Richtlinie Grundstückgeschäfte im Sinne von Art. 416 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB (mit Checkliste Antrag Liegenschaftenverkauf im Anhang)
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- Leon Martin
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1 Richtlinie Grundstückgeschäfte im Sinne von Art. 416 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB (mit Checkliste Antrag Liegenschaftenverkauf im Anhang) A. Zustimmungserfordernis 1. Im Allgemeinen Grundstückgeschäfte, an welchen eine betreute Person als Allein-, Mit- oder Gesamteigentümerin beteiligt ist, bedürfen der Zustimmung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), wenn für die betreute Person - eine umfassende Beistandschaft nach Art. 398 ZGB - eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung nach Art. 394 i.v.m. Art. 395 ZGB - eine altrechtliche Beistandschaft nach aart. 392 ff. ZGB - eine altrechtliche Verwaltungsbeiratschaft nach aart. 395 Abs. 2 ZGB - eine Beistandschaft zur Verwaltung des Kindesvermögens nach Art. 325 ZGB - eine Vormundschaft nach Art. 327a-c ZGB (Kinder) geführt wird. Soweit noch eine Mitwirkungsbeiratschaft nach altem Recht (aart. 395 Abs. 1 ZGB) besteht, bedarf das Geschäft nur der Zustimmung der Beiratsperson. Dasselbe gilt für die neurechtliche Mitwirkungsbeistandschaft nach Art. 396 ZGB, bei welcher lediglich die Zustimmung der Beistandsperson erforderlich ist. Schliesslich bedarf es auch bei der Begleitbeistandschaft nach Art. 393 ZGB keiner behördlichen Genehmigung, da die Handlungsfähigkeit und -freiheit der betroffenen Person nicht einschränkt ist. 2. Einverständnis der verbeiständeten urteilsfähigen Person Gemäss Art. 416 Abs. 2 ZGB ist die Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde nicht erforderlich, wenn die urteilsfähige betroffene Person ihr Einverständnis erteilt und ihre Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Das bedeutet, dass keine behördliche Zustimmung notwendig ist, wenn die handlungsfähige verbeiständete Person den Sinn und die Tragweite des Geschäftes geistig erfassen und ihren Willen auch kund tun kann. Über die Urteilsfähigkeit bezüglich des konkreten Rechtsgeschäftes ist im Zweifelsfall durch die Mandatsperson ein ärztliches Zeugnis einzuholen.
2 B. Zustimmungsbedürftige Grundstückgeschäfte Insbesondere folgende Rechtsgeschäfte (Aufzählung ist nicht abschliessend) bedürfen der Zustimmung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Sinne von Art. 416 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB, sofern nicht eine Ermächtigung durch die urteilsfähige betreute Person im Sinne von Art. 416 Abs. 2 ZGB vorliegt: - Kauf, Verkauf, Verpfändung, Abtretung und Tausch von Grundstücken, - Begründung von Kaufs-, Vorkaufs- oder Rückkaufsrechten, - namens des Betreuten vorzunehmende Ausübung von Kaufs-, Vorkaufs- oder Rückkaufsrechten (übt der/die Vertragspartner/in der betreuten Person solche Rechte aus, ist eine behördliche Zustimmung nur nötig, wenn die betreute Person die Ausübung dieser Rechte durch Dritte überhaupt beeinflussen kann). - Dingliche Belastung von Grundstücken (z.b. Baurecht, Wohnrecht, Nutzniessung, etc.). Wichtig: Grundstückgeschäfte im Rahmen von Erbteilungen (Zuweisung eines Grundstückes an einen Miterben) werden im Rahmen der Zustimmung zum Erbteilungsvertrag (Art. 416 Abs. 1 Ziff. 3) beurteilt. C. Voraussetzungen der Veräusserung Die Veräusserung von Grundstücken muss die Interessen der betreuten Person wahren und notwendig sein. Drittinteressen können bei Mit- und Gesamteigentum oder allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn eine Veräusserung der Liegenschaft von der betreuten Person gewünscht wird und für sie weder Vorteile noch Nachteile mit sich bringt (beispielsweise Verkauf an Familienmitglied). Grundstücke