Entwurf. Behinderung entsteht durch Teilhabebarrieren. BEHINDERUNG ENTSTEHT DURCH TEILHABEBARRIEREN. -GLIEDERUNG - I. Teilhabe.
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- Jörg Flater
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1 Behinderung entsteht durch Teilhabebarrieren. Was ist anders geworden, wenn Behinderung nicht mehr als Mangel einer Person, sondern als das Scheitern an Teilhabebarrieren verstanden wird? Alle Bestandteile dieses Dokuments sind urheberrechtlich geschützt. Dieses Dokument ist Teil der Präsentation und ohne die mündliche Erläuterung unvollständig. Die Bestandteile der ICF wurden verwendet mit freundlicher Erlaubnis der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Alle Rechte hieran liegen bei der WHO. -GLIEDERUNG - I. Teilhabe II. III. IV. Wünsche und Ziele Teilhabebarrieren Was ist anders geworden? 2 1
2 -TEILHABE NACH ICF - Eine Person ist funktional gesund (= nicht behindert), wenn sie vor ihrem gesamten Lebenshintergrund ihre körperlichen Funktionen (einschließlich des geistigen und seelischen Bereiches) und ihre Körperstrukturen allgemein anerkannten (statistischen) Normen entsprechen. sie all das tut oder tun kann, was von einem Menschen ohne Gesundheitsproblem erwartet wird und sie zu allen Lebensbereichen, die ihr wichtig sind, Zugang hat und sich dort so entfalten kann, wie es von einem Menschen ohne Beeinträchtigung der Körperfunktionen oder -strukturen erwartet wird. Quelle: Schuntermann, TEILHABE NACH ICF - sie zu allen Lebensbereichen, die ihr wichtig sind, Zugang hat und sich dort so entfalten kann, wie es von einem Menschen ohne Beeinträchtigung der Körperfunktionen oder -strukturen erwartet wird. 3 Dies bedeutet, dass Inklusion immer auch Optionen beinhalten muss, gegebene Möglichkeiten (freiwillig) nicht zu nutzen, zum Beispiel nicht einer bestimmten Religion anzugehören, sich nicht für Sport zu interessieren oder keine berufliche Karriere anzustreben. *) nicht in die WfbM zu gehen, nicht zu kochen und auch nicht für die ganze WG einkaufen zu müssen. *) Wansing, G.: Was bedeutet Inklusion? In: Degener Theresia, Diehl Elke (Hrsg.): Handbuch Behindertenrechtskonvention 4 2
3 -TEILHABE - Teilhabe bedeutet zu wissen, was ich nicht will. zu wissen, was ich will. - TEILHABEBARRIEREN EXKURS: HANDLUNGSTHEORIE VON L. NORDENFELT Leistungsfähigkeit Innere Möglichkeit der Person zur Handlung Gegebenheiten Äußere Möglichkeiten der Person zur Handlung 5 Handlung Handlungsbereitschaft Wille der Person, die Leistungsfähigkeit bei den bestehenden Gegebenheiten in Handlung umzusetzen. 6 3
4 - TEILHABEBARRIEREN EXKURS: HANDLUNGSTHEORIE VON L. NORDENFELT Leistungsfähigkeit: die innere Dimension der Handlung Wissen, welches zum Ausführen der Handlung benötigt wird Fertigkeit, also bsp. körperliches Können, um eine Handlung auszuführen. Nordenfeldt, L.: Action theory, disability and ICF, in: DISABILITY AND REHABILITATION, 2003; VOL. 25, NO. 18, S (eigene Übersetzung) - TEILHABEBARRIEREN EXKURS: HANDLUNGSTHEORIE VON L. NORDENFELT Leistungsfähigkeit plus Gelegenheit ist die praktische Möglichkeit der Person für eine bestimmte Handlung. 7 Handlungsbereitschaft beschreibt die Fähigkeit, bei vorhandenem Willen die praktische Möglichkeit in tatsächliche Handlung zu übersetzen. Aus dem Wollen wird Tun, Handlung. Nordenfeldt, L.: Action theory, disability and ICF, in: DISABILITY AND REHABILITATION, 2003; VOL. 25, NO. 18, S (eigene Übersetzung) 8 4
5 - TEILHABEBARRIEREN EXKURS: HANDLUNGSTHEORIE VON L. NORDENFELT Gegebenheiten: die äußere Dimension der Handlung; die Umweltfaktoren der ICF. Leistungsfähigkeit Innere Möglichkeit der Person zur Handlung Gegebenheiten Äußere Möglichkeiten der Person zur Handlung Handlung Handlungsbereitschaft Wille der Person, die Leistungsfähigkeit bei den bestehenden Gegebenheiten in Handlung umzusetzen. Nordenfeldt, L.: Action theory, disability and ICF, in: DISABILITY AND REHABILITATION, 2003; VOL. 25, NO. 18, S (eigene Übersetzung) - TEILHABEBARRIEREN Eine Aktivität ist die Durchführung einer Aufgabe oder einer Handlung (Aktion) durch einen Menschen. * ) 9 * ) ICF, S.19. Aktivität = Leistungsfähigkeit + Gegebenheiten Das Konzept der Aktivität fragt danach, wie die Umwelt gestaltet werden muss bzw. wie die Umwelt gestaltet ist. Eine Aktivität im Sinne der ICF kann dann zustande kommen, wenn Leistungsfähigkeit und Umweltstrukturierung die praktische Möglichkeit einer Handlung eröffnen. 10 5
