Auch Sucht- und psychisch Kranke wollen gute Eltern sein!
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- Mina Ziegler
- vor 7 Jahren
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1 Auch Sucht- und psychisch Kranke wollen gute Eltern sein! Sucht-und psychisch kranke Eltern für eine Zusammenarbeit gewinnen Vortrag bei der Fachtagung Zukunft. Von Anfang an Gemeinsam für Kinder von sucht- und psychisch erkrankten Eltern am 14. und 15. Juni 2012 im Kongresszentrum in Seefeld Tirol
2 Überblick 1. Folgen von Stigmatisierung und Tabuisierung 2. Sucht- und psychisch kranke Eltern 3. Co-Abhängigkeit und ihre Bedeutung 4. Anforderungen an Fachkräfte und Helfer 5. Gesprächsführung mit sucht- und psychisch kranken Eltern
3 1. Stigmatisierung und Tabuisierung Bilder von süchtigen Eltern in den Medien BREMER DROGEN-ELTERN STELLEN SOGAR IHRE BABYS MIT KOKAIN, HEROIN UND METHADON RUHIG Drogen für Kinder die Horror-Studie! (Bildzeitung, 04. Mai 2011) ERSCHÜTTERNDE UNTERSUCHUNG DER SOZIALBEHÖRDE Methadon-Eltern halten ihre Kinder mit Drogen ruhig, 2011 Kokain im Kinderhaar, Bei zwei Kleinkindern aus Bremen haben Ärzte schon im Februar Drogenrückstände nachgewiesen. Erst jetzt wird der Fall bekannt und die Diskussion um verwahrloste Kinder neu flammt wieder auf. Wie soll man mit dem Nachwuchs von Süchtigen umgehen? BERLINER STUDIE: Eltern sind schuld am Alkoholkonsum der Kinder Medizin - Misshandelt im Mutterleib Methadon in Kinderhänden Wer kümmert sich um die Kinder drogenabhängiger Eltern? Rbb
4 1. Folgen von Stigmatisierung & Tabuisierung Stigmatisierung bedeutet: Menschen mit Sucht- und psychischen Erkrankungen werden in abwertender Weise betrachtet oder wegen ihrer Erkrankung diskriminiert Viele Betroffene fürchten eine Stigmatisierung d.h. sie befürchten, wegen ihrer Krankheit noch zusätzliche negative Konsequenzen erdulden zu müssen. Konsequenz die Betroffenen haben das Gefühl, dass sie ihre Erkrankung verheimlichen müssen; sie finden nicht den Mut, offen darüber zu sprechen.
5 Zu 1. Um wen und wieviele Familien es geht 2,65 Millionen Kinder (bis 18 Jahre) sind im Laufe ihres Lebens dauerhaft oder zeitweise von elterlicher Alkoholabhängigkeit betroffen (Klein 2010 Ca Kinder drogenabhängiger Eltern Etwa 15 % der Bevölkerung in der Bundesrepublik leiden an einer psychischen Erkrankung. Davon sind ca % psychisch kranke Mütter mit minderjährigen Kindern. Ca. 3 Millionen Kinder unter 18 Jahren haben demnach einen psychisch kranken Elternteil, mit dem sie in den meisten Fällen zusammenleben (vgl. Grube und Dorn, 2007 in Wiegand-Grefe, Halverscheid Plass, 2011, Seite 16). Erhöhtes spezifische Erkrankungsrisiko für die Kinder, an derselben Störung wie ihre Eltern zu erkranken. ca. 60 % der betroffenen Kinder entwickeln in ihrem Leben irgendeine psychische Auffälligkeit (ebenda, Seite 17).
6 Zu 1. Um wen und wieviele Familien es geht Wegen der hohen Komorbidität von Suchtstörungen und psychischen Störungen (40 % bis 80 %) sind kombinierte, abgestimmte Angebote für Kinder aus allen derartigen Familiensystemen besonders wichtig. (Klein 2010) Eine (Sucht-) Krankheit kommt selten alleine!
7 1. Folgen von Stigmatisierung & Tabuisierung Sucht- und psychisch kranke Eltern haben Angst vor doppelter Abwertung wegen ihrer Erkrankung und wegen der Auswirkungen auf die Kinder
8 2. Sucht- & psychisch kranke Eltern Sucht und psychisch kranke Eltern haben Angst vor Stigmatisierung verheimlichen, verschweigen, verleugnen... befürchten weitere Nachteile wegen ihrer Erkrankung... entwickeln Schuld- und Schamgefühle... sind in Sorge, dass sie die Erkrankung an die Kinder weiter geben könnten und / oder diese nicht ausreichend versorgen... sind durch ihre Erkrankung in der Wahrnehmung der Probleme ihrer Kinder beeinträchtigt bzw.... können oft keine Handlungsnotwendigkeiten daraus ableiten... fühlen sich belastet durch die Erkrankung, die stationäre - Behandlung und deren Auswirkungen auf die Kinder...
