Predigt von Pfarrer Kuno Hauck am Diakoniegottesdienst aktuelle Herausforderung: Flüchtlinge am 16. Oktober 2014
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- Bettina Kramer
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1 Predigt von Pfarrer Kuno Hauck am Diakoniegottesdienst aktuelle Herausforderung: Flüchtlinge am 16. Oktober 2014 Das Bibelwort zum Thema des diesjährigen Diakoniegottesdienstes: aktuelle Herausforderung: Flüchtlinge finden wir im 5. Buch Mose, Kapitel 26, die Verse 5-9. Mein Vater war ein Aramäer, dem Umkommen nahe, und zog hinab nach Ägypten und war dort ein Fremdling mit wenig Leuten und wurde dort ein großes, starkes und zahlreiches Volk. (6)Aber die Ägypter behandelten uns schlecht und bedrückten uns und legten uns einen harten Dienst auf. (7)Da schrien wir zu dem HERRN, dem Gott unserer Väter. Und der HERR erhörte unser Schreien und sah unser Elend, unsere Angst und Not (8)und führte uns aus Ägypten mit mächtiger Hand und ausgestrecktem Arm und mit großem Schrecken, durch Zeichen und Wunder, (9)und brachte uns an diese Stätte und gab uns dies Land, darin Milch und Honig fließt. Soweit die Worte der Hl. Schrift, Gott segne an uns Reden und Hören. Liebe Gemeinde, das eben verlesene Bibelwort gehört zu den ältesten Bekenntnisformeln der Bibel. Es ist ein Credo, eine Beschreibung der Ur-Heilsgeschichte Israels, des Auszugs aus Ägypten. Mit dem umherirrenden Aramäer, wie eine andere Übersetzung schreibt, ist Jakob gemeint, einer der drei Erzväter Israels. Jakob der Enkel Abrahams und der Vater von Joseph. Joseph, der der Bibel nach von seinen Brüdern als Sklave verkauft worden war, wurde in Ägypten ein wichtiger Regierungsbeamter. Jahre später kam der ganze Familienclan aufgrund einer Hungersnot nach Ägypten, fand dort Asyl und Joseph garantierte damit das Überleben des späteren Volkes Israel.
2 Das älteste Bekenntnis der Bibel ist eine eindrückliche Fluchtgeschichte, wie sie sich seit Jahrtausenden immer wieder ereignet und fast ausschließlich erzählt die Bibel die Geschichten der Vertreibung aus der Perspektive der Flüchtlinge. Niemand verlässt gerne seine Heimat, sein vertraute Umgebung, die Orte, wo er aufgewachsen ist. Niemand verlässt gerne sein Land, seinen Ackerboden, den er mit Mühe bearbeitet und dafür auch Schweiß und Tränen vergossen hat. Sein Geschäft, das er von seinem Vater übernommen hat. Niemand lässt gerne seine Familie zurück, Vater, Mutter, Geschwister, Nachbarn und gute Freunde und damit auch seine Sicherheit, sein soziales Umfeld. Niemand gibt freiwillig seine Sprache, seine Kultur, seine Religion und seine Identität auf. Mein Vater war ein Aramäer, dem Umkommen nahe. Ein junger Somali erzählte mir, wie er von seinen Eltern als 14-Jähriger auf die Reise geschickt wurde, um einem brutalen Bürgerkrieg, der niemanden verschonte, zu entkommen. Im Lastwagen durchquerte er den Sudan und landete dann in Gaddafis Libyen in einem Gefängnis, bis er nach einer Gefängnisrevolte fliehen konnte und übers Meer nach Europa kam. Er kam in ein Europa, das ihn nicht wollte und es begann eine neue Odyssee für ihn, die von Sizilien nach Schweden führte und dort setzte man ihn in den Zug, wieder zurück nach Italien. Aber die Ägypter behandelten uns schlecht. Am 26. Mai 1993 hat der Deutsche Bundestag das Grundrecht auf Asyl praktisch abgeschafft. Das Schutzrecht für Flüchtlinge, das aus der leidvollen Geschichte der NS-Zeit geboren wurde, wurde zu einem Grundrechtlein, wie es Heribert Prantl in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung schrieb, und er fährt fort:... aus der Asylgarantie wurde eine Abschiebungsgarantie.
