Mehr als nur auf Achse Komplexe Dienstleistungen bestimmen das Bild der Branche
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- Ute Schäfer
- vor 8 Jahren
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1 Mehr als nur auf Achse Komplexe Dienstleistungen bestimmen das Bild der Branche Der Niederrhein hat sich zu einer europäischen Logistikdrehscheibe entwickelt. Der Verkehr spielte in der Wirtschaftsgeschichte dieser Region früh eine bedeutende Rolle. Der Kohlebergbau und die Eisen- und Stahlindustrie waren die industriellen Treiber für das Entstehen von Häfen, leistungsfähigen Binnenschifffahrtsunternehmen und Eisenbahnen, die auch heute noch ihre besondere Bedeutung haben. Prägend für die Logistikregion Niederrhein sind aber auch die Unternehmen, die klassisch Spedition, Umschlag und Lagerei betreiben und sich zudem häufig zu logistischen Dienstleistern weiter entwickelt haben, ohne sich so zu bezeichnen. 4 Thema Wirtschaft 7-8/2006
2 Heute ist der Treiber der Entwicklung der Branche nicht mehr die Montanindustrie, sondern es sind die immer dynamischere nationale und internationale Arbeitsteilung und der damit verbundene Wettbewerb. Die Verlagerung von Produktionsstandorten lässt die internationalen Güterströme anschwellen. Transport, Lagerung und Verteilung von Gütern ist das Schmiermittel der Globalisierung. Die Optimierung der Abläufe, der Durchlaufzeiten und last not least der Kosten verbessert die Wettbewerbsposition des Standortes insgesamt. Die Logistikbranche beschäftigt in Deutschland inzwischen insgesamt 2,6 Millionen Menschen. Sie steht damit nach dem Handel und der Automobilindustrie an dritter Stelle. Und: Der Bedarf an Arbeitskräften wächst mit der zunehmenden Arbeitsteilung. Welche Bedeutung hat dieser Bereich für den Niederrhein? Rund Unternehmen verzeichnet die Mitgliederdatei der Niederrheinischen IHK, Davon sind dreiviertel reine Transportunternehmen, rund 290 Speditionen, die als Architekten der Verkehre die Transportketten organisieren, die übrigen sind reine Umschlag- und Lagereibetriebe. Die Abschätzung der Beschäftigten ist schwierig, da die Statistik den Begriff Logistik noch nicht kennt und zudem die Daten für Verkehrsunternehmen mit denen der Nachrichtenübermittlung aggregiert werden. Diese Unternehmen haben aber für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes eine weit über die eigene Branche hinausgehende Bedeutung. Die Bundesvereinigung Logistik bringt es auf den Punkt: Logistik ist die Basis für die industrielle Fertigung, die Warenzirkulation und die Zusammenarbeit von Unternehmen. Industrie und Handel sind darauf angewiesen, im harten internationalen Wettbewerb Produkte weltweit zu beschaffen und zu vertreiben. Ohne entsprechende Angebote der Logistikwirtschaft wäre dies nicht möglich. Die möglichst optimale Gestaltung der weltweiten Transportketten ist die Grundvoraussetzung für die Globalisierung. Dies ist keine neue Erkenntnis. Neu ist aber: Die Aufgaben von Industrie und Handel einerseits, von Transport- und Logistikunternehmen andererseits werden neu verteilt. Die Tätigkeiten der Dienstleister gehen inzwischen über den Transport, den Umschlag und die Lagerei teilweise weit hinaus. Viele Funktionen sowohl in der Beschaffung und in der Distribution und teilweise sogar in der Produktion sind inzwischen von Industrie und Handel an Dienstleister abgegeben worden. Die Industrie konzentriert sich zunehmend auf ihre Kernkompetenzen. Wo früher Versandleiter die Distribution der Produkte bis zum Endkunden vornahmen, macht es heute eine Spedition. Dieser Logistikdienstleister