CCJG - Review. Campbell Collaboration on Crime and Justice. Die Wirksamkeit der Videoüberwachung. zum Thema



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Transkript:

Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention CCJG - Review Campbell Collaboration on Crime and Justice zum Thema Die Wirksamkeit der Videoüberwachung Autoren: Professor Dr. Dr. h.c. Friedrich Lösel Dipl.-Psych. Birgit Plankensteiner Institut für Psychologie Universität Erlangen-Nürnberg 91054 Erlangen

1 Überblick Die Videoüberwachung öffentlicher Räume ist in vielen Ländern eine aktuelle Maßnahme zur Prävention von Straftaten. Um einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur präventiven Wirkung der Videoüberwachung zu liefern, wurde von Welsh & Farrington (2003, 2004) eine systematische Analyse der besten Evaluationsstudien durchgeführt. Von insgesamt 49 Evaluationsstudien erfüllten 22 die strikten Selektionskriterien. Eine quantitative Auswertung und Integration der Ergebnisse war bei 19 Studien möglich. In ihnen wurde die Videoüberwachung mit Kontrollgebieten verglichen, in denen keine Überwachung stattgefunden hatte. Es zeigte sich eine durchschnittlich um 21 Prozent größere Verringerung der Kriminalität in den Arealen mit Videoüberwachung (englisch: Closed Circuit Television; CCTV). Die Befunde wurden zum einen nach verschiedenen Einsatzbereichen differenziert (Stadtzentren, Wohngebiete, öffentlicher Nahverkehr, Parkhäuser). Zum andern wurden verschiedene Formen der Kriminalität betrachtet. Am wirksamsten war CCTV in Parkhäusern, wo vor allem Diebstähle von und aus Kraftfahrzeugen um zirka 40% reduziert wurden. Dies galt insbesondere bei Kombination mit verbesserter Beleuchtung und deutlichen Hinweisen auf die Videoüberwachung. In Stadtzentren und Wohngebieten sowie im öffentlichen Nahverkehr hatte die Videoüberwachung nur geringen oder keinen signifikanten Effekt auf die Kriminalität. Es ergab sich auch kein Erfolg hinsichtlich der Verringerung von Gewaltdelikten. CCTV war in Großbritannien erfolgreicher als in Nordamerika, wo die Maßnahme seltener eingesetzt wurde. Kriminalitätsverschiebungen auf nicht überwachte Gebiete schienen keine große Rolle zu spielen. Insgesamt fielen die Ergebnisse der einzelnen Studien aber so unterschiedlich aus, dass mehr kontrollierte Forschung erforderlich ist. Für die deutsche Kriminalpolitik ergibt sich zum einen die Folgerung, dass die Videoüberwachung nach verschiedenen Einsatzbereichen differenziert werden muss. Zum andern sind mehr eigene, gut kontrollierte Evaluationsstudien erforderlich. 2 Hintergrund Videoüberwachung (CCTV) hat viele Funktionen, insbesondere aber die der Kriminalprävention und der Strafverfolgung. Sie wird sowohl im öffentlichen als auch privaten Bereich eingesetzt. Als vorbeugende Intervention ist CCTV ein Ansatz der situationsbezogenen Kriminalprävention (Lösel, 2004). Als eine Technik formaler Überwachung fungiert sie stellvertretend oder ergänzend zur personalen formellen oder informellen Sozialkontrolle. Mögliche Wirkmechanismen der Videoüberwachung sind die Abschreckung, effiziente Strafverfolgung durch verbesserte Beweislage und die Förderung der Selbstkontrolle potentieller Täter (Armitage, 2002). Die Präsenz von Videokameras kann allerdings auch unerwünschte Nebenwirkungen haben, indem z.b. Bürgern ein falsches Gefühl von Sicherheit vermittelt wird und sie damit eigene Sicherheitsvorkehrungen unterlassen. Außerdem besteht die Gefahr der Verschiebung von Kriminalität auf andere Orte, Zeiten und Personen. 1

