Das neue Pflegeberufegesetz Eine Beurteilung aus der Sicht der Pflegewissenschaft
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- Waldemar Althaus
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1 Das neue Pflegeberufegesetz Eine Beurteilung aus der Sicht der Pflegewissenschaft Prof. Christel Bienstein Universität Witten/Herdecke Department für Pflegewissenschaft
2 Warum brauchen wir die generalistische Ausbildung? Weil, z.b. : Unsere Patienten und pflegebedürftigen Menschen sich verändert haben Versorgungsansprüche komplexer geworden sind Wir über mehr Wissen in den verschiedenen Feldern verfügen Familien/Angehörige mitgedacht werden müssen Information, Beratung und Schulung der Selbstpflegefähigkeit gefördert werden muss Der Beruf attraktiver werden muss Wir genügend junge Menschen für den Beruf begeistern müssen Die Gehälter gerechter werden müssen Flexibilität die Anforderung der Zukunft ist Internationale Anschlussfähigkeit erreicht werden muss 2
3 Wirtschaftsfaktor Gesundheit/Pflege Anstieg der Ausgaben im Gesundheitswesen von mehr als 45 % und weiter steigend 10% versicherungspflichtiger Arbeitnehmer im Gesundheitswesen tätig 315 Milliarden Ausgaben( 11,2% des BIP) 2013 Steigende Bedarfe durch: weniger pflegende Angehörige mehr alte und chronisch kranke Menschen Abnahme von Kliniken Zunahme stationärer Einrichtungen Zunahme polyklinischer Behandlung Zunahme häuslicher Pflegedienste 3
4 Entwicklung des Krankheitsspektrums 1990 ca 50% der Patienten leiden weltweit an chronischen Krankheiten 2020 werden es schon 70% sein Zunahme der Mortalität durch Herz-Kreislauferkrankungen, maligne Tumore (BMJ,2002: 325(7370. Cover) Beispiel: weltweit betroffen Menschen mit Diabetes: 1995 ca 135 Mill. Menschen 2000 ca 171 Mill. Menschen 2030 ca 366 Mill. Menschen (Wild, et al, 2004) Verwirrtheit : Schon jetzt bis zu 17% postoperative Verwirrtheit nach cardiochirurgischen Operationen (Evers, 2002) Bis zu 30% verwirrte Menschen auf internistischen Stationen (Spierig, 2009)
5 Pflegende Vorhanden/Ausbildung zurzeit ca Pflegende im pflegerischen Bereich tätig davon Ausbildungsplätze im Umfang von ca das bedeutet, dass jetzt schon 15% Ausbildungsplätze fehlen und bis 2017 sich dieses auf 30% erhöhen wird Bedarfe nach Berechungen vonpwc / WifOR fehlen Pflegende in Deutschland (Alten- und Krankenpflege) Rückgang der Schulabsolventen im Westen Deutschlands (2005) von 12,5 Mill. auf (2020) 10 Mill., Verlust von 18% Rückgang der Schulabsolventen im Osten Deutschlands (2005) von zu (2020) um 21%
6 Operationen 2011/2012 1,9 Mill ambulante Operationen (Verdreifachung ab 2000), entspricht 2% aller Bundesbürger wurden ambulant operiert 61% der Krankenhäuser operieren ambulant ICPM (International Classifikation of Procedures in Medicine) weist 2011 mehr als 15 Mill. stationäre Operationen aus ( dreimals so hoch wie 2006) entspricht 19% aller Bundesbürger wurden stationär operiert Gesamt 21% in Deutschland Vergleich zu den NL gesamt (ambulant und stationär) 1,4 Mill. Bürger wurden operiert, entspricht 7,7% der Bevölkerung Destatis 2011, Statline 2012
7 Verweildauer der PatientInnen im Krankenhaus ,7 Tage ,0 Tage ,2 Tage Reduktion um fast 50% (DeStatis 2013) Pro Bett 0,44 Ärzte, Anstieg von um 41% 1 Arzt : 4 Pflegenden (1999) 1 Arzt : 2,2 1,75 Pflegenden (2013) Pflegende in Deutschland versorgen 10,2 Patienten pro Schicht, Pflegende in Europa (NL, S,N, GB) 5 Patienten Casemanagement problematisch 7
