Glastechnik für komplexe Anforderungen
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- Barbara Keller
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1 Glastechnik für komplexe Anforderungen Rohfassung ohne Abbildungen und Tabellen Veröffentlicht: W+G Nr. 125 (12/2007), 29. Jg., S Text und Abbildungen: Dipl.-Ing. (FH) - Dipl.- REFA- Ing. Jens Baumgartner (VDI) Funktionsprinzipien und Anwendungsmöglichkeiten An Glas als Raum bildenden Baustoff bestehen komplexe Anforderungen, bei denen in unseren Breiten der Gebäudewärmeschutz und der Schutz vor sommerlicher Überhitzung im Vordergrund stehen. Darüber hinaus ist es durch den 'Gewächshauseffekt' auch für eine passive Sonnenenergie- Nutzung einsetzbar, die bisher allein in der Lage ist, den künstlichen Wärmetod durch einen anthropogen ausgelösten Treibhauseffekt zu verhindern. Bauen mit der Sonne In Mitteleuropa liefert die Sonne täglich emissionsfrei rund KWh/m² im Sommer und ca. 50 KWh/m² im Winter - das entspricht einem Äquivalent von 100 bzw. 5 Litern Heizöl - in Form kurzwelliger Wärmestrahlung. Damit ist weniger die fehlende Existenz einer alternativen Energieversorgung das Problem, als vielmehr die Umsetzung einer sinnvollen Nutzung. Der Baustoff Glas kann dabei aufgrund seiner physikalischen Beschaffenheit eine große Bedeutung erhalten. Glas hat mit der Transparenz, Absorption und Reflexion drei physikalische Eigenschaften, welche die Licht- und Strahlungstechnik bestimmen. Es ist als transparenter Baustoff für das solare Spektrum der Sonne durchlässig, das die Wellenlängen zwischen ca. 200 nm und 2500 nm umfasst. Im sichtbaren Bereich bei ca. 550 nm (entspricht der Farbe Grün) hat zum einen die Sonnenstrahlung ihre höchste Energiedichte und zum anderen hat Glas bei dieser Wellenlänge seine höchste Durchlässigkeit. Im ultravioletten (UV) Wellenbereich von ca. 280 bis 380 nm fallen daher nur ca. 6% der Energieeinstrahlung durch das Glas an, während es im sichtbaren Bereich (VIS) von 380 bis 780 nm ca. 50% und im nahen Infrarotbereich (NIR) von 780 bis 2500 nm ca. 44% sind. Der hohe Anteil der Energieeinstrahlung im VIS- Bereich hat zur Folge, dass selbst dann, wenn durch glastechnologische Eingriffe die UV- und NIR- Einstrahlungen verhindert werden, immer noch 50% der Sonnenenergie das Innere der Gebäude erreichen. Soll auch in diesem Bereich die Energieeinstrahlung reduziert werden, müssen farbige Gläser zum Einsatz kommen. Die Durch- und Ansicht der Scheiben ist dann nicht mehr neutral.
2 Schutz vor Wärmeverlusten Die Anforderung an Wärmeschutzgläser besteht einmal in einer hohen thermischen Isolierung - also einem niedrigen U g - Wert - und andererseits im Zulassen hoher passiver Energiegewinne, insbesondere im Winter. Die Leistungsfähigkeit für passive solare Energiegewinne wird durch den Gesamtenergiedurchlassgrad g ausgedrückt, der sich zusammensetzt aus g = T e + q i. Dabei steht T e für den durch die Scheibe eingestrahlten Sonnenenergieanteil aus dem solaren Spektrum ( nm) und q i für den vom Glas absorbierten (im Glas aufgenommenen) und in Form von Wärmestrahlen nach innen abgegebenen Energieanteil. Bei Wärmeschutzverglasungen werden die drei Wärmetransportmechanismen einer Zweischeiben- Isolierverglasung, zu denen die Wärmeleitfähigkeit der Materialien, die Konvektion im Scheibenzwischenraum (SZR) und die Wärmestrahlung von der Innen- zur Außenscheibe gehören, optimiert. Um die Wärmeleitfähigkeit zu verbessern, erhalten die Gläser Randverbindungen mit geringen Wärmedurchgangswerten. Die Konvektion wird durch Edelgasbefüllungen z.b. mit Argon, das eine geringere Wärmeleitfähigkeit als Luft hat, verbessert. Um die Wärmestrahlung zu reduzieren, die bei üblichen Zweifach- Isolierverglasungen etwa 2/3 der Wärmeverluste ausmacht, erhält eine Scheibe der Isolierverglasung eine 'niedrig Emissions-' (Low- E-) Beschichtung aus Edelmetall- oder Halbleiter- Oxidschichten. Der U g - Wert sinkt allein durch diese Edelmetallbeschichtung von ca. 2,8 auf ca. 1,4 W/K*m². Schutz vor Wärmeentstehung Die Planung von Sonnenschutzgläsern erfordert die Berücksichtigung einer wesentlich höheren Anzahl an Faktoren, da bei einer Einschränkung des Strahlendurchgangs im VIS- Bereich (s.o.) noch ästhetische Kriterien zu berücksichtigen sind. Bleiben diese unbeachtet, sind nur zwei weitere Werte von Bedeutung. Dazu zählt der Selektivitätswert s = g / T L, der die Anforderung beschreibt, zum einen möglichst geringe Energiegewinne zu realisieren, um das Gebäude z.b. nicht klimatisieren zu müssen und zum anderen so viel Licht wie möglich durch das Glas treten zu lassen, um z.b. die Beleuchtungskosten gering zu halten. T L gibt die Lichtdurchlässigkeit des Glases für das sichtbare Spektrum von nm wieder.
