I. Sachverhalt. II. Fragen. 1. Welches Gericht wäre für die Ehescheidung zuständig? 3. Welches Recht wäre für die Unterhaltsberechnung anwendbar?
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- Monika Fischer
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1 DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: EGBGB Art. 14, 15, 17, 18 Chile: Ehescheidung eines deutsch-chilenischen Ehepaares (zuständiges Gericht, Güterstand, nachehelicher Unterhalt, Versorungsausgleich) I. Sachverhalt Ein deutsch-chilenisches Ehepaar will sich scheiden lassen. Der Ehemann ist ausschließlich deutscher Staatsangehöriger, die Ehefrau ausschließlich chilenische Staatsangehörige. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung (vor dem Jahr 2004) in Deutschland; jetzt leben sie in Chile. II. Fragen 1. Welches Gericht wäre für die Ehescheidung zuständig? 2. Gilt deutsches oder chilenisches Ehegüterrecht? 3. Welches Recht wäre für die Unterhaltsberechnung anwendbar? 4. Welches Recht gilt für den Versorgungsausgleich? III. Zur Rechtslage 1. Das für die Ehescheidung international zuständige Gericht a) Brüssel IIa-Verordnung Die internationale Zuständigkeit in Ehesachen richtet sich seit dem nach der VO (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren Deutsches Notarinstitut Gerberstraße Würzburg Telefon (0931) Fax (0931) internet: user/mr/pool/gutachten/14279.doc
2 Seite 2 betreffend die elterliche Verantwortung zur Aufhebung der VO (EG) 1347/2000 = Brüssel II a-verordnung). Die Brüssel II a-verordnung ist wegen ihres Vorrangs als supranationale Regelung in jeder Ehesache mit Auslandsbezug ausnahmslos vorab zu prüfen, also auch dann, wenn ein Ausländer beteiligt ist, der keinem Mitgliedsstaat angehört, oder ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nicht- Mitgliedsstaat hat; spezieller EU-Bezug ist mithin nicht erforderlich (Rausch, Ehesachen mit Auslandsbezug vor und nach Brüssel II a, FuR 2004, 154, 156). b) Zuständiges Gericht Die Grundnorm der internationalen Zuständigkeit ist Art. 3 der VO (EG) Nr. 2201/2003. Diese Norm enthält in Abs. 1a und b insgesamt sieben Anknüpfungspunkte zur internationalen Zuständigkeit, welche in drei Obergruppen eingeteilt werden können: Danach ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Ehescheidung dann gegeben, wenn beide Ehegatten deutsche Staatsangehörige sind, der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat oder der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und eine der weiteren in Art. 3 Abs. 1 a Strich 1-4 genannten Voraussetzungen hinzukommt (Einzelheiten vgl. etwa Rausch, S. 157 f.). Vorliegend ist nach den momentan bestehenden Gegebenheiten keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Ehescheidung gegeben. Sie könnte jedoch dadurch hergestellt werden, dass der Ehemann als Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nimmt und die Eheleute gemeinsam Scheidungsantrag stellen. I. Ü. bliebe nur die Möglichkeit, die Scheidung in Chile zu beantragen. c) Zulassung der Ehescheidung in Chile In Chile war bis vor Kurzem eine Ehescheidung nicht möglich. Erst seit dem , mit Inkrafttreten des Reglamento de la Ley Nr de Matrimonio Civil, ist die Möglichkeit der Ehescheidung in Chile eingeführt worden (im Internet des chilenischen Parlaments: oder auch auf der DNotI-Homepage unter Links International Amerika; auf der Homepage des chilenischen Parlaments findet sich auch eine kurze zusammenfassende Darstellung in spanischer Sprache). Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes war nur die gerichtliche Trennung möglich, die jedoch keine vollständige Auflösung der Ehe nach sich zog (Samtleben, Heirat und Scheidung im neuen chilenischen Ehegesetz, StAZ 2004, 285, 287).
3 Seite 3 2. Güterrecht a) Deutsches IPR Aus der Sicht des deutschen Kollisionsrechts bestimmt sich das Güterrechtsstatut vorliegend mangels eines gemeinsamen Heimatrechts der Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung nach dem Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung (Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), so dass man hier aus deutscher Sicht zur Anwendung des deutschen Rechts gelangt. b) Chilenisches IPR aa) Eheschließung ab Am ist in Chile ein neues Ehegesetz in Kraft getreten. Dieses enthält auch Bestimmungen über das anwendbare Recht. So regelt Art. 81 Ley de Matrimonio Civil No vom , dass die Wirkungen der in Chile geschlossenen Ehe sich nach dem chilenischen Recht richten, auch wenn die Eheschließenden Ausländer und nicht in Chile ansässig sind. bb) Altehen vor Da die Ehe hier vor Inkrafttreten des neuen Ehegesetzes geschlossen worden ist, werden sich die Wirkungen dieser Ehe noch nach den zuvor geltenden Kollisionsregeln bestimmen. So besagt auch Art. 2 der Übergangsbestimmungen zum Ley de Matrimonio Civil, dass für die Ehen, die vor Inkrafttreten des neuen Ehegesetzes geschlossen worden sind, dieses nur im Hinblick auf die gerichtliche Trennung und die Nichtigkeit der Ehe sowie die Scheidung Anwendung findet. Vor Inkrafttreten des Ley de Matrimonio Civil wurden die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe aus chilenischer Sicht an erster Stelle nach dem zwischen den Ehegatten geschlossenen Ehevertrag beurteilt (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Chile, Stand: , S. 8), welcher auch für die im Ausland geschlossenen Ehe im Heiratsregister vermerkt sein muss, um die entsprechenden Rechtswirkungen herbeizuführen. Ehen, die unter Ausländern im Ausland geschlossen wurden, werden, wenn diese ihren Wohnsitz nach Chile verlegen, als in Gütergetrennung lebend betrachtet, es sei denn, dass das Gesetz, unter welchem die Ehe eingegangen wurde, die Gütergemeinschaft i. S. d. chilenischen Rechts vorsieht (Art. 135 Abs. 2 C.c.).