gehören allerdings in der Regel zu den wertbeständigen Objekten eines Vermögens und sollten der betreuten Person nach Möglichkeit erhalten bleiben und nicht voreilig veräussert werden. Die Voraussetzungen für einen Verkauf könnten beispielsweise gegeben sein, wenn: - die zur Deckung des Lebensunterhalts oder zur Bezahlung fälliger Schulden notwendigen finanziellen Mittel auf keine andere Weise aufgebracht werden können, - Werterhaltung und Rentabilität nur noch mit unverhältnismässig grossen Investitionen sichergestellt werden können, - von anhaltend schlechter Ertragslage und mangelnder Rentabilität auszugehen ist, ohne dass eine Wertsteigerung zu erwarten ist, - bei schlechtem baulichen Zustand der Liegenschaft die zum Unterhalt, zur Sanierung und zur Deckung der Hypothekarzinsen notwendigen Geldmittel fehlen und das Grundstück auch als Bauland nicht interessant ist. Ob eine Veräusserung unter dem Gesichtspunkt des Interesses der betreuten Person erforderlich ist, entscheidet gestützt auf die Ausführungen der Beistandsperson die KESB. Im Zweifelsfall kann die vorgängige Einholung eines formellen Zwischenentscheides der KESB, ob der Verkauf getätigt werden soll bzw. eine Absprache der Beistandsperson mit der KESB vor Einleitung der Verkaufsbemühungen sinnvoll sein. Die Einholung eines Zwischenentscheides bei der KESB könnte insbesondere dann angezeigt sein, wenn der vorgesehene Verkaufspreis unter dem Wert des Schätzungsgutachten liegt, man auf eine Liegenschaftenschätzung verzichten will oder wenn ein Verkauf der Liegenschaft zur längerfristigen Sicherung des Lebensunterhaltes der verbeiständeten Person nicht nötig ist, weil genügend liquide Mittel vorhanden sind. 2
3 D. Form der Veräusserung Die Veräusserung erfolgt in der Regel durch Freihandverkauf, mittels Schätzungsgutachten und öffentlicher Ausschreibung. Ausnahmsweise kann auch eine öffentliche Versteigerung im Interesse der betroffenen Person sein. Wesentlich ist, dass im Rahmen einer freien Preisbildung ein möglichst hoher, in der Regel mindestens den Verkehrswert entsprechenden Kaufpreis erzielt werden kann. Ausnahmen müssen gut begründet sein. Bei Stockwerkeigentum ist zusätzlich zu prüfen, ob eine Vereinbarung der Stockwerkeigentümerschaft besteht (z.b. Vorkaufsrechte) und welche Auswirkung diese auf den Verkauf und die voraussichtliche Eigentumsübertragung hat. E. Verfahren und Unterlagen 1. Schätzungsgutachten Die Einholung eines Gutachtens über den Verkehrswert des Grundstückes ist grundsätzlich bei jedem Freihandverkauf erforderlich. Eine Ausnahme kann in Betracht fallen, wenn der Wert des Grundstückes bzw. der Anteil der betreuten Person derart bescheiden ist, dass er in keinem vernünftigen Verhältnis zum Aufwand und den Kosten des Gutachtens steht. Es muss sich um eine zuverlässige, fachkundige und unabhängige Gutachtensperson handeln (Gemeinde- oder Kreisschätzer/in, Notar/in, Architekt/in, Hauseigentümerverband etc.). Gutachten, welche vom potentiellen Käufer bzw. der potenziellen Käuferinnen in Auftrag gegeben wurden, können zu wenig neutral und aussagekräftig sein. 2. Ausschreibung Die Grundstücke sind beim Freihandverkauf in der Regel öffentlich zum Verkauf auszuschreiben und dem Meistbietenden zu verkaufen. Die Insertion hat so zu erfolgen, dass ein möglichst grosser und repräsentativer Kreis von potentiellen Käuferinnen und Käufern und Interessierten erfasst wird. Standard ist eine Ausschreibung auf entsprechenden und passenden Internetportalen (z.b. Homegate etc.). Soweit erforderlich sollten Grundstücke auch in regional relevanten und gegebenenfalls in überregionalen Zeitungen ausgeschrieben werden. Unter mehreren ernsthaften Kaufinteressierten ist in den meisten Fällen in einer zweiten Runde der bestmögliche Kaufpreis auszuhandeln. Von einer Ausschreibung kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden, beispielsweise wenn aufgrund der Sachlage nur der Verkauf an eine bestimmte Person in Betracht fällt (Abtretung einer Parzelle, an welcher nur der Anstösser ein Interesse haben kann). Im Zweifelsfall ist vorgängig ein Zwischenentscheid der KESB einzuholen. 