Der Sachverständige im Zivilprozess Auswahl und Befangenheit Mitwirkungs- und Ablehnungsrechte
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- Nele Dressler
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1 Symposium des SV-Verbandes, RAK, Vereinigung der Richter und der Staatsanwälte Klagenfurt, BKS Bank, Der Sachverständige im Zivilprozess Auswahl und Befangenheit Mitwirkungs- und Ablehnungsrechte Der Sachverständige ist einerseits eines der fünf klassischen Beweismittel der ZPO, sowie andererseits Gehilfe des Gerichtes. Er hat zumeist prozessentscheidenden Einfluss. Die Regelungen zum Sachverständigen finden sich in der Zivilprozessordnung in den ZPO. I. Gesetzliche Grundlagen: 351 ZPO (Bestellungsvoraussetzungen): Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so hat das erkennende Gericht einen oder mehrere Sachverständige, sofort nach Einvernahme der Parteien über deren Person, zu bestellen. Hiebei ist, sofern nicht besondere Umstände etwas anderes notwendig machen, vor allem auf die für Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellten Sachverständigen Bedacht zu nehmen. 353 Abs. 1 ZPO (Verpflichtung zur Annahme der Bestellung): Der Bestellung zum Sachverständigen hat derjenige Folge zu leisten, welcher zur Erstattung von Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellt ist, oder welcher die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist. 353 Abs. 2 ZPO (Enthebungsgründe): Aus denselben Gründen, welche einen Zeugen zur Verweigerung der Aussage berechtigen, kann die Enthebung von der Bestellung als Sachverständiger begehrt werden. 354 Abs. 1 3 ZPO (Folgen von Weigerung und Säumnis): Wenn ein zur Erstattung des Gutachtens bestellter Sachverständiger die Abgabe des Gutachtens ohne genügenden Grund verweigert, ohne genügende Entschuldigung das Gutachten nicht in der festgesetzten Frist erstattet oder trotz ordnungsgemäßer Ladung bei der zur Beweisaufnahme bestimmten Tagsatzung nicht erscheint, ist ihm der Ersatz der durch seine Weigerung oder seine Säumnis verursachen Kosten durch Beschluss aufzuerlegen. Anstatt des ungehorsamen Sachverständigen kann ein anderer Sachverständiger bestellt werden. Seite 1 von 5
2 Der ungehorsame Sachverständige haftet nebst dem Kostenersatz für allen weiteren den Parteien durch die ihm zur Last fallende Vereitelung oder Verzögerung der Beweisführung verursachten Schaden. 355 Abs. 1 ZPO (Ablehnung): Sachverständige können aus denselben Gründen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen; jedoch kann die Ablehnung nicht darauf gegründet werden, dass der Sachverständige früher in derselben Rechtssache als Zeuge vernommen wurde. 355 Abs. 2 ZPO (Ablehnungsantrag): Die Ablehnungserklärung ist beim Prozessgericht bzw. beim beauftragten oder ersuchten Richter vor erfolgter Einreichung des Gutachtens mittels Schriftsatz oder mündlich anzubringen. Später kann eine Ablehnung nur dann erfolgen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie den Ablehnungsgrund vorher nicht erfahren hat oder wegen eines für sie unübersteiglichen Hindernisses nicht rechtzeitig geltend machen konnte. 356 Abs. 1 ZPO (Ablehnungsverfahren und Entscheidungszuständigkeit): Gleichzeitig mit der Ablehnung sind die Gründe der Ablehnung anzugeben. Die Entscheidung über die Ablehnung steht dem erkennenden Gericht oder dem beauftragten oder ersuchten Richter zu. 356 Abs. 2 ZPO (Entscheidung über Ablehnungsantrag): Die Entscheidung erfolgt, wenn die Ablehnung nicht bei einer Tagsatzung vorgebracht wird, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Die ablehnende Partei hat die von ihr angegebenen Gründe der Ablehnung auf Verlangen des Gerichtes vor der Entscheidung glaubhaft zu machen. Wird der Ablehnung stattgegeben, so ist ohne Aufschub die Bestellung eines anderen Sachverständigen zu veranlassen. 