6 - TEILHABEBARRIEREN Partizipation [Teilhabe] ist das Einbezogensein in eine Lebenssituation. * ) Teilhabe = Aktivität + Handlungsbereitschaft Teilhabe beinhaltet bei bestehender Handlungsbereitschaft die Aktivierung einer praktischen Möglichkeit, also die Existenz einer an die Leistungsfähigkeit angepassten Umwelt. Besteht Handlungsbereitschaft für eine bestimmte Handlung, aber keine der Leistungsfähigkeit angepasste Umwelt, heißt das: Teilhabebarriere. * ) ICF, S HANDLUNGSBEREITSCHAFT: VOM WÜNSCHEN UND WOLLEN Das Wollen geht den Teilhabebarrieren voraus. Was kann ich wollen? Wille 1. Ein die Handlung bestimmendes Streben (Wikipedia) 2. Jemandes Handlungen, Verhaltensweise leitendes Fall 1: Die Teilnehmenden im ICF-Seminar sind im konkreten Fall unsicher, ob die lb Person fähig ist, Entscheidungen zu treffen (d 177). Sie vermuten, nein. Auf Nachfrage ( Ist die Person denn fähig, beim Frühstück zwischen unterschiedlichen Brotaufstrichen zu wählen? ) entsteht Irritation. Streben (Duden) Es gibt seit Jahren immer nur einen Brotaufstrich
7 - HANDLUNGSBEREITSCHAFT, EXKURS ZUM PRINZIP HOFFNUNG Ich rege mich. Von früh auf sucht man. Ist ganz und gar begehrlich, schreit. Hat nicht, was man will. (Bloch, S. 21) Das Wünschen [ist] vom eigentlichen >>Wollen<< durch seine passive, dem Sehnen noch verwandte Art unterschieden. Im Wünschen liegt noch nichts von Arbeit oder Tätigkeit, alles Wollen dagegen ist ein Tunwollen. (Bloch, S. 51) Gibt es daher Wünschen ohne Wollen, nämlich lahmes, untätiges, sich in der Einbildung erschöpfendes oder unmögliches, so doch kein Wollen, dem kein Wünschen vorherginge. (Bloch, S. 51) Bloch E.: Das Prinzip Hoffnung, Bd. 1., Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 3, Frankfurt/M TEILHABEBARRIEREN Wünschbarkeit: Eingeschätzter Anreiz: Kurz-/Langfristig? Antizipierte Freude, die das Zielstreben selbst bereiten kann. 13 Machbarkeit: Zugeschriebene Kompetenz (d.h. Selbstwirksamkeitserwartung) Überzeugung, dass das zielgerichtete Verhalten auch tatsächlich zur Zielerreichung führt. Genereller Optimismus Quelle: nach Oettinger, Gollwitzer:
8 - HANDLUNGSBEREITSCHAFT: VOM WÜNSCHEN UND WOLLEN Niedriges Verbundenheitsgefühl Wunsch Wichtiger als andere Wünsche? Ziel Quelle: nach Oettinger, Gollwitzer: 2002 Machbar (Schaffe ich das?) Notwendige Mittel vorhanden? Realisierung Gelegenheiten? dringlich? Hohes Verbundenheitsgefühl - HANDLUNGSBEREITSCHAFT: VOM WÜNSCHEN UND WOLLEN Fall 3 Frau F., 28 Jahre erklärt im Gespräch zur Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs, sie liebe Herrn M., Anfang 30. Sie wolle mit ihm zusammen wohnen und mit ihm Kinder haben. Die Mutter und rechtliche Betreuerin sagt: Das geht doch nicht! 15 Die Mitarbeitenden des anwesenden Leistungserbringers der Eingliederungshilfe sagen: Da musst Du aber erst die Waschmaschine bedienen können. Die zuständige Sachbearbeiterin des Sozialamtes sagt: Ich traue Ihnen das zu. Was brauchen Sie? Deutschland, Januar
9 - EIN ZWISCHENFAZIT - 1. Teilhabebarrieren setzen früh ein, wenn sie Wünschen und Wollen von Menschen beschränken. 2. Ist der Wunsch da und sind hieraus Ziele geworden, stehen Teilhabeschranken als Umwelt (äußeren Gegebenheiten) zwischen Handlungsbereitschaft und Handlung. ÄUßERE GEGEBENHEITEN UMWELT ALS FÖRDERFAKTOR ODER BARRIERE Umweltfaktoren nach der ICF e1 Produkte und Technologien 17 e2 Natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt e3 Unterstützung und Beziehungen e4 Einstellungen e5 Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze 18 9
