Amok und andere Formen schwerer Gewalt
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- Christa Maurer
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1 Amok und andere Formen schwerer Gewalt Risikoanalyse Bedrohungsmanagement Präventionskonzepte Bearbeitet von Dr. Jens Hoffmann, Karoline Roshdi, Harald Dern 1. Auflage Buch. Hardcover ISBN Format (B x L): 16,5 x 24 cm Gewicht: 825 g Weitere Fachgebiete > Psychologie > Sozialpsychologie > Forensische Psychologie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
2 11 Therapieresistente Rückfalltäter mit Sicherungsbedarf 179 tutionsübergreifend dem Primat der Risi koorientierung unterworfen Herausforderungen für die Prävention von schweren Straftaten Risikoorientierte und präventiv ausgerichtete rehabilitative Interventionen können bereits dann kosteneffizient sein, wenn sie die Rückfallrate von Gewaltstraftätern um einige Prozentpunkte senken (für eine Übersicht s. Endrass et al. 2012b). So konnten konservative Schätzungen für den Kanton Zürich z. B. zeigen, dass Therapien bereits dann kostendeckend durchgeführt werden können, wenn Straftäter, die an dem Behandlungsprogramm teilgenommen haben, eine um 2 % niedrigere Rückfallrate aufweisen als jene, die nicht behandelt worden sind (Endrass et al. 2012b). Das Spektrum rehabilitativer Interventionen reicht von niederschwelligen Interventionen, die die persönliche Freiheit des Täters kaum einschränken (z. B. eine ambulante Therapie), bis hin zu aufwändigen Therapieprogrammen (z. B. eine langjährige milieutherapeutische Behandlung), wobei sich die Intensität der Intervention am Rückfallrisiko orientieren sollte (Borchard et al. 2012). Die Schätzung des Rückfallrisikos bildet somit die Grundlage forensischer Interventionen. Weist eine Person ein sehr geringes Rückfallrisiko auf, ist eine langjährige deliktorientierte therapeutische Intervention nicht indiziert. Niederschwellige Maßnahmen z. B. eine sozialarbeiterische fokale Unterstützung, eine Suchtberatung oder eine niederfrequente ambulante Psychotherapie können bei Personen mit niedrigem Rückfallrisiko ausreichen. Ganz anders bei Personen mit einem hohen Rückfallrisiko: Bei dieser Tätergruppe ist häufig eine stationäre, milieutherapeutische Behandlung indiziert, und bei Therapieversagen wird nicht selten eine langjährige Sicherung empfohlen. Während für die meisten rückfallgefährdeten Gewaltstraftäter eine rehabilitative Intervention indiziert ist (vgl. dazu Rezk u. Borchard 2012; Urbaniok 2002), gibt es eine kleine Gruppe von hoch rückfallgefährdeten und therapieresistenten Straftätern sogenannte Hochrisiko-Täter, für die zumindest kurz- und mittelfristig therapeutische Interventionen nicht indiziert sind und dementsprechend sichernde Maßnahmen im Vordergrund des Risikomanagements stehen Identifikation der Hochrisiko-Täter Ein adäquates Risikomanagement bei hoch rückfallgefährdeten Gewaltstraftätern, sei es rehabilitativ oder sichernd, setzt eine zuverlässige Identifikation der Risikopersonen voraus (Borum et al. 1999; Gerth u. Graber 2012; Urbaniok et al. 2006; Warren et al. 2011). Rehabilitative therapeutische Interventionen sollten sich auf Personen konzentrieren, die ein hohes Rückfallrisiko aufweisen und auf Behandlung ansprechen (Andrews et al. 1990), während sichernde Interventionen primär auf die Gruppe der Hochrisiko-Täter beschränkt bleiben sollten, also auf jene, die nicht auf Behandlung ansprechen. Ob eine solche Identifikation hinreichend zuverlässig möglich ist, ist immer wieder Gegenstand von Kontroversen (Alex 2013; Urbaniok 2012b; Urbaniok et al. 2006). Urbaniok et al. (2006) zeigten in einer Katamnesestudie auf, dass es sich bei hoch
