Die Auswirkungen aktueller europäischer Reformoptionen im Steuerrecht auf gemeinnützige Anbieter sozialer Dienstleistungen
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- Jonas Waltz
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1 Die Auswirkungen aktueller europäischer Reformoptionen im Steuerrecht auf gemeinnützige Anbieter sozialer Dienstleistungen 3. Juni 2016 in Berlin Lucia Gutmann Referatsleiterin Finanz- und Rechnungswesen Deutscher Caritasverband e.v. 1. Umsatzsteuerbefreiungen für soziale Dienstleistungen nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2. Umsetzung der Umsatzsteuerbefreiungen in Deutsches Recht 4. Aktionsplan auf EU-Ebene zu den ermäßigten Umsatzsteuersätzen 5. EU-Vorschriften und Gemeinnützigkeit / Ertragsteuerrecht 2 1
2 1. Umsatzsteuerbefreiungen für soziale Dienstleistungen nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie Umsatzsteuerbefreiungen für soziale Dienstleistungen sind geregelt in Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL / Mehrwertsteuersystemrichtlinie) nach Artikel 132 Abs. 1 sind u.a. folgende, dem Gemeinwohl dienende Leistungen von der Umsatzsteuer befreit: 3 1. Umsatzsteuerbefreiungen für soziale Dienstleistungen nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nach Artikel 132 Abs. 1 sind u.a. folgende, dem Gemeinwohl dienende Leistungen von der Umsatzsteuer befreit: Bei der Definition von Einrichtungen mit sozialem Charakter haben die Mitgliedsländer einen Ermessensspielraum 4 2
3 2. Umsetzung der Umsatzsteuerbefreiungen in Deutsches Recht Umsatzsteuerbefreiungen geregelt in 4 UStG u.a.: Nr. 14 Heilbehandlungsleistungen (Ärzte, Krankenhäuser, Laborleistungen, ) Nr. 16 Nr. 17 Nr. 25 Pflegeleistungen Rettungsdienst, Krankentransporte Leistungen nach 2 Abs. 2 SGB VIII 5 2. Umsetzung der Umsatzsteuerbefreiungen in Deutsches Recht Umsatzsteuerbefreiungen geregelt in 4 UStG u.a.: Im deutschen Umsatzsteuergesetz: Ausrichtung der Umsatzsteuerbefreiungen für soziale Dienstleistungen zunehmend an der Art der erbrachten Dienstleistung, nicht am (steuer)rechtlichen Status des Leistungserbringers (öffentlichrechtlich, gemeinnützig, ) 6 3
4 2. Umsetzung der Umsatzsteuerbefreiungen in Deutsches Recht Umsatzsteuerbefreiungen geregelt in 4 UStG Ausnahme: Die wesentlichen Tätigkeitsbereiche der Freien Wohlfahrtspflege (nach Umsatz und Mitarbeiter) sind mittlerweile durch die bereits genannten USt-Befreiungen abgedeckt Diese knüpfen nicht am Status der Verbände oder an der Gemeinnützigkeit an, sondern an der Art der erbrachten Dienstleistung 7 EU-Kommission hat am ein Konsultationsverfahren eingeleitet Erkenntnisse und Argumente zu einer möglichen Reform des Umsatzsteuerrechts für den öffentlichen Sektor und für gemeinnützige Organisationen das MwSt-System der EU soll einfacher, effizienter und robuster werden. Auch habe die zunehmende Privatisierung und Deregulierung von Tätigkeiten, die früher für den öffentlichen Sektor reserviert waren, zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren geführt. 8 4