4 Seite 4 In sonstigen das Güterrecht betreffenden Fragen des Internationalen Privatrechts ist der Código Bustamante anzuwenden, der an das gemeinschaftliche Personalstatut der Ehegatten und, in Ermangelung eines solchen, an das Gesetz des ersten ehelichen Wohnsitzes anknüpft (Art. 187 Código Bustamante, vgl. Bergmann/Ferid, S. 9). Da vorliegend die Ehe weder in Chile geschlossen wurde, es sich noch um eine von Ausländern im Ausland geschlossene Ehe handelt, wird hier der Código Bustamante heranzuziehen sein, so dass auch aus chilenischer Sicht an das Recht des ersten ehelichen Wohnsitzes angeknüpft werden wird. Aus chilenischer Sicht wäre damit das deutsche Güterrecht berufen, so dass sich die güterrechtliche Auseinandersetzung auch für das in Chile belegene Immobilienvermögen nach deutschem Recht richten würde. c) Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand in Chile Nur ergänzend soll nachfolgend kurz auf das chilenische Güterrecht eingegangen werden: Das chilenische Güterrecht ist im chilenischen Código Civil in den Art ff. geregelt. Der chilenische Código Civil ist im Jahre 2000 in einigen Bereichen neu gefasst worden. An den güterrechtlichen Grundsätzen hat sich jedoch durch die Neufassung nichts Entscheidendes geändert. Gesetzlicher Güterstand ist weiterhin die Errungenschaftsgemeinschaft. Nach Art. 1715, 1723 Cc können die Verlobten güterrechtliche Vereinbarungen vor, bei und nach der Eheschließung treffen und dabei etwa Gütertrennung vereinbaren. 3. Nachehelicher Unterhalt a) Deutsches IPR Unterhaltsansprüche aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft regelt aus deutscher Sicht das Haager Übereinkommen vom über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Unterhaltsabkommen 1973, abgedr. in Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 13. Aufl., S. 100 ff.). Dieses Abkommen ist am in Deutschland in Kraft getreten und geht als Staatsvertrag gem. Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB autonomem deutschen Recht, insbesondere Art. 18 EGBGB, vor. Chile ist dem Unterhaltsabkommen 1973 zwar nicht beigetreten, dieses findet aber als loi uniforme auch in Beziehungen zu Nicht-Vertragsstaaten Anwendung (Art. 33, 1973).
5 Seite 5 Den nachehelichen Unterhalt im Falle einer Scheidung regelt Art. 8 Abs. 1 Unterhaltsabkommen Danach wird das auf den nachehelichen Unterhalt anwendbare Recht an das vom im Einzelfall zuständigen Gericht auf die Ehescheidung angewendete Recht angekoppelt. Das Scheidungsstatut wird nach Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 EGBGB bestimmt. Gem. Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB findet bei gemischt-nationalen Ehen das Recht des gemeinsamen Aufenthalts zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags Anwendung, vorliegend also vorbehaltlich eines Wohnsitzwechsels das chilenische Recht. Das deutsche Recht könnte allenfalls durch eine wirksame Rechtswahl zur Anwendung gebracht werden. b) Rechtswahl nach deutschem IPR Eine isolierte Rechtswahl allein zur Bestimmung des nachehelichen Unterhaltsstatuts ist nicht möglich (a. A. allerdings der Hoge Raad, das Höchstgericht der Niederlande, welcher im Anwendungsbereich des Art. 8 Unterhaltsabkommen 1973 eine unmittelbare Rechtswahl des Scheidungsstatuts zugelassen hat, vgl. Mankowski, FuR 1997, 316). Durch eine Wahl des Ehewirkungsstatuts kann jedoch mittelbar das Scheidungsstatut und damit auch das für den nachehelichen Unterhalt geltende Recht bestimmt werden. Eine Wahl des Ehewirkungsstatuts ist nach Art. 14 Abs. 3 EGBGB dann möglich, wenn die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nicht vorliegen, die Eheleute also kein gemeinsames Heimatrecht haben, und kein Ehegatte dem Staat angehört, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB) oder die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in demselben Staat haben (Art. 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EGBGB). Vorliegend sind allerdings zur Zeit weder die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB noch die des Art. 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EGBGB gegeben. Eine Wahl des Ehewirkungsstatuts ist unter den momentan gegebenen Umständen somit nicht zulässig. Eine Rechtswahl nach Art. 14 Abs. 3 EGBGB kann allerdings vorsorgend auch dann schon getroffen werden, wenn die notwendigen Voraussetzungen zur Zeit zwar noch nicht gegeben sind, es aber möglich ist, dass diese später vielleicht einmal vorliegen (Schotten, Das IPR in der notariellen Praxis, 1995, Rn. 120). Eine solche vorsorgende Rechtswahl kann jedoch erst von dem Zeitpunkt an Wirkungen entfalten, in dem die vom Gesetz für eine Rechtswahl zwingend geforderten Tatbestandsmerkmale erstmals erfüllt sind (Schotten, Rn. 120 m. w. N.). Ein Formulierungsvorschlag für eine vorsorgende Rechtswahl nach Art. 14 Abs. 3 EGBGB findet sich bei Schotten (Rn. 132). Im Rahmen dieser vorsorglichen Vereinbarung über die Anwendung des deutschen Rechts kann problemlos zugleich eine Regelung für den nachehelichen Unterhalt nach deutschem Recht getroffen werden. Zu bedenken ist jedoch, dass diese Rechtswahl in Chile sicherlich keine Anerkennung finden wird.
