Auslandsbericht Avignon WS 2014/15

Transkript

1 Auslandsbericht Avignon WS 2014/15 1. Anreise Am Günstigsten kommt man mit dem Europa-Spezial-Ticket der Deutschen Bahn nach Avignon. Der TGV fährt einmal täglich direkt von Frankfurt am Main durch Avignon bis Marseille und kostet, wenn man früh genug bucht, 39 für die Strecke inklusive dem Zubringerzug von Würzburg und benötigt genau 7 Stunden. Mit der BahnCard 25 bist du natürlich entsprechend billiger dran. Wenn du dir die carte jeune anschaffst (dies solltest du wirklich tun, dazu später), lohnt es sich auch manchmal die Fahrkarte über die französische SNCF (Bahngesellschaft) zu buchen, da man hier 50% Rabatt bekommt. Also immer beide Möglichkeiten abchecken ;) Avignon besitzt zwar einen eigenen TGV-Bahnhof, dieser befindet sich allerdings etwa zehn Kilometer abseits vom Stadtgebiet. Alle zwanzig Minuten fährt eine Navette vom Zentralbahnhof (Avignon Centre) zum Gare TGV, von dem du noch viele weitere günstige Ziele erreichst! 2. Unterbringung Such dir eine WG!!! Ich hab es falsch gemacht und den Wohnungsmarkt ähnlich eingeschätzt, wie in Würzburg und bin daher auf Nummer sicher gegangen und hatte im Voraus ein Zimmer in einem privaten Wohnheim (Les Cordeliers) gemietet. Aufgrund der Erfahrung von Freunden aus Avignon weiß ich jetzt allerdings, dass es gar nicht schwer ist eine WG zu finden. Überall in der Stadt hängen Zettel aus und es gibt Internetseiten, wie beispielsweise auf der man WGs suchen kann. Wenn ich nochmal mein Erasmus planen würde, würde ich mir für die erste Woche ein Zimmer in einem Hostel buchen und mich dann auf WG-Suche begeben. Eine WG hat mehrere Vorteile: Es ist ggü. Der privaten Wohnheime unschlagbar günstig (Ich hatte 500 im Monat bezahlt, Freunde in WGs sind mit 250 ausgekommen). Die Garidelle (das Studentenwohnheim der Uni) hat zwar etwa den gleichen Preis, hier wohnst du jedoch mit einer fremden Person zusammen

2 in einem Zimmer. Ich kenne einige, bei denen das nicht besonders gut geklappt hat. Zweitens wirst du in einer WG mit Franzosen zusammenwohnen, durch die du mehr Französisch lernen wirst als an der Uni und im Alltag! Das verspreche ich dir! Achte darauf eine Wohnung innerhalb der Stadtmauer zu finden (intramuros). Hier spielt sich das ganze Leben in Avignon ab und auch die Uni ist intramuros. Falls du trotz meiner Empfehlung doch in ein Wohnheim ziehen möchtest, rechne damit, dass du unter Umständen bis auf die Möbel wirklich alles selber besorgen musst: Vom Geschirr über die Bettwäsche bis zur Klobürste. Bei mir war nichts da und zum Ende musste ich viele meiner Sachen verschenken bzw. wegschmeißen, da ich sie nicht transportieren konnte. Oft braucht man ein eigenes französisches Bankkonto, um eine französische Wohnung mieten zu dürfen (umgekehrt braucht man einen französischen Wohnsitz, um ein Konto eröffnen zu können so sind die Franzosen manchmal, aber zu solchen Späßen später: ll ne faut pas penser, il faut seulement accepter ). Und auch ganz wichtig: Die assurance d habitation!! Ohne die geht gar nichts (glaub mir, manche dürfen solange sie die nicht haben nicht in ihr Zimmer), ich hab sie bei der AXA abgeschlossen und etwa 18 Euro für das halbe Jahr bezahlt. 3. Leben und Kosten Ich finde die finanzielle Unterstützung für Erasmus großartig! Mobilitätsgeld, AuslandsBAföG und CAF. Auch wenn die Lebenserhaltungskosten in Frankreich um einiges höher sind als in Deutschland, lebt man mit dem Fördergeld nicht viel teurer als zuhause. Das Einzige was dafür richtig nervt, ist der hierfür benötigte Papierkrieg!!! Viele raten, das AuslandsBAföG zu beantragen, egal ob man es zuhause bekommt oder nicht, da die Konditionen niedriger sind. Das stimmt zwar, aber meiner Meinung nach macht die Beantragung nur in dem Fall Sinn, wenn du weißt, dass du relativ viel Geld bekommst, DENN das Geld was du von der CAF bekommst, wirst du im Nachhinein wieder an das BAföG-Amt zurückzahlen müssen. Und es wäre doch ärgerlich die bürokratischen Hürden auf sich zu nehmen um am Ende eh wieder alles zurückzahlen zu müssen, auch wenn es meiner Meinung nach ziemlich unfair geregelt ist.