3. Antrag auf Zustimmung / Unterlagen Nach Abschluss und öffentlicher Beurkundung des Kaufvertrages hat die Beistandsperson der KESB den öffentlich beurkundeten Originalvertrag (enthaltend einen Vorbehalt betreffend die Zustimmung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) in mindestens dreifacher Ausführung (je ein Ex. für Akten KESB; Anhang Entscheid; Rücksendung an Mandatsperson) einzureichen. Ausnahmsweise kann bei unklaren Situationen ein Vertrag vor der öffentlichen Beurkundung als Entwurf der KESB, bzw. dem verfahrensleitenden Behördenmitglied zur Vorbeur- 3
4 teilung oder für einen Meinungsaustausch vorgelegt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Behörde ihre Entscheidung in Dreierbesetzung fällt. Auf entsprechenden Antrag kann bei der KESB auch vorab zur Frage, ob dem Verkauf im Grundsatz zugestimmt werden kann, ein kostenpflichtiger Zwischenentscheid eingeholt werden. Der Antrag hat die Gründe, warum der Verkauf unter dem Gesichtspunkt des Interesses der verbeiständeten Person erforderlich ist, sowie Angaben zur Urteils- bzw. Handlungsunfähigkeit der betroffenen Person in Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft und zu ihrer Einstellung zum Grundstückgeschäft zu enthalten. Ebenso hat er Aufschluss über die Ausschreibung, das Auswahlverfahren, die Verkaufsverhandlungen und allfällige Besonderheiten des Kaufvertrages zu geben. Schliesslich sind Ausführungen zum Anlagekonzept zu machen (vgl. Art. 6 und 7 VBVV) sowie zur Frage, ob der Zugriff auf den zu erhaltende Vermögenswert der betreuten Person entzogen werden soll (Art. 395 Abs. 3 ZGB). Einzureichen sind in der Regel: - ärztlicher Bericht zur Urteilsunfähigkeit bezüglich dem konkreten Geschäft (soweit dies nicht schon klar ist, z.b. bei einer schweren dementiellen Erkrankung) - Schätzungsgutachten (nicht älter als 12 Monate) - Grundbuchauszug (nicht älter als 12 Monate) - Katasterplan; evtl. Grundrissplan bei Wohnungen - Fotos - Inserate, Kopie Ausschreibung Internet - Verkaufsunterlagen (Interessentenliste, Offerten, einschlägige Korrespondenzen und Notizen über Verhandlungen etc.) - soweit vorhanden: unwiderrufliche Zahlungsversprechen der Bank des Käuferschaft, oder andere Sicherheiten aus denen hervorgeht, dass der Kaufpreis gesichert ist. 4. Eigentumsübertragung Nach erfolgter Zustimmung ist die Beistandsperson ermächtigt, bei der grundbuchamtlichen Eigentumsübertragung mitzuwirken. Die Handänderung als solche bedarf keiner behördlichen Zustimmung. Ebenso wenig bedarf die grundbuchamtliche Eintragung eines vertraglich abgestützten Kaufs- oder Vorkaufsrechtes der Zustimmung seitens Erwachsenenschutzbehörde. F. Spezialfälle (Erbrecht) 1. Erbengemeinschaft im Allgemeinen Ist die Liegenschaft Eigentum einer Erbengemeinschaft, so kann jeder Miterbe bzw. jede Miterbin zu einem beliebigen Zeitpunkt die Teilung verlangen (Art. 604 ZGB), welche unter Umständen den Verkauf des Grundeigentums erfordert. Zeitpunkt der Veräusserung, Veräusserungsart, aber auch die Bestimmung des Preises und der Käuferschaft können von der Mandatsperson nicht völlig frei, sondern nur im Zusammenwirken mit den übrigen Erbinnen und Erben bestimmt werden. Der Grundsatz, wonach die Veräusserung nur erfolgen soll, wenn es die Interessen der betroffenen Person erfordern, kann daher bei Erbengemeinschaften in dieser absoluten Form nicht zur Anwendung gelangen. 4
