1.7 Prüfungsangst als Konsequenz innerer Störprogramme

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1 1.7 Prüfungsangst als Konsequenz innerer Störprogramme Die meisten psychotherapeutischen Konzepte basieren auf der Annahme, daß durch logisches Denken allein keine psychischen Probleme gelöst werden können. Im Gegensatz dazu versucht ein in-tegratives Verfahren, das in der Mitte der 50er Jahre von dem Amerikaner Albert Ellis entwickelt wurde, bei der Lösung emotionaler Probleme in hohem Maße die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen zu berücksichtigen, um Verhaltensweisen zu beeinflussen und grundlegende Persönlichkeitsveränderungen zu bewirken. Ellis nannte seinen Ansatz zunächst Rationale Psychotherapie". Um die Mitberücksichtigung gefühlsmäßiger, emotionaler Aspekte des menschlichen Verhaltens zum Ausdruck zu bringen, wählte er für sein Erklärungsmodell und seine Behandlungsmethode später die Bezeichnung Rational-Emotive-Therapie (RET). Die Rational-Emotive-Therapie ist eine Technik der kognitiven Umstrukturierung, also einer Umstellung und Neubewertung von Gedanken, Einstellungen und Vorstellungen eines Menschen. Bei dieser Methode wird versucht - in Selbstgesprächen, gegebenenfalls mit Hilfestellung eines erfahrenen Therapeuten - über das Denken (die Ratio) auch die Gefühle (die Emotionen) anzusprechen und zu verändern. In uns allen hat sich im Laufe unseres Lebens ein ganzes Bündel von Vorurteilen, Meinungen und meist bruchstückhaften, nicht überprüften und wirklichkeitsfremden Ansichten entwickelt. Unsere Sicht der Dinge funktioniert wie ein Störsender, der vernünftige, realitätsorientierte Gedanken überlagert und der mit den von ihm ausgesandten Störprogrammen in uns Sorgen, Angst und Ärger hervorruft. Nach Albert Ellis gibt es im wesentlichen drei Arten solcher Störprogramme (Irrmeinungen, irrationale Annahmen). Störprogramm 1: Ich muß in allem und jedem perfekt sein." Störprogramm 2: Jeder muß mich gern haben." Störprogramm 3: Das Leben muß es gut mit mir meinen." Innere Störsender" können Ihnen das Leben erheblich erschweren. Je mehr Ihre Gedanken durch innere Störprogramme beeinflußt w.erden, desto mehr können Sie durch äußere Ereignisse in Angst versetzt werden. Angst entsteht in vielen Fällen aus überzogenen Ansprüchen an sich selbst oder an andere oder aus dem grundsätzlichen Bestreben heraus, Anforderungen aus dem Weg zu gehen. Ein probates Mittel zur Eliminierung der Werbesprüche" dieser Störprogramme besteht darin, die überspitzten

2 Schwarz-Weiß-Feststellungen durch realitätsbezogene Aussagen zu ersetzen, also gleichsam ein Anti-Störprogramm zu entwickeln (vgl. Tabelle 2). Verjagen Sie Angstgeister", die Sie bedrängen. Wenn Sie sich vor irgendeinem Mißerfolg fürchten, dann sollten Sie sich kein Schreckgespenst ausmalen, sondern nüchtern und sachlich überlegen: Was ist, wenn...?" Was kann ich dabei verlieren?" Was kann ich dabei gewinnen?" Tabelle 2: Stör- und Anti-Störprogramme Störprogramm Wenn ich nicht perfekt bin, bin ich nichts wert." Anti-Störprogramm Fehler sind menschlich. Wenn nicht jeder nett zu mir ist, bekomme ich Angst." Die Schule sollte nur Spaß machen und keine Anstrengung sein. Wenn etwas Mühe macht, bekomme ich Angst davor. Alles muß bequem sein. Ich habe Anspruch auf Gerechtigkeit und Fairneß." Nicht jeder kann mich mögen -ich mag ja auch nicht jeden." Ohne Fleiß kein Preis! Wenn mir etwas Mühe macht, ist das unter Umständen zwar unangenehm, aber es ist auszuhalten. Wenn mich jemand ungerecht und unfair behandelt, ist das zwar nicht schön, aber ich kann damit leben. Die Schule sollte nur Spaß machen und keine Anstrengung sein. Wenn etwas Mühe macht, bekomme ich Angst davor. Alles muß bequem sein. Ich habe Anspruch auf Gerechtigkeit und Fairneß." Ohne Fleiß kein Preis! Wenn mir etwas Mühe macht, ist das unter Umständen zwar unangenehm, aber es ist auszuhalten. Wenn mich jemand ungerecht und unfair behandelt, ist das zwar nicht schön, aber ich kann damit leben." Falls Sie eine Prüfung nicht bestehen, werden zwar sicher einige unangenehme Dinge auf Sie zukommen, aber niemals die Katastrophe, vor der Sie sich in Ihrer Phantasie gefürchtet haben. Jedes Ding hat bekanntlich zwei Seiten. Sie verlieren durch ein nicht bestandenes Examen vielleicht ein Jahr, Sie könnten aber die Einsicht gewinnen, daß ein anderer Schul- oder Berufsweg für Sie günstiger wäre. Denken Sie daran: Im Leben fängt man dann und wann wieder mal von vorne an. Wilhelm Busch

