Die Gnade unseres Herrn, Jesus Christus, und die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes wie mit euch allen. Amen.

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1 Die Gnade unseres Herrn, Jesus Christus, und die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes wie mit euch allen. Amen. Der Predigttext für den heutigen Sonntag, der letzte Text in unserer Predigtreihe zum Thema Was Gottes Wort so alles kann... im Jahr der Bibel, steht im zweiten Brief an Timotheus, im 3. Kapitel, die Verse 14 bis 17: Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist; du weißt ja, von wem du gelernt hast und dass du von Kind auf die heilige Schrift kennst, die dich unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Jesus Christus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt. Liebe Gemeinde! Wenn Werbefachleute diesen Text auf Plakate gedruckt hätten, um damit Menschen aufmerksam dafür zu machen, dass die Bibel ein lesenswertes Buch ist, wäre das wohl eine der erfolglosesten Werbekampagnen aller Zeiten geworden. Die Bibel - ein Buch zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung und Lehre. Ein solches Buch wird wenig Leser finden, und Leserinnen auch nicht. In dieser Beschreibung steckt das Gähnen und das genervte Weglegen schon drin. Oder lesen Sie gerne Bücher, in denen sie ermahnt und gebessert werden sollen, Bücher, die sie zurechtweisen sollen und belehren? Als Werbetext ist der Abschnitt aus dem Timotheusbrief, glaube ich, denkbar ungeeignet, er weckt keine Lust zum Bibel-Lesen, ist schon eher eine Anti- Werbung. Mit Unterweisung statt Freude am Lesen; Lehre

2 Zurechtweisung Erziehung - statt lebendiger Geschichten und hilfreicher Worte - gewinnt man keine Leser Die Bibel - ein langweiliges, trockenes Buch? Ein Buch voller Mahnungen und Lebensregeln, wie es die Beschreibung des Apostels nahe legt? Auf diese Einstellung treffe ich oft. Die Bibel scheint für viele Menschen ein Buch zu sein, mit dem sie nicht viel anfangen können. Und die, die es doch manchmal zur Hand nehmen und versuchen, darin zu lesen, werden häufig enttäuscht. Ihre Versuche, die Bibel mal von vorne bis hinten in einem Rutsch durchzulesen, scheitern spätestens bei den schier endlosen Gesetzestexten des Volkes Israel. Und selbst wenn man eine Geschichte gefunden hat, die einem lesbar erscheint, ist die Sprache doch eine ungewohnt altertümliche und die Welt, die hinter dem Text steht mutet einem ebenso antik und fremd an. Die Bibel ist kein Buch, das es seinen Lesern leicht macht. Man kann sie nicht in einem durch lesen, wie den neuesten Mankell-Krimi. Die Spannung ist eher versteckt und lässt einen nicht so mitfiebern wie bei Harry Potter. Und die tiefgreifenden Gedanken zu Gott und der Welt erschließen sich auch nicht so eindeutig, wie im Leitartikel der einer Tageszeitung. Aus diesen Gründen erscheint die Bibel vielen Menschen heute tatsächlich so ähnlich, wie der Apostel es im Brief an Timotheus beschreibt. Doch ich glaube, er hat dennoch recht damit, uns die Bibel ans Herz zu legen. Nur, dass die Werbung, die er macht, uns heute nicht mehr so anspricht: Die Bibel ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit - schreibt er. Und es stimmt: All das ist die Bibel auch. Natürlich enthält sie belehrende Teile, Worte, die mir helfen sollen, mein Leben zu gestalten. Sie ist auch Zurechtweisung, an den Stellen nämlich, wo ich mich ertappt fühle, wo ich erkenne, dass ich nicht der Mensch bin, der ich sein könnte. Dort mahnt mich das, was ich an manchen Stellen der Bibel lese zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, zum neuen Nachdenken über mich und