8
9 10% entspricht Pflegenden Pro Jahr Studienanfänger (2012) Wenn es bei dieser Kapazität bleibt benötigen wir mehr als 40 Jahre Daher empfiehlt der WR die Einrichtung von Studienplätze (15 Jahre)
10 Aufgabenverteilung Ziel: Optimierung der Qualität der Gesundheitsversorgung für den Patienten Delegation Substitution Allokation prozessorientiert, nicht kleinschrittig, verantwortlich, qualifiziert, effizient SVR,
11 Medizin Pflege Evidenzbasiertes Wissen Florence Nightingale Medizin: Krankheitsursache finden und Therapie festlegen ca 15 20% des medizinischen Wissens Pflege: Pflegebedarf ermitteln, Unterstützung zur Alltagsbewältigung geben ca 0,5% des pflegerischen Wissens
12 Mythen und Sagen 12
13 Qutcome Mortalität Mortalität bei verspäteter Hilfe im Notfall Verweildauer Nosokomiale Infektionen Dekubitus Stürze IQWIG 2006 / ICN 2006/RN4-Cast Studie 2012/
14 Beispiel RN4CAST: Pflegende 14
15 Beispiel RC4CAST: Ergebnisse Erhöhung des Workloads => Erhöhung der Mortalitätsrate pro 1 Patient zusätzl. => 7% höhere Mortalitätsrate Erhöhter Anteil Bachelors => Verminderung der Mortalitätsrate 10% mehr Bachelors => 7% geringere Mortalitätsrate weniger Drehtüreffekt Bestätigung früherer internationaler Studien Pro investiertem 1$ => mindestens 0,75$ ökon. Benefit 15
16
17 Magnetkrankenhäuser 400 Krankenhäuser in den USA, entspricht 6,5% (6 außerhalb der USA, keines in Europa) 17
18 Anforderungsprofil an Magnethäuser Kräfte des Magnetismus Qualität der pflegerischen Führung Organisationsstrukturen Managementstil Personalpolitik- und programme Professionelles Pflegemodell Qualität der Versorgung Qualitätsverbesserung Beratung und Ressourcen Autonomie Gemeinde und Gesundheitseinrichtung Pflegende als Lehrer Image der Pflege Interdisziplinäre Beziehungen Professionelle Entwicklung 18
19 Pflege verfügt inzwischen über immer mehr Wissen Z. B. im Bereich der: Altenpflege Versorgung von Menschen mit Demenz Verschiedenste Wohn- und Lebensformen Umgang mit akuten Verläufen Kinderkrankenpflege Pflegende Kinder Palliativversorgung Neonatologie Erwachsenenpflege Schmerzmanagement Wundmanagement Prozessverläufe 19
20 Nationale Expertenstandards Dekubitusprophylaxe Entlassungsmanagement Schmerzmanagement Sturzprophylaxe Kontinenzförderung Wundmanagement Mangelernährung Mobilität Demenz abgeschlossen (UW/H) abgeschlossen abgeschlossen (UW/H) abgeschlossen abgeschlossen (UW/H) abgeschlossen abgeschlossen (UWH) abgeschlossen laufend in Kooperation mit dem Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) an der Fachhochschule Osnabrück 20
21 z.b. Bachelorstudiengang Innovative Pflegepraxis Diese Absolventen wirken über die direkte Patientenversorgung mit an: Qualitätssicherung in pflegerischer Versorgung Praxisimplementierung wissenschaftlich fundierten Wissens und somit an neuen Versorgungskonzepten Steuerung von Patientenverläufen gelingender interprofessionellen Zusammenarbeit Entwicklung neuer Berufszuschnitte Vertiefter Bereitschaft zu Verantwortung und ökonomischer Kompetenz vor Ort 21
