Thema Nr. 4: Versicherungsentscheidungen der Nachfrager aus Sicht der Erwartungsnutzentheorie



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Transkript:

Thema Nr. 4: Versicherungsentscheidungen der Nachfrager aus Sicht der Erwartungsnutzentheorie Rosa Lee Annette Weiß Miriam Hussein Mirco Lomb Inhalt 1. Einleitung 2. Entscheidungstheorie 3. Erwartungsnutzentheorie 4. Versicherungsentscheidungen der Nachfrager 5. Grenzen und Schwächen der Erwartungsnutzentheorie 6. Fazit 2

Einleitung! Analyse der individuellen Versicherungsnachfrageentscheidungen von Versicherungsnehmern aus Sicht der Erwartungsnutzentheorie! d.h. wie sich rationale Versicherungsnehmer nach der normativen Entscheidungstheorie verhalten sollten! Grenzen und Schwächen der Erwartungsnutzentheorie bei der Beschreibung der realen Versicherungsnachfrage 3 Inhalt 1. Einleitung 2. Entscheidungstheorie 3. Erwartungsnutzentheorie 4. Versicherungsentscheidungen der Nachfrager 5. Grenzen und Schwächen der Erwartungsnutzentheorie 6. Fazit 4

Gegenstand der Entscheidungstheorie! Aufgabe der Entscheidungstheorie: Erkenntnisse über das menschliche Wahlverhalten gewinnen und sie für die Lösung von Entscheidungsproblemen zur Verfügung stellen! Normative Entscheidungstheorie: Regeln, gegen die ein vernünftig Handelnder nicht verstoßen sollte und Handlungsempfehlungen, die dem Menschen vorschreiben, wie er sich verhalten sollte, damit er bestmöglich oder rational handelt! Deskriptive Entscheidungstheorie: Empirische Untersuchungen und Beschreibung des tatsächlichen Entscheidungsverhaltens 5 Grundmodell der Entscheidungstheorie! Entscheidungsmodelle: vereinfachte Abbilder realer Entscheidungssituationen! Basiselemente eines Entscheidungsmodells: Basiselemente Zielfunktion Entscheidungsfeld Optimierungskriterium Präferenzfunktion Handlungsalternativen Ergebniswerte Umweltzustände! Lösung des Entscheidungsproblems: Zuordnung von Präferenzwerten mit Hilfe der Präferenzfunktion Rangfolge aller Handlungsalternativen nach dem Optimierungskriterium Wahl der Handlungsalternative, die die Zielfunktion optimal erreicht 6

Ergebnismatrix Struktur einer Unsicherheitssituation d.h. Beziehung der Basiselemente s 1 (p 1 ) s 2 (p 2 ) s j (p j ) s m (p m ) a 1 e 11 a i e i1 e i2 e 12 a 2 e 21 e 22 a n e n1 e n2 a i : i-te Handlungsalternative (i = 1,, n) s j : j-ter Umweltzustand (j = 1,, m) e ij : Ergebnis der i-ten Handlungsalternative im j-ten Umweltzustand p j : Eintrittswahrscheinlichkeit des j-ten Umweltzustands e 1j e 2j e ij e nj e 1m e 2m e im e nm 7 Grundtypen von Entscheidungssituationen Entscheidungen bei Sicherheit bei Unsicherheit Ungewissheit Risiko subjektive Wahrscheinlichkeit objektive Wahrscheinlichkeit! Sicherheit: der einzig mögliche Umweltzustand bekannt genau ein Ergebnis je Handlungsalternative! Unsicherheit: mehrere relevante Umweltzustände existieren verschiedene Ergebnisse bei einer Handlungsalternative! Ungewissheit: keine Eintrittswahrscheinlichkeiten bekannt! Risiko: subjektive oder objektive Wahrscheinlichkeiten existieren 8

