1. EINLEITUNG SPEZIFISCHE LERNZIELE: METHODIK VERSUCH 1: WILLKÜRLICHES UND STIMULIERTES EMG... 10
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- Gerd Burgstaller
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1 1.9 Nervenleitung KURSRAUM 23 H32/36 Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG SPEZIFISCHE LERNZIELE: METHODIK ANATOMISCHE VERHÄLTNISSE UND POSITIONIERUNG DER ELEKTRODEN PHYSIOLOGISCHE VORGÄNGE AN REIZ- UND ABLEITSTELLE VERSUCHSAPPARATUR ALLGEMEINE VORKEHRUNGEN ZUM GELINGEN DER EXPERIMENTE VERSUCH 1: WILLKÜRLICHES UND STIMULIERTES EMG WILLKÜRKONTRAKTIONEN BEZIEHUNG VON REIZSTÄRKE, REIZINTENSITÄT, SCHWELLE UND ANTWORTGRÖSSE VERSUCH 2: FORTPFLANZUNGSGESCHWINDIGKEIT DER ERREGUNG VERSUCH 3: ERREGUNG (EMG) UND KONTRAKTION (MG) DES SKELETTMUSKELS WILLKÜRLICHE KONTRAKTIONEN EINZELZUCKUNG UND SUPERPOSITION BEI DOPPELREIZ TETANISCHE REIZUNG UND VERSCHMELZEN DER EINZELKONTRAKTIONEN DATENTABELLEN VERSUCH 1 (REIZSTÄRKE) DATENTABELLEN VERSUCH 2 ( FORTPFLANZUNGSGESCHWINDIGKEIT) DATENTABELLEN VERSUCH 3 (EINZEL-, DOPPEL- UND TETANISCHER REIZ) GLOSSAR UND DATENBLÄTTER
2 1. Einleitung Nerven sind Bündel von Axonen, die die Erregungsleitung darstellen zwischen sensorischen Organen und Nervenzellen, zwischen den Nervenzellen sowie zwischen Nervenzellen und Muskeln. Nervenzellen werden erregt, also depolarisiert, durch synaptischen Input, der am Soma aufaddiert wird. Wenn die Depolarisation eine Schwelle überschreitet, wird im Axon ein Aktionspotential ausgelöst. Die Nervenleitung, also die Weiterleitung eines Aktionspotentials von einer Nervenzelle zu ihren Synapsen, hängt vom Leitungswiderstand der Axone ab. Je dünner die Axone sind, desto höher ist ihr elektrischer Widerstand. Daher sind dicke Nervenfasern schneller. In Invertebraten wie zum Beispiel dem Tintenfisch können schnelle Nervenfasern eine Dicke von bis zu 1 mm erreichen, die man mit dem blossen Auge sehen kann. In Vertebraten wird die Schnelligkeit der Nervenleitung zusätzlich durch eine Isolierung (Myelinisierung) der Axone erhöht, die zu einer springenden (saltatorischen) Reizleitung führt. Die Natrium- und Kalium- Ionen, die an der Entstehung der Aktionspotentiale im Axon beteiligt sind, müssen dann nur etwa alle 100 µm durch die Membrankanäle fliessen. Dies beschleunigt die Reizleitung von myelinisierten Nervenfasern etwa um den Faktor 10. Die motorischen Nervenfasern (Typ Aα, dick und myelinisiert), leiten Erregungen mit hoher Geschwindigkeit (50 80 m/s beim Menschen) und aktivieren je eine motorische Einheit. Eine motorische Einheit umfasst ein motorisches Axon und die davon innervierten Muskelfasern, welche als Einheit erregt werden. Folgende Punkte soll man sich für das Verständnis der Versuche klar machen: Machen Sie sich eine klare Vorstellung über den Aufbau einer motorischen Einheit bezüglich Länge der Muskelfasern, Innervationsstelle und Abschätzung der Anzahl Muskelfasern pro Nervenfaser. Die Erregung wird sowohl entlang der Nerven- als auch der Muskelfasern aktiv fortgepflanzt (in letzteren ca. 10 mal langsamer). Der applizierte Reizstrom und seine Wirkung (Hyper- oder Depolarisation) und die von der erregten Membran aktiv produzierten Vorgänge (Aktionspotential und Kreisströme) sind auseinander zu halten. 2