9 2. Sucht- & psychisch kranke Eltern Inanspruchnahme von Hilfen für ihre Kinder Sucht- und psychisch kranke Eltern kennen Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfen oft nicht sind oft ratlos, welche Hilfen sie nutzen können haben Angst vor negativen Konsequenzen vor Stigmatisierung verheimlichen, verschweigen, verleugnen scheuen mögliche Kosten in alltagspraktischen Dingen z.b. Fahrtkosten Innerpsychische Denkmuster und Kognitionen der Eltern wie Versorgung der Kinder als letzte Selbstwertstabilisierung sie wird oft noch als einzige Ressource in ihrem Leben empfunden aber auch als Belastung
10 2. Sucht- & psychisch kranke Eltern Wie sehen Eltern die Versorgungsangebote? Beispiele Angebote des SGB V Eltern werden nur selten nach ihren Kindern befragt Kinder werden zu wenig in die Behandlung einbezogen Angebote des SGB VIII Diese Maßnahmen sind bei betroffenen Eltern eher unpopulär und mit Ängsten besetzt Kontakt wird aktiv vermieden Angst vor Verlust der elterlichen Sorge Negative Sicht auf das Jugendamt Hilfen wurden oft nicht als unterstützend und kaum auf die eigenen Wünsche eingehend erlebt Angst vor (weiterer) Stigmatisierung durch Dritte Folge: die Nachfrage - der Eltern - nach Hilfen zur Erziehung ist vergleichsweise gering und erfolgt eher selten
11 2. Sucht- & psychisch kranke Eltern Barrieren, Risiken, Chancen für Inanspruchnahme von Hilfen Komm-Struktur- der Jugendhilfe Ist ein hoher Freiheitsgrad und erfolgversprechender, wenn Hilfen freiwillig und aktiv nachgesucht werden Für sucht- und psychisch kranke Eltern stellt dies oft eine unüberwindbare Schwelle dar Ängste der Betroffenen Wunsch nach Hilfe einerseits Ängste vor der institutionellen Hilfe andererseits Sorge, bevormundet zu werden Angst elterliche Sorge zu verlieren Diese Angst ist durchaus ernst zu nehmen, denn ein Drittel der Sorgerechtsentzüge in Deutschland sind auf psychische Erkrankungen zurück zu führen (Kölch 2010)
12 2. Sucht- & psychisch kranke Eltern Fazit: Barrieren, Risiken, Chancen für Inanspruchnahme von Hilfen Vernetzungsmängel und möglichkeiten Kooperation ist nicht per se ein Heilmittel für ihr Gelingen sind bestimmte Voraussetzungen notwendig Sämtliche an der Versorgung beteiligte Systeme benötigen einander, um passgenaue und erreichbare Hilfen für die Eltern und Kinder anbieten zu können Ideologische Unterschiede und Rollenkonflikte das Jugendamt hat den Auftrag des Kinderschutzes. die Suchthilfe hat den Auftrag der Suchtberatung und therapie die Erwachsenenpsychiatrie hat den Auftrag der Versorgung des erwachsenen Patienten, des Aufbaus / Erhaltung einer vertrauensvollen Arzt- Patienten-Beziehung. Kinder können aus Sicht der Suchthilfe und der Erwachsenenpsychiatrie für den Patienten stabilisierende Faktoren sein. aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht ist die Parentifizierung bei Kindern psychisch kranker Eltern entwicklungspsychologisch kontraindiziert und schadet der Entwicklung.
13 2. Sucht- & psychisch kranke Eltern Kinder psychisch kranker Eltern (Befragung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 18 Jahre) Sucht / psychische Erkrankung eines Elternteils ist für sie eine besonders schmerzhafte Verlusterfahrung, die meist mit gravierenden Veränderungen im familiären Alltag einhergeht. Das allenfalls diffuse Wissen über die Erkrankung löst zusätzliche Unsicherheiten und Ängste aus. Besonders wichtig sind ehrliche und offene Antworten auf ihre Fragen. Sie wollen nicht geschont werden, sondern die Wahrheit hören. Jugendliche wünschen sich eine aktive Einbeziehung in die Behandlung ihres erkrankten Elternteils, Kontakt- und Austauschmöglichkeiten in Gruppen und eine gezielte Aufklärung der Öffentlichkeit über psychische Krankheiten.
14 2. Sucht- & psychisch kranke Eltern Kinder als Angehörige wahrnehmen Durch ein gezieltes Nachfragen nach den Kindern wird in der psychosozialen-therapeutischen Beratung und Behandlung gleichsam der Blick auf die Patienten in ihrer Rolle als Eltern, auf ihre Lebenssituation als Eltern und auf die Kinder gerichtet (vgl. Lenz 2010) Auch Sucht- und psychisch Kranke wollen gute Eltern sein!
15 2. Sucht- & psychisch kranke Eltern Haltungen & Ansätze für gelingende Hilfen Betroffene Eltern brauchen Verständnis, Anerkennung, Bestätigung und Wertschätzung. Betroffene Eltern brauchen ganz konkrete und pragmatische Unterstützung. Betroffene Eltern brauchen Sprache und Hilfe, um ihren Kindern ihre Erkrankung erklären zu können. Betroffene Eltern brauchen Orientierung und Klarheit. Betroffene Eltern brauchen ein verständnisvolles Netzwerk. Betroffene Eltern brauchen professionelle Helfer, die an sie glauben und sie wohlwollend begleiten. Betroffene Eltern brauchen professionelle Helfer die belastbar sind und einen langen Atem haben...