5 2. Verkauf durch die Erbengemeinschaft an eine Drittperson Auch wenn die Veräusserung von Grundstücken im Rahmen einer erbrechtlichen Auseinandersetzung erfolgt, soll diese möglichst vorteilhaft, d.h. unter Gewährleistung freier Preisbildung und Erzielung des bestmöglichen Erlöses geschehen. Die Veräusserung von Grundstücken durch eine Erbengemeinschaft oder den Willensvollstrecker bzw. die Willensvollstreckerin an eine Drittperson bedarf der Zustimmung der KESB. Wie bei einem ordentlichen Freihandverkauf ist auch hier ein Schätzungsgutachten und eine Ausschreibung im Internet etc. erforderlich. 3. Zuweisung an Miterbinnen bzw. Miterben Bei der erbrechtlichen Zuweisung eines Grundstückes an eine Miterbin oder einen Miterben geht es um eine teilungsrechtliche Vereinbarung. Es steht dabei nicht so sehr die Erzielung des bestmöglichen Erlöses, sondern vielmehr die Gleich- resp. Richtigbehandlung der Erbinnen und Erben unter Einbezug der betreuten Person im Vordergrund. Die im Rahmen einer Erbteilung vorgenommene Zuweisung eines Grundstückes an eine Miterbin oder einen Miterben ist daher kein Veräusserungsgeschäft im Sinne von Art. 216 OR. Die erbrechtliche Zuweisung ist zustimmungsbedürftig im Sinne von Art. 416 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB. Erbteilungsverträge bedürfen auch nicht der öffentlichen Beurkundung, vielmehr genügt die Schriftform. Unter Umständen, vor allem wenn der Schätzwert des Grundstückes eher tief angesetzt oder von sehr unbestimmten Preisentwicklungen auszugehen ist, empfiehlt es sich, der betreuten Person als Miterbin für den Fall der späteren Veräusserung an Dritte ein Gewinnanteilsrecht einräumen zu lassen. (Diese Richtlinie basiert auf der Richtlinie zum Grundstückverkauf der KESB der Stadt Zürich) 5
6 Checkliste Antrag auf Zustimmung zum Grundstückverkauf 1. Antrag / Anträge: Formulierung des Antrages 2. Begründung Zu den nachstehenden Punkten sind soweit möglich Angaben zu machen: a) Vertretungsverhältnisse (sofern Beistandsperson eine Drittperson mit der Abwicklung des Rechtsgeschäftes beauftragt hat); b) Angaben zur Art der Beistandschaft der betroffenen Person sowie zur Urteilsunfähigkeit / Handlungsunfähigkeit; c) Begründung, warum das Geschäft grundsätzlich im Interesse der betreuten Person ist d) Soweit möglich, Stellungnahme bzw. Einstellung betreuter Person zum Geschäft e) Angaben über die Ausschreibung, das Auswahlverfahren und die Verkaufsverhandlungen, etc.; f) Begründung, warum der abgeschlossene Vertrag die Interessen der betreuten Person bestmöglichst wahrt (in Bezug auf Verkehrswertschätzung, Kaufpreis, etc.); g) allfällige Besonderheiten; h) Angaben zum geplanten Anlagekonzept des Verkaufserlöses gemäss VBVV und Antrag betreffend Entzug des Zugriffs der betreuten Person auf den zu erhaltenden Vermögenswert. 3. Beilagenverzeichnis Dem Antrag sind alle erforderlichen Dokumente beizulegen und zusammen mit dem Beilagenverzeichnis (siehe nachfolgende Seite) zur Genehmigung einzureichen. 6
7 Beilagenverzeichnis: Dem Antrag wurden folgende Dokumente beigelegt: Öffentlich beurkundeter Vertrag, mit Vorbehalt betreffend Zustimmung der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde, mindestens dreifach Vollmachten, soweit Dritte mit Verkauf beauftragt wurden Schätzungsgutachten (nicht älter als 12 Monate) Grundbuchauszug (nicht älter als 12 Monate) Katasterplan / evtl. Grundrissplan bei Wohnungen Inserate / Kopie Internetausschreibung Verkaufsunterlagen (Interessentenliste / Offerten / einschlägige Korrespondenzen und Notizen über Verhandlungen, etc.) soweit vorhanden: unwiderrufliche Zahlungsversprechen der Bank des Käuferschaft, oder andere Sicherheiten aus denen hervorgeht, dass der Kaufpreis gesichert ist Fotos Stellungnahme der verbeiständeten Person ärztlicher Bericht zur Urteilsunfähigkeit bezüglich des konkreten Geschäftes 7
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