10 ÄUßERE GEGEBENHEITEN UMWELT ALS FÖRDERFAKTOR ODER BARRIERE Fall 2 Herr M., rd. 40 Jahre alt möchte in einer Partnerschaft mit einem anderen Menschen leben. Er möchte in die Disco, um diesen anderen Menschen zu treffen. Der Weg dorthin ist bekannt. Herr M. kann sich orientieren. Er kann sprechen, er kann lesen, er kann schreiben, jedoch nicht gehen. Man sagt, er sei geistig behindert (IQ unbekannt). Die Armmuskulatur muss stark bleiben, sagt die Mutter, sagen die Mitarbeitenden, weil die Mutter es sagt. Deswegen ist da kein Elektro-Rollstuhl, keine Mobilität, keine Disco, keine Begegnung. Deutschland, Januar 2018 ÄUßERE GEGEBENHEITEN UMWELT ALS FÖRDERFAKTOR ODER BARRIERE Fall 3 Frau F., rd. 60 Jahre alt hat Schmerzen wegen ihrer Arthrose. Sie hat große Schwierigkeiten mit dem Lernen und Wissen anzuwenden. Im Hilfeplangespräch wird gefragt: Hat Frau F. eine Maßnahme medizinischer Rehabilitation in Anspruch nehmen können? Es gibt ein Missverständnis. Schwierigkeiten im Lernen und der Wissensanwendung seien nicht rehabilitierbar, erklären die Mitarbeitenden. Nein, sagt die Hilfeplanerin. Keine Rehabilitation wegen der geistigen Behinderung, sondern wegen der Arthrose. Deutschland,
11 ÄUßERE GEGEBENHEITEN UMWELT ALS FÖRDERFAKTOR ODER BARRIERE Umweltfaktoren nach der ICF Der Zugang zu Produkten und Technologien und die Inanspruchnahme von Diensten ist allgemein limitiert durch den technologischen Stand und den Reichtum der Gesellschaft (des gesellschaftlichen Standes der Produktivkräfte) und der ungleichen Verteilung und des Zugangs zu Gütern in einer Gesellschaft. Johann Galtung: Strukturelle Gewalt ist die vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist. ÄUßERE GEGEBENHEITEN UMWELT ALS FÖRDERFAKTOR ODER BARRIERE Umweltfaktoren nach der ICF Auf der Ebene des Einzelfalls zeigen sich die Einstellungen ( beobachtbare Konsequenzen von Sitten, Bräuchen, Weltanschauungen, Werten, Normen, tatsächlichen oder religiösen Überzeugungen, Kap. e4 der ICF) als häufig begrenzender Faktor, obwohl die entsprechenden Rechtsansprüche und gesellschaftlichen Ressourcen zur Verfügung ständen
12 ÄUßERE GEGEBENHEITEN UMWELT ALS FÖRDERFAKTOR ODER BARRIERE Fall 5 Ein Mann, 50 Jahre alt ist schwer krank, die Krankheit ist chronisch und verschlechtert sich fortschreitend. Nur kein Heim, erklärt er. Er will den Whiskey genießen, Guitane (frz. Zigarettenmarke) rauchen, bis zuletzt. Er hat einen Freund - wie es sich fügt: Leiter eines Sozialamtes. Es gibt eine Individuelle Schwerstbehinderteneinzelbetreuung. Es gibt Familienfeiern, Party s, Begegnungen. Eine Begegnung zündet. Liebe, Hochzeit, Einstellung der professionellen Hilfen. Er lebte in Partnerschaft, bis er gestorben ist. Deutschland, 1979 Luhmann (1995): Die basale Ressource [eines] Netzwerkes scheint zu sein, daß man jemanden kennt, der jemanden kennt; WAS IST ANDERS GEWORDEN? Was ist anders geworden, wenn Behinderung nicht mehr als Mangel einer Person, sondern als das Scheitern an Teilhabebarrieren verstanden wird?
13 WAS IST ANDERS GEWORDEN? WIR HÖREN ANDERS. WIR SEHEN ANDERS. 1. Maßgeblich ist, was Menschen mit Behinderungen wollen oder auch nicht wollen und respektieren dies, wie wir es in Familie, den Freunden und der Nachbarschaft respektieren. Auch in diesen Grenzen. 2. Wünschen ist gerne gesehen, weil es dem Wollen voraus geht. Wir stärken die Selbstwirksamkeit durch unser Zutrauen ins Gelingen. Auch wenn es mitunter schief geht. WAS IST ANDERS GEWORDEN? WIR HÖREN ANDERS. WIR SEHEN ANDERS. 3. Wir schauen auf Umwelt und gestalten sie so, dass auch bei bestehenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit Handlung, Aktivität in den jeweiligen Lebensbereichen möglich wird. Damit gewährleisten wir Teilhabe Umwelt ist auch Sozialraum. Wir fördern und unterstützen Beziehungen von Menschen aller Art in Sozialraum (Quartier), so, dass auch Menschen mit Behinderungen jdn. kennen, der jemanden kennt
14 WAS IST ANDERS GEWORDEN? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 27 14
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