3 Und dieser Anti-Asyl-Mechanismus, liebe Gemeinde, den der Bundestag vor etwas mehr als zwanzig Jahren, nach jahrelangem beschämenden und brandgefährlichen Streit, im wahrsten Sinn des Wortes, beschloss, wurde sodann auf deutsches Betreiben zum Vorbild für die EU....und er brachte uns an diese Stätte und gab uns dies Land, darin Milch und Honig fließt. Auf seiner Irrfahrt zurück nach Italien, stieg der inzwischen 16-jährige Somali einfach in München aus und kam über Umwege nach Nürnberg, in eine Einrichtung der Diakonie, der Rummelsberger Dienste für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge. Endlich hatte er ein sicheres Dach über dem Kopf, später ein eigenes Zimmer, warmes Essen; Menschen, die zuhörten, er konnte ohne Angst schlafen, zur Schule gehen, mit zuhause telefonieren. Endlich hatte er eine neue Heimat gefunden, das Land von Milch und Honig, von dem seine Familie erzählte. Wenigstens einer sollte überleben, wenigstens einem sollte es gut gehen. Wenigstens einer sollte eine Zukunft haben. Aber die Ägypter legten uns einen harten Dienst auf. Als sich sein 18. Geburtstag näherte, bekam er einen Brief, in dem ihm seine Abschiebung nach Italien angekündigt wurde. Es wurde ihm eine Frist gesetzt, bis zu der er das Land auch freiwillig verlassen konnte. Gerade jetzt, wo er die Sprache so weit erlernt hatte, dass er sein Leben nach und nach selbst in die Hand nehmen konnte. Warum nach Italien? Wo er kein Wort verstand und wusste, dass viele Somalis als Obdachlose auf der Straße lebten.
4 Liebe Gemeinde, Flüchtlinge erleben unsere Asylgesetzgebung als Asylverhinderungsgesetze und es gibt praktisch keinen legalen Weg, auf dem Menschen zu uns kommen können. Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fragte ich: Wie kann jemand aus Syrien oder aus Somalia in Deutschland Asyl beantragen? Ich bekam keine Antwort! Und wenn es die Menschen dann doch geschafft haben, leben viele in ständiger Angst vor der Abschiebung und sind enormem psychischen Druck ausgesetzt, der sie krank macht oder ihre seelische Verfassung nachhaltig gefährdet. Viele Flüchtlinge erleben, wenn sie einen Asylantrag stellen oder stellen wollen, dass es kein faires Einwanderungssystem für Menschen gibt, die vor Mord, Folter und dem Hungertod zu uns fliehen. Und der HERR erhörte unser Schreien und sah unser Elend, unsere Angst und Not. Dank eines Kirchenasyls konnte die Abschiebung des jungen Mannes aus Somalia abgewendet werden. Inzwischen hatte er sein Asylverfahren, darf in Deutschland bleiben und lebt in einer kleiner Wohnung im Nürnberger Osten. Aktuell sind in Deutschland über 300 Menschen, davon über 100 Kinder im Kirchenasyl. Im Blick auf die Gesamtzahl der Flüchtlinge eine unbedeutende Größe. Wenn man aber genauer hinschaut und vor allem hinhört, wenn man sich die Fluchtgründe und die Ängste erzählen lässt, dann weiß man, warum diese Kirchenasyle berechtigt sind und ich möchte Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen ermutigen, noch mehr Kirchenasyle bereitzustellen.