3 Der zweite zusätzliche Planungswert ist die Absorption des Glases A g. Glas hat - wie schon erwähnt - die Fähigkeit, einen Teil der eingestrahlten Wärme zu absorbieren, in Wärmeenergie umzuwandeln und dann wieder in die Umgebung abzustrahlen. Da im IR- Bereich ca. 44% der Gesamtenergie eingestrahlt werden, beginnt jeder Wärmeschutz mit der Reduzierung dieser Strahlung. Die grünliche Farbe von normalem Flachglas entsteht durch Eisenionen, die für eine Absorption der Strahlung im nahen Infrarotbereich sorgen, aber das Tageslicht ungehindert passieren lassen. Für den Sonnenschutz durch Absorption kommt weiterhin durchgefärbtes Glas in den Farben Grau, Bronze oder auch Blau zum Einsatz. Soll s optimiert werden - also kleines g und hohes T L -, greifen Glastechniker auf das physikalische Wirkprinzip der Reflexion zurück. Während die Low-E- Beschichtung für den Wärmeschutz auf der zum SZR liegenden Seite der inneren Glasscheibe (also der Seite 3 von außen gezählt) liegt, werden reflektierende Schichten für den Sonnenschutz auf der zum SZR liegenden Seite der äußeren Glasscheibe (also der Seite 2) aufgebracht. Diese äußere Scheibe kann farbig und damit zusätzlich absorbierend oder farblos sein. Low-E- Schichten haben die Bezeichnung 'selektive Schicht' erhalten, da sie die IR- Strahlung reflektieren, das sichtbare Licht jedoch nicht. Um eine größere Wirkung zu erzielen, kommen zweifach Low-E- Schichten zum Einsatz, welche die Selektivität weiter erhöhen. Mit solchen hochreflektierenden Metallschichten sowie mit absorbierenden Schichten sind heute Gläser mit einer Selektivitätszahl um s = 2 herstellbar, z.b. mit einem L T von 50% und einem g- Wert von nur noch 25% (Tab. 3). Derartige Gläser benötigen immer noch eine die Wärmeverluste reduzierende Schicht auf der Seite 3 für einen ausreichenden U g - Wert. Weiterhin brauchen sie - trotz ihrer Leistungsfähigkeit - im Hochsommer immer noch die Unterstützung weiterer Sonnenschutzmöglichkeiten wie Außen- Rollläden und Jalousien, die den ebenfalls zusätzlich notwendigen Blendschutz mit übernehmen können. Zudem werden die vorgestellten Sonnenschutzsysteme mittels Beschichtungstechnologien auf die Scheiben aufgebracht, so dass sie nur statisch wirken, d.h. während der Scheibenlebensdauer ihre Eigenschaften nicht mehr verändern können. Aus diesem Grund verhindern diese Gläser auch im Winter erwünschte solare Wärmegewinne. Erst die Einsatzreife schaltbarer Verglasungen, die bei Bedarf niedrige oder hohe g- Werte und trotzdem ausreichende T L - Werte haben, wird im Sommer die
4 Wärme draußen halten und im Winter erhebliche Wärmegewinne ermöglichen. Diese Gläser passen sich dynamisch an klimatische und nutzerbedingte Anforderungen an. Jedoch ist - trotz langjähriger Forschungsprojekte mit viel versprechenden Ergebnissen - die Marktreife vieler Systeme noch nicht gegeben. Sonnennutzung mit Glas Im Sommer besteht für Gebäude mit verglasten 'Wärmefallen' die Gefahr einer Überhitzung, während im Winter eine zusätzliche Wärmequelle notwendig sein kann. Dabei hängen die solaren Gewinne in Innenräumen zum einen von der Größe der transparenten Fläche, der Gebäudeausrichtung und der Menge der durch die Verglasung tretenden Energie, die von der Scheibe selbst, von Verschattungen und dem Sonnenschutz beeinflusst wird, ab. Zum anderen hängt die Nutzbarmachung der Energie wesentlich von der Bauweise, den Speichermassen im Gebäudeinneren sowie den internen Wärmelasten und dem örtlichen Klima