Zivilverfahrensrecht (Master): Summarisches Verfahren
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- Joseph Giese
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1 Rechtswissenschaftliches Institut Zivilverfahrensrecht (Master): Summarisches Verfahren Freitag, 11. Mai 2018, 14:00 15:45 PD Dr. iur. Miguel Sogo, LL.M.
2 Besondere Regeln für bestimmte Verfahren Gerichtliches Verbot (ZPO 258 ff.) Charakterisierung des Verfahrens betr. gerichtliches Verbot Gesuchsteller: Grundeigentümer oder anderer dinglich Berechtigter Voraussetzungen und Beweismass (ZPO 258 II): dingliche Berechtigung (Regelbeweis) Besitzesstörung (Glaubhaftmachung) Adressat des Verbots: unbestimmter Personenkreis, d.h. grundsätzlich «jedermann» (Falls sich das Verbot hingegen nur gegen eine bestimmte Person richten soll, ist es im kontradiktorischen Verfahren gegen diese zu erwirken, ZR 109 [2010] Nr. 46; ZR 112 [2013] Nr. 5) Bestimmtheit: Verbot muss genügend bestimmt sein (z.b. Parkverbot, Zutrittsverbot, Verbot von Fussballspiel; str.) Androhung von Busse bis Fr. 2'000 (nicht möglich: andere Androhung, z.b. Abschleppen) öffentliche Publikation (z.b. Amtsblatt) und Hinweistafel auf dem Grundstück 2
3 Besondere Regeln für bestimmte Verfahren Gerichtliches Verbot (ZPO 258 ff.) Abwehrmöglichkeiten (unbegründete) Einsprache (ZPO 260 I) Verbot fällt für den Einsprecher dahin (aber nicht für alle anderen Personen) Gesuchsteller hat Verbot im kontradiktorischen Verfahren gegen Einsprecher zu erwirken (ZPO 260 II) ausnahmsweise: Rechtsmittel, wenn kontradiktorisches Verfahren hätte durchgeführt werden müssen (str., siehe ZR 112 [2013] Nr. 5, und grundsätzlich dagegen Kantonsgericht SG BE vom 21. Juli 2014) Geltendmachung des besseren Rechts im konkreten Bussenverfahren nach Verzeigung (unabhängig davon, ob der Betreffende Einsprache erhoben hat, h.l.) Feststellungs- oder Unterlassungsklage (ohne besonders geltend zu machendes Rechtsschutzinteresse) erleichterte Abänderbarkeit des Verbots (ZPO 256 II) 3
4 Besondere Regeln für bestimmte Verfahren Vorsorgliche Massnahmen (ZPO 261 ff.) Siehe Vorlesung vom 18./25. Mai
5 Besondere Regeln für bestimmte Verfahren Freiwillige Gerichtsbarkeit Charakterisierung des Verfahrens betr. freiwillige Gerichtsbarkeit Geltung der Untersuchungsmaxime (ZPO 255 lit. b). Grund: Ausgleich für fehlende, nicht anzuhörende oder zu zahlreiche Gegenparteien bzw. Erlass völlig schematischer Anordnungen keine materielle Rechtskraft (ZPO 256 II) zwingende örtliche Zuständigkeit am (Wohn-)Sitz der gesuchstellenden Partei (ZPO 19) vorbehältlich anderer Bestimmungen des Gesetzes (z.b. ZPO 21, 29 IV, 30 II und 43) Zuordnung: BGE 136 III 178: "Der freiwilligen Gerichtsbarkeit [ ] werden diejenigen Zivilverfahren zugeordnet, die nicht unter den Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit fallen [ ]. Als Zivilrechtsstreitigkeit gilt ein kontradiktorisches Verfahren zwischen mindestens zwei Parteien, das auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse im Sinne einer res iudicata abzielt". Das hier befürwortete Zuordnungskriterium (str.): fehlende Gegenpartei 5
