Die Dysarthrie. Erklärungen Tipps Übungen VILLA MELITTA

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1 VILLA MELITTA PRIVATKLINIK CASA DI CURA PRIVATA Die Dysarthrie Erklärungen Tipps Übungen Villa Melitta Col-di-Lana-Str. 4,6, Bozen T F

2 Die Menschen denken, ich sei nicht ganz richtig im Kopf, weil ich komisch spreche. Manch einer fragt mich sogar, ob ich Alkohol getrunken hätte. Ich schäme mich zu sprechen und mich zu exponieren. Aber mit meinem Kopf ist alles in Ordnung, nur das Sprechen fällt mir halt schwer. Wenn ich spreche, ist meine Zunge schwerfällig wie ein Stein und ich kann sie nicht bewegen. Meine Stimme ist nicht mehr so kräftig wie früher. Ich brauche mehr Luft um zu sprechen. Sehr gerne würde ich singen, aber auch das geht nicht mehr.

3 Die Dysarthrie 3 Was ist die Dysarthrie? Die Dysarthrie ist eine Sprechstörung, verursacht durch zentrale oder periphere neurologische Schädigungen, in welcher sowohl die Aktivierung, als auch die Koordination der Sprechbewegungen und/ oder der Sprechatmung betroffen sind. DYSARTHRIE

4 4 Villa Melitta Wir unterscheiden folgende Formen von Dysarthrie: Schlaffe: Sprechlaute können verzerrt sein, weil die Sprechbewegungen verlangsamt, in ihrer Bewegungsweite eingeschränkt oder gänzlich fehlend sind. Rigide oder spastische: Die Sprechlaute können verstärkt sein, die Stimme kann gepresst sein, da die Muskeln einen gesteigerten Tonus aufweisen. Hypokinetische: (z.b. M. Parkinson) Die Sprechlaute können aufgrund eines gesteigerten Muskeltonus und aufgrund von fehlenden Bewegungen verzerrt, die Stimme geschwächt oder nicht hörbar, sein. Hyperkinetische: Es kann zu sogenannten Dyskinäsien (unwillkürlichen muskulären Bewegungen, wie z.b. Tic`s), zu Zittern von Zunge, Lippen und anderen Sprechmuskeln kommen. Ataktische: Durch in Bewegungsweite, Geschwindigkeit und Kraft unkoordinierte Sprechbewegungen kann es zu unregelmäßigen und überschießenden Sprechbewegungen kommen. Vielfach treten diese Formen auch in verschiedenen Kombinationen auf. Welche sind die möglichen Ursachen für eine Dysarthrie? ein hämorrhagischer oder ischämischer Hirninfarkt (Iktus/ Insult), ein Schädel- Hirntrauma, degenerative neurologische Erkrankungen wie: M. Parkinson, Multiple Sklerose, Amytotrophe Lateralsklerose und andere, Hirnschädigungen im Entwicklungsalter wie: Infantile Cerebralparese und andere, Hypoxische Hirnschädigung und Gehirntumore Welche Funktionen des Sprechens können betroffen sein? die Sprechatmung: z.b. eine wenig tiefe Atmung oder eine fehlgesteuerte Koordination zwischen Atmung und Stimmeinsatz

5 Die Dysarthrie 5 die Stimme: mit instabiler Frequenz oder Lautstärke; sowie geschwächt, rau, verhaucht, gepresst die Sprechbewegungen: z.b. mit für bestimmte Sprechlaute ungenauen oder fehlenden Bewegungen die Prosodie: z.b. mit verlangsamter, beschleunigter oder monotoner Sprechweise. Im schlimmsten Falle wird das Sprechen völlig unverständlich, manchmal ist es auch nicht möglich eine hörbare Stimme einzusetzen. In jedem Fall aber ist das Sprechen mit erhöhter Anstrengung verbunden. Die genannten Schwierigkeiten beim Sprechen führen auch zu einem ästhetischen Problem und erschweren den Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Zudem können sie zu einer reduzierten Kommunikation und somit auch zu einem Rückzug aus sozialen Kontakten führen.

