Erfahrungsbericht: Ontario-Baden-Württemberg Student Exchange (OBW) University of Guelph. Physik/Mathematik. September - Dezember 2015

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1 Erfahrungsbericht: Ontario-Baden-Württemberg Student Exchange (OBW) University of Guelph Physik/Mathematik September - Dezember 2015 Bewerbung und Vorbereitung Die Vorbereitung für meinen Auslandsaufenthalt begann rund ein Jahr zuvor mit der Bewerbung für das OBW-Programm. Hierfür galt es zunächst jegliche Bewerbungsunterlagen zusammenzustellen und u.a. einen TOEFL-Test für den Nachweis der persönlichen Englisch Kenntnisse zu absolvieren. Für diesen sollte man rechtzeitig einen Termin machen, da die Prüfungszentren nur eine beschränkte Kapazität besitzen und viele Studenten im Herbst einen solchen Nachweis benötigen. Des Weiteren empfehle ich auch bei guten Englisch Kenntnissen sich auf den Test vorzubereiten, da dieser nur sehr bedingt die sprachlichen Fähigkeiten prüft. Hierzu gibt es beispielweise einige Youtube- Tutorials, die den genauen Ablauf des Tests erklären. Nach der schriftlichen Bewerbung findet noch ein persönliches Auswahlgespräch an der Uni Heidelberg statt. Sollte man auch dieses erfolgreich meistern, erhält man recht bald Nachricht, dass man in das Programm aufgenommen wurde. Anschließend folgt die Auswahl der Universität, für die man drei Präferenzen angeben kann. Sobald man eine passende Universität zugeordnet bekommen muss man sich noch einmal direkt bei dieser bewerben und die Kurse für das kommende Semester wählen, sowie sich für das Studentenwohnheim (sofern gewünscht) bewerben. Neben den Bewerbungsformalitäten gibt es auch eine Reihe anderer Angelegenheiten, um die man sich rechtzeitig kümmern sollte. So sollte man den Flug mindestens zwei Monate vor Reisebeginn buchen. Außerdem, ist es empfehlenswert eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung abzuschließen, da die Krankenversicherung, die man von der Gastuniversität erhält nicht alle 1

2 Fälle abdeckt. Wer länger als sechs Monate in Kanada bleibt oder dort arbeiten möchte muss ein Study Permit beantragen. Unterkunft Da ich nur ein Semester in Kanada verbracht habe, habe ich mich für eine Unterkunft on-campus entschieden. Dies hat den Vorteil, dass man sich nach der Ankunft in Kanada nicht zusätzlich auch noch um eine Unterkunft kümmern muss und die Lage deutlich zentraler ist. Dem gegenüber steht jedoch, dass die Residences deutlich teurer sind als wenn man sich selbst um eine Unterkunft kümmert. Internationale Studenten werden in Guelph meist in den West- oder East-Residences untergebracht. In diesen hat man ein eigenes Zimmer und teilt sich ein Appartement mit Küche mit 2-4 anderen Studenten. Ich persönlich habe in den East-Townhouses gewohnt. Diese liegen praktischerweise direkt an den Sportanlagen und jegliche Vorlesungssäle erreicht man in 5-15 Gehminuten. Lediglich der nächste Supermarkt (No-Frills) ist etwas weiter entfernt. Da das Busnetz leider nicht vergleichbar ist mit deutschen Standards, habe ich mich in der Regel dazu entschieden dorthin zu laufen. Für eine Strecke habe ich rund 20 mins. gebraucht, was jedoch immer noch etwas schneller war als der Bus. Unileben Die University of Guelph schmückt sich mit dem Titel der fürsorglichsten Universität in Kanada. Einen Titel den ich absolut bestätigen kann. Noch vor Ankunft der kanadischen Studenten finden die Start International Days statt. In diesen Tagen bekommt man sämtliche Informationen über das Unileben und lernt jede Menge internationale Studenten (in meinem Fall rund 150 Studenten aus allen erdenklichen Ländern) statt. Vor allem der erste Kontakt mit anderen internationalen Studenten hat viel Spaß gemacht und war sehr interessant, weshalb diese Tage, meiner Meinung nach, ein absolutes Muss ist. Im Anschluss an die Einführungstage kommt mit der Ankunft der kanadischen Studenten eine Menge Leben auf dem Campus auf. In der ersten Woche findet die Orientation Week statt, bei der es viele Veranstaltungen auf dem Campus 2