3 Halten Sie sich an das Motto: Niemals anfangen, jemals aufzuhören, und nie aufhören, immer wieder anzufangen. Ursache vieler Ängste sind furchtauslösende Einstellungen. Den Zusammenhang zwischen solchen Angstgefühlen und unseren angstmachenden Gedanken bezeichnet man als ABC der Gefühle." A: Situation ( Was passiert?") B: Bewertung ( Wie denke ich darüber?") C: Gefühl ( Wie fühle ich mich?") Aus den Beispielen zum ABC der Gefühle" im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Prüfung (Tabelle 3) können Sie ersehen, daß nicht die jeweilige Situation ausschlaggebend ist für die Gefühle, die daraus resultieren, sondern Ihre Bewertung dieser Situation: Nicht die Dinge an sich beunruhigen den Menschen, sondern die Einschätzung dieser Dinge. Epiktet Eine negative Bewertung einer Situation ( gefährlich", schlimm", unerträglich", katastrophal") führt zu negativen Gefühlen (depressive Verstimmungen, Traurigkeit, Angst, Wut), eine Einschätzung: Weder gut noch schlecht", gleichgültig" führt zu neutralen Gefühlen (Ausgeglichenheit, Ruhe) und eine positive Bewertung führt zu positiven Gefühlen (Freude, Glück...). Das folgende Schema (Abb. 6) zeigt Ihnen, wie Sie sich die Erkenntnisse der Rational-Emotiven-Therapie zur Bewältigung Ihrer Prüfungsängste nutzbar machen können.

4 Tabelle 3: Beispiele zum ABC der Gefühle" im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Prüfung Beispiel 1 Beispiel 2 A: Situation Ich muß mich in einem Monat einer Auswahlprüfung unterziehen." B: Bewertung Vor lauter Aufregung werde ich bestimmt mental blockiert sein. Ich werde die Prüfung sicherlich nicht bestehen. Wenn ich durchfalle, wäre das eine Katastrophe. Ich könnte niemandem mehr unter die Augen treten und ich würde die Schande nicht ertragen.",lch habe mich auf die Prüfung gut vorbereitet. Selbst wenn ich kurzzeitig geistig blockiert sein sollte, ist das kein Weltuntergang. Ich werde zur Überwindung des Blackouts in einem solchen Fall einige Male tief durchatmen und mich entspannen. Prüfer sind auch nur Menschen und haben für solche Situationen in der Regel Verständnis. Wenn ich das Examen nicht bestehe, wäre das zwar unangenehm, aber keine Katastrophe. Ich wäre nicht der erste Mensch, der eine Prüfung wiederholen muß und der dabei sogar positive Erfahrungen macht." C: Gefühl Ich bin stark angespannt, verunsichert und ängstlich." Ich bin leicht angespannt und fühle mich relativ ausgeglichen und sicher."

