Medienkonferenz zum Aktueller Stand des Pilotprojekts: Flüchtlinge als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft
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- Margarethe Richter
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1 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD Staatssekretariat für Migration SEM Medienkonferenz zum Aktueller Stand des Pilotprojekts: Flüchtlinge als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft Referat von Staatssekretär Mario Gattiker Datum: 22. Juni 2016 ES GILT DAS GESPROCHENE WORT Sehr geehrte Damen und Herren Das erste Jahr im Pilotprojekt des Schweizer Bauernverbands hat eindeutig gezeigt: Die Arbeitseinsätze waren ein Erfolg. Arbeitgebende und Arbeitnehmende waren zufrieden. Die Flüchtlinge hatten Freude an den Arbeitseinsätzen, ihre Sprachkenntnisse gefestigt und viel gelernt im Team arbeiten, mit Maschinen umgehen, Gemüse abpacken oder Traktor fahren. Das Gelernte, aber auch der Nachweis, mehrere Monate in der Landwirtschaft gearbeitet zu haben, hilft bei der weiteren Stellensuche. Auch die Betriebe waren mit ihren Arbeitskräften zufrieden. Dazu wird Ihnen Jacques Bourgeois gleich mehr sagen. Das Pilotprojekt schafft Perspektiven: Ein Teilnehmer hat nach seinem Einsatz eine Ausbildung in der Landwirtschaft begonnen. Andere wurden dieses Jahr wieder vom Betrieb angestellt. Zudem haben alle Teilnehmenden während ihrer Einsätze den üblichen Minimallohn verdient, also nicht bloss ein Taschengeld. Das ist ein Anreiz, wieder eine Stelle zu suchen. Dass dies die Sozialhilfe entlastet, versteht sich von selbst.
2 Das SEM unterstützt das Pilotprojekt des Schweizer Bauernverbands, weil es Fragen beantwortet, die bisher unbeantwortet geblieben sind: Können Flüchtlinge im Arbeitsmarkt Landwirtschaft integriert werden? Unter welchen Umständen gelingt es? Was bringt das den Flüchtlingen, was den Betrieben? Wir brauchen diese Antworten, damit anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene möglichst rasch in der Schweizer Arbeitswelt Fuss fassen können. Ziel dieses Projektes ist es nicht, möglichst vielen Flüchtlingen einen Arbeitseinsatz zu verschaffen. Nein - wir wollen wissen, was es braucht, damit sie eine Stelle finden. Deshalb ist das Projekt mit 15 Teilnehmern pro Jahr bewusst klein gehalten. Es handelt sich auch nicht um ein Beschäftigungsprogramm für Asylsuchende, die noch auf ihren Entscheid warten; beteiligt sind ausschliesslich anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene. Was also haben wir im ersten Projektjahr gelernt? Letztes Jahr war es schwierig, genug Betriebe zu finden. Dieses Jahr haben wir genug Betriebe, konnten aber nicht allen eine Arbeitskraft vermitteln. Schwierigkeiten bei so vielen Bauernbetrieben und so vielen Flüchtlingen in der Schweiz? Das mag erstaunen, hat aber Gründe. Ein Grund ist der ziemlich komplexe Ablauf in diesem nationalen Projekt. Der Schweizer Bauernverband sucht von Brugg aus Betriebe im ganzen Land und leitet die Anmeldungen an das SEM weiter. Das SEM betreut selber keine anerkannten Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen. Also leitet es die Anmeldungen an die Kantone weiter, welche die Betreuungsorganisationen kontaktieren, die dann die Teilnehmenden suchen. Diese doch ziemlich umständliche Kette ist schwerfällig, zeitaufwändig und manchmal pannenanfällig. Mit anderen Worten: Koordiniert wird zwar national, doch die Umsetzung erfolgt vor Ort, dort, wo die wichtigsten Akteure sind: Die Flüchtlinge, die Betriebe, die kantonalen Stellen, die Sozialhilfe auf den Gemeinden. 2/5
3 Deshalb ist es erfreulich, dass das nationale Pilotprojekt bereits Kantone zu eigenen Initiativen inspiriert hat. Das ist ja auch ein Ziel des Projekts eine Breitenwirkung zu erzielen. In Luzern, Zug, Neuenburg, Genf und im Waadtland haben Kantone und kantonale Bauernverbände gemeinsam Projekte entwickelt. Das vereinfacht die Suche nach Betrieben und Teilnehmern. Und hat den Vorteil, dass sich die Einsätze mit einem berufsbezogenen Sprachkurs für alle Teilnehmenden oder mit einer Vorbereitung auf den Arbeitseinsatz kombinieren lassen. Zweitens ist die Suche nach Teilnehmenden nicht immer ganz einfach. Die Flüchtlinge müssen sich sprachlich verständigen können, körperlich fit sein und sollten Affinitäten zur Landwirtschaft haben. Vor allem aber müssen sie bereit sein, bei Wind und Wetter draussen zu arbeiten