Entscheidungstheorien Die Entscheidungstheorien unterscheiden sich nur in der Bestimmung der beiden Parameter Werte und Wahrscheinlichkeiten, jedoch haben alle das wahrscheinlichkeitstheoretische Konzept des Erwartungswertes gemeinsam: m EV(a ) p e Vier Theorietypen: i = j= 1 Werte der Konsequenzen (Ergebnisse) j ij objektiv subjektiv objektiv Expected Value (EV) Expected Utility (EU) Wahrscheinlichkeiten subjektiv Subjective Expected Value (SEV) Subjective Expected Utility (SEU) 9 Inhalt 1. Einleitung 2. Entscheidungstheorie 3. Erwartungsnutzentheorie 4. Versicherungsentscheidungen der Nachfrager 5. Grenzen und Schwächen der Erwartungsnutzentheorie 6. Fazit 10

Erwartungsnutzentheorie! Grundlage rationalen Handelns für Entscheidungen bei Risiko! Entscheidung nach dem Bernoulli-Prinzip in zwei Schritten: 1. Bestimmung einer Nutzenfunktion, die den Ergebnissen reelle Nutzenwerte zuordnet (Ergebnismatrix Entscheidungsmatrix) 2. Wahl der Alternative mit dem höchsten Nutzenerwartungswert Erwartungsnutzen: max EU(a ) p u(e ) (i=1,n) EU(a i ): Erwartungsnutzen (Expected Utility) der Alternative a i u(e ij ): p j : m = j= 1 Nutzen des Ergebnisses der i-ten Alternative im j-ten Umweltzustand Eintrittswahrscheinlichkeit des j-ten Umweltzustands i j ij 11 Axiome 1. Ordinales Prinzip: Präferenzordnung und Indifferenzrelationen Ordnungsaxiom: e i > e j oder e i < e j oder e i ~ e j Transitivitätsaxiom: aus e i >e j und e j >e k folgt e i >e k 2. Reduktionsaxiom: Jede zusammengesetzte Lotterie lässt sich auf eine äquivalente einstufige Lotterie zurückführen 3. Stetigkeitsaxiom: Zu jedem Ergebnis gibt es eine Wahrscheinlichkeit bei der Indifferenz zu einer Lotterie besteht 4. Substitutionsaxiom: In einer Lotterie kann jedes der möglichen Ergebnisse durch eine nutzenäquivalente Lotterie ersetzt werden 5. Monotonieaxiom: Diejenige Lotterie wird vorgezogen, die mit der höheren Wahrscheinlichkeit zum präferierten Ergebnis führt 12

Risikoeinstellung! Die Einstellung des Entscheiders zum Risiko lässt sich durch die Risikoprämie und der Krümmung der Nutzenfunktion identifizieren! Risikoprämie: Differenz zwischen dem Erwartungswert einer Lotterie und ihrem Sicherheitsäquivalent RP = EV CE wobei: RP: Risikoprämie (Risk Premium) EV: Erwartungswert (Expected Value) CE : Sicherheitsäquivalent (Certainty Equivalent)! Sicherheitsäquivalent: der sichere Betrag bei dem der Entscheider indifferent ist zwischen dem Sicherheitsäquivalent und der Lotterie u(ce(a)) = EU(a) wobei: u(ce(a)) = Nutzen des Sicherheitsäquivalents der Lotterie a 13 Nutzenfunktionen! Die Erfüllung der Axiome garantiert die Bestimmbarkeit einer bis auf eine lineare Transformation eindeutige Nutzenfunktion Risikoprämie positiv null negativ Nutzenfunktion (a) konkav (b) linear (c) konvex Risikoeinstellung risikoavers risikoneutral risikofreudig Nutzenfunktionen mit unterschiedlicher Risikoeinstellung: (a) risikoavers (b) risikoneutral (c) risikofreudig Nutzen 1 Ergebniswerte 0 e min e max 14

Inhalt 1. Einleitung 2. Entscheidungstheorie 3. Erwartungsnutzentheorie 4. Versicherungsentscheidungen der Nachfrager 5. Grenzen und Schwächen der Erwartungsnutzentheorie 6. Fazit 15 Grundmodell und faire Prämie (1)! Ausgangspunkt: potentieller risikoaverser VN, dessen Vermögen w durch Risiko eines Schadens L mit Wahrscheinlichkeit p bedroht ist! Zwei mögliche Zustände des Vermögens w: w1 im Nichtschadensfall ; w2 im Schadensfall! Versicherung möglich mit Prämie P = (1+β) p α L wobei: β: Prämienzuschlagsfaktor (z.b. abhängig von Verwaltungskosten) α L: α=1: α<1: Deckungsgrad des Schadens, den das VU ersetzt ( =Versicherungsleistung I ) Vollversicherung prop. Selbstbeteiligung 16