3 Die CAF würd ich allerdings auf alle Fälle beantragen!!! Und zwar so früh wie möglich (die sind da ähnlich kleinkariert wie die Leute vom BAföG-Amt, aber naja, alles Erfahrung!!)! Die CAF (Caisse des Allocation Familiales) ist die Wohnhilfe für Studenten in Frankreich. Für alle Studenten! Der Papierkrieg ist enorm, doch er lohnt sich: Ich habe monatlich 175 bekommen (der Zuschuss setzt sich aus der Größe der Wohnung und Anzahl der Mitbewohner zusammen) und das Geld ist vollkommen darlehensfrei! Du musst keinen einzigen Cent jemals in deinem Leben zurückzahlen! Ist das nicht Klasse? Leben ist teuer. Essen ist teuer, Essen gehen ist teuer, Rauchen ist teuer, Alkohol ist teuer, Weggehen ist teuer. Man gewöhnt sich dran ;) 4. Mobilität Kauf dir die carte jeune! Diese kannst du dir am Schalter am Bahnhof besorgen und kostet für ein Jahr 50. Mit der bekommst du, gestaffelt nach Tarifzonen je nach Stoßzeiten im Pendlerverkehr entweder 25 oder 50 % Rabatt für jede Strecke die du mit dem Zug fährst. Das lohnt sich wirklich!!! Mit dem TGV bist du in zweieinhalb Stunden in Paris, in einer Stunde in Marseille und Lyon, es gibt zum Teil super Angebote (schau mal auf ouigo.fr) und die Regionalzüge sind auch gut ausgebaut. Was ich auch noch wärmstens empfehlen kann sind die Busverbindungen. Für einen Euro kommt man richtig weit: Ans Meer an den Pont du Gard (hier kann man auch gut Baden gehen) und in die entlegensten Dörfer! Innerhalb der Stadtmauer gibt es so gut wie keine öffentlichen Verkehrsmittel. Das liegt daran, dass die Straßen zum Teil extrem eng sind und man die Busse schlichtweg nicht benötigt. Von einem zu anderen Ende der Stadt ist man in zwanzig Minuten gelaufen. Wenn du dir mal ein Auto mieten möchtest, kann ich dir empfehlen: Hier vermieten Privatleute für einen Spottpreis ihr Auto. Trotzdem 100% seriös und versichert! Und den Franzosen ist ihr Auto auch nicht so wichtig wie den Deutschen.

