Karfreitag die Kreuzigung. Wir erinnern uns an das schwere Leiden und den qualvollen Tod, den Jesus erleiden musste. Das muss furchtbar gewesen sein.

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1 1 Predigt gestorben zur Vergebung unserer Sünden (Hebr. 9, 15.26b 28.) am Karfreitag, Karfreitag die Kreuzigung. Wir erinnern uns an das schwere Leiden und den qualvollen Tod, den Jesus erleiden musste. Das muss furchtbar gewesen sein. So schnell kann alles kippen: Eben noch der umjubelte Heiland, jetzt verspottet und gequält. Gestern haben wir noch gefeiert Gründonnerstag. Heute herrscht gähnende Leere in uns. Gestern haben wir haben wir an das Passahmahl erinnert, das Jesus mit seinen Jüngern feierte, das letzte Abendmahl. In der jüdischen Tradition dieses Passahfestes heißt es: Man muss das Geschehen nacherleben, um es verstehen zu können. Wer es nicht nacherlebt, kann es nicht verstehen. Gilt das auch für diesen Tag? Wir erleben den Tod nach diese gähnende Leere? Karfreitag Christen aller Zeiten haben immer wieder versucht, diesen Tag zu verstehen, mit dem Kopf und mit dem Herzen. Der Predigttext, den wir eben gehört haben, ist einer dieser Versuche: Jesu Tod wird als Sühnopfer gedeutet. Er ist gestorben, um uns von der Last und den Folgen unserer Sünden und Übertretungen zu erlösen. Er ist gestorben, um durch sein Opfer unsere Sünde aufzuheben.

2 2 Schwer zu verstehen, nicht? Was mag das bedeuten? Das fragen sich nicht nur Laien, sondern auch Theologen. Die Vorstellung vom Sühnopfer ist zentral in unserem Glauben, doch sie klingt irgendwie seltsam fremd für unsere Ohren, auch wenn sie uns ständig begegnet. In jedem Abendmahl: Und ebenso nahm er auch den Kelch nach dem AM, dankte, gab ihn den Seinen und sprach: Nehmt hin und trinkt alle daraus. Dieser Kelch ist das NT in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung eurer Sünden Diese Vorstellung vom Sühnopfer basiert letztlich auf der Schöpfungsgeschichte. Dort wird ja von der Ursünde erzählt, also davon, wie die Sünde in die Welt kam: Die Geschichte von Adam und Eva, die sich nicht an Gottes Wort und seine Regeln hielten, die die Früchte vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen aßen und deshalb aus dem Paradies verstoßen wurden. Von da an mussten sie ihr Leben alleine leben. Gott war nicht mehr ständig in der Nähe, es war eine Distanz entstanden. Adam und Eva mussten sich selbst durchschlagen, im Schweiße ihres Angesichts. Und das ist an sich erst einmal gar nicht so schlecht. Denn sie hatten plötzlich alle Möglichkeiten vor sich, sie konnten das Gute und auch das Böse wählen, sie konnten alles Glück der Erde erleben und sie mussten alles Leid und allen Schmerz ertragen. Diese Ambivalenz macht bis heute das Menschsein aus. Bis heute erleben wir alles und eben auch Leid und Schmerz und letztlich den Tod.

3 3 Bis heute können wir auch immer wieder das Gute wählen. Aber de facto wählen wir oft das, was nicht gut ist oder uns nicht gut tut, was uns in Schuld verstrickt, uns belastet oder Sorgen macht. In der Bibel heißt es, dass wir auch dunkle Anteile in uns haben. Es wird dort allerdings anders ausgedrückt. Die Bibel spricht von dem Bösen, dem Bösen in uns. Wenn wir dem nachgeben, sind die Folgen schwer wiegend und wir leiden darunter. Das Böse prägt uns, es hinterlässt Spuren. Deshalb beten wir: und erlöse uns von dem Bösen Dieses Böse passiert uns nicht einfach. Denn wir können wählen zumindest theoretisch. Die Früchte vom Baum der Erkenntnis zwischen gut und böse liegen vor uns. Aber manchmal erkennen wir erst zu spät, was gut und was böse ist. Im Verständnis der Bibel ist es so: Alles, was du tust, fällt auf dich zurück. Es hinterlässt Spuren, es legt sich wie eine Aura um dich herum. Je mehr Böses du tust, desto böser wirst du. Du bist darin gefangen. Diese Aura führt dazu, dass es dir schlecht geht. Wenn in der Bibel von Strafe die Rede ist, dann ist das gemeint. Wenn Gott als Richter bezeichnet wird, dann tut er eigentlich selber nichts: Du hast etwas Böses getan, und das zieht ganz von selbst bestimmte Konsequenzen nach sich: Du bist gefangen in deiner bösen Aura. Gott verurteilt dich nicht, das tut überhaupt nicht nötig. Du hast dich selbst gefangen.