5 Abb. 6: W enn Sie ein Angstgefühl befällt Vermeiden Sie kognitive Irrtümer! Negative Denkprogramme führen zu einer unrealistischen oder falschen Einschätzung und Wahrnehmung einer Situation, zu einer Fehlinterpretation, die in der Psychologie als kognitiver Irrtum" bezeichnet wird. Solche Interpretationen sind unlogisch, übertrieben oder ganz einfach völlig falsch, und sie können die Wahrnehmung der Realität vollkommen verzerren. Wie man sich durch solche Fehlinterpretationen selbst an der Nase herumführen kann, beschreibt Paul Watzlawick in der Geschichte mit dem Hammer": 9 Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel:,Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich!' Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er,guten Tag' sagen kann, schreit ihn unser Mann an:,behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!'"

6 Leider sind kognitive Irrtümer oftmals so tief verwurzelt, daß Menschen auch noch daran festhalten, wenn man ihnen das Gegenteil beweist. Kognitive Irrtümer lassen sich korrigieren, wenn man seine negativen Denkprogramme überprüft und neue Denkweisen erlernt, die einem neue Perspektiven eröffnen. 9 Watzlawick, P.: Anleitung zum Unglücklichsein. R. Piper & Co. Verlag, München 1983, S. 35 f Programmieren Sie Ihr Denken neu! Zunächst müssen Sie Ihre unvernünftigen und schädlichen Denkinhalte erkennen und analysieren. Diese Denkmuster haben sich oft zu festsitzenden Reflexen" verfestigt, die sich durch einen willentlichen Entschluß nicht mehr so ohne weiteres abstellen lassen. Sie können solche Denkinhalte nur beseitigen, indem Sie über längere Zeit üben, Ihre Gedanken zu steuern, also negative Denkgewohnheiten abzubauen ( Negativ-Entsorgung") und andererseits versuchen, sich positives Denken anzugewöhnen ( Positiv-Versorgung"). Positiv-Versorgung heißt: Oftmaliges Beschäftigen mit Ausschnitten aus positiven Selbstgesprächen, systematischer Einsatz von bewußt in eine konstruktive Richtung gelenkten Gedanken oder das Einüben günstigerer Denkmuster durch den regelmäßigen Gebrauch von Vorsatzformeln. Schlimmer als Krebs und Herzinfarkt sind negative Vorstellungen. Sie sind die Geißel der Menschheit. Hannes Lindemann Was wir in uns nähren, das wächst; das ist ein ewiges Naturgesetz. Johann Wolfgang von Goethe Negative Selbsteinreden stehen Ihren Erfolgschancen im Weg. Viele Menschen reden sich unablässig etwas ein: Müdigkeit, Langeweile, unfreundliche Kollegen, etc. Fördern Sie Ihre destruktiven Selbsteinreden zutage und machen Sie regelmäßig Klar Schiff", damit negative Autosuggestionen in Ihrem Körper nicht wie ein Gift wirken und Sie lahmen können. Wer von vornherein zu wissen glaubt wie der Hase läuft", verzichtet deshalb meist auf Aktivitäten. Drehen Sie negative Selbsteinreden um. Wenn Sie hemmende Autosuggestionen mit positivem Akzent versehen, werden sie zum Motor und zur Richtschnur Ihres Handelns. Trainieren Sie das Umkehrverfahren mit Hilfe der in Tabelle 4 genannten Selbsteinreden. Die Liste hemmender Gemeinplätze" läßt sich in den leeren Feldern beliebig erweitern.

7 Tabelle 4: Umkehr hemmender Selbsteinreden in impulsgebende Autosuggestionen Hemmende Selbsteinrede Aller Anfang ist schwer." Hat doch alles keinen Zweck." Was Manschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Den Letzten beißen die Hunde." Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um." Man merkt die Absicht, und man wird verstimmt." Impulsgebende Selbsteinrede Frisch gewagt ist halb gewonnen." Ich schaffe es!" Was Manschen nicht gelernt hat, kann Hans sehr wohl noch lernen." Die Letzten werden die Ersten sein." No risk, no fun." Hindernisse sind dazu da, daß sie überwunden werden."