6 Seite 6 c) Chilenisches IPR In Fragen des Unterhalts findet aus chilenischer Sicht, sofern keiner der Ehegatten oder nur einer von ihnen Chilene ist, der Código Bustamante Anwendung (Bergmann/Ferid, S. 8). Insoweit wird in unterhaltsrechtlichen Fragen das territoriale Recht und damit vorliegend das chilenische Recht Anwendung finden, sofern ein chilenischer Richter über die Scheidung und die Scheidungsfolgen befinden sollte. 4. Versorgungsausgleich a) Deutsches Recht Auf den Versorgungsausgleich findet gem. Art. 17 Abs. 3 EGBGB grundsätzlich das Scheidungsstatut Anwendung, nach Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB im Falle einer gemischt-nationalen Ehe also grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidung. Bei einem hier eingeleiteten Scheidungsverfahren würde ein deutscher Richter also unter den zurzeit gegebenen Umständen das chilenische Recht anwenden. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, dass das deutsche Recht erst durch einen Statutenwechsel Scheidungsstatut geworden ist. Die für den Versorgungsausgleich maßgebende Ehezeit ist nach 1587 Abs. 2 BGB zu bestimmen, d. h. es ist die gesamte Ehezeit maßgeblich (MünchKomm-Winkler/v. Mohrenfels, 3. Aufl. 1998, Art. 17 EGBGB Rn. 218). In den Versorgungsausgleich ist auch ausländisches Versorgungsvermögen einzubeziehen, wenn es gem BGB während der Ehe durch Arbeit oder Vermögen begründet oder fortgeführt worden ist. Dieser unstreitige Grundsatz ist in 3 a Abs. 5 und 6 VAHRG bestätigt worden (MünchKomm-Winkler/v. Mohrenfels, Art. 17 EGBGB Rn. 223). Einzelheiten zur Einbeziehung ausländischer Versorgungsanwartschaften in den deutschen Versorgungsausgleich, zur Bewertung ausländischer Versorgungsanrechte und zur Durchführung des Versorgungsausgleichs in diesen Fällen können den Ausführungen von Mankowski (aus Staudinger/Mankowski, Neubearb. 2003, Art. 17 EGBGB Rn. 403 ff.) entnommen werden. b) Kein Versorgungsausgleich nach chilenischem Recht Einen Versorgungsausgleich, wie wir ihn kennen, sieht das chilenische Recht, soweit hier ersichtlich, nicht vor, so dass ein hiermit befasster chilenischer Richter diesen sicherlich nicht durchführen würde. Ein deutsches Gericht hätte den Versorgungsausgleich jedoch gem. Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB auf Antrag eines Ehegatten nach
7 Seite 7 deutschem Recht durchzuführen, wenn der andere Ehegatte in der Ehezeit eine inländische Versorgungsanwartschaft erworben hat oder wenn die allgemeinen Wirkungen der Ehe während eines Teils der Ehe einem Recht unterlagen, das den Versorgungsausgleich nicht kennt, soweit seine Durchführung im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse auch während der nicht im Inland verbrachten Zeit der Billigkeit nicht widerspricht. c) Rechtswahl nur indirekt über Ehewirkungsstatut I. ü. ist darauf hinzuweisen, dass auch hinsichtlich des Versorgungsausgleichs gilt, dass eine unmittelbare Bestimmung des Versorgungsausgleichsstatuts durch Rechtswahl nicht möglich ist, wohl aber eine mittelbare durch eine vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags wirksam getroffene Wahl des Ehewirkungsstatuts (Schotten, Rn. 234). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen.
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