalb@bayernlb.de Redaktion: Länderrisiko- und Branchenanalyse www.bayernlb.de Geschäftsgebäude: Bayerische Landesbank Brienner Straße 18 80333 München Tel +49 89 2171-01