Großbritannien hat weltweit besonders stark auf die Videoüberwachung gesetzt. Dies führte zur Forderung, die Wirksamkeit stichhaltig zu überprüfen. In den letzten Jahren gab es insbesondere in Großbritannien einen enormen Zuwachs im Einsatz von CCTV zur Kriminalprävention. Zwischen 1996 und 1998 investierte das britische Innenministerium mehr als drei Viertel des Etats für Kriminalprävention in CCTV-Programme. In den folgenden Jahren wurden weitere 170 Millionen Pfund (254 Mio. ) für CCTV zur Verfügung gestellt. Dies entfachte Debatten über die Verhältnismäßigkeit dieser Strategie und insbesondere über die Frage, inwieweit die Wirksamkeit von CCTV auf einer soliden wissenschaftlichen Basis steht. Die systematischen Zusammenfassungen der einschlägigen Forschung von Welsh & Farrington (2003, 2004) liefern dazu den wichtigsten Beitrag. 3 Methode Meta-Analysen sind die Methode der Wahl, um den wissenschaftlichen Stand auf einem Gebiet möglichst umfassend, systematisch und mit statistisch fundierten Methoden zu dokumentieren. Durch sie ist es möglich, einzelne Studien quantitativ zusammenzufassen und trotz unterschiedlicher Einzelergebnisse die wesentlichsten Befunde herauszuarbeiten (vgl. Lösel, 1987). Auf der Grundlage definierter Selektionskriterien wurde von Welsh & Farrington eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Erfasst wurden die bis Ende 2000 verfügbaren Studien mit CCTV als Interventionsschwerpunkt. Voraussetzung für den Einschluss einzelner Studien war es, dass mindestens ein Experimentalbereich (mit CCTV) und ein vergleichbarer Kontrollbereich (ohne CCVT) erfasst wurden und für beide Kriminalitätsraten zur Verfügung standen. Das Prinzip von Meta-Analysen ist es, unterschiedliche Ergebnisse einzelner Studien vergleichbar zu machen und einen Gesamteffekt abzuschätzen. Die Literaturrecherche führte zur Identifikation von 49 CCTV-Evaluationen in der Literatur. Davon konnten 47 Studien beschafft und analysiert werden; 22 Studien erfüllten die strikten Selektionskriterien. Von diesen lieferten 19 Studien die erforderlichen quantitativen Daten. Als Maße für die Effektstärke wurden sogenannte Odds Ratios berechnet. Waren diese größer als 1, so hatte sich im Video-überwachten Gebiet die Kriminalität stärker verringert als im Kontrollgebiet. Bei einem Wert unter 1 schnitt das Gebiet ohne CCTV besser ab. 2

4 Ergebnisse 4.1 Ergebnisse zur Gesamtkriminalität Von den 19 Studien zeigte immerhin gut die Hälfte (n = 10) einen erwünschten Effekt in der Gesamtkriminalität. Die Erfolgsquoten variierten von 1.27 bis 2.67. Alle diese Studien stammten aus Großbritannien. Die übrigen neun Studien erbrachten keinen Wirkungsnachweis (Erfolgsquoten von 0.23 bis 1.02). Die Evaluationen zeigten insgesamt eine durchschnittliche Verringerung der Kriminalität durch Videoüberwachung um 21 Prozent. Der durchschnittliche Gesamteffekt der 19 Studien war signifikant und betrug 1.27. Es ergab sich somit eine durchschnittliche Verringerung der gesamten Kriminalität durch Videoüberwachung um 21 Prozent. Die Ergebnisse zwischen den einzelnen Studien variierten allerdings erheblich. Das heißt, es kann nicht auf einzelne Kontexte und Durchführungen generalisiert werden. 4.2 Ergebnisse in verschiedenen Kontexten Die untersuchten CCTV-Projekte wurden in drei verschiedenen Kontexten durchgeführt: - Stadtzentren (n = 11 Studien) und öffentliche Gebäude (n = 2), - öffentliche Verkehrsmittel (n = 4), - Parkhäuser und Parkplätze (n = 5). Insgesamt ergab sich kein klarer Effekt bei der Reduktion von Kriminalität in Stadtzentren und Wohngebieten. Die mittlere Effektstärke aus zehn Studien betrug hier 1.14 und war nicht signifikant. Die Befunde der vier Studien zur Videoüberwachung in U-Bahnen waren widersprüchlich: Zwei hatten positive Effekte, eine hatte keinen und eine weitere einen negativen Effekt. Die durchschnittliche Erfolgsquote betrug 1.30 und war nicht signifikant. Hervorzuheben ist, dass drei Evaluationen aus der Londoner U-Bahn zusätzliche Maßnahmen enthielten (z.b. Spiegel, Hinweisschilder, Alarmsysteme). Die Videoüberwachung in Parkhäusern, die zumeist mit zusätzlichen Präventionsmaßnahmen verbunden war, verringerte die Kfz-Delikte um 44 Prozent. Am erfolgreichsten waren CCTV-Programme in Parkhäusern. Alle fünf Studien stammten aus England und kombinierten Videoüberwachung mit anderen Maßnahmen (verbesserte Beleuchtung, Hinweistafeln, Absperrungen, Gebührenmodelle und Sicherheitspersonal). Die Gesamt- Erfolgsquote betrug 1.77 und war hoch signifikant. Durchschnittlich wurde somit eine Verringerung der Delikte um 44% erzielt, wobei es sich hauptsächlich um Diebstähle von und aus Kraftfahrzeugen handelte. 3

