Drohendes Beihilfeverfahren zur EEG-Begrenzung: Bewertung, Folgen, Empfehlungen
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- Frieda Junge
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1 Drohendes Beihilfeverfahren zur EEG-Begrenzung: Bewertung, Folgen, Empfehlungen Diverse Vertreter der Europäischen Kommission (EU-KOM) haben bestätigt, dass derzeit geprüft werde, ob wegen der Besonderen Ausgleichsregelung der 40 ff. EEG ein beihilferechtliches Prüfungsverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen sei. Die Besondere Ausgleichsregelung begrenzt für stromintensive Unternehmen die EEG-Umlage. Diese Begrenzungsregelung ist für diese Unternehmen von wirtschaftlich überragender Bedeutung. Sollte sie aufgrund eines Verstoßes gegen das Europäische Beihilferecht nichtig und die erhaltenen Vorteile zurückzugewähren bzw. nachzuzahlen sein, bedrohte dies die Existenz zahlreicher betroffener Unternehmen. Die deutsche Industrie würde in einem bisher nicht gekannten Maße Unternehmensinsolvenzen erleiden und grundlegend geschwächt. Im Folgenden wird erläutert, weshalb es sich bei der Besonderen Ausgleichsregelung um keine Beihilfe i.s.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt, es werden die Rechtsfolgen eines möglichen Beihilfeverfahrens aufgezeigt und Handlungsempfehlungen für den Fall der Durchführung eines solchen Verfahrens ausgesprochen. Besondere Ausgleichsregelung ist keine Beilhilfe Eine Beihilfe i.s.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV setzt eine Begünstigung voraus, die bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen aus staatlichen Mitteln gewährt wird und die den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht, indem sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Die besondere Ausgleichsregelung erfüllt nach unserer Ansicht diese Voraussetzungen nicht. Wir meinen, dass die Vorteile, die die 40 ff. EEG den stromintensiven Unternehmen in Form der Begrenzung der EEG-Umlage einräumen, zumindest nicht aus staatlichen Mitteln stammen, und zwar aus folgenden Gründen: Der EuGH hat in seinen Grundsatzurteilen Van Tiggele und PreussenElektra klargestellt, dass Vorteile, die Unternehmen infolge staatlicher Preisregelungen zukommen, nicht aus staatlichen Mitteln stammen. Damit ist höchstrichterlich entschieden, dass staatliche Preisregelungen, mit denen Private zur Gewährung eines Vorteils gegenüber einem Dritten verpflichtet werden, keine Beihilfen darstellen. Es fehlt in diesen Fällen an der Übertra- 1
2 gung von staatlichen Mitteln an die Begünstigten. Für den gewährten Vorteil sind keine staatlichen, sondern private Mittel kausal. Bei der Begrenzung der EEG-Umlage nach 40 ff. EEG zu Gunsten stromintensiver Unternehmen handelt es sich um eine solche staatliche Preisregelung. Mit der Besonderen Ausgleichsregelung hat der Staat lediglich innerhalb eines vertraglichen Schuldverhältnisses unter Privaten den Preis zu Gunsten der einen und zu Lasten der anderen Partei festgesetzt: Zwischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EltVU) und stromintensiven Unternehmen (Letztverbrauchern) besteht ein vertragliches Schuldverhältnis (Stromliefervertrag). Gegenstand des Stromliefervertrages ist ein Kaufgeschäft gemäß 433 BGB, und zwar Übereignung von Strom gegen Zahlung des Kaufpreises. Die Einigung über den Kaufpreis, also über den Strompreis, unterliegt der Privatautonomie und ist damit der Höhe nach grds. frei verhandelbar. Die Stromhändler verlangen zumeist einen Strompreis, der aus verschiedenen Preiskomponenten besteht. Der Gesamt-Strompreis setzt sich regelmäßig zumindest aus den Positionen Energiepreis, Stromsteuer und EEG-Umlage zusammen. In diese Vertragsverhältnisse greift 40 EEG ein und ordnet an, dass EltVU die EEG- Umlage nach Maßgabe des 41 EEG nur in begrenztem Umfang an die begünstigten stromintensiven Unternehmen weitergeben dürfen. Die Regelung bestimmt somit zu Lasten der EltVU und zu Gunsten der stromintensiven Unternehmen für einen Preisbestandteil des Stromliefervertrages eine Maximalhöhe. Es wird eine Preisreglung getroffen. Damit stammt die Begünstigung nach unserem Verständnis unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH nicht aus staatlichen