6 6 Villa Melitta Zunge Trachea Stimmbänder Epiglottis Esophagus Lippen Larynx / Kehlkopf Epiglottis schützt den oberen Atemweg Während der Atmung öffnen sich die Stimmbänder, während der Phonation schliessen sie sich Die Zunge: Dieser Muskel, welcher sich in der Mundhöhle befindet, kann die Laute, welche von den Stimmbändern produziert werden und über den Mund weiter gegeben werden, beeinflussen und verändern. Die Trachea: Die Luftröhre wird nach oben hin durch die Stimmbänder abgegrenzt. Durch diese hindurch kann Luft in den Brustkorb einfließen oder Stimme, durch die aus den Lungen ausströmende Luft, produziert werden. Die Stimmbänder oder Stimmlippen liegen horizontal in unserem Kehlkopf und sind von Schleimhaut überzogen. Beim Atmen öffnen sie sich, wenn wir Stimme produzieren, verschließen sie sich und werden in Bewegung versetzt. Die Epiglottis (Kehldeckel) verschließt während des Schluckens die Luftröhre und verhindert so, dass feste oder flüssige Speisen in die Lunge geraten können. Der Ösophagus (Speiseröhre) liegt hinter der Luftröhre und transportiert durch Schwerkraft und wellenartige Bewegungen Speisen in den Magen. Die Speiseröhre öffnet sich im Moment des Schluckaktes. Die Lippen sind wichtige Sprechorgane, vor allem für Sprechlaute wie b, p oder m. Der Larynx ist ein aus Knorpelteilen, Muskeln und Faserzügen aufgebauter Verschlussapparat, der die Luftröhre von der Speiseröhre trennt. Im Larynxbereich liegen die Stimmlippen, durch welche Stimmlage und Lautstärke bestimmt werden.

7 Die Dysarthrie 7 Was bringt eine logopädische Therapie? Anhand gezielter Untersuchungen und Beobachtungen werden Störungsschwerpunkte ermittelt. Darauf basierend versucht man über gezielte und wiederholte Stimulierungen und Übungen die fehlenden Funktionen wieder herzustellen oder zu kompensieren. In schwerwiegenden Fällen kann die Kompensation auch darin bestehen, den Einsatz von Bildern und Fotos, von Schriftsprache oder den eines Computers mit Sprachausgabe zu trainieren. Worin bestehen die Übungen in der logopädischen Therapie? Stimulierung der Eigenwahrnehmung motorisches Training von Zungen- Lippen und - Gesichtsmuskulatur Sprechtraining Übungen zur Verbesserung der Körperhaltung Atemübungen Übungen zur Verbesserung der Koordination zwischen Atmung, Stimmeinsatz und Sprechen Übungen zur Verbesserung der Prosodie Wie können Sie Ihrem Angehörigen helfen? Wir werden Sie bitten, die gezielten Übungen zu begleiten und zu unterstützen. Zudem kann es auch sein, dass Sie sich auf neue Kommunikationsformen einstellen müssen. Suchen Sie ruhige und störungsfreie Orte auf! Die Sprechumgebung sollte ruhig sein und nicht durch Fernseher oder Radio gestört werden. Setzen Sie sich in der Nähe hin und suchen Sie den Blickkontakt! Versuchen Sie zu verstehen! Jede Äußerung hat ihre Bedeutung. Seien Sie ehrlich und teilen Sie mit, wenn Sie etwas nicht verstanden haben! So tun als ob, ist nicht hilfreich.