3 180 Risikoanalyse und Bedrohungs management rückfallgefährdeten und therapieresistenten Tätern Hochrisiko-Tätern um eine kleine Untergruppe von Gewalt- und Sexualstraftätern handelt, die sich nicht nur sensitiv, sondern auch spezifisch identifizieren lassen: In einem Zeitraum von 9 Jahren (vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2005) hatten forensische Experten im Kanton Zürich in genau neun Fällen davor gewarnt, den zu einer endlichen Haftstrafe verurteilten Täter zu entlassen, da bei ihm ein sehr hohes Rückfallrisiko bestehe; die schriftliche Warnung ging zu Händen eines mit dem Fall betrauten Gerichts, einer Justizvollzugsbehörde oder einer anderen Institution. Dass es sich bei diesen negativen Stellungnahmen um sehr seltene Ereignisse handelt, wird daran deutlich, dass der forensische Dienst des Kantons Zürich in den entsprechenden Jahren jährlich durchschnittlich etwa Konsultationen durchgeführt hat. In allen neun Fällen mussten die Täter trotz großer Bedenken der für den Strafvollzug verantwortlichen Behörde in die Freiheit entlassen werden (Urbaniok et al. 2006). Das Ergebnis der Studie war, dass acht der neun Täter innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten nach der Entlassung mit einem schweren Gewalt- oder Sexualdelikt rückfällig wurden und insgesamt 24 Opfer direkt zu Schaden kamen. Der neunte Täter wurde unmittelbar nach der Entlassung in sein Heimatland überführt, und eine Überprüfung der Legalbewährung war nicht mehr möglich. Unter anderem gestützt auf die Ergebnisse dieser Studie trat in der Schweiz am 1. Januar 2007 ein Gesetz (rechtlich als Wiederaufnahme) zur nachträglichen Sicherungsverwahrung in Kraft (Urbaniok 2012b). Ein Beispiel für einen Hochrisiko-Täter ist Herr R., der in verschiedenen Kontexten massive Gewalt anwendete und gewalttätige Handlungen trotz der für ihn entstandenen negativen Konsequenzen über Jahre hinweg fortsetzte. Fallbeispiel Herr R. Herr R., ein Schweizer, wuchs im Ausland auf. Eigenen Aussagen zu Folge war er in seiner Kindheit regelmäßig gewalttätigen Übergriffen seines Stiefvaters ausgesetzt. Herr R. selbst war bereits früh verhaltensauffällig. Im Alter von 8 Jahren gefährdete er das Leben mehrerer Menschen durch die Verursachung eines Brandes. Aufgrund schwerwiegender schulischer Auffälligkeiten und delinquenten Verhaltens wurde er wiederholt in Heimen und Institutionen für straffällig gewordene Jugendliche untergebracht. Im jungen Erwachsenenalter folgten mehrere Verurteilungen wegen Gewaltdelikten (Brandstiftung mit Todesfolge und Raub) sowie verschiedener Eigentums- und Vermögensdelikte. Während der darauf folgenden institutionellen Unterbringung gelang es Herrn R. nicht, eine Berufsausbildung abzuschließen. Im Alter von 27 Jahren verlor er das Aufenthaltsrecht und wurde in die Schweiz abgeschoben. Sechs Jahre nach seiner Einreise wurde Herr R. in der Schweiz wegen vorsätzlicher Tötung, wiederholten versuchten Raubs sowie weiterer Delikte verurteilt: Er hatte mit einem Mittäter einen Raubüberfall auf eine Diskothek begangen und einen tödlichen Schuss auf den Diskothekbesitzer abgegeben. Das Gericht sprach eine Freiheitsstrafe von 9 Jahren aus und ordnete parallel dazu eine strafvollzugsbegleitende Therapie (ambulante Maßnahme) an. Nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe wurde Herr R. bedingt aus dem Strafvollzug entlassen. Bereits wenige Monate später wurde Herr R. mit einschlägigen Delikten rückfällig, und die bedingte Entlassung wurde widerrufen. Erneut ordnete das Gericht eine strafvollzugsbegleitende Therapie an. Auf die
4 11 Therapieresistente Rückfalltäter mit Sicherungsbedarf 181 Rückversetzung in den Strafvollzug folgten diverse psychiatrische Hospitalisationen, in denen Drogen- oder Alkoholentzug vorgenommen wurden. Von den Therapeuten in der Justizvollzugsanstalt wurde bei Herrn R. die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung (dissoziale und emotional instabile Anteile) sowie einer Substanzabhängigkeit gestellt. Die Behandlungsmotivation und der Leidensdruck von Herrn R. wurden jeweils als gering eingestuft. Eine deliktpräventive Therapie, in der Herr R. mit seinem Delikt konfrontiert wurde, fand nicht statt. Wegen kritischer Zwischenfälle im Strafvollzug musste die Gewährung schrittweiser