4 5. Organisation Tja, was soll ich dazu sagen?! Deutsche Bürokratie trifft auf EU trifft auf Französische Bürokratie (die noch schlimmer ist als unsere) Nimm mit was du hast, für die CAF brauchst du z.b. sogar eine amtliche Übersetzung deiner Geburtsurkunde. Bei der Organisation im SRI (Service des Relations Internationales), das International Office der Franzosen, lief es drunter und drüber, ich glaube ich musste noch nie so viel hinter irgendwas herlaufen. Aber das betrifft jeden, einfach keine Sorgen machen und alles klappt schon irgendwie, auch mit Verspätung. Auch sonst, wenn man üblicherweise konfuse Dokumente unterschreiben muss und jeden Tag was anderes zu hören bekommt gilt immer: ll ne faut pas penser, il faut seulement accepter. 6. Universität Die Universität ist sehr überschaubar, es gibt lediglich 7000 Studenten und etwa 200 Erasmus-Studenten. In vielen Kursen von lettres et langues hocken mehr Ausländer als französische Studenten, die Integrationsunfähigkeit der Franzosen und Französinnen erkläre ich mir auch nur an unserer Überzahl. Es ist wirklich schwer sich zu integrieren, aber das wirst du so in allen Erfahrungsberichten lesen. Sei offen, nett und geh vor allem auf deine französischen Kommilitonen zu, dann wirst du auch zu französischen Bekanntschaften kommen. Allgemein läuft alles sehr schulisch ab: Die französischen Studenten bekommen zu Beginn ihres Semesters einen Stundenplan mit etwa 15 Kursen, in denen Anwesenheitspflicht ist. Die Eigenbeteiligung am Studium ist sehr gering, es gibt kaum Referate und Hausarbeiten, die Dozenten stehen vorne, lesen ihr Skript laut ab und die Studenten schreiben alles wortgenau mit. Es gibt in jedem Kurs zwei Test pro Semester: Einmal den contrôle continu in der Mitte des Semesters und das partiel zum Ende. Der Umfang ist jeweils überschaubar und machbar. Ich hatte neun Kurse plus zwei Sportkurse, für die ich jeweils 3 ECTS-Punkte bekommen habe und mir auch alle, mit relativ guten Noten, hab anrechnen lassen können. Es gibt ein wirklich sehr gutes Sportangebot, für das man sich vor Beginn des Semesters eintragen kann. Die Erasmus-Studenten haben hier Vorrang. Die Dozenten sind ziemlich unterschiedlich. Ich werde mich hier jetzt nicht über einzelne Dozenten auslassen, aber es gibt wirklich welche, bei denen man sich

5 sicher sein kann, dass sie eine gewisse Abneigung gegen Erasmus-Studenten haben. Umgekehrt gibt es aber auch sehr, sehr nette und zuvorkommende. 7. Die Stadt und das Umland Provence. Geiles Wetter, Meer, schöne Landschaften, Lavendel und einfach nur das Leben genießen. Gut, für den Lavendel muss man im Juni kommen :D. Das Wetter ist wirklich perfekt, aber wir waren ungelogen noch im November im Meer baden und das Beste ist: Alles ist aber Oktober extrem billig, ihr habt alle sonst überlaufenen Touristenorte für euch und seht die Provence in ihrer Pracht ohne den extensiven Tourismus. Mein Geheimtipp: Ein Tag auf der Île Frioul vor Marseille Avignon ist etwas kleiner als Würzburg, aber um einiges kompakter: Das gesamte Leben spielt sich innerhalb der Stadtmauer ab. Die Stadt ist belebt, alles ist superschnell zu Fuß erreichbar und man hat alles was man braucht. 8. Fazit Ich hatte in Avignon eine wirklich geile Zeit, ich habe Freunde fürs Leben gefunden und habe mit ihnen die Stadt, das Land, die Leute und die gesamte Region kennenlernen können und dürfen. In Avignon gibt es alles was man braucht, die Stadt ist historisch bedeutend und interessant und ich kann auch wegen dem besonderen Klima wirklich nur empfehlen, ein Teil seines Lebens dort zu verbringen. Für die kommenden Erasmus-Studenten wünsche ich eine wunderbare Zeit, lasst euch nicht vom Mistral wegfegen und genießt euer Leben in einer der schönsten Gegenden Europas