6 Besondere Regeln für bestimmte Verfahren Freiwillige Gerichtsbarkeit Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zuordnung str.; vgl. Jent-Sørensen, KuKo ZPO, Art. 248 Rz. 35): Verschollenerklärung (ZPO 249 lit a Z. 2) Entgegennahme mündliches Testament (ZPO 249 lit. c Z. 1) Sicherstellung Beerbung Verschollener (ZPO 249 lit. c Z. 2) Eintragung dinglicher Rechte bei ausserordentlicher Ersitzung (ZPO 249 lit. d Z. 2) Kraftloserklärung von Schuldbriefen (ZPO 249 lit. d Z. 10) Hinterlegung nach OR 168 I (ZPO 250 lit. a Z. 6) Bezeichnung Sachverständige Person zur Prüfung des Werkes (ZPO 250 lit. b Z. 4) Bestimmung, Abberufung, Ersetzung von Liquidatoren (Art. 250 lit. c Z. 3) Vertretung der Gesellschaft (ZPO 250 lit. c Z. 10) Hinterlegung von Forderungsbeträgen bei Liquidation (ZPO 250 lit. c Z. 12) Kraftloserklärung von Wertpapieren (ZPO 250 lit. d Z. 10) gerichtliches Verbot (ZPO 258) unentgeltliche Rechtspflege (BGE 139 III 334) 6
7 Rechtswissenschaftliches Institut Präklusion, Novenrecht, Säumnis
8 Übersicht 1. Teil: Präklusion und Novenrecht 2. Teil: Säumnis 8
9 Präklusion und Novenrecht Eventualmaxime, Präklusion, Noven: Worum geht es? Rechtsgrundlagen Vorbringen von neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln (Art. 229 ZPO) andere Verfahrenshandlungen der Parteien: Ausrichtung an Art. 229 ZPO (z.b. Klageänderung, Art. 230 Abs. 1 lit. b ZPO) eigene Präklusionsregeln (z.b. Unzuständigkeitseinrede, Art. 18 ZPO; Ausstandsgesuch, Art. 49 Abs. 1 ZPO; Widerklage, Art. 224 Abs. 1 ZPO; Streitverkündungsklage, Art. 82 Abs. 1 ZPO) 9
10 Vorbringen von neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln (Art. 229 ZPO) System von Art. 229 ZPO Massgebender Zeitpunkt ordentliches Verfahren vereinfachtes Verfahren summarisches Verfahren 10
11 Massgebender Zeitpunkt (Art. 229 Abs. 1 und 2 ZPO): Ordentliches Verfahren = erste Möglichkeit (Schlichtungsverfahren) für Vorbringen = Präklusions- Klage schranke Klageantwort Instruktionsverhandlung Zweiter Schriftenwechsel Instruktionsverhandlung Hauptverhandlung: erste Parteivorträge; Replik und Duplik; Beweisabnahme; Schlussvorträge; Urteilsfällung 11
12 Massgebender Zeitpunkt (Art. 229 Abs. 1 und 2 ZPO): Ordentliches Verfahren = erste Möglichkeit (Schlichtungsverfahren) für Vorbringen = Präklusions- Klage schranke Klageantwort Instruktionsverhandlung Zweiter Schriftenwechsel Instruktionsverhandlung Hauptverhandlung: erste Parteivorträge; Replik und Duplik; Beweisabnahme; Schlussvorträge; Urteilsfällung 12
13 Massgebender Zeitpunkt (Art. 229 Abs. 1 und 2 ZPO): Ordentliches Verfahren = erste Möglichkeit (Schlichtungsverfahren) für Vorbringen = Präklusions- Klage schranke Klageantwort Instruktionsverhandlung Zweiter Schriftenwechsel Instruktionsverhandlung Hauptverhandlung: erste Parteivorträge; Replik und Duplik; Beweisabnahme; Schlussvorträge; Urteilsfällung 13