Mitteln. Es liegt bereits unter diesem Aspekt keine Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV vor. Gestützt wird dieses Ergebnis durch weitere Argumente, auf deren Darstellung jedoch wegen des vorgegebenen Umfangs dieses Beitrages verzichtet werden muss. Es wird insoweit auf die vertieften Ausführungen in unserem einschlägigen Fachbuch verwiesen, das am Ende des Beitrags konkret bezeichnet wird. Rechtsfolgen eines Beihilfeverfahrens Würde die EU-KOM gleichwohl ein beihilferechtliches Prüfungsverfahren wegen der 40 ff. EEG eröffnen, dürften diese Vorschriften nicht mehr angewendet werden. Mit Verfahrenseröffnung gilt automatisch das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 2
3 AEUV. Damit dürfte insbesondere das BAFA keine neuen Bewilligungsbescheide zur Begrenzung der EEG-Umlage gemäß 43 EEG mehr erlassen. Bereits vorher erlassene Bescheide blieben aber (zunächst) wirksam. Das Durchführungsverbot beseitigt insoweit nicht die Geltung dieser Verwaltungsakte. Endete das beihilferechtliche Prüfungsverfahren mit einer Negativentscheidung, in welcher die EU-KOM die Unvereinbarkeit der Besonderen Ausgleichsregelung mit dem Europäischen Beihilferecht feststellte, dann hat sie grds. eine Rückforderungsanordnung zu treffen. Mit der Rückforderungsanordnung verpflichtete die EU-KOM den deutschen Staat dazu, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Beihilfe von den Begünstigten zurückzufordern. Rückforderungsanordnungen kommen für einen (rückwirkenden) Zeitraum von 10 Jahren in Betracht. Von der Rückforderungsanordnung muss die EU-KOM absehen, wenn ihre Befugnis hierzu bereits verjährt ist oder der Erlass gegen einen allgemeinen Grundsatz des EU-Rechts verstößt. Verjährt wäre die Befugnis wegen der geltenden 10-jährigen Verjährungsfrist nicht. Es sprechen aber einige Argumente dafür, dass der Erlass einer Rückforderungsanordnung gegen den auch europarechtlich anerkannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieße. Die Unverhältnismäßigkeit ließe sich unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes, des Rechtsstaatprinzips sowie der außerordentlichen und existenzbedrohenden Auswirkungen für die deutsche Industrie begründen. Erließe die EU-KOM wegen der Besonderen Ausgleichsregelung eine Rückforderungsanordnung, hätte der deutsche Staat dafür Sorge zu tragen, dass die stromintensiven Unternehmen die durch die EEG-Begrenzung erhaltenen Vorteile zurückgewähren, also die Differenz zwischen der geleisteten begrenzten EEG-Umlage und der vollen EEG-Umlage nachzahlen. Die Umsetzung dieser Verpflichtung ist jedoch rechtlich problematisch und zweifelhaft. Im ersten Schritt müsste das BAFA versuchen, die erteilten Begrenzungsbescheide gemäß 48 VwfG (Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte) zurückzunehmen. Dies ist nicht ohne weiteres möglich. Die Rücknehmbarkeit rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte, die wie hier einen rechtlich erheblichen Vorteil begründen, ist nämlich gemäß 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beschränkt. 3
4 Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide durch das BAFA dürfte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus den gleichen Gründen wie eine Rückforderungsandrohung der EU-KOM verletzen. Für einen überwiegenden Vertrauensschutz spräche, dass das BAFA gegenüber den begünstigten stromintensiven Unternehmen zu keinem Zeitpunkt auf eine etwaige Unionswidrigkeit der Entlastungstatbestände hingewiesen hat. Insbesondere enthielten die Bewilligungsbescheide gerade keinen Widerrufsvorbehalt, der ein Vertrauen der begünstigten stromintensiven Unternehmen in den Bestand der gewährten Entlastungen hätte erschüttern können. Es gab bis in die jüngste Vergangenheit auch keine kritischen Äußerungen von den EU-Behörden. Würde das BAFA die Bewilligungsbescheide trotzdem erfolgreich zurücknehmen, dann wären die Übertragungsnetzbetreiber und Stromhändler zunächst weder wegen der nicht mehr anwendbaren 40 ff. EEG noch wegen erteilter Bewilligungsbescheide gehindert, bisher eingesparte EEG-Umlagen nachzufordern. Die nachträgliche Belastung dürfte aber dennoch daran scheitern, dass der EEG-Belastungsausgleich jährlich durchzuführen und ein endabgerechneter