3 2. Spezifische Lernziele: 1. Positionierung und Polung der Reiz- und Ableitelektroden: Auffinden des N. ulnaris entlang seines Verlaufes. Bedeutung der Ableitstellen an den Kleinfingermuskeln relativ zur Lage der Endplattenregion. 2. Zusammenhang zwischen Reizstärke und der notwendigen Reizdauer zum Erreichen der Schwelle. 3. Unterschied zwischen Schwellendepolarisation an der Axonmembran (ca. 20 mv) und der extrazellulär notwendigen Reizspannung bei transkutaner Reizung (ca Volt). 4. Grösse, Dauer und Form der extrazellulär, transkutan gemessenen Summenaktionspotentiale (Vergleich zum intrazellulär abgeleiteten Aktionspotential). 5. Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung der motorischen Nervenfasern. Komponenten der Latenzzeit. Vergleichen Sie die erhaltenen Werte mit den erwarteten Werten. 6. Vergleich der Dauer der Erregung und der Kontraktion bei Einzelzuckung. Kraftverstärkung bei Doppelreiz und tetanischer Reizung. 7. Vergleich der asynchronen Aktivierung von motorischen Einheiten bei willkürlicher Kontraktion und der synchronen Aktivierung bei elektrischer Reizung. Ergänzendes Studium nebst den allgemein empfohlenen Lehrbüchern: Vorlesungsunterlagen der Vorlesung im 1. Jahr Anatomie-Atlas zu N. ulnaris und Muskeln im Hypothenar 3
4 3. Methodik 3.1. Anatomische Verhältnisse und Positionierung der Elektroden Abbildung 1. Positionierung der Elektroden Die Klebe-Elektroden lassen sich leicht und ohne Hilfe anbringen. Mit Hilfe der elastischen Klettbänder können die Stimulationselektroden fixiert werden. Es geht aber besser, wenn die Elektroden von Hand fest gehalten werden. Stellen Sie sicher, dass alle Elektroden fest angebracht sind und nicht verrutschen können. Ein guter Kontakt der Elektroden ist wichtig für eine erfolgreiche Ableitung des EMGs und Stimulation der Nervenbahnen. Für die Stimulation ist es von grossem Nutzen, sich den zu reizenden N. ulnaris und seinen Verlauf in der Tiefe der Unterarmmuskulatur plastisch vorzustellen. Anhand der Ableitung kann beobachtet werden, wie die Reizstärke und die Position der Reizelektroden in Relation zum Nerven die Reizwirkung (Grösse der Reizantwort) verändert. 4
5 Beachte: Reizelektroden: Kathode (-) distal; die hier entstehende Erregung soll nicht an der Anode (Hyperpolarisation) vorbeilaufen müssen Ableitelektrode: (+) proximal, (-) distal; beide distal von Endplattenregion 3.2. Physiologische Vorgänge an Reiz- und Ableitstelle Bipolare, transkutane Reizung: Eine messbare Erregung entsteht bei Erreichen der Reizschwelle unter der Kathode. Um an der Axonmembran die notwendige Depolarisation (um ca. 20 mv) zu bewirken, muss die Spannung an der Hautoberfläche 10 bis 60 Volt (je nach Reizdauer und Widerstand des Gewebes) betragen, da der allergrösste Teil der Spannung im Gewebe abfällt. Bipolare Ableitung: Es wird eine Spannungsdifferenz gemessen, welche durch die Summe der extrazellulären Kreisströme der erregten Fasern gegeben ist. Die Bedeutung (+) und (-) der Elektroden ist anders als bei den Reizelektroden. 5
6 Bei allen Formen der Ableitung, auch bei unipolaren, wird eine Spannungsdifferenz gemessen. Dies kann im Experiment (fakultativ) demonstriert werden durch Ableitungen an verschiedenen Stellen entlang des Handballens, wobei mono- und diphasische Signale wechselnder Polarität zu beobachten sind, je nach Lage der Elektroden relativ zur Endplattenregion und Muskelausdehnung (siehe Abbildung). Abbildung 3. Erregungsfluss in Nerv und Muskel 6