8 8 Villa Melitta Ermutigen Sie Ihren Lieben, die Übungen zu machen! Üben Sie mit ihm! Zusammen macht es mehr Spaß. Sprechen Sie ganz normal! Das Sprachverständnis ist kein Problem. Seien Sie geduldig und nehmen Sie sich Zeit! Versuchen Sie alle Kommunikationsversuche positiv zu verstärken! Sprechen Sie nicht anstelle Ihres Lieben, außer er bittet Sie darum! Einige Übungsvorschläge: 1. Entspannung: Setzen oder legen Sie sich in einer entspannten Position hin und schließen Sie die Augen: Spüren Sie Ihrer Atmung nach! Wo findet sie statt? Wie kräftig ist sie? Versuchen Sie ganz ruhig zu atmen! Drücken Sie nicht! Spüren Sie nun Ihren einzelnen Körperteilen nach! Wie fühlen sich Füße und Beine, Hände und Arme, Hals und Rücken, Gesäß, Bauch und das Gesicht an? Spüren Sie, ob sie sich warm oder kalt, schwer oder leicht, angespannt oder entspannt, anfühlen! 2. Haltung: Setzen Sie sich auf einen Stuhl. Die Füße sollten einen guten Kontakt zum Boden haben. Winkeln Sie die Knie auf 90 Grad an! Schieben Sie nun Ihr Becken vor und zurück und spüren Sie dem Drehpunkt nach! 3. Beweglichkeit des Schulter- Nacken- Gürtels: Heben Sie die Schultern und lassen Sie sie wieder fallen! Heben Sie die Schultern und halten Sie die Position für 5 Sekunden!

9 Die Dysarthrie 9 Heben und senken Sie abwechselnd eine Schulter nach der anderen! Schieben Sie die Schultern abwechselnd nach vorne und nach hinten! Machen Sie mit den Schultern kleine Kreise! Schieben Sie Ihr Kinn zum Brustbein und dann wieder zurück in die neutrale Position! Legen Sie den Kopf abwechselnd seitwärts auf die Schultern! Schauen Sie abwechselnd über die Schultern! Strecken Sie die Arme weit nach oben! Schütteln Sie Hände und Arme aus! 4. Atmung: Legen Sie sich bequem hin! Auf Ihrem Bauch befindet sich ein schweres Buch. Beobachten Sie die Auf- und Abbewegungen des Buches, welche Ihrer Atmung folgen! Ersetzen Sie in einem zweiten Moment das Buch durch Ihre eigene Hand und spüren Sie Ihren Atembewegungen nach! Atmen Sie durch die Nase ein, halten Sie kurz die Luft an und atmen Sie langsam durch den Mund aus! Atmen Sie durch die Nase ein und durch den Mund über ein langes sssssss, fffffff..., schschsch aus! Machen Sie ein paar schnelle s-s-s...,f-f-f,sch-sch-sch...hintereinander! Summen Sie bekannte Melodien auf mmmm! Stellen Sie sich beim Ausatmen vor, Sie müssen viele Kerzen ausblasen! Atmen Sie tief und lange über die Nase ein! Denken Sie dabei an einen wohlriechenden Duft, z.b. an den einer Rose! Atmen Sie tief ein und auf ein langes ahhh...ehhh...ihhh...ohhh...uhhh aus! Stoppen Sie, bevor Ihnen die Luft ausgeht! 5. Gesicht: Beißen Sie Ihre Zähne fest zusammen! So werden alle Muskeln Ihres Gesichts aktiviert. Pressen Sie Ihre Augen zu!

10 10 Villa Melitta Machen Sie abwechselnd einen zornigen Gesichtsausdruck mit Stirnrunzeln und dann wieder einen erstaunten Ausdruck, indem sie die Augen weit auf und die Augenbrauen nach oben ziehen! Massieren Sie sich das Gesicht! Gähnen Sie weit! 6. Kiefer: Öffnen und schließen Sie den Mund! Zeigen Sie dabei Ihre Zähne! Bewegen Sie Ihren Unterkiefer nach vorne, hinten und seitwärts! Führen Sie mit geschlossenem und offenem Mund übertriebene Kaubewegungen aus! 7. Lippen: Strecken und ziehen Sie abwechselnd Ihre geschlossenen Lippen vor und zurück! (Grinsen- Kussmund) Wiederholen Sie die oben genannten Übungen, aber zeigen Sie dabei Ihre Zähne! Ziehen Sie abwechselnd einen Mundwinkel nach hinten! Drücken Sie die Lippen gegen den Zungenspatel! Pfeifen Sie! Sprechen Sie abwechselnd u-i-u-i-u-i-u-i! Sprechen Sie abwechselnd o-e-o-e-o-e-o! Sprechen Sie abwechselnd a-e-i-o-u-a-e-i-o-u! Sprechen Sie mehrfach hintereinander bbbbbbbbbbbb...! 8. Wangen: Blasen Sie mit zusammengepressten Lippen Ihre Wangen auf! Dabei darf keine Luft entweichen! Saugen Sie die Wangen ein und lösen Sie den Druck in einem lauten Kuss! Schieben Sie die Luft in den Wangen hin und her!