Grundmodell und faire Prämie (2) Vermögen im Schadens- bzw. Nichtschadensmodell: Schaden (p) Kein Schaden (1-p) Keine Versicherung w2 = w-l w1 = w Versicherung w2 = w-l-p+i w1 = w-p 17 Grundmodell und faire Prämie (3)! Lösung der optimalen Versicherungsdeckung: max E(U(w))=p U(w2)+(1-p) U(w1) = max E(U(w))=p U(w-L-(1+β) p α L)+ α L+(1-p) U(w-(1+β) p α L) Nach Differenzierung mit α (1.Abl.) und Umformung ergibt sich: U'(w2) U'(w1) (1 p + β p β) = (1 p p β) Ist der Zuschlag β=0, dann ist: (1 p+ β p β) = 1 (1 p p β) d.h. U (w2)=u (w1) bzw. w2=w1 18

Grundmodell und faire Prämie (4)! Gleiches Vermögen in Schaden- und Nichtschadenszustand! Nur dann gegeben wenn Vollversicherung gewählt wird, d.h. I=L und α=1! Zuschlag gleich 0, d.h. das VU verlangt Prämie in Höhe des Erwartungswert des Schadens (faire Prämie)! Aber: Es dürfen für das VU keine anderen Kosten entstehen (z.b. Vertriebs- und Verwaltungskosten)! 19 Prämie mit proportionalem Zuschlag (1)! Ist der Prämienzuschlag positiv (β>0), so sind die Kosten für eine volle Deckung der Versicherung größer als der zu erwartende Schaden! obige Gleichung lässt sich dadurch umformen zu: (1 p + β p β ) > 1 (1 p p β ) d.h. U (w2)>u (w1) bzw. w2<w1 dies bedeutet, dass das Vermögen im Schadenszustand w2 niedriger sein muss als im Nichtschadenszustand w1! Der VN wird sich folglich für eine partielle Deckung entscheiden, da eine Vollversicherung nun nicht mehr optimal ist 20

Prämie mit proportionalem Zuschlag (2). w2 V1 Sicherheitslinie 45 w1=w2 w2* V2 Prozentualer Zuschlag B A I1 A: Faire Prämie B: Optimum prop. Prämie E: Keine Versicherung w-l E I2 w1* w w1 21 Prämie mit proportionalem Zuschlag (3) βe(l). ΠL(p,L) βe(l) ΠL(p,L): Risikoprämienfunktion; RP in Abhängigkeit des Erwartungsschadens bei unterschiedlichen aber konstanten Schadenshöhen (L1,L2) ΠL(p,L1) 1 2 3 ΠL(p,L2) p,pl βe(l): proportionale Prämie Ergebnis: Fall 1: Vollversicherung optimal, RP>P Fall 2: Vollversicherung bei hohem Schaden L2 Fall 3: Keine Vollversicherung 22

Prämie mit proportionalem Zuschlag (4)! Zusammengefasst: ein risikoaverser Entscheider wird sich umso eher versichern, je höher die Schadenssumme und je kleiner die Schadenswahrscheinlichkeit ist! Abnahme der Versicherungsdeckung = Zunahme des Selbstbehaltes! Bevorzugung des Selbstbehalts (Abzugsfranchise), da bei gleichem Erwartungsschaden das beim VN verbleibende Risiko geringer ist als bei reiner proportionaler Selbstbeteiligung (prop. Sb: Beteiligung an allen, auch sehr hohen Schäden) 23 Versicherungsnachfrage in Abh. der Risikoeinstellung Arrow-Pratt-Maß für absolute Risikoaversion:! a(w) = - U``(w) / U`(w)! Misst die Stärke der lokalen Risikoneigung! Ist bei Risikoaversion stets > 0, weil U`(w) > 0 und U``(w) < 0! Hoher Wert von a(w) impliziert hohe lokale Risikoaversion! Leitet man a(w) wiederum nach w ab, ergibt sich zunehmende, konstante oder abnehmende absolute Risikoaversion 24