7 3.3. Versuchsapparatur Die abgeleiteten und geeignet verstärkten Signale (Elektromyogramm EMG, Mechanogramm MG), sowie das integrierte EMG werden synchron in 3 Eingangsfenstern auf dem PC-Bildschirm angezeigt. Die Auslösung einer Registrierung mit oder ohne gleichzeitigem Reiz erfolgt mittels Start-Knopf rechts unten im Bedienfenster. Verstärkung und Zeitablenkung werden an den Menübalken der Fenster gewählt. Gelungene Registrierungen werden mit der Maus durch Klicken auf die Markierung in der Zeitskala ausgewählt und ein Zoom-Fenster für die Druckvorschau geöffnet. Mittels des Hilfemenüs lassen sich Erklärungen zu der Bedienung aufrufen. Abbildung 4. Bedienungsoberfläche auf dem PC-Monitor Bedienelemente für Autoscale, Zoom, Datei öffnen EMG Integral Ein Popup-Fenster enthält Anweisungen zur Einstellung des Stimulators. Hier lassen sich per Mausführung die Reizparameter einstellen: Stärke, Dauer, Einzel-, Doppel- und Mehrfachreiz. Verstärkung EMG MG Auswahlmarkierung für Zoom-Fenster Zeit Signale Zeit-Skalierung Starten der Messung 7
8 3.4. Allgemeine Vorkehrungen zum Gelingen der Experimente Erläuterungen zu den Elektroden, Reiz- und Registrierungs-einrichtung sowie weitere Hilfen erhalten Sie vom Instruktor oder über das [Hilfe]-Menü. Es empfiehlt sich beim Wechsel der Versuchsperson zuerst alle Elektrodenkabel zu ordnen und zunächst nur das Ableitelektroden-Paar anzulegen. Noch ohne Reiz wird in den Registrierungen (ausgelöst durch Start-Knopf) bei geeigneter Zeitbasis und Verstärkung die störende 50 Hz Sinusschwingung vom Netzstrom beobachtet. Diese lässt sich reduzieren durch Anlegen der Erdelektrode (Nähe Handgelenk). Bitte applizieren Sie auf keinen Fall Leitungs-Gel auf die Erdelektrode! Als Test für ein gutes Anliegen der Ableitelektroden dient eine Registrierung von willkürlich ausgelösten Erregungen bei isometrischer Abduktion des Kleinfingers. Diphasische Signale unterschiedlicher Grösse, je nach Grösse der verschiedenen, aktivierten motorischen Einheiten, sollten zu sehen sein. Die Reizelektroden werden zuerst von Hand gehalten und sanft in den Sulcus N. ulnaris zwischen Olecranon und Epicondylus medialis ("Narrenbein") gedrückt. Mit einem relativ kurzen Reiz von ca. 50 µs Dauer und ca. 10 ma Stärke wird versucht, eine Erregung auszulösen und am M. abductor digiti minimi zu registrieren. Mit Reizen von langsam aufsteigender Stärke, ausgelöst mittels Start-Knopf ca. 1 mal pro Sekunde, lassen sich Kontraktionen der Unterarmmuskeln (Handbeuger) und Zuckungen der Daumen- und Kleinfingermuskeln beobachten. Nur letztere werden im Elektromyogramm (EMG) sichtbar. Evtl. empfiehlt es sich, die Reizelektrode durch leichtes Verschieben näher an den N. ulnaris zu bringen, sodass bereits ein kleinerer Reiz genügt. Wenn eine geeignete Stelle für die Reizelektroden gefunden ist, empfiehlt es sich diese mittels elastischem Klettband zu fixieren. Bei schlechtem Kontakt der Reizelektroden erhöht sich der Widerstand, und es wird ein grösserer Reizstrom notwendig, sowie oft eine grössere 50 Hz-Störung beo- 8
9 bachtet. Das Auftragen von Elektrolytgel auf die Reizelektroden verbessert deren Leitfähigkeit. Es sollte darauf geachtet werden, dass sich zwischen den beiden Reizelektroden KEIN Elektrolytgel befindet, da ansonsten der Reizstrom durch das Gel fliesst und nicht durch das Gewebe. Durch leichtes Verschieben der Ableitelektroden entlang des Hypothenars wird sichergestellt, dass distal von der Endplattenregion registriert wird, und die Polung richtig ist: Diphasischer Aktionsstrom mit erstem Ausschlag nach unten. Vergleichen Sie die topographischen Verhältnisse anhand der ausliegenden Fotos eines präparierten Hypothenars. Alternativ können die Ableitelektroden auch am M. flexor digiti minimi angebracht werden, der bei einer Beugung des kleinen Fingers aktiviert wird. Bitte vergleichen Sie hierzu ebenfalls die ausliegenden Schautafeln. 9