5 Liebe Gemeinde, die Sehnsucht nach Heimat, nach einem Ort, wo man alleine oder mit seiner Familie sicher und geborgen leben kann, ist so alt wie die Menschheit selbst. Mein Vater war ein Aramäer, dem Umkommen nahe. Die Bibel versteht Flucht und Migration nicht als Ausnahmefall und das älteste Bekenntnis der Bibel ist eine eindrückliche Fluchtgeschichte, wie sie sich seit Jahrtausenden immer wieder ereignet und die sich hier und heute mehr und mehr zuspitzt. Ende Juli besuchte ich das Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Zirndorf. Am Ende einer Führung durch den dortigen Diakon, stand ich fassungslos vor einer zum Massenschlafraum mit 60 Betten umfunktionierten Garage. Dort mussten Männer, Frauen, Kinder, Ehepaare, Singles, Kranke und Gesunde ohne Trennwände die erste Nacht im Aufnahmelager verbringen. Als Hygiene-Angebot standen zwei Dixi-Toiletten auf dem Parkplatz. Verzweifelt sprach uns eine Familie an, ob es denn keine andere Bleibe gäbe, da sie als fünfköpfige Familie nur vier Betten bekommen hätten und der Ehemann dazu noch krank sei. Wie müssen sich Menschen fühlen, die vor Krieg und Gewalt fliehen mussten, Haus und Hof verloren haben und dann in so einem Massenquartier schlafen sollen? Inzwischen hat sich die Situation der Flüchtlinge, vor allem auch bei uns in Bayern, ja noch einmal dramatisch verschärft. Und so gut es ist, dass Möbelhäuser geöffnet werden, so darf bezweifelt werden, dass Nylon- Wände und Bauzäune eine menschenwürdige Unterkunft sind. Mein Vater war ein Aramäer, dem Umkommen nahe.
6 Liebe Gemeinde, die jüdisch-christliche Tradition ist voll von Flucht-und Migrationserfahrungen und sie haben tiefe Spuren in der Bibel hinterlassen, insbesondere auch die Erfahrung, dass Gott an der Seite der Verfolgten ist. Es wird in unserer Welt immer Heimatlose, Vertriebene und Entwurzelte geben. Menschen, die in der Flucht ihre einzige Chance zum Überleben sehen. Menschen, die sich in ihrer Verzweiflung auf den Weg nach einer neuen Heimat machen. Und weil Gott besonders auf der Seite der Schwachen ist, müssen wir als Kirche und Diakonie noch viel deutlichere Worte als bisher finden. Als Christinnen und Christen sollten wir klar sagen, dass wir nicht bereit sind, die aktuelle Flüchtlingspolitik hinzunehmen. Kirchen- und Pfarrgemeinden, Kloster, Kommunitäten und Solidaritatsgruppen, Einrichtungen der Diakonie und der Caritas sind neben der praktischen Nächstenliebe herausgefordert, auch Partei fur Fluchtlinge und Asylsuchende zu ergreifen. Aber nicht nur für die, die schon unter uns leben, sondern auch fur diejenigen, die schon an den Außengrenzen Europas scheitern oder zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken. Da schrien wir zu dem HERRN, dem Gott unserer Väter. Und der HERR erhörte unser Schreien Was das für uns als Kirche und Diakonie konkret bedeutet, steht in der Charta der Europäischen Kirchenasylbewegung, aus der ich zum Schluss meiner Predigt zitieren möchte: Dort heißt es: Wir verpflichten uns, alle Möglichkeiten zu nutzen, Flüchtlingen in Not zu helfen. dort, wo eine Abschiebung droht, und damit die Würde und das Leben von Menschen in Gefahr ist, Flüchtlinge in unseren Gemeinden aufzunehmen und zu schützen
7 die skandalösen Praktiken, mit denen Flüchtlinge an den Außengrenzen Europas abgewehrt oder im Inland drangsaliert werden, beharrlich in die Öffentlichkeit zu tragen, um die Gewissen zu schärfen. dazu beizutragen, dass Flüchtlinge sich in unserer Gesellschaft willkommen fühlen und an dieser gleichberechtigt teilhaben. Dafür wollen wir eintreten in der Überzeugung, dass Gott die Fremden liebt. Amen
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