11 Die Dysarthrie Zunge: Schieben und ziehen Sie die Zunge abwechselnd weit vor und zurück! Schieben Sie bei leicht geöffnetem Mund die Zunge abwechselnd weit in die Mundwinkel! Putzen Sie abwechselnd die Ober- und Unterlippe mit der Zunge! Umkreisen Sie bei geöffnetem Mund die Lippen mit der Zunge! Wechseln Sie die Richtung! Führen Sie die Zunge abwechselnd zur Nase und zum Kinn! Putzen Sie sich mit der Zunge die Zähne! Zählen Sie ihre Zähne mit der Zunge! Massieren Sie mit der Zunge den Gaumen und die Wangeninnenseiten! Drücken Sie mit der Zunge gegen den Zungenspatel (nach vorne, unten, oben, zu beiden Seiten)! Schnalzen Sie mit der Zunge (Galoppgeräusch)! Drücken Sie mit der Zungen gegen die Wangentaschen! Sprechen Sie ein langes trrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr! Sprechen Sie wiederholt lalala-lelele-lilili-lolololo-lululu! Sprechen Sie wiederholt tatata-tetete-tititi-tototo-tututu! Sprechen Sie wiederholt tla-tle-tli-tlo-tlu! 10. Stimme: Steigern Sie zunehmend Ihre Stimmlautstärke auf kurze Phrasen wie: Hallo! Wie geht es dir? Bleib ruhig! Komm her! Telefon! Noch nicht! Bist du bereit? Denken Sie dabei daran, dass Sie verschiedene Distanzen überwinden müssen! Variieren Sie die Lautstärke von Vokalen wie z.b.: ah AH ah AH (laut- leise- lautleise)! Variieren Sie Ihre Sprech- oder Singfrequenz auf ah, so als würden Sie die Tonleiter auf und absingen! Lassen Sie Ihre Sprech- oder Singfrequenz auf mhhhhhhh auf- und abgleiten, als wären Sie eine Sirene!

12 12 Villa Melitta Kauen Sie mit Stimme, z.b. auf gnam gnam gnam! Sprechen oder singen Sie psalmartig z.b. auf ma na gna ma na gna ma na gna aaa! Sprechen oder singen Sie ein tr in Verbindung mit allen Vokalen, wie z.b. ein traaaaaaaaaaa! Versuchen Sie dabei die Stimme möglichst stabil zu halten! Üben Sie einen kräftigeren Stimmeinsatz über: Ka Ke Ki Ko Ku...aK ek ik ok uk... hak hek hik hok huk...pak pek pik pok puk...tak tek tik tok tuk...! Üben Sie weichere Stimmeinsätze, indem Sie einen sogenannten Nasallaut (m/n) davorsetzen: ( mmmano, nnnaso, mmmeno, mmmale, mmmiro, nnnano, nnnero, nnnono )! Alternativ können Sie auch ein verhauchtes /h/ davorsetzen: hhha, hhhe, hhhi, hhho, hhhu Posodie: Heben Sie in einem Satz unterschiedliche Schlüsselwörter hervor: ICH mag keine Pasta! Ich mag KEINE Pasta! Ich MAG keine Pasta! Ich mag keine PASTA! Spielen Sie über verschiedene kurze Fragen und Antworten mit Ihrer Stimme! Variieren Sie die Stimmintensität! Hast du meine Brille gesehen? Sie sind auf deinem Kopf. Kannst du mir helfen? Jetzt habe ich keine Zeit! Verlangsamen Sie Ihr Sprechen! Sprechen Sie in deutlichen Silben! Dabei starten Sie bei einzelnen Wörtern und dehnen Ihre Äußerungen langsam aus z.b.: Pasta!...Ich möch- te Pas- ta!...ich möch- te Pas-ta mit Ra- gu!.... Sprechen Sie nach einem Metronom!