Worauf es ankommt bei Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen. Prof. Dr. jur. Thomas Weiß. 9. Gesundheitspflege-Kongress. Hamburg
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1 9. Gesundheitspflege-Kongress Hamburg Worauf es ankommt bei Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen Prof. Dr. jur. Thomas Weiß
2 Menschenwürde und persönliche Freiheitsrechte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit einschließlich eines menschenwürdigen Todes Artikel 2 II 1 GG Artikel 1 GG Artikel 2 I i. V. m. Artikel 1 GG
3 SGB XI 2 Selbstbestimmung (1) Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen den Pflegebedürftigen helfen, trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.
4 Auch in Grenzsituationen: Der Pflegebedürftige hat selbst zu entscheiden, was geschehen oder unterbleiben soll.
5 Aber: Wenn Patienten nicht mehr selbst in der Lage dazu sind, müssen andere entscheiden.
6 Im Spannungsverhältnis Das Selbstbestimmungsrecht des Pflegebedürftigen Die Fremdbestimmung durch Ärzte, Pflegekräfte, Angehörige, usw.
7 Deshalb: Aus dem Recht zur SELBSTBESTIMMUNG folgt für den Einzelnen die Pflicht zur SELBSTVERANTWORTUNG in Form der VORSORGE.
8 Und: Das Prinzip der SELBSTBESTIMMUNG bedarf der ERGÄNZUNG durch das Prinzip von SCHUTZ und FÜRSORGE.
9 Möglichkeiten der Vorsorge Patientenverfügung Vorsorgevollmacht Erklärung zur Organspende Betreuungsverfügung
10 Patientenverfügung Schriftliche Festlegung eines einwilligungsfähigen Volljährigen für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt ( 1901 a BGB).
11 Vorsorgevollmacht Bevollmächtigung einer Person des Vertrauens, die im Fall eigener Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit für den Vollmachtserteilenden rechtswirksam handeln kann ( 1901 c BGB).
12 Patientenverfügung 1901 a Abs. 1 BGB (1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.
13 Patientenverfügung 1901 a Abs. 2 BGB (2) Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.
14 Patientenverfügung 1901 a Abs. 3-5 BGB (3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten. (4) Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden. (5) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.
15 Form der Patientenverfügung Eine Patientenverfügung muss schriftlich verfasst und durch Namensunterschrift eigenhändig oder durch ein von einer Notarin oder einem Notar beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet werden ( 1901 a Abs. 1 Satz 1 ivm 126 Abs. 1 BGB). Die Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden ( 1901 Abs. 1 Satz 3 BGB). Es ist sehr empfehlenswert, eine Patientenverfügung in bestimmten Zeitabständen zu erneuern oder zu bestätigen.
16 Wie bekommt die behandelnde Ärztin oder der Arzt die Patientenverfügung? Eine Patientenverfügung sollte so verwahrt werden, dass insbesondere Ärztinnen und Ärzte, Bevollmächtigte, Betreuerin oder Betreuer und evtl. das Betreuungsgericht, möglichst schnell und unkompliziert Kenntnis von der Existenz und vom Hinterlegungsort erlangen können. Dazu kann es sinnvoll sein, einen Hinweis bei sich zu tragen, wo die Patientenverfügung aufbewahrt wird. Bei Aufnahme in ein Krankenhaus oder Pflegeheim sollte auf die Patientenverfügung hingewiesen werden. Wenn eine Vertrauensperson bevollmächtigt wurde, sollte auch diese informiert sein.
17 Empfohlener Aufbau einer Patientenverfügung und ergänzende Aussagen Eingangsformel* Situationen, für die die Patientenverfügung gelten soll* Festlegungen zu ärztlichen/pflegerischen Maßnahmen* Wünsche zu Ort und Begleitung Aussagen zur Verbindlichkeit Hinweise auf weitere Vorsorgeverfügungen Hinweise auf beigefügte Erläuterungen zur Patientenverfügung Organspende Schlussformel* Schlussbemerkung Datum, Unterschrift* Aktualisierung(en), Datum, Unterschrift Anhang: Wertvorstellungen Die eigentlichen Bestandteile einer Patientenverfügung sind mit Sternchen * gekennzeichnet. Aber auch die ergänzenden Aussagen können zum Verständnis des Gewollten beitragen und Wünsche des Verfassers deutlich machen. aus: BMJ, Patientenverfügung, Publikation 2009, S. 16
18 Gespräch zur Feststellung des Patientenwillens 1901 b BGB (1) Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach 1901a zu treffende Entscheidung. (2) Bei der Feststellung des Patientenwillens nach 1901a Absatz 1 oder der Behandlungswünsche oder des mutmaßlichen Willens nach 1901a Absatz 2 soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.
19 Vorsorgevollmacht 1901 c BGB Wer ein Schriftstück besitzt, in dem jemand für den Fall seiner Betreuung Vorschläge zur Auswahl des Betreuers oder Wünsche zur Wahrnehmung der Betreuung geäußert hat, hat es unverzüglich an das Betreuungsgericht abzuliefern, nachdem er von der Einleitung eines Verfahrens über die Bestellung eines Betreuers Kenntnis erlangt hat. Ebenso hat der Besitzer das Betreuungsgericht über Schriftstücke, in denen der Betroffene eine andere Person mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat, zu unterrichten. Das Betreuungsgericht kann die Vorlage einer Abschrift verlangen.
20 Form der Vorsorgevollmachten Vorsorgevollmachten sollten schriftlich abgefasst sein und die von ihnen umfassten ärztlichen Maßnahmen möglichst benennen. Eine Vorsorgevollmacht muss schriftlich niedergelegt werden, wenn sie sich auf Maßnahmen erstreckt, bei denen die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene (Patient) stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.
21 Die Beteiligung des Betreuungsgerichts Sind sich behandelnder Arzt und Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigter über den (mutmaßlichen) Willen des Patienten einig, ist seit dem zur Durchführung bzw. Nichtdurchführung einer medizinischen Maßnahme keine Genehmigung des Betreuungsgerichts mehr erforderlich ( 1904 Abs. 4 BGB). In diesem Fall ist der erklärte und festgestellte Wille des Patienten unverzüglich umzusetzen. Bei einem Dissens zwischen behandelndem Arzt und Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigtem ist eine Entscheidung des Betreuungsgerichts erforderlich.
22 Ausreichend: Mit einer Patientenverfügung gewinnen alle Beteiligten Sicherheit vor allem der Pflegebedürftige selbst wenn sie eine Leitlinie für die Zukunft ist.
23 Gut: Patientenverfügung + Vorsorgevollmacht
24 Besser: Standard Individuelle Vorausverfügungen Dokumentation
25 Der Wille des Kranken ist oberstes Gesetz (Voluntas aergroti suprema lex), und hat absoluten Vorrang vor dem Grundsatz: Die Gesundheit des Kranken ist oberstes Gesetz (salus aergroti suprema lex).
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