14 Massgebender Zeitpunkt (Art. 229 Abs. 1 und 2 ZPO): Ordentliches Verfahren = erste Möglichkeit (Schlichtungsverfahren) für Vorbringen = Präklusions- Klage schranke Klageantwort Instruktionsverhandlung Zweiter Schriftenwechsel Instruktionsverhandlung BGE 140 III 312 Hauptverhandlung: erste Parteivorträge; Replik und Duplik; Beweisabnahme; Schlussvorträge; Urteilsfällung 14
15 Massgebender Zeitpunkt (Art. 229 Abs. 1 und 2 ZPO): Ordentliches Verfahren = erste Möglichkeit (Schlichtungsverfahren) für Vorbringen = Präklusions- Klage schranke Klageantwort Instruktionsverhandlung Zweiter Schriftenwechsel Instruktionsverhandlung Hauptverhandlung: erste Parteivorträge; Replik und Duplik; Beweisabnahme; Schlussvorträge; Urteilsfällung 15
16 Massgebender Zeitpunkt: Vereinfachtes Verfahren (Schlichtungsverfahren) Klage ohne Begründung Klage mit Begründung Schriftliche Stellungnahme des Beklagten Schriftenwechsel nach Instruktionsverhandlung Art. 246 Abs. 2 ZPO mündliche Verhandlung erste Parteivorträge; Replik und Duplik (str.) = erste Möglichkeit Beweisabnahme für Vorbringen Schlussvorträge = Präklusions- Urteilsfällung schranke 16
17 Massgebender Zeitpunkt: Vereinfachtes Verfahren (Schlichtungsverfahren) Klage ohne Begründung Klage mit Begründung Schriftliche Stellungnahme des Beklagten werden nicht mitgezählt (str.) Schriftenwechsel nach Instruktionsverhandlung Art. 246 Abs. 2 ZPO mündliche Verhandlung erste Parteivorträge; Replik und Duplik (str.) Beweisabnahme Schlussvorträge Urteilsfällung = erste Möglichkeit für Vorbringen = Präklusionsschranke 17
18 Massgebender Zeitpunkt: Summarisches Verfahren Verfahrensablauf kein Schlichtungsverfahren keine Instruktionsverhandlung begründetes Gesuch schriftliche Stellungnahme des Gesuchgegners unbedingtes Replikrecht mündliche Verhandlung rein schriftliches Verfahren 18
19 Vorbringen von neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln (Art. 229 ZPO) System von Art. 229 ZPO Massgebender Zeitpunkt ordentliches Verfahren vereinfachtes Verfahren summarisches Verfahren Erfasste Verfahrenshandlungen Tatsachenbehauptungen und Beweismittel nicht hingegen: rechtliche Ausführungen kontrovers: materiellrechtliche Einreden und Gestaltungsrechte 19
20 Vorbringen von neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln (Art. 229 ZPO) Noven erstinstanzliches Verfahren Unterscheidung echte und unechte Noven Zulässigkeitsvoraussetzungen spätester Zeitpunkt Rechtsmittelverfahren Berufung (Art. 317 ZPO) Beschwerde (Art. 326 ZPO) Revision (Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO) BiZ und subsidiäre Verfassungsbeschwerde Revision (Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG) 20
21 Vorbringen von neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln (Art. 229 ZPO) Einschränkungen der Eventualmaxime Untersuchungsmaxime erstinstanzliches Verfahren (Art. 229 Abs. 3 ZPO) Rechtsmittelverfahren Berufung: BGE 142 III 413, BGE 141 III 569, BGE 138 III 625, BGer 5A_756/2017, BGer 5A_456/2016, BGer 5A_342/2013, ferner BGE 143 III 42 Vorentwurf: Art. 317 Abs. 1 bis ZPO, Erläuternder Bericht S. 79 f. Beschwerde: BGer 5A_405/2011, BGer 5A_511/2016, BGer 5D_16/2016 verstärkte gerichtliche Fragepflicht (Art. 247 Abs. 1 ZPO) (str.) [nicht hingegen allgemeine gerichtliche Fragepflicht (Art. 56 ZPO) (h.l.)] Prozessvoraussetzungen Beweisabnahme von Amtes wegen (Art. 153 Abs. 2 ZPO) 21