3 dazu, mein Verhalten zu ändern. All das steckt in der Bibel, war wichtig, damals für die ersten Christen und heute für uns. Doch die Bibel ist noch viel reicher, sie ist nicht nur Ermahnung, Erziehung und Lehre. Die Bibel ist ein Buch, dass sich noch heute zu Lesen lohnt, ein Buch, für das zurecht Werbung gemacht werden kann, trotz all der Schwierigkeiten beim Lesen, die ich vorhin genannt habe. Ich möchte Ihnen, liebe Gemeinde, die Bibel heute neu als Lektüre empfehlen, bei Ihnen Werbung machen für sie. Werbung für ein Buch, das jede und jeder immer wieder neu entdecken kann. Drei Stellen aus der Bibel möchte ich Ihnen vorstellen, die Lust machen sollen auf mehr, drei Texte, die sie vielleicht in einem angeblich so trockenen und belehrenden Buch nicht erwarten würden. Da ist zunächst ein Roman, ein Entwicklungsroman eines Mannes, der schon als Kind anders war als die anderen. Schön war er und klug, seine Träume phantastisch und alles, was er wollte, bekam er auch. Doch die Erzählung zeigt auch die andere Seite, den Preis des Erfolgs. Neid und Missgunst treffen den jungen Mann und sie bringen ihn zu Fall. Er fällt tief, verliert seine Heimat, seine Familie und seine Freiheit, und muss sich neu zurecht finden. Ein Weg voller Hindernisse, immer neuer Gefahren beginnt: eine schöne Frau spielt ihr gefährliches Spiel, ein mächtiger König greift ein und am Ende kommt es zur großen Auseinandersetzung mit den Gegnern von einst. Sie ahnen es vielleicht, liebe Gemeinde, es ist die Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Eine Geschichte, die alles hat, was ein guter Roman braucht. Es ist eine Geschichte mit vielen Figuren, in denen sich der Leser und die Leserin wiederfinden können, Personen, mit denen man beim Lesen ein Stück Weg gemeinsam gehen kann, die einen anregen können für das eigene Leben, für die eigene Beziehung zu Gott.

4 Wer möchte, nehme sich eine Bibel - vielleicht in einer neueren Übersetzung oder einer Nacherzählung - zur Hand und lese nach und weiter im ersten Buch Mose. Einen zweiten Text möchte ich Ihnen vorstellen. Es ist ein Psalmwort, ein Gebet, ein Gedicht, seit tausenden von Jahren von Menschen gesprochen im Gottesdienst, im stillen Gebet, Worte des Trostes, Worte der Hoffnung: Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlöst hat, werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Aus Gefangenen werden Träumende. Not und Elend vergehen. Menschen, wie im Traum, Münder, die lachen, Freude, die überschäumt, Zungen, die rühmen, die loben und voll sind Leben. Mich rührt die Poesie dieser Worte, ihre zarte Schönheit immer wieder an, die Verse der Psalmen gehen mir zu Herzen und sind ganz nahe an dem, was ich selbst fühle, brauche und Gott sagen möchte. Vielleicht nehmen Sie sich die Zeit, einen der 150 Psalmen zu lesen, vielleicht auch nur einen Vers, ein einziges Wort reicht manchmal schon und lassen diese uralten Worten zu ihren Worten werden. Zum Schluss noch eine dritte Sorte von Texten in der Bibel. Ein Satz nur, eingebettet in eine Geschichte: Eine große Menschenmenge sammelt sich um einen, der etwas zu sagen hat, und sie bringen ihre Kinder, damit er sie segnen soll. Doch seinen Anhängern wird es zu viel und sie schicken die Eltern mit den Kindern fort. Der Mann sieht es, hält sie davon ab und sagt diesen Satz: Lasst die Kinder zu mir kommen. Denn gerade für solche Kinder ist Gott da. Wer Gott nicht aufnimmt, wie ein Kind, der versteht ihn nicht.

5 Ein Satz von Jesus, ein Wort, das mich zum Nachdenken bringt: Wie ist das mit dem Kind in mir? Bin ich manchmal noch so wie ein Kind, offen und neugierig? Bin ich manchmal so, dass ich Gott erleben kann, wie ein Kind es vielleicht tut? Es gibt viele solcher Sätze und Geschichten aus dem Munde Jesu, die mich anregen, inne zu halten, nachzudenken, mich von ihnen befragen zu lassen. Die Bibel ist ein Buch, das man schlecht lesen und dann einfach wieder ins Regal stellen lässt. Es ist ein Lebensbuch, will gelesen, beachtet und gelebt werden, will immer wieder vorkommen im Leben. Eine Schrift, dass der Mensch vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt. wie der Autor des Predigttextes schreibt. Die Bibel als Lebensbuch, vielleicht nicht gleich zu unserer Vervollkommnung, obwohl das Lesen in der Bibel Mut machen kann, immer wieder neue und bessere Wege zu gehen. In jedem Fall ist die Bibel ein Buch, das unser Leben vollkommener und reicher machen kann, dass uns die Welt mit bunteren Farben, mit immer neuen Facetten und neugieriger Aufmerksamkeit sehen lässt. Gott selbst beschreibt es - den Worten aus dem 5. Buch Mose zufolge - einmal so: Es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. Arne Dembek, Vikar