10 4. Versuch 1: Willkürliches und stimuliertes EMG In diesem Versuchsteil werden Sie mithilfe des Elektromyogramms (EMGs) die den Muskelkontraktionen zu Grunde liegenden elektrischen Vorgänge am Kleinfinger untersuchen. Es werden willkürliche Bewegungen des Kleinfingers und stimulierte EMG Antworten bei unterschiedlichen Reizstärken beobachtet. Versuchsziele EMG bei Willkürkontraktionen verschiedener Stärke ableiten und aufzeichnen. Erkennen der verschieden grossen motorischen Einheiten (4.1.) Erkennen des Zusammenhangs zwischen Reizstärke, Reizdauer und Antwortgrösse (4.2.) Durchführung Legen Sie zuallererst der Versuchsperson die Ableitelektroden an geeigneter Position an der Aussenkante einer Handfläche an. Achten Sie auf korrekte Anordnung der Elektroden (siehe Abbildung 1) Willkürkontraktionen Öffnen Sie in LabChart das Settings File 1.9 Willkür. In diesem Experiment werden das EMG am M. abductor/flexor digiti minor ( M. abduct. dig. min. ) und das Integral desjenigen ( Integral EMG ) jeweils für einen Zeitraum von 2 Sekunden nach Betätigen des Start Knopfes aufgezeichnet. Zunächst sollen ohne elektrische Reizung bei verschieden starken, isometrischen Abduktionen des Kleinfingers die Rekrutierung motorischer Einheiten registriert werden. Spannen Sie dafür den kleinen Finger unterschiedlich stark während des 2-sekündigen Aufnahmefensters an. Achten Sie darauf, möglichst wenige Bewegungen auszuführen, da dies die Aufnahme des EMGs verfälscht. Wählen Sie die Daten zur weiteren Analyse aus, indem Sie auf das schwarze Kästchen in der Zeitskala klicken (siehe Abbildung 4) und das Zoom-Fenster öffnen. Nun können Sie das Zoom-Fenster ausdrucken (unter File / Print Zoom View). 10
11 Auswertung der erhobenen Daten Identifizieren Sie die diphasischen Summenaktionspotentiale einzelner motorischer Einheiten aus den mit verschiedener Kraft erhaltenen EMGs. Messen und notieren Sie die Amplituden der Antworten von je mittleren und den grössten motorischen Einheiten. Woran lässt sich das Rekrutierungsprinzip zeigen? 4.2. Beziehung von Reizstärke, Reizintensität, Schwelle und Antwortgrösse Nun werden Sie Muskelkontraktionen und die zugehörig messbaren EMGs durch elektrische Stimulation des zugehörigen Nerven auslösen und beobachten. Hierzu werden Sie den N. ulnaris im Sulcus N. ulnaris im Ellenbogenbereich mithilfe einer frei zu positionierenden Elektrode reizen. Die Reizelektroden müssen genügend mit Leit-Gel bedeckt sein. Öffnen Sie in LabChart das Settings File 1.9 Reizstärke. Wiederum wird das EMG ( M. abduct. dig. min. ) an der Position des Kleinfingers überwacht, jedoch für wesentlich kürzere Zeitabschnitte nach Start der Aufnahme (50 ms). Zusätzlich werden Reize durch die Stimulationselektrode zeitgekoppelt 10 ms nach Beginn der Aufnahme ausgelöst. Zuerst sollten Sie eine gute Position der Reizelektroden finden. Reizen Sie dafür einige Male bei mittlerer Reizstärke (ca. 10 ma) und suchen Sie nach stabilen und reliablen Antworten im EMG. Falls Sie keine Antworten auslösen können, verändern Sie die Position Ihrer Stimulationselektrode. Der Stimulator muss hierfür am PowerLab eingeschaltet werden. Dann sollten Sie versuchen, die Schwellenreizstärke für nur einige wenige motorische Einheiten zu finden: Verringern Sie die Reizstärke sukzessive und nehmen 11