22 Vorbringen von neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln (Art. 229 ZPO) Verhandlungsmaxime gemilderte Verhandlungsmaxime Art. 56 ZPO (Gerichtliche Fragepflicht) Ist das Vorbringen einer Partei unklar, widersprüchlich, unbestimmt oder offensichtlich unvollständig, so gibt ihr das Gericht durch entsprechende Fragen Gelegenheit zur Klarstellung und zur Ergänzung. (str.) Art. 247 Abs. 1 ZPO Das Gericht wirkt durch entsprechende Fragen darauf hin, dass die Parteien ungenügende Angaben zum Sachverhalt ergänzen und die Beweismittel bezeichnen. (str.) gemässigte Untersuchungsmaxime Art. 247 Abs. 2, Art. 272 und Art. 277 Abs. 3 ZPO Das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Untersuchungsmaxime Art. 296 Abs. 1 ZPO Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amtes wegen. 22
23 Säumnis: Grundlagen Säumnis: Worum geht es? Säumnisfolgen Problemstellung Regel Nichtvornahme einer Verfahrenshandlung: Art. 147 Abs. 2 ZPO mangelhafte Vornahme einer Verfahrenshandlung: Art. 132 ZPO abweichende Rechtsfolgen Nichteintritt (z.b. Art. 101 Abs. 3 ZPO) Abschreibung des Verfahrens wegen Gegenstandslosigkeit (z.b. Art. 206 Abs. 3 und Art. 234 Abs. 2 ZPO) Ersatzvorname der Verfahrenshandlung durch das Gericht auf Kosten der betroffenen Partei (z.b. Art. 131 ZPO) Erzwingung der Verfahrenshandlung (z.b. Art. 167 Abs. 1 und 2 ZPO) weitere abweichende Rechtsfolgen (z.b. Art. 63, Art. 102 Abs. 3, Art. 188 Abs. 1, Art. 206 Abs. 1, Art. 211 Abs. 1 und 3, Art. 263, Art. 264 Abs. 3 und Art. 239 Abs. 2 ZPO) Ordnungsbusse? BGE 141 III 265; BGer 4A_500/2016; Vorentwurf Art. 206 Abs. 4 ZPO 23
24 Säumnis: Grundlagen Abwendung der Säumnisfolgen Nachfrist kraft Gesetzes Einzelbestimmungen keine Nachfrist ausserhalb von Einzelbestimmungen Nachfrist auf Gesuch einer Partei (Wiederherstellung) Voraussetzungen kein oder nur leichtes Verschulden Glaubhaftmachung Frist (relativ und absolut) nicht erforderlich: gleichzeitige Vornahme der versäumten Handlung Entscheid Androhung der Säumnisfolgen (Art. 147 Abs. 3 ZPO) 24
25 Säumnis mit Klage und Klageantwort sowie Nichterscheinen an der Verhandlung ordentliches Verfahren Klage Säumnis mangelhafte Klage Klageantwort Mangel nach Art. 132 Abs. 1 und 2 ZPO Mangel nach Art. 132 Abs. 3 ZPO Fehlen einer Klageanforderung nach Art. 221 ZPO ZR 111 (2012) S. 218 weitere Mängel Säumnis (Art. 223 ZPO) mangelhafte Klageantwort Säumnis an der Hauptverhandlung (Art. 234 ZPO) Säumnis einer Partei Säumnis beider Parteien 25
26 Säumnis mit Klage und Klageantwort sowie Nichterscheinen an der Verhandlung vereinfachtes Verfahren Säumnis an der Hauptverhandlung (Art. 234 ZPO) Säumnis des Beklagten mit der schriftlichen Stellungnahme zur begründeten Klage summarisches Verfahren Schlichtungsverfahren (Art. 206 ZPO) Säumnis des Klägers (Abs. 1) Säumnis des Beklagten (Abs. 2) Säumnis beider Parteien (Abs. 3) 26
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