übernimmt sämtliche Aufgaben bis zur Auslieferung an den Endkunden und selbst das Retourenmanagement. Gleiches gilt für die Beschaffungslogistik als Vorstufe der industriellen Produktion und des Handels. Um die Lagerbestandskosten zu minimieren, ist es notwendig, dass immer gerade so viele Sendungen vorliegen, dass keine oder nur geringe Bestände Liquidität binden. Dies setzt eine intensive Abstimmung zwischen Dienstleister und Industrie und Handel voraus. Elementar ist eine enge Verzahnung der jeweiligen IT-Systeme, damit ein permanenter Informationsfluss entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfolgen kann. Aber auch bei der Abwicklung einfacherer Transporte hilft der Einsatz von Informations- Thema Wirtschaft 7-8/2006 5
3 technik. In vielen Speditionen ist ausgefeilte Software im Einsatz, um dem Disponenten jederzeit Auskunft über den Transport zu geben, so dass er bei Störungen in der Transportkette eingreifen kann. Die Integration dieser Speditionssoftware in die IT-Umgebung erleichtert auch die Abwicklung der Aufträge. Spezifische Märkte erfordern zudem besondere Anforderungen. Im Bereich der Lebensmittel-Logistik verlangt der Gesetzgeber, dass der Weg der Lebensmittel lückenlos bis zum Acker oder zum Kuhstall zurückverfolgt werden kann, und zwar in der Art, dass bei schadhaften Produkten die Ursache sowie der Urheber feststellbar sind. Im Bereich der temperaturgeführten Güter setzt dies den Einsatz entsprechender Sensorik in den Lagern sowie Lkws und die Dokumentation in Datenbanken voraus eine überaus anspruchsvolle logistische Leistung. Der Niederrhein ist mit Standorten der Lebensmittelindustrie, vor allem im Südkreis Kleve, aber auch beispielsweise mit dem Standort der WLS GmbH Warenhandel + Logistik + Service in Duisburg, die die Belieferung sämtlicher Filialen eines bekannten Fast-Food-Anbieters in Deutschland logistisch versorgt, sowie im Kreis Wesel, beispielsweise Onken und künftig Kerrygold hier gut aufgestellt. Besondere Kundenanforderungen gibt es in vielen Konsumgüterbereichen. Ein Beispiel ist die Computerindustrie. Die in Asien gefertigten Komponenten für PCs werden nach ihrer rund einmonatigen Schiffsreise erst vor Ort aufgrund der Bestellungen des Handels kundengerecht fertig gestellt. Hier übernimmt der Dienstleister oft sogar die Endmontage, im After-Sales-Bereich auch die Wartung und die Reparaturarbeiten. In der Distribution kommt es aufgrund der Kundenanforderungen auf Schnelligkeit an. Der Niederrhein verfügt inzwischen über eine Reihe von Distributionszentren, die europaweit innerhalb von 24 Stunden die Sendungen ausliefern. Was Logistik auch ausmacht, zeigt ein Beispiel aus Logport in Duisburg. Hier werden neben der Distribution von Neufahrzeugen eines bekannten französischen Herstellers auch Rückläufer-Fahrzeuge von Vermiet- und Leasinggesellschaften kundengerecht für den Verkauf vorbereitet. Dazu gehören neben der Inspektion und Reinigung auch notwendige Reparaturen kleine- 6 Thema Wirtschaft 7-8/2006
4 rer Schäden an Lack, Polstern und Felgen. Anschließend erfolgt die Distribution der Fahrzeuge bundesweit. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Transport gefährlicher Güter. Hier sind es die hohen Sicherheitsanforderungen aus Umwelt- und Sicherheitsgründen, die zu besonderen Lösungen führen. Alle diese Tätigkeiten erfordern qualifiziertes Personal. Die Vorstellung, es reicht, seinen Führerschein zu machen, um als Held der Landstraße zu gelten, sind wohl für immer vorbei. Es reicht auch nicht, als Disponent den Transportvorgang zu steuern. In den Unternehmen müssen hoch qualifizierte Mitarbeiter auch die Anforderungen des Kunden erkennen und daraus komplexe Dienstleistungen entwickeln. Die Ausbildungsberufe in Transport, Umschlag und Lagerei sind inzwischen breit gefächert. Kern ist immer noch der Speditionskaufmann, der seit geraumer Zeit Kaufmann für Spedition und Logistik heißt, aber weiter klassisch für die gesamte Transportabwicklung gerade steht. Darüber hinaus sind erwähnenswert: Kaufmann und Fachkraft für Kurier- und Expressdienst, Fachkraft Lagerwirtschaft, Fachkraft Lagerlogistik, Handelsfachpacker, Fachlagerist sowie Fachkraft Brief- und Frachtverkehr. Insgesamt sind derzeit über 600 Ausbildungsverträge in diesen Berufen bei der IHK eingetragen. Thema Wirtschaft 7-8/2006 7
5 Die Niederrheinische IHK bietet darüber hinaus für Mitarbeiter der Verkehrs- und Logistikbranche den zertifizierten Verkehrsfachwirt an. Er ist nach der Weiterbildung in der Lage, komplexere Logistikprojekte im Unternehmen umzusetzen. Im Jahre 2005 konnte die IHK 32 Verkehrsfachwirte in den Beruf verabschieden. Die Branche ist dadurch geprägt, Beschäftigungsmöglichkeiten über alle Qualifikationsstufen zu bieten. Über den Lagerarbeiter, den Speditionskaufmann bis hin zu Akademikern. Gerade komplexe Projekte der Kontraktlogistik erfordern ein hohes Maß an Know-how. Die Universität Duisburg Essen bietet hierzu zwei Master-Studiengänge an. Die Studenten können wählen zwischen dem Master of Science in Logistik-Management oder dem technisch ausgerichteten Master of Engineering. Daneben ist es möglich, berufsbegleitend einen Master of Science in Public Transport Management zu erwerben. Abgerundet wird das universitäre Angebot durch einen ebenfalls berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengang Intermodal Master-Class mit dem Abschluss eines ELA- (European Logistics Association) Zertifikates. Der Niederrhein ist also gut positioniert. Dies liegt unter anderem an den vielen, gut aufgestellten Unternehmen, aber auch an der guten Infrastruktur und Lage. Spedition und Logistik sind auch deshalb ein Erfolgsfaktor, weil sich die Produktionsstandorte nicht einfach nach China verlagern lassen. Das heißt: Die Speditionsdienstleistungen werden hier, vor Ort, dringend und zunehmend benötigt. Viele Kommunen haben erkannt, dass mit der Ansiedlung von Speditionen und Logistikdienstleistern Wachstum und Beschäftigung nachhaltig zu erzielen sind. Logistik am Niederrhein ist inzwischen viel mehr als bloßer Lkw-Verkehr. Werner Kühlkamp, Niederrheinische IHK Speditionen setzen verschiedene Software zur Steuerung der Transportströme ein. Hierzu gehören unter anderem Dispositionsprogramme, verknüpft mit gängiger Routenplanung (insbesondere auch unter Berücksichtigung von Streckenverboten für Gefahrgüter und besonderer Straßenprofile), GPS-Empfänger zur Ortung der Fahrzeuge, Programme zu Zeitplanung und Kostenkalkulation sowie Karten- und Abrechnungssysteme. Diskutiert wird derzeit über den Einsatz von Funketiketten (RFID Radio Frequency Identification Device) als Ersatz für den Barcode. Damit würde die Identifikation der Sendungen an den Schnittstellen der Transportkette zukünftig erheblich vereinfacht. Hohe Kosten für die Etiketten, verschiedene Standards und technische Probleme stehen aber einer flächendeckenden Einführung derzeit noch entgegen. Wir danken der Firma Chemikalien- und Flüssigkeitstransporte A. Siepmann GmbH, Duisburg, für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung des Bildmaterials. Fotos: Ullrich Sorbe 8 Thema Wirtschaft 7-8/2006
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