I N F O R M A T I O N

Transkript

1 I N F O R M A T I O N zur Pressekonferenz mit Landtagspräsidentin Angela Orthner, Dr. phil. Gerhart Marckhgott, Direktor des Oö. Landesarchivs und Landtagsdirektor-Stellvertreter Dr. Gerhard Hörmanseder am 1. Oktober 2008 zum Thema 600 Jahre Landtag in Oberösterreich Weiterer Gesprächsteilnehmer: Mag. Gerhard Steininger, Oö. Landesarchiv

2 Am 20. Juli 1408 berief Reinprecht von Wallsee, Hauptmann ob der Enns, zwei oder drei Abgeordnete aus Freistadt für den folgenden Montag zur Beratung mit den Prälaten und Städten des Landes nach Enns. Am Donnerstag, den 2. Oktober 2008, findet aus diesem Anlass um Uhr in Linz, Landhaus, Steinerner Saal eine Festsitzung 600 Jahre Landtag in Oberösterreich statt. Festsitzung des Oö. Landtags Die Geschichte des Landtags in Oberösterreich wird Dr. phil. Gerhart Marckhgott, Direktor des Oö. Landesarchivs, in seinem Festvortrag bringen. Das Spring String Quartett unter der Leitung von Thomas Mandl wird die Festsitzung musikalisch mit "Hoamatland" in Klang und Zeit begleiten. Festsitzung und Landtagssitzung sind im Internet unter abrufbar. Mit der Festsitzung wird auch die Ausstellung "600 Jahre Landtag in Oberösterreich" im Landhaus, Steinerner Saal eröffnet, die in eindrucksvollen Schautafeln die 600-jährige Geschichte des Landtages in Oberösterreich beschreibt. Ausstellung 600 Jahre Landtag in OÖ. Ausstellungsdauer: bis Jahresende Die Ausstellung ist während der Amtszeiten frei zugängig.

3 Am 20. Juli 1408 berief Reinprecht von Wallsee, Hauptmann ob der Enns, zwei oder drei Abgeordnete aus Freistadt für den folgenden Montag zur Beratung mit den Prälaten und Städten des Landes nach Enns. 20. Juli Ladung Dieser alltägliche, unspektakuläre Brief - nicht einmal eine Urkunde im klassischen Sinn, sondern eine Art halbamtliche Nachricht auf schlampig geschnittenem Papier, in dem das Wort "Landtag" nicht einmal vorkommt - wird heute als Ladung zum 1. selbstständigen Landtag der Stände des Landes ob der Enns, wie Oberösterreich bis 1918 offiziell hieß, angesehen. Das Land Das "Land" - im Mittelalter verstand man darunter eine Interessensgemeinschaft lokaler Machthaber (Grafen, Hochfreie, Ministerialen), die den Markgrafen oder Herzog als übergeordnete Instanz (Landesfürsten) anerkannten. Ohne feste Grenzen erstreckte sich das Land über jene Gebiete, die von dieser Personengruppe beherrscht wurden. Das "Land" im Mittelalter Seit dem Spätmittelalter traten als Repräsentanten des Landes und seiner Bevölkerung die vier Landstände auf: Prälaten, Herren, Ritter und (sieben) landesfürstliche Städte. Sie hatten das Recht, die Regierung und die Verwaltung des Landes gemeinsam mit dem Landesfürsten zu gestalten. Zu diesem Zweck trafen sie sich immer wieder zu ständischen Versammlungen, den Landtagen. Dort wurden mit dem Landesfürsten oder seinen Vertretern wichtige politische Fragen des Landes besprochen und die Steuern, die der Landesfürst für die Bewältigung seiner Aufgaben und für Kriege benötigte, verhandelt und bewilligt. Die Landstände im Spätmittelalter

4 Bis ins 15. Jahrhundert versammelten sich die Stände des heutigen Oberösterreich gemeinsam mit den Ständen des heutigen Niederösterreich als Vertretung des Landes Österreich trafen sich die Prälaten und Städte des Landes ob der Enns erstmals alleine, um gemeinsam über das Wohl ihres Landes zu beraten. Was war geschehen? 1408 erstmals alleiniges Treffen im Land ob der Enns Oberösterreich im Spätmittelalter Seit Jahrzehnten schwelte zwischen Enns und Inn ein für die damalige Zeit typischer Konflikt: Während des ganzen 14. Jahrhunderts hatten die Herrn von Schaunberg Adelige um sich gesammelt und einen weitgehend geschlossenen Machtbereich aufgebaut. Sie betrachteten sie sich bald selbst als Landesherren, die nur mehr dem römisch-deutschen Kaiser untertan waren, aber nicht mehr den Herzogen von Österreich. Konflikt zwischen Enns und Inn 1380 schließlich kam es zur offenen Konfrontation, die Schaunberger mussten die österreichische Überlegenheit widerwillig anerkennen. Damit war klar gestellt, dass zwischen den Herzogtümern Bayern und Österreich kein neues Land, kein neues Fürstentum der Schaunberger Platz hatte. Aber auch die österreichischen Landesfürsten, die Herzoge aus dem Haus Habsburg, stritten seit Jahrzehnten untereinander rivalisierten die Brüder Leopold und Ernst um die Vormundschaft für den jungen Albrecht V., denn diese war mit der Vorherrschaft im habsburgischen Länderblock verbunden.