Vollzugslockerungen wiederholt rückgängig gemacht werden, und eine bedingte Entlassung wurde verweigert. Nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe musste Herr R. aus dem Strafvollzug entlassen werden. Er wurde zum Zeitpunkt der Entlassung von der Zürcher Justizbehörde als sehr gefährlich eingestuft und die Entlassung nur unter großen Bedenken vollzogen. Die Behörde empfahl zudem, vormundschaftliche Abklärungen um wenigstens weitergehende Betreuung von Herrn R. zu gewährleisten. Wenige Tage nach seiner Entlassung beging Herr R. gemeinsam mit zwei Mittätern einen Raubüberfall auf eine Institution, in der er in der Vergangenheit einmal untergebracht gewesen war. Unter dem Einfluss von Drogen verletzte er einen Mitarbeiter der Institution mit einer Schusswaffe schwer und erschoss eine zweite, hinzukommende Person. Das Gericht ordnete bei Herrn R. eine sichernde Maßnahme (Verwahrung) an. Die kriminelle Karriere von Herrn R. begann bereits in der Jugend und setzte sich bis ins mittlere Erwachsenenalter fort. Verschiedene Maßnahmen, die von unspezifischen Unterbringungen in Heimen bis zu spezifischen therapeutischen Interventionen reichten, konnten keine Veränderung im Verhaltensmuster bei Herrn R. erzielen. Sein fortgesetztes gewalttätiges Verhalten ist nicht das Ergebnis unglücklicher Umstände, sondern gewaltfördernder Persönlichkeitsanteile, zu denen unter anderem die Persönlichkeitsstörung und das Abhängigkeitssyndrom gehören. Zur verlässlichen Identifikation der Hochrisiko-Täter können folgende Kriterien hinzugezogen werden: Delikte mit großem Schädigungspotenzial für die Gesellschaft: (versuchte) Begehung mehrerer schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte; Persönlichkeitstäter: die Delikte sind Ausdruck deliktfördernder Eigenschaften und Überzeugungen; es können sowohl nosologierelevante als auch nosologiefreie personale Risikofaktoren identifiziert werden; stabil hohes Rückfallrisiko: anhand eines validierten Risk-Assessment-Instrumentes kann ein sehr hohes Rückfallrisiko ausgewiesen werden; es gibt keine Hinweise darauf, dass es sich um ein episodisch begrenztes Geschehen handelt; unzureichende Beeinflussbarkeit: rehabilitative Interventionen sind nicht umsetzbar oder verlaufen erfolglos. Nachfolgend soll das von Urbaniok et al. (2006) konzipierte Konstrukt der Hochrisiko-Täter operationalisiert werden ( Abb. 11-1). Persönlichkeitstäter Wenn ein Gewaltdelikt das Ergebnis einer hochspezifischen, nicht leicht wiederherzustellenden Situation ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Gewalttat entsprechend gering. Anders bei Personen, die fasziniert von exzessiver Gewalt sind, wenig Empathie für ihre Opfer empfinden oder Gewalt als legitimes Mittel zum Durchset
5 182 Risikoanalyse und Bedrohungs management schweres Gewalt-/ Sexualdelikt unzureichende Beeinflussbarkeit Hochrisikotäter Persönlichkeitstäter stabil hohes Rückfallrisiko Abb Operationalisierung von therapieresistenten Rückfalltätern mit Sicherungsbedarf. zen eigener Interessen einschätzen. Für solche Personen spielt der situative Kontext eine untergeordnete Rolle. Der Täter gestaltet aktiv die gewalttätige Situation, indem er z. B. ein Lokal aufsucht, von dem er weiß, dass es dort häufiger zu Schlägereien kommt oder indem er gezielt andere provoziert. Täter, bei denen das gewalttätige Verhalten auf weitgehend stabile Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt werden kann, werden gemäß einer von Urbaniok (2012a) vorgeschlagenen Taxonomie Persönlichkeitstäter genannt. Die von Persönlichkeitstätern begangenen Delikte stehen somit nicht im Widerspruch zu Eigenschaften, Überzeugungen und Verhaltensmustern der Person. Im Gegensatz dazu ist bei einem Situationstäter weniger die Persönlichkeit für die Initiierung des Delikts ausschlaggebend als vielmehr spezifische, situative Gegebenheiten (Urbaniok 2012a). Situationstäter weisen dieser taxonomischen Unterteilung folgend weder gewaltaffine noch