4.3 Ergebnisse zu Deliktarten Die Ergebnisse aus sechs Evaluationen, die Gewaltdelikte untersuchten (insbesondere in U-Bahn- Bereich und Stadtzentren), ergaben einen durchschnittlichen Effekt von 1.05. Dieser war statistisch nicht bedeutsam. Videoüberwachung scheint demnach nicht für die Vorbeugung von Gewaltdelikten auszureichen. Die Ergebnisse zu Diebstählen von und aus Kraftfahrzeugen sind dagegen recht vielversprechend. Aus acht Evaluationen ergab sich insgesamt eine signifikante durchschnittliche Erfolgsquote von 1.55. Dieser Effekt ist hoch signifikant und entspricht einer Reduktion der einschlägigen Delikte um 35 Prozent. 4.4 Ländervergleich Von den 19 Evaluationen stammten 14 aus Großbritannien. Sie zeigten positivere Befunde von CCTV als die Studien aus den USA oder Kanada. Der signifikante Gesamteffekt der britischen Studien betrug 1.43, was einer Reduktion der Kriminalitätsrate von rund 30 Prozent entspricht. Der Gesamteffekt der nordamerikanischen Evaluationen lag dagegen bei zirka 1 und war nicht signifikant. Erfolgreiche Projekte der Videoüberwachung stammen hauptsächlich aus Großbritannien. Die Unterschiede zwischen den Ländern legen nahe, dass es auch auf den gesellschaftlichen Kontext ankommt, ob und wie technische Maßnahmen der Kriminalprävention wirken. In Großbritannien sind solche Ansätze wahrscheinlich stärker akzeptiert und ins öffentliche Bewusstsein gedrungen als in anderen Ländern. 4.5 Videoüberwachung und verbesserte Beleuchtung Fünf Studien kombinierten die Videoüberwachung mit verbesserter Beleuchtung. Es zeigte sich, dass diese Kombination wirkungsvoller war (Erfolgsquote = 1.65) als CCTV allein oder zusammen mit anderen Maßnahmen (Erfolgsquote = 1.20). Vier der fünf einschlägigen Evaluationen wurden allerdings in Parkhäusern durchgeführt. 5 Schlussfolgerungen Insgesamt zeigten die Meta-Analysen von Welsh & Farrington (2003, 2004) ermutigende, aber differenzierte Ergebnisse zur präventiven Wirkung der Videoüberwachung. Die Kriminalität wurde durchschnittlich um 21 Prozent reduziert und bei Kfz-Diebstählen in Parkhäusern erwies sich der Ansatz als besonders wirkungsvoll. Hinsichtlich der Verhinderung von Gewalt in Stadtzentren oder in der U-Bahnen scheint die Videoüberwachung jedoch weniger geeignet zu sein. 4