12 sie mehrere Trials bei jeder gegebenen Reizstärke auf. Die Schwellenreizstärke ist dann erkennbar am Alles-oder-Nichts Charakter der Antwort bei gleichbleibenden, wiederholten Reizpulsen. Das heisst, bei gleichbleibender Reizstärke ist in manchen Fällen eine kleine, gleichbleibende Antwort zu registrieren, in den restlichen Fällen keine messbare Antwort. Notieren Sie bei jedem Trial auch die Reizstärke. Tragen Sie die gemessenen Werte für die Reizantwort und Reizstärke in die unten stehende Tabelle. Abschliessend evozieren Sie noch EMG Antworten mit grösseren Antwortamplituden, so dass sie eine vollständige Reizstärke-Antwort-Messreihe aufstellen können. Achten Sie darauf während der Messreihe die Position der Stimulationselektrode (und auch die Kraft mit der Sie die Elektrode aufdrücken) so wenig wie möglich zu verändern. Ermitteln Sie beispielhaft die Reizschwelle bei 3 unterschiedlichen Reizdauern (50 µs, 100 µs und 200 µs). Tragen Sie die gewonnenen Werte ebenfalls in die Tabelle ein. Auswertung der erhobenen Daten Tragen Sie die gemessenen Antwortamplituden gegen die zugehörigen Reizstärken auf (leere Tabelle am Ende dieses Skripts). Wie gross war in ihrem Fall die Schwellenreizstärke? Ist diese vergleichbar bei unterschiedlichen Versuchsteilnehmern? Wie gross sind die Latenzzeiten bei unterschiedlichen Reizstärken? Tragen Sie diese ebenfalls in die Tabelle ein. Was lässt sich über den Zusammenhang zwischen Reizstärke und Reizdauer sagen? 12
13 5. Versuch 2: Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung In diesem Versuch soll nun die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung in der Nervenfaser nach elektrischer Stimulation gemessen werden. Die Latenzzeit zwischen Stimulation des Nervs und messbarer Antwort (wie auch in Versuch 1 schon zu beobachten) setzt sich jedoch aus der Kombination verschiedener Komponenten zusammen: Zeit bis zur Erreichung der Schwelle Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven Synaptische Übertragung an der motorischen Endplatte Ausbreitung der Erregung im Muskel bis zur Ableitstelle. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit entlang der Nervenfaser lässt sich daher nicht durch eine einfache Division der Gesamtdistanz durch die Latenzzeit bestimmen. Um die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Nerven separat zu ermitteln, werden wir hier die Latenzzeit bei Reizung an mehreren Orten entlang des Nerven mit verschiedenen Distanzen zwischen Stimulation und Ableitung messen. Da alle anderen Komponenten der Latenzzeit (Schwelle, synaptische Übertragung, Ausbreitung im Muskel) unter diesen Bedingungen konstant bleiben, lässt sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Nerven berechnen. Praktische Aspekte bei der Durchführung und Analyse Öffnen Sie in LabChart das Settings File 1.9 Fortpflanzungsgeschwindigkeit. In diesem Versuch wird alleinig die EMG Antwort ( M. abductor digiti min. ) dargestellt. Es werden Zeitfenster mit einer Dauer von 50 ms aufgezeichnet, bei denen die Stimulation bei Zeitpunkt 10 ms erfolgt. Versuchen Sie nun EMG Antworten an 2 bis 3 Stimulationsorten auszulösen (Ellenbogen, Mitte Unterarm, Handgelenk). Vergleichen sie den schematischen Verlauf des N. ulnaris mit ihren gewählten Stimulationsorten. 13
14 Reizstärke und -dauer Da die Schwelle rasch erreicht werden soll, werden starke Reize von kurzer Dauer (100 µs) verwendet. Es sollte mit Reizstärken begonnen werden, die im Versuch 1 zuverlässige Antworten ausgelöst haben. Speziell in der Mitte des Unterarmes empfiehlt es sich, die Reizstärke zu erhöhen und die Elektroden tief einzudrücken, um den tiefliegenden Nerven mit dem Reiz zu erreichen. Ziel ist es, von allen Reizorten vergleichbar grosse Antworten im EMG zu erhalten. Es ist daher akzeptabel die Reizstärke im Verlauf des Versuchs zu verändern! Die Reizdauer sollte hierbei konstant bleiben. Falls keine Antwort erzielt werden kann, muss der Versuch mit einer längeren Reizdauer wiederholt werden. Latenzzeitbestimmung und Distanzmessung Eine klare Definition für die Bestimmung des Beginns der Antwort und daher der Latenzzeit gibt es nicht. Dies spielt keine Rolle, wenn für die Analysen jeweils die gleichen Kriterien benutzt werden. Aus praktischen Gründen gilt für uns: Latenzzeit = Zeit zwischen Reizbeginn und dem Beginn der ersten negativen Flanke des mehrphasischen Muskelaktionsstromes (zu messender Parameter). Distanz = Abstand zwischen Reizkathode und proximaler Ableitelektrode (zu variierender Parameter). Tragen Sie die erhobenen Latenzzeiten in die zugehörige Tabelle ein. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit lässt sich nun durch Auftragen der Distanzen gegen die Latenzzeiten ermitteln. 14
15 Auswertung der erhobenen Daten Die Steigung in der graphischen Darstellung der Distanzen (y-achse) gegen die Latenzzeiten (x-achse) ergibt die Geschwindigkeit in m/s aus der von Auge angepassten Geraden. Liegen die Punkte tatsächlich auf einer Geraden (lässt sich nur bei mehr als 2 Messpunkten beantworten)? Was lässt sich dadurch über die Konstanz der Geschwindigkeit schliessen? Warum verläuft die Gerade nicht durch den Nullpunkt? 15
16 6. Versuch 3: Erregung (EMG) und Kontraktion (MG) des Skelettmuskels Zusätzlich zu der Ableitung des EMG (Elektromyogramm) vom Kleinfingerhandballen wird in diesem Versuch die erzeugte Kraft bei der Fingerbeugung (MG, Mechanogramm) mittels eines mechano-elektrischen Wandlers gemessen. Eventuell müssen die Ableitelektroden etwas seitlich verschoben werden, sodass der Wandler mit leichtem Anlegen der Finger ungestört die Kraft registrieren kann. Versuchsziele Vergleich von EMG und MG bei Willkürkontraktionen (6.1.). Zuckung bei Einzel- und Doppelreiz: Zeitliche Abfolge im EMG und MG (6.2.). Tetanische Kontraktionen. Kraft bei Einzelzuckung und Tetanus (6.3.) Willkürliche Kontraktionen Öffnen Sie in LabChart das Settings File 1.9 Einzelreiz Kraft. In diesem Versuch sollen bei geringerer Zeitauflösung verschieden starke, willkürliche Kontraktionen einschliesslich Anspannung und Erschlaffung im EMG ( m. flexor digit. min. ) und MG ( Kraft ) registriert werden. Zusätzlich wird das Integral des EMGs in einem dritten Kanal ( Integral EMG ) aufgezeichnet. Es werden Zeitfenster mit einer Dauer von 2 Sekunden aufgezeichnet. Nehmen Sie hierfür den mechano-elektrischen Wandler in die Hand und drücken ihn mit verschiedenen Intensitäten für einen kurzen Moment innerhalb des 2- Sekunden Zeitraums der Aufnahme. Beachten Sie den Gegensatz der asynchron aktivierten, relativ kurz dauernden Erregungen im EMG und der resultierenden, vergleichsweise glatten Kontraktion im MG. In welcher zeitlichen Relation stehen EMG und MG zueinander? 16
17 6.2. Einzelzuckung und Superposition bei Doppelreiz Dieser Versuchsteil lässt sich anfangs weiterhin mit dem Settings File 1.9 Einzelreiz Kraft durchführen. Mit kurzen, starken Einzelreizen am N. ulnaris sollen zuerst mehrere motorische Einheiten synchron erregt und deutliche, grosse Signale registriert werden. Öffnen Sie nun das Settings File 1.9 Doppelreiz Kraft. Hier sollen Doppelreize zur Stimulation des Nerven mit unterschiedlichen Inter-Stimulus Intervallen appliziert werden. Da die Muskelkontraktion die Erregung um ein Vielfaches überdauert, löst eine zweite Erregung vor Ablauf der ersten Kontraktion eine erhöhte Kontraktion aus. Durch Wahl von drei verschiedenen geeigneten Reizintervallen bei Doppelreizen soll die Superposition und Krafterhöhung der überlagerten Kontraktion demonstriert werden. Tragen Sie die Ergebnisse in die zugehörige Datentabelle ein. 17