5 Fünf Reform-Optionen werden zur Diskussion gestellt: 1. Vollbesteuerung: Dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten und solche öffentlicher Einrichtungen wären dann grundsätzlich mehrwertsteuerpflichtig Lt. Kommission aus wirtschaftlicher Sicht die beste Lösung Steigerung der öffentlichen Einnahmen um bis zu 80 Mrd. Euro Mehrwertsteuersatz könnte deutlich gesenkt werden Eine Alternative sieht sogar eine Besteuerung unabhängig vom Entgelt vor, so dass auch unentgeltliche Leistungen umsatzsteuerpflichtig würden => sog. fiktive Leistungen. Abfall- und Abwasserbewirtschaftung, Bildungswesen, Gesundheitswesen, oder der Kultursektor würden damit umsatzsteuerpflichtig, bei der Besteuerung sog. fiktiver Leistungen sogar Feuerwehr und Polizei! Besteuerung fiktiver Leistungen existiert bereits in Neuseeland! Gilt in der EU aber nur als sehr schwer durchsetzbar! 9 Fünf Reform-Optionen werden zur Diskussion gestellt: 2. Voller Vorsteuerausgleich ( Erstattungssystem ) auf EU-Ebene Auch in den Fällen, in denen die Ausgangsumsätze nicht steuerbar (gemäß Art. 13 der MwStSystRL) oder aber steuerbefreit (gemäß der Art der MwStSystRL) sind. Bislang hätten 8 Mitgliedsstaaten entsprechende Mehrwertsteuer-Ausgleichssysteme (z.b. durch sog. Null-Steuersätze ) Ein Erstattungssystem könnte das Problem der Wettbewerbsverzerrung bei Eingangsumsätzen lösen, nicht aber bei Ausgangsumsätzen. Erhebliche Kosten laut Kommissionspapier zwischen 132 und 134 Mrd. Euro. 10 5
6 Fünf Reform-Optionen werden zur Diskussion gestellt: 3. Streichung von Art. 13 der MwStSystRL Die Streichung der Steuerbefreiung öffentlicher Einrichtungen für ihre Leistungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt könnte dazu führen, die Ungleichbehandlung öffentlicher und privater Einrichtungen zu beenden. So könnten insbesondere die Mehrwertsteuer-Befreiungen für Post- oder Rundfunkdienstleistungen einer Prüfung unterzogen werden. Steuerbefreiungen zugunsten gemeinnütziger Tätigkeiten könnten hingegen beibehalten werden und wären lediglich zu überarbeiten. Ergebnis wäre, dass die Steuerbefreiungen nur noch an das Wesen der Lieferung oder Dienstleistung als dem Gemeinwohl dienend anknüpft. 11 Fünf Reform-Optionen werden zur Diskussion gestellt: 4. Beschränkung der Reform auf bestimmte Sektoren Beschränkung auf diejenigen Sektoren, bei denen es eindeutig zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen kommt, z.b. im Gesundheitssektor. Aufhebung einzelner Befreiungstatbestände, ohne dass das bestehende Mehrwertsteuer-System umfassend umgestaltet werden müsste. Betrifft Einrichtungen, deren Tätigkeiten gegenwärtig gemäß Art. 13 MwStSystRL nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen oder deren Tätigkeiten nach Art. 132 MwStSystRL steuerbefreit sind. Das ist die Rechtsgrundlage für die Umsatzsteuerbefreiungen der Freien Wohlfahrtspflege! 12 6
7 Fünf Reform-Optionen werden zur Diskussion gestellt: 5. Mögliche (zusätzliche) punktuelle Änderungen der geltenden Vorschriften Streichung von Art. 13 Abs. 2 der MwStSystRL, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, bestimmte Einrichtungen des öffentlichen Rechts komplett von der Richtlinie auszunehmen. Mitgliedsstaaten können wirtschaftliche Tätigkeiten wie beispielsweise Krankenhäuser - nicht länger der Richtlinie entziehen. Oder: Straffung der Art der Richtlinie: Unter anderem greift die Kommission dabei die Ideen aus Option 3 auf und schlägt vor, dass die Steuerbefreiung nur noch vom Wesen der Lieferung oder Leistung abhängen soll, nicht aber von der Art des Leistungserbringers. Oder: Möglichkeit der Option zur Besteuerung für Steuerpflichtige, um so die Vorsteuern ziehen zu können (=> Investitionen). Oder: Wahlrecht für die Mitgliedsstaaten dahingehend, ob sie derzeit steuerbefreite gemeinnützige Tätigkeiten künftig der Mehrwertsteuer unterwerfen möchten. 