22 Geleitete Pflegepraxis Mentoren- und dozentengeleitete Gruppen (464h) In regionalen Kleingruppen direkt vor Ort Direkte Verknüpfung der theoretischen Studieninhalte mit praktischer Erfahrung verschiedenster Pflegesituationen Ziel: reflektive Praxis, Schaffung von Freiräumen zur Generierung neuer Lösungen Aufgaben gezielt auf einzelne Module zugeschnitten und aufeinander aufbauend Durchführung kleinerer Projekte im eigenen Praxisfeld Entwicklung von Netzwerken, Praxiserfahrung im neuen Aufgabenfeld in einem geschützten Rahmen Ausbildung von Tutoren und Tutorinnen 22
23 Masterabsolventen Z.B. wirken Masterabsolventen mit: Im Qualitätsmanagement Erhebung von Patientenrisiken Veränderung von Versorgungsprozessen Implementierung neuer Erkenntnisse Beratung und Schulung spezifischer patientengruppen Aufbau von Netzwerken Interprofessionellen Arbeitsgruppen Entwicklung und Implementierung neuer Versorgungsstrukturen Erhebung von Daten Mitwirkung an Forschungsprojekten Pflegepersonalakquise Schulungsmaßnahmen 23
24 Freiheitsentziehende Maßnahmen im Krankenhaus Krüger, C. (2011/2015) Prävalenzerhebung über insgesamt 6 Monate bei Patienten In 4 Krankenhäusern (von Betten), davon eine Vollerhebung und 3 Erhebungen zwischen 25% - 35 %, drei Messpunkte Ergebnis: 390 FEM erfasst Unterschied zwischen den Stationen von 5,7% 18,7 % Auf 8 Allgemeinstationen von insgesamt 48 erfassten Stationen wurden keine FEM angewandt, nur auf 1 Intensivstation von 15 Stationen wurden keine FEM angewandt (hier existierte eine Variationsbreite von 7,2 % - 80%) 71% waren Anbringung von Bettgittern Problematik waren: Einzelzimmer, MRSA, keine Schulungen zu FEM Hilfen stellten dar: Mediatoren, Dokumentationsformulare, Richtlinie, Nachtbeleuchtung, Sturzmatratzen Werdenfelser Weg entwickelt (Betreuungsrichter, Verfahrenspfleger) 24
25 Warten und Durchhalten Quernheim G. (2013) Untersuchung der Bedeutung des Wartens für Patienten auf eine Operation bei Hüft- Knie- und Wirbelsäulenoperationen (25 Interviews ) Durchhalten müssen (nervös, ängstlich, ruhig und gelassen, Resignation, Hoffnung und Eskalation) Einflussfaktoren: Dauer der OP-Verzögerung Versichertenstatus Krankheitsbezogene Bedingungen Präoperative Schmerzsituation Prämedikation Dauer von Flüssigkeits- und Nahrungskarenz Exikose Qualitätsverbesserung: Patientenorientierung Unaufgeforderte Information Freundliche Pflegende Für Bedürfnisse Zeit nehmen Gezielter Umgang mit der Nüchternheit (2. Std. vorher noch trinken, 5 Stunden vorher noch Essen) 25
26 Aufnahme während bestimmter Tageszeiten (de Cordova et al 2012) Es zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Aufnahme während bestimmter Tageszeiten (insbesondere am Wochenende und in der Nacht) auf die Mortalität Einflussfaktoren sind: Müdigkeit, Stress und Mangel an psychischem Wohlbefinden Schlechte Arbeitsbedingungen (Roth, 2011) 35% der Pflegenden geben Defizite bei der Pflegequalität an (Norwegen 11%, Aiken 2012) 26
27 Besuchsregelungen und Rechte von Intensivpatienten Besuchsregelungen: restriktiv offen gemeinsam abgesprochen Rechte Das Recht auf Angehörige Das Recht der verständigen und einfühlsamen Information Das Recht auf respektvollen Umgang Zertifizierung: Bewerbung um Zertifizierung als Angehörigenfreundliche Intensivstation zurzeit 200 Stationen im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet Pflege e.v. (2015) 27
28 28