Besonders erfolgreich ist die Videoüberwachung bei der Prävention von Autodiebstählen in Parkhäusern und in Großbritannien. Die Meta-Analysen von Welsh & Farrington zeigen außerdem, dass methodisch angemessene Evaluationen zur Videoüberwachung vor allem aus dem angelsächsischen Raum stammen. Andere Länder wiesen ein deutliches Forschungsdefizit auf. Die Sonderstellung Großbritanniens wurde sowohl durch die Anzahl der Studien als auch durch die relativ guten Erfolge der Programme bestätigt. Der geringe Erfolg nordamerikanischer Programme kann zum einen darauf zurück geführt werden, dass die Nachuntersuchungen relativ kurzzeitig waren. Zum andern mangelte es teilweise an zusätzliche Präventionsmaßnahmen zur Videoüberwachung. Vor allem aber deutet sich in diesen Ergebnissen an, dass der gesellschaftliche Kontext und die Akzeptanz der Videoüberwachung für deren Effizienz wesentlich sind. Man kann deshalb Ergebnisse aus Großbritannien nicht einfach auf andere Länder übertragen. Gerade vor diesem Hintergrund ist die Forschungsbasis mit 19 für eine Meta-Analyse verwertbaren Studien noch zu gering. Es können auch noch kaum stichhaltige Aussagen über Prozesse der Kriminalitätsverschiebung (Crime Displacement) gemacht werden. Die Befunde zur Verlagerung der Kriminalität in angrenzende, nicht videoüberwachte Gebiete sind gemischt. Teilweise deutet sich auch an, dass es eine positive Ausstrahlung gibt. Das heißt, präventive Effekte von überwachten Gebieten strahlen auf andere Areale aus. Dies könnte auch eine Erklärung für die insgesamt positiveren Ergebnisse in Großbritannien sein. Die Kombination von Videoüberwachung mit weiteren Maßnahmen und die Konzentration auf spezifische Deliktarten und Kontexte scheinen wesentliche Determinanten des Erfolgs zu sein. Die besonderen Erfolge in Parkhäusern sind wahrscheinlich auf eine Kombination mit anderen Präventionsmaßnahmen zurückzuführen. Solche Pakete von Maßnahmen müssen verstärkt evaluiert werden (Lösel, 2004). Darüber hinaus sind mehr Kosten-Nutzen-Analysen zur Video- Überwachung erforderlich. Zum Beispiel konnte Skinns (1998) zeigen, dass eine positive Kosten- Nutzen-Relation von 1:3,5 für die Videoüberwachung spricht. Erforderlich sind Analysen, in denen die Videoüberwachung auch mit anderen technischen Maßnahmen wie z.b. einer verbesserten Beleuchtung verglichen wird. Erforderlich sind mehr methodisch strikte Evaluationen einschließlich Studien zur Kriminalitätsverschiebung, zur Ausbreitung von Effekten und zum Kosten-Nutzen-Verhältnis der Videoüberwachung. Selbstverständlich können die empirischen Befunde der dargestellten Meta-Analysen nicht die auf Werte der Liberalität und des Datenschutzes bezogene Diskussion um die Videoüberwachung ersetzen. Die Ergebnisse zur Wirksamkeit sollten aber dazu beitragen, auch diese notwendigen Diskussionen zu differenzieren und zu versachlichen. 5

Literatur Armitage, R. (2002). To CCTV or not to CCTV? A review of current research into the effectiveness of CCTV systems in reducing crime. http://www.nacro.org.uk/data/briefings/nacro-2002062800-csps.pdf. Ditton, J. & Short, E. (1999). Yes, it works, no it doesn`t: Comparing the effects of open-street CCTV in two adjacent Scottish town centers. In K. Painter & N. Tilley (Eds.), Surveillance of public space: CCTV, street lighting and crime prevention, Vol. 10, Crime prevention studies. Monsey, NY: Criminal Justice Press. Lösel, F. (1987). Methodik und Problematik von Meta-Analysen. Gruppendynamik, 18, 323-343. Lösel, F. (2004). Entwicklungsbezogene und technische Kriminalprävention: Konzeptuelle Grundlagen und Ergebnisse. In H. Schöch & J.-M. Jehle (Hrsg.), Angewandte Kriminologie zwischen Freiheit und Sicherheit (S. 175-203). Mönchengladbach: Forum Verlag. Poyner, B. (1991). Situational crime prevention in two parking facilities. Security Journal, 2, 96-101. Skinns, D. (1998). Crime reduction, diffusion and displacement: Evaluating the effectiveness of CCTV. In: C. Morris & G. Armstrong (Eds.), Surveillance, closed circuit television and social control. Aldershot, UK: Ashgate. Welsh, B. C. & Farrington, D. P. (2003). Effects of closed-circuit television on crime. Annals of the American Academy of Political and Social Science, 587, 1, 110-135. http://www.aapss.org/section.cfm/4] Welsh, B. C. & Farrington, D. P. (2004). Evidence-based crime prevention: The effectiveness of CCTV. Crime Prevention and Community Safety: An International Journal, 6, 2, 21-33. Herausgeber: Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention Dahlmannstraße 5-7 53113 Bonn Tel. (02 28) 2 80 44-0 Fax (02 28) 2 80 44-21 www.kriminalpraevention.de email: dfk@kriminalpraevention.de 2005 by Deutsches Forum für Kriminalprävention 6