Geschäftsmodell Versicherung: Was bringt die Zukunft?
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- Jürgen Becke
- vor 8 Jahren
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1 Versicherung: Was bringt die Zukunft? 10. Professor Dr. Hato Schmeiser
2 Seite 2 1. Einleitung Warum ist die Abschätzung der zukünftigen Entwicklungen so schwierig? - Kaum einschätzbare Verhaltensänderungen bei den Kunden - «Unerwartete» technologische Revolutionen Fokus Versicherungsindustrie: - Starkes behaftet sein in einer Vergangenheitsanalyse - Zelebrieren von «Branchenmythen»
3 Seite 3 Mythen und Fehleinschätzungen (I) The global demand for cars will never be above 1 million simply because there are not enough chauffeurs (Gottlieb Daimler, 1900)
4 Seite 4 Mythen und Fehleinschätzungen (II) I believe that there is a world market for maybe five computers (Thomas Watson, CEO of IBM, 1943)
5 Seite 5 Was sind die Mythen der Versicherungsbranche? - "Der Preisdruck ist immens" - "Der Kunde will Sicherheit und lebenslange Zinsgarantien - "Versicherung ist anders als alle anderen Branchen" - "Industrialisierung ist etwas für andere Branchen"
6 Seite 6 Gesellschaftliche Trends Demographischer Wandel Kulturelle Vielfalt Urbanisierung Veränderung gesellschaftlicher Werte Politische Trends Neue politische Weltordnung Deregulierung und Re-Regulierung Neue Sicherheitsbedrohungen Umweltentwicklungen Klimawandel Ressourcenknappheit Energieversorgung Veränderung der Umwelt Markttreiber ökonomische Bedingungen Ökonomische Entwicklungen Vernetzung der Märkte Finanz- und Eurokrise Geldpolitik und Niedrigzins Entwicklung der Informationstechnologie Technologische Trends Digitalisierung Biotechnologie und Gentechnik Nanotechnologie
7 Seite 7 Versuch unsere «Chauffeursannahmen» abzuschütteln Fokus auf vier Aspekte: - Versicherungspricing (Kapitel 2) - Geschäftmodell der Lebensversicherer (Kapitel 3) - Technologieinnovationen in der Kfz-Versicherung (Kapitel 4) - Regulierung der Versicherungsindustrie (Kapitel 5)
8 Seite 8 2. Das Pricing der Versicherer wird sich massiv verändern Preiskommunikation: Preisdarstellung gegenüber dem Kunden - Absolut, relativ, aufgeschlüsselt in Preisbestandteil, kombiniert mit anderen Produkten etc. - Objektiver Preis und Preiswahrnehmung beim Kunden (Bsp.: Media Markt, Praktiker, Lidl) - Basis: Framingeffekte - Preiskommunikation durch Preispositionierungsstrategien beeinflusst Quelle: Th. Angerer 2012, dt. Preisstudie 2009, Simon/Fasnacht 2008
9 Seite 9 Preiskommunikation: Was macht die Assekuranz? - Kostenorientiertes Pricing (vgl. Diskussion zu Unisex-Tarifen in der EU) - Zahlungsbereitschaft der Kunden findet kaum Berücksichtigung - Verschiedene Vertriebswege mit leichter Preisdifferenzierung Mässige Preis-/Leistungstransparenz - Law of one price gilt im Versicherungssektor nicht - Wenig Aufschlüsselung in Preiskomponenten (Druck durch den Regulator) - Preisdarstellung in absoluter Form (Preise wenig zeitsensitiv / wenig Rabattkultur )
10 Seite 10 zu 1. Beispiel Comparis CH Motorfahrzeug-Versicherung Krankenversicherung (OKP) Jahresprämie +54% Monatsprämie +74% % Audi A3, HP mit BS, TK mit SB 0, KK mit BS und SB 1'000, Pers. Eff., Unfall Standard OKP Zürich, F 300, ohne Unfall
11 Seite 11 zu 1. Beispiel Kfz-Versicherung Deutschland Audi A4, Parameter analog zu CH-Angebot für Audi A3
12 Seite 12 zu 1. - Vergleich zu anderen Branchen Opodo-Flugpreise Zürich-New York quasi homogenes Produkt % Omega-Uhren: Ebay / Juwelier
13 Seite 13 zu 1. Dies ist erstaunlich vor dem Hintergrund, dass Kunden Versicherungsunternehmen als austauschbar wahrnehmen Quelle: BrandAsset Valuator Schweiz Versicherungen Gesamtbevölkerung