und schwere Arbeit zu leisten. Dazu kommt der Wohnort: Wenn der Betrieb keine Arbeitskräfte beherbergen kann, muss jemand gefunden werden, der den Anforderungen entspricht UND in der Nähe lebt, damit er zur Arbeit pendeln kann. Wenn der Flüchtling während des Einsatzes auf dem Betrieb leben soll, muss jemand gefunden werden, der bereit ist, für drei oder auch acht Monate den Wohnort zu wechseln. Das kann die Suche erschweren. Bei der Suche nach Teilnehmende sind die Sozialhilfe- und Betreuungsstellen der Flüchtlinge gefordert. Natürlich kann die Vorstellung von langen Tagen draussen in der Hitze oder im Regen abschreckend wirken. Auch die Aussicht, monatelang auf einen abgelegenen Betrieb oder in einem Bergtal zu leben, kann grosse Zweifel auslösen. In solchen Fällen dürften die Betreuungspersonen ruhig etwas Überzeugungsarbeit leisten. Und mit Nachdruck darauf hinweisen, dass bei der Integration das Prinzip Fördern und Fordern gilt: Flüchtlinge erhalten Sozialhilfe, Sprachkurse, sie nehmen an Integrationsprogrammen teil. Von ihnen erwartet der Staat im Gegenzug, dass sie sich aktiv ihrer Integration beteiligen, auch auf dem Arbeitsmarkt. Das kann eben auch heissen, einige Monate ungewohnte Arbeit zu verrichten oder an einem anderen Ort zu leben. Auch diese Erkenntnis werden wir mit den Akteuren besprechen. 3/5
4 Zusammengefasst: Die Einsätze im ersten Jahr sind erfolgreich verlaufen. Wir haben aus den Schwierigkeiten gelernt. Und wir haben einen Impuls gesetzt, der Projekte auf kantonaler Ebene in Gang setzte. Das Pilotprojekt liegt richtig. Und es ist nötig: In den letzten zwei Jahren hat die Schweiz je rund Asylsuchende als Flüchtlinge anerkannt oder vorläufig aufgenommen. Rund die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche. Sie wollen wir in die Schule und in eine Ausbildung schicken. Die andere Hälfte ist im erwerbsfähigen Alter. Sie wollen wir in den Arbeitsmarkt bringen. Doch der Weg zu einer Arbeitsstelle ist lang. Eine Eritreerin, ein Syrer muss zuerst die Sprache und damit eine neue Schrift lernen, denn sonst ist es unmöglich, eine Stelle zu finden. Das lässt sich nicht in ein paar Monaten erledigen. Dann kommt die Frage der Ausbildung: Viele haben keine Berufsbildung. Andere haben ein Diplom, das hier nicht anerkannt wird oder eine Nachbildung verlangt. Deshalb kann ein diplomierter Bauzeichner oder eine ausgebildete Krankenschwester hierzulande höchst selten einfach in den Beruf einsteigen. Für ihre Integration in den Arbeitsmarkt sind zusätzliche Massnahmen nötig. Bund und Kantone verbessern seit einigen Jahren die Potenzialabklärungen, damit Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene rasch in den Arbeitsmarkt kommen. In jedem Fall ist es nötig, dass sie in der Praxis lernen, wie die Arbeitswelt hier funktioniert. Diese Erfahrungen können sie auch auf einem Bauernbetrieb machen. Die einen werden anschliessend in der Landwirtschaft eine Perspektive finden. Andere werden in anderen Branchen weiter suchen, aber sie haben auf dem Landwirtschaftsbetrieb Dinge gelernt, die ihnen auch anderswo nützen. Wieso soll das nationale Pilotprojekt überhaupt weiter laufen, wenn die Durchführung relativ kompliziert ist? 4/5
5 Weil der Bauernverband und das SEM drei Jahre lang direkte Erfahrungen sammeln und die nötigen Grundbedingungen definieren wollen, damit die Arbeitsmarktintegration in der Landwirtschaft für Flüchtlinge und für Betriebe stimmt. Diese Erfahrungen werden aufzeigen, welche Rahmenbedingungen es auf nationaler Ebene braucht, um Impulse für weitere Projekte auf kantonaler Ebene zu geben. Weil wir aufzeigen wollen, dass es für Flüchtlinge in der Landwirtschaft Arbeitsperspektiven gibt und dass die Betriebe unter Flüchtlingen geeignete Arbeitskräfte in der Region finden können, anstatt sie im Ausland zu rekrutieren. Das ist ein Beitrag zur Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung. Und weil die Schwierigkeiten bisher in der Organisation liegen, nicht in den eigentlichen Einsätzen. Diese waren mehrheitlich erfolgreich und haben sowohl Flüchtlingen wie Betrieben etwas gebracht. Das ist das Wichtige. Das Projekt setzt die richtigen Impulse, damit die Arbeitsintegration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen beschleunigt werden kann. Die Breitenwirkung dieses Projekts wird noch etwas Zeit brauchen, aber sie wird kommen. 5/5
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