29 Videophonie T. Melms (2014) Patienten benötigen den Kontakt zu Ihren Angehörigen Weite Fahrwege behindern oftmals eine tägliche Anwesenheit Technische Möglichkeiten eröffnen neue Wege der Kommunikation Mobile, hygienisch sichere Geräte können inzwischen auf Intensivstationen genutzt werden, um den Kontakt zu Angehörigen zu halten Dieses schafft beidseitige Sicherheit und hält den Kontakt zur Aussenwelt 29
30 Neonatologische Erstversorgung Heil, 2014 Frühgeborene Kinder bedürfen einer intensiven Unterstützung direkt nach der Geburt Von 5 Frühgeborenen entwickeln 2 3 Kinder Ateminsuffizienzen Interprofessionelle Zusammenarbeit und Veränderung der Arbeitsabläufe können dazu beitragen Risiken deutlich zu minimieren 30
31 Das Konzept der Unterstützung pflegender Kinder Metzing, S.(2011);Nagel-Cupal, Metzing (2013) Kinder zwischen 3 und 18 Jahre, die ihre eigenen Angehörigen pflegen. Sie tun alles wollen unbedingt in ihrer Familie bleiben haben schlechtere Chancen einen Schuloder Berufsabschluss zu erreichen Erstes Zentrum für pflegende Kinder 31
32 Akutversorgung im Altenheim Bewohner verbleiben in ihrer gewohnten Umgebung Zusammenarbeit mit einem Krankenhaus Pflegeexperten übernehmen die Versorgung Diagnosefindung wird kurzfristig im Krankenhaus durchgeführt Ärzte sind nicht nur konsiliarisch tätig, sondern es kann unter DGR abgerechnet werden 32
33 Versorgung akut erkrankter AltenheimbewohnerInnen im Altenheim Bienstein, C. et. al Daten von Krankenhauseinweisungen (5 Altenheime, Zeitraum Quartal 2013) Häufigste Gründe, u.a.: Sturz Synkope Somnolenz/Bewusstlosigkeit Erbrechen Neurologische Symptome Verschlechterung des AZ Angaben bei Entlassung: Frakturen/Prellungen/Wunden Osteosynthes Exikose Lösungsansätze: Qualifizierung der Pflegenden in AH Zusammenarbeit mit Ärzten und Krankenhaus verbessern Netzwerke ausbauen ANP in AH installieren 33
34 Richtlinie Richtlinie nach 63 Abs. 3c SGB V Stand: 20. Oktober 2011 des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen Modellvorhaben nach 63 Abs. 3c SGB V
35 Selbständige Aufgaben Bei: Diabetes Chronische Wunden Demenz Hypertonus Maßnahmen, z.b.: Infusionstherapie/ Injektionen Trachealkanülenmanagement Schmerzmanagement Magensonde Suprapubischer Blasenkatheter Casemanagement Psychosoziale Versorgung
36 Krankenhausreform 2015 Vom Deutschen Pflegerat gefordert, Fortsetzung des Pflegestellenförderprogramms in Höhe von 2,5 Milliarden Euro Eingeplant in die Krankenhausreform 2015 waren verteilt über drei Jahre 660 Mill. (ca. 1,7 Stellen pro Krankenhaus) Heftiger Widerstand der Verbände bewirkte, das heute ein Paket von 830 Millionen Euro pro Jahr (über drei Jahre) verabschiedet wird (ca. 6 stellen pro Klinik). Es ist in Aussicht gestellt, dass ein neues Personalbemessungsverfahren erarbeitet wird. 36
37 Veränderungen, die erforderlich sind,u.a. Gemeinden beraten Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften Neue Wohn- und Lebensformen entwickeln Gesundheitsangebote in Discountunternehmen Schoolnurse Friseuren Tandempraxen / Praxen Übernahme neuer prozessrelevanter Aufgaben Verschreibung von Pflegehilfsmitteln und Bedarfmedikamenten Pflegespezialisten in Alteneinrichtungen und Krankenhäusern Leitung von Stationen in Krankenhäusern Aufbau interprofessioneller Versorgungszentren (Innovationsfonds) Akutbetten in Alteneinrichtungen Multiprofessionelle Zusammenarbeit 37
38 Die reinste Form des Wahnsinns ist es alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert. Albert Einstein 38
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