13 Am diesem Konsultationsverfahren konnten sich bis zum 14. Februar 2014 alle betroffenen Interessengruppen beteiligen Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat eine Stellungnahme eingereicht, u.a. Hinweis auf mögliche Kostensteigerungen im Gesundheits- und Sozialbereich Forderung nach einer Berücksichtigung von verteilungspolitischen Aspekten bei einer Reform der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie! Eine Auswertung der Konsultationsergebnisse liegt noch nicht vor 14 7
8 4. Aktionsplan auf EU-Ebene zu den ermäßigten Umsatzsteuersätzen EU-Kommission hat am 7. April 2016 einen Aktionsplan im Bereich der Mehrwertsteuer angenommen, der den Weg zu einem einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum ebnen soll: Spielen im Bereich der Freien Wohlfahrtspflege eine Rolle, u.a. bei Leistungen von Behindertenwerkstätten oder Integrationsprojekten Aktionsplan auf EU-Ebene zu den ermäßigten Umsatzsteuersätzen Zwei Reform-Optionen werden zur Diskussion gestellt: 1. Option Ausweitung der Möglichkeit, ermäßigte Steuersätze anzuwenden und regelmäßige Überprüfung des bestehenden Verzeichnisses von Gegenständen oder Dienstleistungen, auf die ermäßigte, stark ermäßigte Sätze oder der Nullsatz angewandt werden können 2. Option Insbesondere Null-Sätze könnten allen Mitgliedstaaten verfügbar gemacht werden ( = Null-Umsatzsteuer bei vollem Vorsteuerabzug)! Einführung des Grundsatzes, dass die Mitgliedstaaten die ermäßigten Steuersätze frei festsetzen können, solange diese nicht zu steuerlichen Verwerfungen führen soll es einen Legislativvorschlag zur Reform des Europäischen Mehrwertsteuersystems geben (lt. Auskunft Generaldirektion Steuern der EC) 16 8
9 4. Aktionsplan auf EU-Ebene zu den ermäßigten Umsatzsteuersätzen die ermäßigten Umsatzsteuersätze, auch die Zero-Rates sollen nicht abgeschafft werden! Wurde vor einigen Jahren noch restriktiver gesehen: Aus dem Konsultationsverfahren zur Überprüfung bestehender Gesetzgebung zu ermäßigten MwSt.-Sätzen: EU-Vorschriften und Gemeinnützigkeit / Ertragsteuerrecht Aktionsplan zu einer EU-einheitlichen Steuerbemessungsgrundlage bei der Unternehmensbesteuerung (Juni 2015) enthält bisher keine Regelungen zu Körperschaftsteuerbefreiungen oder zum Spendenabzug 18 9
10 5. EU-Vorschriften und Gemeinnützigkeit / Ertragsteuerrecht Gemeinnützigkeit und Beihilferecht Die EU-Kommission hat in 2012 im Zuge einer Beschwerde nach einem öffentlichen Vergabeverfahren entschieden: Verfolgung ideeller Zwecke, die dem Gemeinwohl zu gute kommen Nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile (satzungsmäßige Vermögensbindung, zeitnahe Mittelverwendung, Gewinnausschüttungsverbot, Begünstigungsverbot, Ausschließlichkeitsgebot, ) ein steuerbefreiter Zweckbetrieb ist mit einem gewerblichen Unternehmen nicht vergleichbar keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV, da Maßnahme nicht selektiv (vorläufiges Ergebnis) Lt. BFH (Az. I R 17/12 vom ): 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.v.m. 66 AO ist eine bestehende Beihilfe ( Alt-Beihilfe ), für die das Durchführungsverbot (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) nicht gilt! 19 Diskussion 20 10
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