14 Seite 14 zu 1. Kunden sich teilweise selbst als preissensitiv bezeichnen DK Support-seeking individualists NL Product optimizers Uninterested minimalists F Price-sensitive analyzers Relationship-oriented traditionalists UK DE CH % 20% 40% 60% 80% 100%
15 Seite 15 zu 1. und Unternehmen Änderungen im Kundenverhalten an deren gestiegener Preissensitivität festmachen Quelle: Studie Assekuranz 2015, Accenture/I.VW
16 Seite 16 zu 2. I.VW-Studie: Aufschlüsselung der Prämie und unterschiedliche Formen der Preisdarstellung üben im Versicherungssektor kaum einen Einfluss auf das Nachfrageverhalten aus
17 Seite 17 zu 2. - Regulatoren wünschen dies trotzdem zunehmend im Rahmen einer «Transparenzoffensive»; die Versicherungsbranche steht einer Ausschlüsselung kritisch gegenüber - Aufschlüsselungen üben in vielen Branchen einen erheblichen Effekt auf das Nachfrageverhalten der Kunden aus DUS-MNL via AMS; Preisaufschlüsselung: - Für eine rationale Kundenentscheidung ist nur der Gesamtpreis relevant! Erwachsener Ticketpreis 482,00 Ticket Service Charge - Treibstoffzuschlag 260,00 Luftverkehrssteuer 45,00 Flughafengebühr für Passagierservice 15,27 Sicherheitsgebühr 14,50 Flughafengebühr für Passagierservice 12,66 Lärmschutzzuschlag Niederlande 4,00 Flughafensicherheitsgebühr 3,89 Gesamtpreis für alle Passagiere EUR 837,32 Anzahl Passagiere 1
18 Seite 18 Extremfall: Preiskommunikation bei Airlines - Unterscheidet sich in jeder Beziehung von der Preiskommunikation von Versicherern Beispiele: - Pricing orientiert sich stark an der Zahlungsbereitschaft der Kunden - Auslastungsorientierte Preisfestsetzung - Pricing stark zeitabhängig (verbleibende Zeit vor Abflug, Tageszeit Buchung, Wochentag u.v.m.)
19 Seite 19 Bedeutung des kostenorientierten Pricing in anderen Branchen - Beispiel Porsche 911 versus 911 S - Verkaufspreis: versus (2013) - Klare Orientierung an der Zahlungsbereitschaft der Kunden Link zur Diskussion von Unisex-Tarifen in der EU: Nachweis der Signifikanz eines Inputfaktors in Hinblick auf den Produktpreis in anderen Branchen?
20 Seite 20 Thesen zum Pricing von Versicherungsunternehmen - Dem Pricing von Versicherungsprodukten steht eine Revolution bevor: In Zukunft orientiert sich die Preisausrichtung an der Zahlungsbereitschaft der Kunden und an optimalen Preis- / Mengenkombinationen - Aktuarielles Pricing dient nur (noch) zur Ermittlung von Preisuntergrenzen - Der Markt wird kompetitiver, die Produkte werden sich aber tendenziell weniger homogen entwickeln - Der Produktmarkt definiert sich stärker über Zusatzleistungen (führt aber zu einer gewissen Inhomogenität)
21 Seite 21 Mythen und Fehleinschätzungen (III) Aeroplane flights are nothing else but first class suicide attempts we will never ever give insurance coverage for it (Board member of major European insurance company, 1927)
22 Seite Geschäftsmodell der Lebensversicherer unter Druck
23 Seite 23 Aktuelle Studie des I.VW Mythos: Kunde wünscht langfristige Investmentgarantien - Aber: Reicht seine Zahlungsbereitschaft zur Kostendeckung aus?
24 Seite 24 Erwirtschaftung der Zinsgarantie sehr schwierig Aktuell: Umlaufrendite 1 %
25 Seite 25 Anlagestruktur eines Lebensversicherers - wenig Freiheitsgrade Unter Solvency II und der Vorgabe eines Mindestzinssatzes erfolgt zwingend r f = 3.00% g = 1.75% eine Anpassung der Höhe des Eigenkapitals (E 0 ) und zugleich (E 0 = 0.11, = 0.89) eine Ableitung der Anlagestruktur ( )
26 Seite 26 1 Sichere Anlage (100% risikofrei) g = 1.75% r f g 0 r f = 2% Anlagestruktur 100% r f g Kein Spielraum für riskante aber auch chancenreiche Anlageformen Erzwungene Anlagestruktur in praxi nur vordergru ndig sicher, da wenig diversifiziert r f = 4% Mindestverzinsungsgarantie faktisch wertlos, Inv. mglw. ungünstiger als Direktanlage; Anlageportfolio ohne Chancenpotenzial für Partizipation per Überschussbeteiligung