3 gibt. Diese dient im Allgemeinen zu Begrüßung der neuen Erstsemester, jedoch sind die Veranstaltungen für alle Studenten. Das Unileben ist sehr stark durch den kanadischen Community-Gedanken bestimmt. So wird man regelmäßig per Mail über aktuelle Veranstaltungen informiert. Für internationale Studenten gibt es in einige Events an denen man teilnehmen kann. So werden beispielsweise Abende organisiert an denen man für Halloween Kürbisse schnitzt oder in der Weihnachtszeit Lebkuchen Häuser baut. Des Weiteren ist das Link-Programm sehr empfehlenswert. In diesem bekommt jeder internationale Student eine kanadischen Studenten zur Seite gestellt, der für jegliche Fragen zur Verfügung steht und einen guten Knotenpunkt im Kontakt mit kanadischen Studenten darstellt. Im Rahmen des Link-Programms werden außerdem viele Ausflüge angeboten. Beispielsweise zu den Niagara Fällen, einem Eishockey-Spiel, zum Klettern, ins Aquarium in Toronto und einige mehr. Ansonsten hat der Sport an kanadischen Unis einen großen Stellenwert. In Guelph ist die Nutzung der meisten Sportanlagen für Studenten kostenlos. Lediglich für das Gym, die Kletterhalle und für einige Kurse muss man zusätzlich zahlen. Jedoch sind die Beiträge, mit beispielsweise 39$ für das Gym im Semester, sehr gering. Empfehlenswert ist die Teilnahme an den Intramural Sports. Dabei handelt es sich um Uni-interne Wettbewerbe in sämtlichen Sportarten. So habe ich zum Beispiel eine Fußballmannschaft mit anderen internationalen Studenten gegründet, mit der ich dann rund einmal die Woche gegen andere Mannschaften gespielt habe. Neben dem Sport, gibt es eine Vielzahl an Clubs an der Uni. Diese werden zu Beginn des Semesters vorgestellt. Ein gutes Angebot liefert hierbei der Outdoors Club. Viele internationale Studenten schließen sich diesem an, da dieser einige Ausflüge organisiert, so zum Beispiel Campen im Algonquin Park, Reiten oder Eisklettern. Studieren Das studieren in Kanada unterscheidet sich von den Gegebenheiten in Deutschland. Während man in Deutschland unter dem Semester in erster Linie nur mit dem Besuch der Vorlesungen beschäftigt ist und der Hauptstress erst 3

4 mit der Klausurenphase aufkommt, wird man in Kanada stets dazu gezwungen am Ball zu bleiben. Das Undergraduate Programm erinnert sehr stark an das deutsche Schulsystem. So muss man oft Hausaufgaben erledigen, die anschließend benotet werden, sowie Essays und Projekte anfertigen. Zusätzlich zu den Final Exams am Semesterende, gibt es gibt es Zwischenprüfungen. Das Graduate Programm erinnert schon ein wenig mehr an deutsche Unis. Die Kurse hierfür sind in der Regel etwas aufwendiger, besitzen aber keine Zwischenprüfungen mehr. Die Final Exams werden teilweise durch Projekte ersetzt. Der Arbeitsaufwand ist von Fach zu Fach sehr unterschiedlich. Viele internationale Studenten waren zeitlich, wegen der wöchentlichen Assignements, sehr stark durch die Uni eingenommen. Ich hingegen als Physikstudent, habe eine absolut gegenteilige Erfahrung gemacht. Grund hierfür war das deutlich niedrigere Niveau der Vorlesungen. Vor allem meine Mathevorlesungen waren nicht sonderlich fordernd und hatten z.t. eher das Niveau von Oberstufen Mathe. Reisen Der Vorteil der wenig anspruchsvollen Kurse war, dass ich genügend Zeit zum Reisen an den Wochenenden hatte. Während die Stadt Guelph an sich eher wenige spannende Ziele zu bieten hat, hat Guelph zumindest den Vorteil, dass es, für kanadische Verhältnisse, recht zentral liegt. So konnte man innerhalb von 75mins mit dem Greyhound nach Toronto fahren und die Niagara Fälle, sowie die Grenze zu den USA, sind auch nur rund 2 Stunden entfernt. Vor allem Toronto hat einiges zu bieten, wie z.b. den CN-Tower, Toronto Islands oder den Toronto Christmas Market. Somit gibt es auch bei mehrmaligem Besuch immer noch etwas zu entdecken. Wenn man sich mit anderen Internationals ein Auto mietet, sind auch weiter Entfernte Ziele kein Problem. Dabei ist die Automietung, sowie die Spritpreise in Kanada sehr günstig. Gute Ausflugziele sind der Algonquin Park, Kingston (bzw. Thousand Islands), Ottawa, Montreal. Ich für meinen Teil, habe das Thanksgiving Wochenende für einen Trip nach New York genutzt. Die Busfahrt dauert rund 10 Stunden, sodass sich ein 4-4

5 tägiger Aufenthalt durchaus lohnt. Des Weiteren ist auch Chicago noch in guter Reichweite. Fazit Alles in allem bin ich super zufrieden mit meiner Zeit in Kanada. Die Kanadier sind ein sehr offenes und multikulturelles Volk, sodass es nicht schwer fällt sich schnell einzuleben. Ich habe viele Leute kennen gelernt und einige gute Freundschaften geschlossen. Die vielen Veranstaltungen mit anderen internationalen Studenten sowie das Reisen haben mit am meisten Spaß gemacht. Somit habe ich so viel Zeit wie nur möglich in solche Aktivitäten investiert. Aus Sicht der Physik hat mich Kanada nicht sonderlich weiter gebracht. Vielleicht wäre eine Projektpraktikum in einer Arbeitsgruppe oder der Besuch von fachfremden Vorlesungen eine spannendere Aufgabe gewesen. Da das Hauptaugenmerk meines Aufenthalts vielmehr auf dem Kennenlernen der kanadischen Kultur und des Landes lag, ist dies jedoch eher zweitrangig. Obwohl ich nur ein Semester in Guelph verbracht habe, habe ich unglaublich viele Eindrücke und Erfahrungen sammeln können an die ich mich noch sehr lange erinnern werde. Kanada war das absolut richtige Land für meinen Auslandsaufenthalt und ich bin mir sicher, dass ich irgendwann noch einmal Kanada zurückkehre. 5