sexualdeviante Persönlichkeitsmerkmale auf und sind psychiatrisch unauffällig. Das Delikt ist das Ergebnis einer sehr spezifischen, situativen Konstellation wie z. B. eines stark affektakzentuierten Notwehrexzesses. Alle in der Katamnesestudie von Urbaniok et al. (2006) beschriebenen Hochrisiko-Täter waren Persönlichkeitstäter. Zudem konnten bei allen neun Tätern sowohl nosologierelevante als auch nosologiefreie Risikofaktoren für Gewalthandlungen identifiziert werden. Das heißt, dass sich Eigenschaften identifizieren lassen, die einen hohen Erklärungswert für die begangenen Delikte aufweisen und dass diese Eigen
6 11 Therapieresistente Rückfalltäter mit Sicherungsbedarf 183 schaften nur z. T. in eine psychiatrische Störung überführt werden können. Die nosologierelevanten Eigenschaften von Gewaltstraftätern erlauben häufig eine Zuordnung zu einer Achse-II-Störung nach DSM-IV. Dazu gehören vor allem psychotische Symptome sowie stoffgebundene Süchte. Zu den nosologiefreien Risikofaktoren gehören unter anderem Überzeugungen, wonach Gewalthandlungen ein legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen darstellen, aber auch ein genereller Mangel an Verankerung gesellschaftlicher Werte und Normen bzw. eine ablehnende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Werten und Normen. Dass ein solcher Mangel in der Verankerung gesellschaftlicher Werte und Normen bzw. eine strikte Ablehnung gesellschaftlicher Werte und Normen das Delinquenzrisiko erhöhen, konnte wiederholt aufgezeigt werden (Rossegger et al. 2012). Beispiele für nosologiefreie, personale Risikofaktoren sind nach Urbaniok (2007): Aggressionsfokus: Es besteht eine hohe Bereitschaft zu aggressivem Erleben und Verhalten (Wut, leichte Reizbarkeit, aggressive Impulse). Die Aggressivität ist häufig situativ ausgelöst und von starken Wutgefühlen begleitet. Chronifizierte Gewaltbereitschaft: Es besteht eine hohe Bereitschaft und eine niedrige Hemmschwelle für den Einsatz von (schwerwiegender) Gewalt. Es liegt eine hohe Ausgangsbereitschaft vor, Gewalt einzusetzen, um eigene Interessen durchzusetzen. Dominanzfokus: Das Gefühl eigener Überlegenheit, vor allem aber das Erleben der Unterlegenheit Dritter, wird als in besonderer Weise attraktiv empfunden. Im Delikt wird eine Asymmetrie im Machtverhältnis (Täter oben, Opfer unten ) angestrebt. Chronifizierte Vergewaltigungsdisposition: Gewaltsam herbeigeführte Sexualdelikte werden als attraktiv erlebt. Im nachfolgenden Fallbeispiel von Herrn W. handelt es sich um einen adoleszenten Persönlichkeitstäter, bei dem das delinquente Verhalten am besten durch einen Dominanzfokus und eine Vergewaltigungsdisposition erklärt werden kann. Fallbeispiel Herr W. Bei Herrn W. führten schwerwiegende Auffälligkeiten in der Schule früh zu schulpsychologischen Abklärungen, einem Schulverweis und der Unterbringung in verschiedenen Jugendheimen. Eine Serie von Vermögensdelikten im Jugendalter (alle zum Nachteil von Frauen) blieb zunächst unentdeckt und entsprechend ohne strafrechtliche Folgen. Herr W. entwickelte eine frühe sexuelle Devianz: Seine als drängend erlebten sexuellen Phantasien beinhalteten das Vergewaltigen und Unterwerfen einer Frau. Bis wenige Tage vor seinem 18. Geburtstag beging Herr W. eine Serie von (versuchten) Vergewaltigungen, die durch ein hohes Ausmaß an Gewaltanwendung geprägt waren. In der nachfolgenden institutionellen Unterbringung verhielt sich Herr W. angepasst. Er schloss eine Berufsausbildung ab. Kritische Zwischenfälle wurden nicht dokumentiert. Das Therapieangebot nahm Herr W. an. Allerdings verweigerte er eine Auseinandersetzung mit seinen Delikten, und es waren keine Anzeichen von einem Bedauern erkennbar. Nach Erreichen des Höchstalters musste Herr W. 25-jährig aus rechtlichen Gründen entlassen werden. Seitens der Vollzugsbehörde wurde dokumentiert, dass das Rückfallrisiko als sehr hoch eingestuft werde, da eine Bearbeitung der deliktrelevanten Persönlichkeitsanteile nicht stattgefunden hatte.