ab. Eine schwere Bauweise mit großem Fensterflächenanteil (ca. 70%) kann z.b. eine Reduzierung der Heizleistung von bis zu 40 Prozent bewirken. Mit modernen Gläsern können bei 30 bis maximal 40% Verglasungsanteil an der Südfassade beträchtliche Wärmegewinne erzielt werden. Dabei gilt, dass ein höherer Dämmstandard weniger solare Wärmegewinne notwendig macht. Bis neuartige Gläser zur Verfügung stehen, bleiben hohe g- Wert ein Problem. Gelingt es nicht, Gläser mit Selektivitätswerten herzustellen, die sehr viel größer als 2 sind, besteht bei großen Glasflächen weiterhin die Gefahr einer sommerlichen Überhitzung der Räume. Die überschüssige Wärme muss dann mittels Klimaanlagen weggelüftet werden, da z. B. Glasdoppelfassaden (GDF), die das auf natürliche Weise bewirken sollen, bisher noch nicht die entsprechende Leistungsfähigkeit haben. Deshalb ruhen große Hoffnungen auf den dynamischen schaltbaren Systemen. Entscheidend für jede Gebäudeverglasung ist darüber hinaus, wie viel sichtbares Licht aus dem VIS- Bereich eine Verglasung passieren kann. Die Lichtdurchlässigkeit T L, die Größe der Glasfläche an der Fassade, die Art und Weise des Sonnen- (und Blend-) Schutzes sowie die Tiefe der Räume entscheiden, ob und in welchem Maße der Innenraum künstlich beleuchtet werden muss. Häufig zu beobachten sind Gebäude mit Ganzglas- Fassaden die auch am hellen Tag beleuchtet werden müssen, da sie aus
5 Sonnenschutz- Gründen auf der Außenseite reflektierend beschichtete und/oder eingefärbte Gläser erhalten haben. Passive Konzepte leisten einen wirklichen Beitrag zur Vermeidung eines anthropogen ausgelösten Klimawandels, denn nur sie bleiben völlig emissionsfrei, da bei den aktiven, wie z. B. den Photovoltaikmodulen, die Emissionen aus deren Herstellung berücksichtigt werden müssen. Rein passive Systeme bei Gebäuden sind derzeit nur bei hoch gedämmten Konstruktionen ausreichend. Ihre Herstellung geht jedoch - wie die Produktion aktiver Systeme - zum Teil mit einem hohen Energieaufwand einher, der nicht immer durch die eingesparte Energie gerechtfertigt wird. Die Zukunft gehört deswegen Gebäuden, bei denen die passiven Energiegewinne und die verbrauchten Energien für eventuell notwendige aktive Komponenten lebenszyklusorientiert optimiert sind. Zusammenfassung Die Verwendung von Glas ist mit zunehmenden Anteil der Glasfläche an der Fassade immer mehr an den Einsatz von Technik gebunden, da manuell zu bedienende oder natürliche Sonnenschutzsysteme nicht mehr ausreichend sind. Der Glastechnik kommt eine bedeutende Rolle zu und die Einsatzreife schaltbarer Gläser wird einen hohen Sonnenschutz bei gleichzeitig guter Ausleuchtung der Räume ermöglichen. Ein (überlebens-) notwendiges passives Bauen mit der Sonne ist derzeit nur mit hochgedämmten Konstruktionen möglich. Alle anderen Gebäude benötigen aktive Komponenten, die hinsichtlich der dafür aufgewendeten Energien lebenszyklusorientiert optimiert werden sollten.
6 Literatur: Achilles, Andreas et al: glasklar, München: Deutsche Verlags- Anstalt, Feddeck, Paul: Was ist Energie? In: Fachinformationszentrum Karlsruhe (Hrsg.): BINE Informationsdienst basis Energie 15, Stand: Dezember Gnan, Karl- Heinz: Glas in der passiven Solararchitektur, Wiesbaden: Bauverlag, Hausladen, Gerhard; De Saldanha, Michael; Liedl, Petra: ClimaSkin, München: Callwey, Treberspurg, Martin: Neues Bauen mit der Sonne, Wien; New York: Springer, 2. Aufl., (S. 2/3)
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