357 Abs. 1 (Beweisaufnahme, Befristung): Das Gericht hat dem Sachverständigen für die schriftliche Begutachtung eine angemessene Frist zu setzen, binnen der er das schriftliche Gutachten zu erstatten hat. Ist die Einhaltung der dem Sachverständigen vom Gericht gesetzten Frist für diesen nicht möglich, so hat er dies dem Gericht binnen 14 Tagen ab Zustellung des Auftrages mitzuteilen und anzugeben, ob überhaupt und innerhalb welcher Frist ihm die Erstattung des Gutachtens möglich ist. Das Gericht kann dem Sachverständigen die Frist verlängern. 359 Abs. 1 ZPO ( Ermittlungstätigkeit des Sachverständigen): Dem Sachverständigen sind diejenigen bei Gericht befindlichen Gegenstände, Aktenstücke und Hilfsmittel mitzuteilen, welche für die Beantwortung der demselben vorgelegten Fragen erforderlich sind. Seite 2 von 5
3 359 Abs. 2 ZPO (Mitwirkungspflichten der Parteien): Benötigt der Sachverständige die Mitwirkung der Parteien oder dritter Personen und wird ihm diese auf seine Aufforderung nicht unverzüglich geleistet, so hat der Sachverständige dies dem Gericht unter genauer Auflistung der erforderlichen Mitwirkungshandlungen und der entgegenstehenden Hindernisse mitzuteilen. Das Gericht hat sodann mit abgesondert nicht anfechtbarem Beschluss den Parteien das Erforderliche aufzutragen und ihnen hiefür eine angemessene Frist zu setzen. 362 Abs. 1 ZPO (Begründung des Gutachtens): Das Gutachten ist stets zu begründen. Vor Darlegung seiner Ansicht hat der Sachverständige in denjenigen Fällen, in welchen der Abgabe seines Gutachtens die Besichtigung von Personen, Sachen, Örtlichkeiten u. dgl. vorausging und die Kenntnis ihrer Beschaffenheit für das Verständnis und die Würdigung des Gutachtens von Belang ist, eine Beschreibung der besichtigten Gegenstände zu geben (Befund). 362 Abs. 2 ZPO (Neuerliche Begutachtung): Erscheint das abgegebene Gutachten ungenügend oder wurden von den Sachverständigen verschiedene Ansichten ausgesprochen, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige oder doch mit Zuziehung anderer Sachverständiger stattfindet. Eine solche Anordnung ist insbesondere auch dann zulässig, wenn ein Sachverständiger nach Abgabe des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt wurde. 365 ZPO (Kostenvorschuss): Wenn dem Beweisführer nicht die Verfahrenshilfe bewilligt ist, hat der Vorsitzende oder der beauftragte oder ersuchte Richter anzuordnen, dass ein von ihm zu bestimmender Betrag zur Deckung des mit der Aufnahme des Beweises durch Sachverständige verbundenen Aufwandes vom Beweisführer innerhalb einer bestimmten Frist vorschussweise zu erlegen ist. 332 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden. 366 Abs. 1 ZPO (Rechtsmittel): Gegen den Beschluss, durch welchen die Ablehnung eines Sachverständigen verworfen oder eine schriftliche Begutachtung angeordnet wird, findet ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt. II. Auswahl und Bestellung des Sachverständigen: Notwendig wird die Bestellung eines Sachverständigen dann, wenn der Richter die zur Beurteilung eines Gegenstandes erforderlichen fachmännischen Kenntnisse nicht selbst besitzt. Dem Gericht kommt das ausschließliche Recht zur Bestellung und zur Auswahl der Sachverständigen zu. Zwar sieht 351 Abs. 1 ZPO die vorherige Einvernahme der Parteien zur Person des Sachverständigen Seite 3 von 5
4 vor, jedoch kommt der vorherigen Anhörung der Parteien keine besondere Bedeutung zu und bildet deren Unterlassung auch keinen erheblichen Verfahrensmangel (MietSlg ua) Die Sachverständigenbestellung erfolgt darüber hinaus unabhängig davon ob auch ein entsprechendes Beweisanbot einer Partei oder beider Parteien gestellt wurde, von Amtswegen. II. Zur Ablehnung des Sachverständigen: Gemäß 355 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen wie ein Richter abgelehnt werden. Diesbezüglich sind die Ausschließungsgründe des 20 JN sowie alle denkbaren Befangenheitsgründe im Sinne des 19 Z 2 JN analog heranzuziehen. Der Umstand, dass ein Sachverständiger in die beim Gerichtshof aufliegende Sachverständigenliste eingetragen ist sowie den Sachverständigeneid abgelegt hat, bietet nicht in jedem Fall hinreichende Gewähr für die objektive und sachliche Erstattung von Befund und Gutachten durch