Risikoaverse Nutzenfunktion U(w) w 25 Konstante absolute Risikoaversion (CARA) Beispiel: 100 Euro 60 sicher 40 unsicher 200 Euro 160 sicher 40 unsicher! Der riskant angelegte Betrag bleibt auch bei steigendem Vermögen konstant 26

Abnehmende absolute Risikoaversion (DARA) Beispiel: 100 Euro 60 sicher 40 unsicher 200 Euro 150 sicher(<160) 50 unsicher(>40)! Der riskant angelegte Betrag nimmt mit steigendem Vermögen zu 27 Änderung der Risikoeinstellung! Bei fairer Prämie wählt risikoaverser Entscheider Vollversicherung! Bei unfairer Prämie wählt risikoaverser Entscheider keine Vollversicherung! Es besteht eine Beziehung zwischen dem Grad der Risikoaversion und dem optimalen Deckungsgrad der Versicherung! Je höher der Grad der Risikoaversion (d.h. je größer a(w)), desto höher ist die für den Versicherungsnehmer optimale Versicherungsdeckung 28

Zu erwartende Reaktion bei Prämienerhöhung! Vermögen w ändert sich nicht d.h. aufgrund von CARA oder DARA keine Reaktion zu erwarten! Allerdings ist eine Reaktion auf die Prämienerhöhung zu erwarten, nämlich eine Abnahme der Versicherungsdeckung, da die Versicherung nun unattraktiver wird 29 Änderung des Prämiensatzes bei CARA! Prämienerhöhung führt mathematisch betrachtet zu Reduktion der Versicherungsdeckung " Normale Reaktion! Hier keine Vermögensänderung, deshalb ausschließlich Entscheidung aufgrund der Prämienhöhe! Das zu versichernde Vermögen ändert sich nicht, d.h. die absolute Risikoaversion ändert sich auch nicht " Nutzen der Versicherung sinkt, weil die Prämie gestiegen ist und somit sinkt die Versicherungsdeckung 30

Änderung des Prämiensatzes bei DARA Unterscheidung von drei Fällen: 1. Großer Schaden: Versicherungsdeckung steigt bei Erhöhung des Prämiensatzes " Anormale Reaktion 2. Großes risikobehaftetes Vermögen und geringe Schadenseintrittswahrscheinlichkeit: Versicherungsdeckung nimmt ab bei Prämienerhöhung " Normale Reaktion 3. Hoher Ausgangswert des Prämiensatzes: Versicherungsdeckung nimmt mit Prämienerhöhung ab " Normale Reaktion 31 Zu erwartende Reaktion bei Vermögenserhöhung CARA: 1 Mio 600 versichert 400 unversichert 2 Mio 1,6 Mio versichert 400 unversichert 32

Änderung des Vermögens bei CARA! Keine Reaktion des Versicherungsnehmers bei Zunahme des nicht versicherten Vermögens " Anormale Reaktion! Damit der riskante Betrag (hier: das unversicherte Vermögen) immer gleich bleibt, müsste die Versicherungsdeckung zunehmen 33 Zu erwartende Reaktion bei Vermögenserhöhung DARA: 1 Mio 600 versichert 400 unversichert 2 Mio 1,2 Mio vers.(<1,6 Mio) 800 unvers. (>400 ) 34

Änderung des Vermögens bei DARA Unterscheidung von drei Fällen: 1. Großer Schaden: Versicherungsdeckung nimmt ab bei Erhöhung des Vermögens " Normale Reaktion 2. Großes risikobehaftetes Vermögen und geringe Schadenseintrittswahrscheinlichkeit: Versicherungsdeckung nimmt zu bei Erhöhung des Vermögens " Anormale Reaktion 3. Hoher Ausgangswert des Prämiensatzes: Versicherungsdeckung nimmt mit Erhöhung des Vermögens zu " Anormale Reaktion 35 Inhalt 1. Einleitung 2. Entscheidungstheorie 3. Erwartungsnutzentheorie 4. Versicherungsentscheidungen der Nachfrager 5. Grenzen und Schwächen der Erwartungsnutzentheorie 6. Fazit 36