7 184 Risikoanalyse und Bedrohungs management Nach der Entlassung aus der Jugendinstitution wurde Herr W. innerhalb eines Jahres mit einer Serie von (versuchten) Vergewaltigungen rückfällig. Erneut war die Umsetzung der Delikte durch massive Gewaltanwendung und Erniedrigungen der Opfer gekennzeichnet. In der Folge wurde bei Herrn W. eine sichernde Maßnahme (Verwahrung) angeordnet. Unter Risikogesichtspunkten ist der Umstand entscheidend, dass Herr W. es sexuell ansprechend findet, eine Frau zu vergewaltigen und zu erniedrigen. Dies sind die Eigenschaften, die einen hohen Erklärungswert für die von Herrn W. begangenen Delikte haben. Gleiches gilt für seine Haltung, die für eine Identifikation mit den eigenen Tathandlungen spricht. Auch wenn Herr W. zum Deliktzeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, kann das Vorliegen einer Dissozialen Persönlichkeitsstörung diskutiert werden. Mit diesem Störungsbild könnte das Risikoprofil von Herrn W. nur sehr grob abgebildet werden und hätte keinen Erklärungswert für das spezifische Deliktmuster. Stabil hohes Rückfallrisiko Bereits im Begriff des Hochrisiko-Täters ist enthalten, dass es sich um Personen mit einem sehr hohen Rückfallrisiko handelt. Um das Rückfallrisiko von Gewaltstraftätern zuverlässig bestimmen zu können, bietet sich der Einsatz valider Risk-Assessment-Instrumente an, die die Überführung des erzielten Summenwertes in eine Risikokategorie vorsehen (Rossegger et al. 2012). Zu den in der Praxis am häufigsten eingesetzten Verfahren gehören nach Archer et al. (2006) der Static-99 (Hanson u. Thornton 1999), der Sex Offender Risk Appraisal Guide (SORAG; Quinsey et al. 2006) und der Violence Risk Appraisal Guide (VRAG; Quinsey et al. 2006). Im Gegensatz zum Static-99 und SORAG, die nur bei Sexualstraftätern angewendet werden können, wurde der VRAG spezifisch für die Anwendung bei Gewaltstraftätern entwickelt. Der VRAG erlaubt eine Zuordnung des beurteilten Straftäters zu einer von neun Risikokategorien mit zunehmendem Rückfallrisiko. So weisen die Normtabellen des VRAG z. B. aus, das 100 % der Straftäter der höchsten Risikokategorie (Kategorie 9) innerhalb von 7 Jahren mit einem Gewalt- oder Sexualdelikt rückfällig werden. Im nachfolgenden Beispiel wird der Fall eines Täters mit einem sehr hohen Rückfallrisiko dargestellt, der in verschiedenen Kontexten über einen langen Zeitraum mit verschiedenen Delikten in Erscheinung tritt. Fallbeispiel Herr G. Herr G. wurde nach Verhaltensauffälligkeiten und der Begehung von Vermögensdelikten im jungen Erwachsenenalter psychiatrisch hospitalisiert und wenig später in einem sozialpädagogischen Zentrum untergebracht. Dort gelang es ihm, eine Berufsausbildung abzuschließen. Nach Vermögensdelikten (Diebstahl von Damenunterwäsche) und Waffenhandel wurde er in eine Institution für straffällig gewordene Jugendliche verlegt. Kurz vor seiner Entlassung versuchte Herr G. eine Betreuerin zu vergewaltigen. Der Vergewaltigungsversuch wurde nicht zur Anzeige gebracht, und die bedingte Entlassung erfolgte planmäßig. Wenige Monate später erwürgte Herr G. eine enge Bezugsperson (Rentenalter) und verging sich sexuell an ihrem Leichnam. Herr G. verbüßte eine langjährige Gefängnisstrafe und wurde nach 9 Jahren bedingt aus dem Strafvollzug entlassen. Wegen einer versuchten Vergewaltigung wurde die bedingte Entlassung widerrufen und Herr G. zurück in den
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