18 6.3. Tetanische Reizung und Verschmelzen der Einzelkontraktionen Abschliessend sollen durch Applikation einer Serie von Reizen (typischerweise max. 10 Reize bei einer Frequenz von 10 bis 30 Hz) unvollkommene und vollkommene, tetanische Kontraktionen bewirkt werden. Öffnen Sie hierfür das Settings File 1.9 Tetanus Kraft. Beginnen Sie mit einer relativ niedrigen Frequenz der Stimulation und achten sie auf die Krafterhöhung. Es empfiehlt sich dabei, bewusst den Handrücken nach hinten unten auf die Unterlage zu pressen, um eine Beugung der Hand und Verschiebung des Kraftwandlers minimal zu halten. Erhöhen Sie dann die Anzahl der Reize und die Stimulationsfrequenz. Welche Auswirkung hat dies auf die Kraftentwicklung? Auswertung der erhobenen Daten Vergleichen Sie die Einzelstimulation mit dem Doppelreiz. Ab wann addieren sich die Muskelkontraktionen? Beim Tetanus addieren sich die Muskelkontraktionen ebenfalls erst bei höheren Stimulations-Frequenzen. Wann kommt es hierbei zu einer Saturation und warum? Drucken Sie die gewonnenen Daten für Einzel- und Doppelreiz sowie für Tetanusstimulation aus für Ihre Dokumentation des Versuchs. Wählen Sie hierzu den gewünschten Trial aus und drucken Sie das Zoom-Fenster. Falls Zeit bleibt sollten die Versuche an jedem Gruppenteilnehmer durchgeführt werden. Lassen sich Unterschiede in den Ergebnissen feststellen? War die Versuchsdurchführung bei allen Teilnehmern gleich schwierig/einfach? 18
19 7. Datentabellen Versuch 1 (Reizstärke) Versuch 1 (Reizstärke) Motorische Einheit klein gross Amplitude (mv) EMG-Amplituden bei verschiedenen Reizstärken (Reizdauer 100 µs) Reizstärke (ma) Amplitude (mv) Latenzzeit (ms) Reizdauer (µs) Reizschwelle (ma)
20 8. Datentabellen Versuch 2 ( Fortpflanzungsgeschwindigkeit) Distanz (cm) Latenzzeit (ms) Steigung (m/s) x-achsenabschnitt (ms) 20
21 9. Datentabellen Versuch 3 (Einzel-, Doppel- und tetanischer Reiz) Einzelreiz Reizdauer (µs) Reizstärke (ma) Kraft Intervall (ms) Doppelreiz 200 Kraft 1. Reiz (mv) Kraftgewinn 2. Reiz (mv) Maximale Kraft (mv) Tetanus Reiz Intervall (ms) Kraft 1. Reiz (mv) Kraftgewinn letzter Reiz (mv) saturiert? Anzahl Stimuli 50 21
22 10. Glossar und Datenblätter Alles-oder-nichts Gesetz Beschreibt den Befund, dass der Stimulus einen Schwellenwert überschreiten muss, damit es zu einer Antwort kommt. Diese ist als Aktionspotential immer vollständig. Bei unterschwelligen Stimuli gibt es keine Antwort. Das Aktionspotential ist immer gleich gross und wird in voller Grösse (ohne Dekrement) entlang der ganzen Nervenfaser geleitet. Mit Bezug auf eine motorische Einheit folgt daraus, dass obligat alle zugehörigen motorischen Endplatten erreicht werden. Anode Positive Reizelektrode, bewirkt eine Hyperpolarisation. Antidrom Fortpflanzungsrichtung der Erregung entgegen der in-vivo vorkommenden Richtung (orthodrom). Beachte: In-vivo startet die Erregung normalerweise an einem Ende eines Axons (z.b. Axonhügel einer Aα-Faser oder der sensiblen Endigung einer Ia-Faser), während bei künstlicher Reizung die Erregung von der Kathode aus in beide Richtungen sich ausbreitet. Bipolar (Vgl. unipolar) Beide Elektroden sind different, d.h. liegen der erregbaren Faser an. Depolarisation Änderung des Ruhemembranpotentiales in positiver Richtung, d.h. Richtung Schwellenpotential. Diphasisch Extrazellulär registrierte Form der Erregung bei bipolarer Ableitung. Form hängt ab vom Abstand der beiden Ableitelektroden. Endplattenpotential Das an der motorischen Endplatte ausgelöste postsynaptische Potential. Beachte: So gross, dass mit Sicherheit die Schwelle für eine Erregung der Muskelfaser überschritten wird, und deshalb alle Muskelfasern einer motorischen Einheit erregt werden. 22