einen Sachverständigen. Zur Gewährleistung objektiver Gutachtenserstattung muss noch die völlige Parteienunabhängigkeit hinzutreten, weshalb auch die Möglichkeit der Ablehnung eingeräumt wird. Bei der Prüfung der Unbefangenheit ist im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (vgl OLG Innsbruck vom , 4 R 266/08m). Ein klassischer Grund für die Ablehnung des Sachverständigen ist insbesondere die Erstattung eines Privatgutachtens für die Gegenpartei vor dem Prozess. Auch eigene Interessen des Sachverständigen am Ausgang des Prozesses rechtfertigen grundsätzlich Zweifel an seiner Unparteilichkeit. Zur Ablehnung berechtigt sind die Parteien und die Nebenintervenienten. Die Befangenheit ist bei der ersten sich dafür bietenden Gelegenheit, möglichst noch vor der Einreichung des Gutachtens durch den Sachverständigen geltend zu machen. Diese Regelung soll verhindern, dass der Sachverständige zwar formell wegen eines Befangenheitsgrundes, tatsächlich aber wegen eines für die ablehnende Partei ungünstigen Gutachtens abgelehnt wird. Eine nach Einreichung des Gutachtens erfolgte Ablehnung ist daher nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Ablehnungsgrund vorher nicht bekannt war, oder wegen eines für den Ablehnenden unübersteiglichen Hindernisses nicht rechtzeitig geltend gemacht werden konnte. (vgl Rechberger in Fasching, Zivilprozessgesetze, 2. Auflage, 355 RZ 6 ff). Seite 4 von 5
5 III. Anforderungen an die Qualität des Gutachtens Prozessuales: Befund und Gutachten sind gemäß 362 Abs. 1 ZPO ausreichend zu begründen, was die Überprüfung des Sachverständigengutachtens ermöglichen soll. Erweist sich das Gutachten als ungenügend oder unvollständig, kann auf Antrag der Parteien oder von Amts wegen eine neuerliche Begutachtung durch dieselben/denselben oder durch andere Sachverständige stattfinden. Befund und Gutachten des Sachverständigen unterliegen darüber hinaus grundsätzlich der freien Beweiswürdigung des Richters. Es ist daher keine Aktenwidrigkeit, wenn der Richter den Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht folgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist das Gericht zwar nicht verpflichtet, allfällige Widersprüche zwischen einem Privatgutachter auch wenn dieser generell gerichtlich beeidet ist und dem Gerichtsgutachter aufzuklären. Es kann sich vielmehr ohne weitere Erhebungen den ihm als verlässlich erscheinenden Gutachten des Gerichtssachverständigen anschließen, und ist nicht verpflichtet (allein) deshalb einen weiteren Sachverständigen zu bestellen (RIS Justiz RS ; 9 Ob 3/05i; 7 Ob 225/06y). Dies gilt unter Bedachtnahme auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs aber nur dann, wenn der Gerichtssachverständige zum Inhalt des Privatgutachtens Stellung bezogen und sich mit den Ansichten des Privatgutachters nachvollziehbar auseinandergesetzt hat. Ohne weitere Erhebungen darf sich das Gericht demnach nur einem verlässlich erscheinenden Gutachten des Gerichtssachverständigen anschließen (OLG Graz 4 R 49/02m; 4 R 131/10g; 4 R 169/11x). Sofern ein Gutachten isd 351ff ZPO notwendig ist, kann dieses nicht durch ein Privatgutachten ersetzt werden, da letztere nicht mehr sind als Urkunden, die die Meinung ihres Verfassers wiedergeben, wobei dieser Verfasser nicht den Pflichten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen unterliegt. Sie sind daher nicht geeignet, in einer Sachverständigenfrage für sich alleine die Entscheidung zu stützen. Ein Privatgutachten kann nur dann als urkundlich belegtes Sachvorbringen verwertet werden, wenn dieses Sachvorbringen wegen einer Außerstreitstellung für wahr zu halten ist, wofür nach 267 ZPO in Ausnahmefällen auch das Fehlen einer substanziierten Bestreitung genügen kann. Erhebt der Gegner aber substanziierte Einwände, so wäre es eine Umgehung der Regeln über den Sachverständigenbeweis, wenn das Gericht das Privatgutachten dennoch seiner Entscheidung zugrunde legte (17 Ob 21/10b). Klagenfurt, am Seite 5 von 5
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