4 4 Gott als Richter macht etwas anderes: Er kann dich freisprechen, sozusagen deine Sündenaura aufheben. Er kann dich befreien und erlösen. Im alten Israel gab es dazu eine Zeremonie, nämlich die vom Sündenbock. Die bösen Taten des einzelnen und die des Volkes wurden in einer feierlichen Zeremonie auf einen Ziegenbock oder ein Lamm übertragen, der dann in die Wüste gejagt wurde und dort umkam. Er starb für unsere Sünden. Die eigentliche Arbeit hat bei diesem Unternehmen Gott selbst: Er nimmt das Opfer an. Er nimmt die Sünden, die ganz gegenständlich verstanden werden, den Menschen ab und da er irgendwo damit hin muss, überträgt er sie auf den Bock. Wenn der stirbt, sterben mit ihm die Sünden. Nach dieser Zeremonie feierten die Menschen ein großes Fest. Denn sie waren frei! Sie waren die Belastungen los, die Sündenaura war weggenommen. Sie konnten wieder frei atmen: Halleluja, Gloria in excelsis deo! Es war ein Jubelfest, das Fest der Befreiung, und jeder einzelne wusste: Die Befreiung wird nur anhalten, wenn ich mich, wann immer es geht, anders entscheide: gegen das Böse und für Gott.

5 5 Und sie wussten auch: Wer am Fest der Befreiung nicht teilnimmt, bleibt gefangen. Der ist irgendwann so verstrickt in seine Aura des Bösen, dass er verloren ist. Dieses Verständnis von Verlorensein und Befreiung haben die ersten Christen aufgenommen. Sie haben gesagt: Jesus Christus ist das wahre Lamm Gottes! In seinem Leiden ist die Kraft der Sünde ein für alle mal aufgehoben worden und wir sind von ihr befreit! Gott hat uns die Last unserer Schuld abgenommen. Er trägt sie selbst für uns. Das ist Gnade. Gott hat sich für uns entschieden. Er weiß, dass wir alleine aus dem Teufelskreis der negativen Seiten in uns nicht herauskommen. Da hilft auch kein Sündenbock, dem wir unsere Schuld geben. Denn kaum sind wir sie los, machen wir da weiter, wo wir gerade aufgehört hatten. Gott sieht das. Er weiß das. Und er will diesen Teufelskreis durchbrechen. Er will uns wirklich eine neue Chance eröffnen. Das ist Gnade. Paulus sagt: Das ist wirklich Befreiung. Jesus rettet uns aus dem Teufelskreis. Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter aus diesen 5 Worten bestand das erste Glaubensbekenntnis der Christen.

6 6 Gott hat damit die Schöpfungsgeschichte weiter geschrieben. Als Adam und Eva den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen entdeckten und von seinen Früchten gegessen hatten, da kam mit der Erkenntnis auch das Gute und das Böse in die Welt. Beides war da, beides hatte Kraft. Das Böse, so heißt es in der Bibel, war tödlich. Es brachte Leid und Tod. So kamen Leid und Tod in die Welt und exakt dieser Punkt ist die Vertreibung aus dem Paradies. Im Paradies gab es beides nicht. Im Paradies war Gott ganz nahe kein ferner Gott, keine gnadenlose Welt. Wo Gott nahe ist, gibt es weder Leid noch Tod. Mit Adam und Eva kam der Tod, und Gott verschwand in die Ferne des Himmels. Die Menschen waren jetzt auf sich gestellt. Durch die Kreuzigung wird die Schöpfungsgeschichte weiter geschrieben. Gott selbst nimmt den Tod auf sich. Er nimmt diese Last von unseren Schultern. Er ist wieder nahe. Er überwindet den Tod Er schafft ihn nicht ab. Aber er trägt uns hindurch. Im Paradies hieß es: Wo Gott ist, da gibt es keinen Tod. Jetzt heißt es:wo Jesus ist, da hat der Tod keine Macht mehr.

7 7 Das ist die Botschaft unseres Glaubens: Es gibt nichts Böses mehr, das endgültig Macht über uns haben muss. Nicht einmal den Tod. Das wissen wir, denn wir gehören zu Gott. Darauf vertrauen wir, d.h.: Wir glauben daran. Spüren Sie die Unsicherheit? Wir leben immer noch in dieser Welt, in der es Gutes und Böses gibt. Wir leben nicht im Paradies und nicht im Reich Gottes. Die Kraft, die wir haben, die Energie, die Power ist unser Glaube. Wir vertrauen Jesus. Wir folgen ihm nach, wir werden Nachfolger. In der jüdischen Tradition heißt es: Man muss das Geschehen nacherleben, um es verstehen zu können. Die Befreiung nacherleben. Die Schuld und alles, was uns einzwängt, in Gottes Hände legen in Jesu liebende Hand. Und dann die Gnade annehmen. Das ist gar nicht so leicht. Wer Befreiung nacherlebt, der muss ja zumindest gemerkt haben, dass er nicht frei war, gefangen.

8 8 Ich war gefangen, und ich bin frei. Ich bin frei, mich Gott zuzuwenden, denn Jesus hat die Ferne überwunden. Gott ist nahe, ein liebender Vater, eine Mutter, die für uns da ist. Wir sind frei, mit Gott zu leben, in unserem Alltag. Kein ferner Gott mehr, er ist ganz nah. Er ist bei uns, wenn wir glücklich sind, und er ist uns nahe, wenn wir leiden. Wir können auf ihn hören, wir können unser Herz für ihn öffnen. Wir können mit ihm teilen, was uns belastet. Alles. Bis in den Tod. Das können wir. Müssen wir aber nicht. Denn wir sind frei. Bis ans Kreuz, bis in den Tod. Es ist unsere Entscheidung. Amen.