23 Fortgepflanzte Erregung Aktionspotential, das sich nach Erreichen der Schwelle voll ausbildet und sich gemäss dem Alles-oder-nichts Gesetz ausbreitet. Hyperpolarisation Änderung des Ruhemembranpotentiales in negativer Richtung. Inaktivierung In diesem Zusammenhang die Eigenschaft der Na-Kanäle, sich nach der Öffnung bei anhaltender Depolarisation von selbst zu schliessen. Dies ist notwendig, um die Erregung zu beenden. Der inaktivierte Zustand des Kanales entspricht nicht dem Ruhezustand (s. Refraktärphase) Kathode Negative Reizelektrode, bewirkt eine Depolarisation. K-Kanal Transmembranaler Ionenkanal, der z.t. in Ruhe geöffnet ist und damit das Ruhepotential bewirkt. Bei Depolarisation verzögerte (vgl. mit Na-Kanal) Öffnung unterstützt die Repolarisation und liegt einer Nachhyperpolarisation zu Grunde. Kreisströme Grundlegend für die Fortpflanzung der Erregung. Die von der erregten Stelle einer Nerven- oder Muskelfaser (elektrisch gesehen ein Kabel) ausgehenden Ströme, wobei der Längstrom im Inneren gleich aber entgegengesetzt zum extrazellulären Strom ist. Latenzzeit Zeit zwischen Zeitpunkt des Reizes und Ankunft der Erregung an einem Ableitungsort. Lokale Erregung Durch unterschwellige Depolarisation ausgelöste, weitere Depolarisation, die jedoch nicht die Schwelle erreicht und sich nicht fortpflanzt. Mechanische Latenz Dauer zwischen Erregung und Beginn der Kontraktion einer Muskelfaser. Zugrunde liegen die Vorgänge der elektromechanischen Kopplung (Ca-Freisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum). 23
24 Monophasisch Extrazellulär registrierte Form der Erregung bei unipolarer Ableitung. Motorische Einheit Eine motorische Einheit umfasst ein motorisches Axon (Aα) und die davon innervierten Muskelfasern, welche als Einheit erregt werden. Motorische Endplatte Synaptischer Kontakt zwischen einer Axonendigung und einer Muskelfaser. Besonders grosse Synapse mit der Konsequenz, dass viel Transmittor (Azetylcholin) freigesetzt wird und ein grosses, motorisches Endplattenpotential EPP bewirkt wird. Na-Kanal Transmembranaler Ionenkanal, der sich bei Depolarisation rasch (vgl. mit K- Kanal) öffnet und damit eine weitere Depolarisation bewirkt. Grundlegend für die Erregung von Nerven- und Muskelfasern. Orthodrom Fortpflanzungsrichtung der Erregung in-vivo (s.a. antidrom). Overshoot Überschiessen des Membranpotentials über die Nulllinie während der Erregung; Membranpotential ist dann wesentlich vom Na-Gleichgewichts-Potential bestimmt. Refraktärphase Da während einer Erregung die Na-Kanäle inaktiviert werden, besteht für eine zweite Erregung eine Erhöhung der Schwelle und eine Verkleinerung der Erregung. Unterscheide absolute und relative Refraktärphase. Reiz In unseren Versuchen der vom Reizgerät applizierte Rechteckstrom. Allgemein alle Einwirkungen, die auf eine erregbare Faser treffen. Ruhepotential Im Wesentlichen ein K-Gleichgewichts-Potential. Schwelle Reizbedingungen, um eine Erregung mit Alles-oder-nichts-Charakter auszulösen. Es kann damit die Reizstärke gemeint sein, oder aber die Änderung oder der zu erreichende Wert des Membranpotentials der Zellmembran. 24
25 Superposition Bei Doppel- oder Mehrfachreiz vorkommende Erhöhung der Kontraktionsamplitude. Tetanus Kontraktionsform bei einer raschen Folge von Erregungen, wobei man den unvollkommenen vom vollkommenen Tetanus unterscheidet. Unipolar Eine der beiden Elektroden (differente), mit denen eine Spannung gemessen wird, oder mit denen gereizt wird. Sie liegt an der untersuchten, erregbaren Faser an. Die zweite (indifferente) Elektrode liegt davon entfernt. 25
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