5 Der erste Landtag in Oberösterreich Vor diesem Hintergrund nun ist der Versuch des Landeshauptmanns Reinprecht von Wallsee zu sehen, im Interesse seines minderjährigen Herrn die politisch relevanten Kräfte in seinem Verwaltungsbereich zu bündeln: das wir dann da vberain werden und gedenkchen, was vnserm jungen hern lannden und laewten nu das nuczist und pesst ze tun sey, wie es im Ladschreiben von 1408 heißt. Der erste Landtag in OÖ Bemerkenswert ist, dass er nicht die traditionellen Landherren, den hohen und niederen Adel zusammenholte, sondern die neuen Kräfte, die Städte und Prälaten seines Verwaltungsbezirkes ob der Enns. Erst aus heutiger Sicht ist zu erkennen, dass mit dieser Versammlung in Enns etwas Neues begann: Zum ersten Mal wurden die bestimmenden politischen Kräfte des Landes westlich der Enns zusammengerufen, um zum besten von land und leuten zu beraten. Das Land ob der Enns, Oberösterreich, machte einen wichtigen Schritt zu seiner Eigenständigkeit. Die Loslösung des Landes ob der Enns vom Gebiet östlich (unterhalb) dieses Grenzflusses und damit der Weg zur Selbständigkeit unseres Landes dauerte rund zwei Jahrhunderte. Die Versammlung 1408 stellt ein frühes, wichtiges Ereignis in dieser langen Entwicklung dar. Die Stände wurden in diesen Jahrhunderten zu jenem bedeutenden Gremium, welches das Land verkörperte und dessen Interessen gegenüber dem Landesfürsten immer selbstbewusster vertrat. Bau des Landhauses Bis zum 16. Jahrhundert fanden die Ständeversammlungen noch an wechselnden Orten in Enns, Wels und Linz statt. Erst mit dem Bau des Landhauses (1564 bis 1571) an der Stelle des schadhaften Minoritenklosters in Linz fand die Landesvertretung einen ständigen, repräsentativen Tagungsort. Bau des Landhauses

6 Im Jahr 1861 nahm der neue, gewählte oberösterreichische Landtag im Landhaus seinen festen Sitz ein - gemeinsam mit den Vertretern der Landesselbstverwaltung (Landesausschuss und Landeshauptmann), der staatlichen Verwaltung (Statthalter) und deren Behörden. Landhaus wird Sitz des Landtages 6. April 1861 Am 6. April 1861 konstituierte sich der zum ersten Mal aus einer Volkswahl hervorgegangene Landtag (bis auf die Virilstimme des Bischofs). Damit beginnt die Geschichte der modernen Landesverwaltung. Der Landtag bestand aus 50 Abgeordneten, die Zusammensetzung erfolgte nach Kurien (Steuerklassen). Der erste gewählte Landtag 1861 Als sich die österreichisch-ungarische Monarchie 1918 auflöste, übernahm der Landeshauptmann vom kaiserlichen Statthalter die Vollziehung der staatlichen Verwaltung. Am 18. März 1919 beschloss die provisorische Landesversammlung das Gesetz über die Gründzüge der Landesvertretung. Diese Landesverfassung behielt den Landtag als Landesparlament bei. Als vollziehendes Organ wurde die Landesregierung mit dem vom Landtag gewählten Landeshauptmann an der Spitze eingerichtet Gesetz über Landesvertretung 1919 erhielten mit der Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Verhältniswahlrechtes erstmals auch alle erwachsenen Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher Zugang zu Landtagswahlen: Es waren nun (von ) Personen wahlberechtigt Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1919 Schicksalsjahre 1934 verschärften sich die Konflikte zwischen den damaligen politischen Lagern. Die Landesverfassung wurde der ständischen Bundesverfassung angeglichen. Schicksalsjahre

7 Vom autoritären Regime des Ständestaates wurde die Zahl der Landtagsmitglieder danach auf 36 reduziert (gegenüber 48 ab 1931 bzw. 60 ab 1925). Diese wurden zudem nicht frei gewählt, sondern von sogenannten "berufsständischen" Gremien entsandt. Reduzierung der Landtagsmitglieder 1934 Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im März 1938 wurden die Landtage in Österreich abgeschafft. Das Ende des Dritten Reiches brachte 1945 die Rückkehr zur Landesverfassung von 1930 und die ersten freien Landtagswahlen nach Jahren der Diktatur. Allerdings war Oberösterreich noch bis 1955 von den alliierten Mächten USA und Sowjetunion besetzt und geteilt. Durch die Bestellung eines Staatsbeauftragten für das Mühlviertel, der gleichzeitig Mitglied der Oö. Landesregierung war, konnte ein geeintes Bundesland Oberösterreich erhalten werden. Abschaffung der Landtage 1938 Rückkehr zur Landesverfassung 1945 Der Landtag heute Der Landtag gibt heute als Gesetzgeber die Regeln für die Entwicklung unseres Landes vor. Mit dem Landesbudget beschließt er den finanziellen Umfang für die Tätigkeit der Landesregierung und sorgt gleichzeitig für eine unabhängige Kontrolle der Regierungsarbeit. Den Vorsitz im Landtag führen (seit 1934) die Landtagspräsidentin bzw. der Landtagspräsident. Der Oö. Landtag heute Rund eine Million Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher entscheiden heute alle sechs Jahre im Rahmen der Landtagswahl, welche Parteien wie viele der insgesamt 56 Abgeordneten in den Landtag entsenden können. Die Abgeordneten kommen aus allen Landesteilen und Bevölkerungsschichten. Bei ihrer Tätigkeit als Abgeordnete sind sie an keinen Auftrag gebunden. In der Regel treffen sie sich einmal im Monat im Landhaus in Linz zu einer öffentlichen Landtagssitzung. In den Wochen zwischen diesen öffentlichen Sitzungen tagen die Ausschüsse des Landtages.