Jahresbilanzausgleich grds. nicht mehr abgeändert werden darf. Die Lastenrichtigkeit tritt zugunsten der endgültigen Lastenklarheit zurück, die durch die ordnungsgemäße und fristgerechte Endabrechnung für den Belastungsausgleich des betroffenen Jahres hergestellt wird (vgl. Gent/Nünemann/Maring, Zur rückwirkenden EEG- Belastung von Arealnetzkunden, ZNER 2010, S. 251; a.a. LG Halle, Urteil v , Az. 4 O 1808/11). Hieran änderte nach unserer Auffassung auch die Ausnahmeregelung des 38 EEG (Nachträgliche Korrekturen) nichts, da deren Anwendungsbereich nicht eröffnet wäre. Nachträgliche Korrekturen ließe 38 EEG lediglich für die abzurechnende Strommenge oder Vergütungszahlung zu. Gemeint sind hiermit die von den EEG-Anlagebetreibern eingespeisten EEG-Mengen und für diese erhaltenen Vergütungszahlungen, wie sich aus der Systematik des EEG-Belastungsausgleichs ergibt. Diese Mengen und Vergütungen blieben unverändert, wenn die BAFA-Bescheide aufgehoben würden. Der Anwendungsbereich des 38 EEG wäre somit in diesen Fällen nicht eröffnet. Aber selbst wenn man fälschlich auch die von den EltVU zu entrichtende EEG-Umlage in den Anwendungsbereich einbeziehen wollte, wäre 38 EEG nicht einschlägig. Die Regelung erfasst nur Mengen und Vergütungen, die bereits vor der Endabrechnung streitig waren (vgl. BT-Drs. 16/8148, S. 64; Gent/Nünemann/Maring, ebenda). Einen solchen Streit gab es im Hinblick auf die ge- 4
5 mäß BAFA-Bescheid begrenzte EEG-Umlage zum Zeitpunkt der jeweiligen betroffenen Abrechnungsjahre in der Vergangenheit nicht. Sollte das Nachforderungsbegehren der Übertragungsnetzbetreiber und der Stromhändler nicht aus den vorstehenden Gründen scheitern, könnten die stromintensiven Unternehmen der rückwirkenden EEG-Belastung schließlich noch entgegenhalten, dass möglicherweise das gesamte Fördersystem des EEG und damit auch der EEG-Belastungsausgleich gegen das EU-Beihilferecht verstößt. Ist das gesamte EEG nicht EU-rechtskonform, wäre einer nachträglichen Belastung der stromintensiven Unternehmen die Grundlage entzogen. Ergebnisse und Empfehlungen Es sprechen belastbare Argumente dafür, dass den stromintensiven Unternehmen über die Besondere Ausgleichsregelung der 40 ff. EEG keine Beihilfe i.s.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt wird. Die vielseitigen Bemühungen, die EU-KOM von der Eröffnung eines beihilferechtlichen Prüfungsverfahrens abzuhalten, sollten daher fortgesetzt werden. Die gegebenen Argumente sollten im Vorfeld eines formellen Verfahrens substantiiert vorgetragen werden. Zudem sollten stromintensive Unternehmen das BAFA um schnelle Entscheidung über die beantragte EEG-Begrenzung für das kommende Jahr nachsuchen, bevor dieser im Falle der Eröffnung eines Beihilfeverfahrens ein Durchführungsverbot entgegenstünde. Eröffnet die EU-KOM ein Beihilfeverfahren, sollten alle betroffenen Unternehmen und ihre Interessenverbände das Recht auf Stellungnahme nutzen. Der EU-KOM muss dann verdeutlicht werden, dass die deutsche Industrie auf die EEG-Begrenzung existenziell angewiesen ist, sie die Regelung mit allen rechtlichen Mitteln verteidigen wird und es hierfür erfolgsversprechende Rechtsargumente gibt. Erlässt die EU-KOM eine Negativentscheidung, sollten die betroffenen Unternehmen hiergegen Rechtsmittel einlegen. Strebt das BAFA die Aufhebung erteilter Bewilligungsbescheide an oder fordern Übertragungsnetzbetreiber oder Stromhändler die Nachzahlung von bisher eingesparten EEG-Umlagen, sollte auch hiergegen eine rechtliche Verteidigung erwogen werden. Die Betroffenen sollten zudem prüfen, ob und ggf. wann sie Rückstellungen bilden. 5
6 Abschließend möchten wir die Lektüre unseres Fachbuchs Strompreisentlastungen für Unternehmen in der beihilferechtlichen Bewertung, Gent/Hädrich/Herbort, ISBN , nahelegen, welches u.a. unmittelbar über den Verlag per für einen Preis von 69,00 bezogen werden kann. In dem Fachbuch werden die im hiesigen Artikel aufgezeigten Ansätze vertieft dargestellt und rechtlich mit Belegen aus der EuGH-Rechtsprechung begründet. Hannover, 28 Oktober 2013 RA Dr. Kai Gent M.L.E. / RAin Yvonne Hädrich RITTER GENT COLLEN Lüerstraße 3, Hannover Tel.: hannover@ritter-gent.de 6
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