16 3. Co-Abhängigkeit und ihre Bedeutung Angehörige von Suchtkranken erleben oft folgende Phasen im Zusammenleben mit einem Suchtkranken: Die Beschützer- oder Entschuldigungsphase Die Kontrollphase Die Anklagephase
17 3. Co-Abhängigkeit und ihre Bedeutung Krankheitsunterstützendes Verhalten Stolpersteine in der Helferrolle Vermeiden und Beschützen Rationalisieren und Akzeptieren Kinder über das Verhalten der Eltern befragen Retten und sich nützlich machen
18 3. Co-Abhängigkeit und ihre Bedeutung Beispiel: Befürchtungen der Erzieherinnen vor Elterngespräch Erzieherinnen haben Angst, beleidigt zu werden; Schuldzuweisungen der Erzieherinnen; Anschuldigung gegen die Eltern (Rufmord); Man könnte mit der Vermutung falsch liegen; Man dringt in die Intimsphäre der Eltern ein; Wenn man zu direkt wird, könnten Spannungen zwischen den Eltern größer werden; Die Eltern werden ausfallend, es kommt zu Schuldzuweisungen an die Einrichtung; Bei dem Gespräch kommt nichts heraus, was den Kindern hilft. (vgl. auch Landesstelle für Gesundheitsförderung in Rheinland Pfalz, 2002 in Zobel 2006)
19 4. Anforderungen an Fachkräfte und Helfer Der / die hilf-reiche Berater / in kennt sich.... stimmt mit sich selber überein.... hat ein gesundes Selbstwertgefühl.... kennt seine/ihre Schwachstellen.... kennt seine/ihre eigenen Abwehrmechanismen, wenn sie auftreten. (vgl. Wegscheider, 1988)
20 Grundsätze eines hilf-reichen Helfers (vgl. Wegscheider, 1988) 1. Er engagiert sich für seine Arbeit. 2. Er kennt die Grenzen seines Engagements. 3. Er muss abklären, welche Erwartungen alle Beteiligten haben. 4. Er hat Respekt vor dem Klienten. 5. Er muss den Klienten selbst die Verantwortung für ihre Veränderung überlassen. 6. Er muss beruflich auf dem laufenden bleiben. 7. Er muss sein Selbstwertgefühl aus anderen Quellen speisen.
21 4. Anforderungen an Fachkräfte und Helfer Das besondere Helferprofil der Fachkräfte Wichtigstes Instrument ist hier - neben dem fachspezifischen Wissen - die emotionale Kompetenz / die Beziehungsgestaltung des Mitarbeiters: Nähe/ Distanz Regulation Psychoedukation Reflexionsfähigkeit Begleiten und Aushalten/Geduld ( der lange Atem ) und Respekt vor andersartigen Lebensentwürfen
22 5. Gesprächsführung mit erkrankten Eltern Die moralische Intervention Eltern als Täter Schuldzuweisungen Zurückweisung oder Gegenangriffe Die diffuse Intervention unentschiedenes Vorgehen mit unklarer Zielsetzung schadet eher, Irritation und Frustration auf beiden Seiten Die helfende Intervention Unterstützung und Verständnis, Gefahr von Co-Abhängigkeit Stabilisierung der Sucht Die konsequente Intervention ein sorgfältig festgelegtes Ziel, Lösungen werden angestrebt positive Reaktion, wenn die Eltern Anteilnahme spüren und sich nicht überrumpelt fühlen Die besorgte, fürsorgliche Intervention zielt auf Verbesserung der gegenwärtigen Situation des Kindes ab Eltern als Partner in Alles total geheim!, Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen, 1999, S
23 5. Gesprächsführung mit erkrankten Eltern Der Dialog ist eine wichtige Form der Unterstützung, wenn Menschen Suchtprobleme haben. Ausgangspunkt für Gespräche mit Eltern kann vorrangig das Verhalten des Kindes oder die Verbesserung seiner augenblicklichen Situation sein. Die Sucht- oder psychische Erkrankung offen ansprechen. Beweisführungen vermeiden sie enden meistens in einer Sackgasse für den Helfer! Vgl. in Alles total geheim!, Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen, 1999, S
24 5. Gesprächsführung mit erkrankten Eltern Vorbereitungen und Verlauf des Gespräches Kenntnis der Diagnose Gestaltung von Rahmen und Verlauf des Gesprächs Konkrete Hinweise Wertschätzung und gute Gründe unterstellen Auf Grenzen achten / eigene Impulse ernst nehmen Den Begriff Schuld vermeiden Offene Fragen stellen Die gemeinsame Sorge um das Kind als Brücke nutzen
25 Pflichtlektüre auch für alle Erwachsenen! Herzlichen Dank!
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