Vorgehensweise! Kritik am Grundmodell der Versicherungsnachfrage! Abweichungen von der Erwartungsnutzentheorie Allais-Paradoxon Ausgewählte Anomalien anhand eines Versicherungsbeispiels! Mögliche Ursachen für Abweichungen 37 Kritik am Grundmodell der Versicherungsnachfrage! Kein Zeitraumbezug! Isolierte Betrachtung! Vermögen nicht nur einem Risiko ausgesetzt! Vermögen nicht immer ersetzbar! Ausgangsvermögen des Versicherungsnehmers i.d.r. nicht sicher! Merkmale abseits der Risikoeinstellung bleiben unberücksichtigt 38

Abweichungen von der Erwartungsnutzentheorie Bisher: Erwartungsnutzentheorie als normative Entscheidungstheorie Jetzt: Ebenenwechsel zur deskriptiven Entscheidungstheorie 39 Allais-Paradoxon (1) Situation 1: Option A: 1 Mio sicher Option B: 5 Mio mit p = 0,10 1 Mio mit p = 0,89 0 mit p = 0,01 Situation 2: Option C: 1 Mio mit p = 0,11 0 mit p = 0,89 Option D: 5 Mio mit p = 0,10 0 mit p = 0,90 Mehrheit der Probanden präferiert A Mehrheit der Probanden präferiert D! Verstoß gegen das Substitutionsaxiom 40

Allais-Paradoxon (2) Präferenz für A: U(1) > 0,10. U(5) + 0,89. U(1) + 0,01. U(0) 0,11. U(1) > 0,10. U(5) + 0,01. U(0) Präferenz für D: 0,10. U(5) + 0,90. U(0) > 0,11. U(1) + 0,89. U(0) 0,10. U(5) + 0,01. U(0) > 0,11. U(1)! Inkonsistenz 41 Versicherungsbeispiel 1.) Verlust zwischen 10.000 und 30.000 mit p = 0,01 Ordnen Sie Versicherungspolicen nach ihrer Attraktivität Police P1 P2 P3 P4 Prämie 20 70 80 90 Selbstbehalt 500 200 100 0 Nach der Erwartungsnutzentheorie: alle attraktiv, wobei P1 P2 P3 P4 f f f 42

Sicherheitseffekt Ergebnis:! Mehrheit der Probanden: P1 und P4 attraktiver als P2 und P3! Präferenz für P4 Sicherheitseffekt! Effekt von der Erwartungsnutzentheorie nicht erklärbar 43 Kontext- und Formateffekt 2.) Welche der beiden Optionen präferieren Sie? (P4) Option A: sicherer Verlust von 90 (P1) Option B: sicherer Verlust von 20 und mit p = 0,01 ein Verlust von 500 Ergebnis:! Ohne Versicherungskontext präferieren signifikant weniger Probanden P4 im Vergleich zu P1 als zuvor! Versicherungskontext: vermittelt Gewinnsituation (d.h. Schutz) ohne Versicherungskontext: sichere Verlustsituation! Effekte von der Erwartungsnutzentheorie nicht erklärbar 44

Mögliche Ursachen für Abweichungen! Ermittlung der individuellen Nutzenfunktion (Bestimmung von Sicherheitsäquivalent / Indifferenzwahrscheinlichkeit)! Entscheider besitzt nicht immer eine exakte Präferenz! Beeinflussung durch die Befragungsmethodik! Fehleinschätzung von Wahrscheinlichkeiten! Komplexität des Entscheidungsproblems! Kognitive Beschränkungen! Befragungen haben keine real-world Konsequenzen! Verhaltenswissenschaftliche Aspekte bleiben unberücksichtigt (z.b. Lotto) 45 Inhalt 1. Einleitung 2. Entscheidungstheorie 3. Erwartungsnutzentheorie 4. Versicherungsentscheidungen der Nachfrager 5. Grenzen und Schwächen der Erwartungsnutzentheorie 6. Fazit 46

Fazit! Analyse der Versicherungsnachfrage anhand Erwartungsnutzentheorie möglich! Manko: Betrachtung nur eines Teilaspekts! Als normatives Modell unumstritten! In der Realität (deskriptiv) zeigen sich jedoch systematische Abweichungen! Ausweg: Anwendung alternativer deskriptiver Theorien 47