27 Seite 27 Nur graue Theorie?
28 Seite 28 Thesen zur Zukunft der gemischten Kapitallebensversicherung - In der aktuellen Situation verliert das Produkt der gemischten KLV massiv an Attraktivität (Option quasi wertlos, Partizipation an Überschüssen eingeschränkt) - Auch die Finanzierung der Geschäftsmodells aus der Perspektive der Eigentümer ist kaum möglich - Szenarien: Zinsen steigen? Senkung des Mindestverzinsungssatzes? - Branche wird stärker auf alternative Sparprodukte ausweichen, eine Abgrenzung von der Investmentfondsbranche ist aber zwingend notwendig - Der Druck auf die Transaktionskosten (gilt auch für andere VU-Zweige) wird massiv zunehmen
29 Seite 29 Mythen und Fehleinschätzungen (IV) There is no reason that anybody would ever want to have a computer at home (Ken Olson, CEO and founder of Digital Equipment, 1977)
30 Seite Motorfahrzeugversicherung Spurhalteassistent Geschwindigkeitsund Abstandshalter Einparkhilfe Fahrtenschreiber Elektronisches Unfallprotokoll Stolen Vehicle Location
31 Seite 31 Veränderung des Wertewandels bei Digital Natives - Neun von zehn Befragten im Alter von 14 bis 29 Jahren können sich ein Leben ohne Internet und Handy nicht mehr vorstellen eines ohne Auto aber sehr wohl - Bei den Digital Natives spielt das Thema «eigenes Auto» erst an 14er Stelle eine Rolle!
32 Seite 32 In Deutschland bieten mittlerweile rund 140 eigenständige Anbieter CarSharing an - Zahl der Kunden im CarSharing in den letzten 20 Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten angestiegen - Geringere Nachfrage nach Automobilen: Ca. 1 Auto auf 40 Carsharing Teilnehmer
33 Seite 33 Thesen zur Zukunft der Kfz-Versicherung - Neue Technologien (GPS, Kollisionserkennung) und differenzierte Produkte (Pay-as-you-drive / pay-per-use, pay-per behave) bringen erhebliche Marktveränderungen und gehen mit Prämienvolumenminderungen (und vermutlich auch Margenreduktion) einher - Durch neue Technologien: Mögliche Verschiebung des Kfz-Prämienvolumens zu Produkthaftpflicht - Zentral hierbei: Kollissionschutzsysteme - Reduzierte Nachfrage nach eigenen Autos bei der jüngeren Generation: die gemeinsame Autonutzung (Carsharing) nimmt zu (Reduktion des Versicherungsvolumens)
34 Seite 34 Mythen und Fehleinschätzungen (V) 640k should be all that any application will ever need (Bill Gates, 1981)
35 Seite Regulierung der Versicherungsindustrie
36 Seite 36 - Solvency II (2017?) - VVG-Reform und Versicherungsvermittlerrichtlinie - Unisex-Tarife in der EU - EU-Insolvenzsicherungsfonds. Re-Regulierung
37 Seite 37 Solvency II (2017?) - Aktuelle I.VW-Studie: Nichts passt im Standardmodell, die Einflüsse auf die Asset Allocation der Versicherer sind ökonomisch wiedersinnig; zudem: die tatsächlichen Ruinwahrscheinlichkeiten liegen deutlich von 0,5% entfernt; die Nicht-Hinterlegungspflicht für Staatsanleihen aus der EU ist politisch gewollt, im Sinne der Systemstabilität sehr gefährlich Unisex-Tarife in der EU - Aktuelle I.VW-Studie in 5 europäischen Ländern: Die Verwendung des Tarifierungsmerkmals Geschlecht wird von den Kunden nicht als negativ empfunden Vermittlerrichtlinie - Trotz geschätzten Kosten in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags fehlt jede Untersuchung, ob die Vermittlerrichtlinie zu besser informierten Kunden geführt hat
38 Seite 38 Thesen zur Zukunft der Versicherungsregulierung - Es wird und muss einen Trend in Richtung gute und nicht mehr Regulierung geben - Regulierungskonzepte werden sich in Zukunft einer fundierten Nutzen- / Kostenanalyse unterziehen müssen - Eine Fortführung des bisherigen Qualitätsstandards der Regulierung halte ich für ausgeschlossen
39 Seite Zusammenfassung und Ausblick
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