Die beginnende Schizophrenie

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1 Edition Das Narrenschiff Die beginnende Schizophrenie Versuch einer Gestaltanalyse des Wahnsinns Bearbeitet von Klaus Conrad 1. Auflage Taschenbuch. 272 S. Paperback ISBN Format (B x L): 13 x 21 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Sonstige Medizinische Fachgebiete > Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

2 7 Zur Neuausgabe Klaus Conrads»beginnende Schizophrenie«ist ein Klassiker. Seit Eugen Bleulers»Dementia Praecox oder die Gruppe der Schizophrenien«hat kein Buch unser Bild von der Krankheit in vergleichbarer Weise geprägt. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 1959 haben Generationen von Psychiaterinnen und Psychiatern und Mitglieder anderer in der Psychiatrie tätigen Berufsgruppen die Conrad sche Darstellung in sich aufgesogen, haben gelernt, ihre Kranken auf diese Weise besser zu verstehen. Seit der Thieme Verlag, in dem die ersten Auflagen erschienen waren, das Buch nicht mehr aufgelegt hat, hören wir immer wieder Bedauern darüber, dass es nicht mehr verfügbar ist, hören wir von»raubkopien«und von Verleihzirkeln kostbarer Einzelexemplare. Mit anderen Worten: Klassiker mögen zwar in die Bibliothek gehören. Aber es gibt Klassiker, die auch nach 50 Jahren gelesen werden wollen. Dafür, dass Klaus Conrads beginnende Schizophrenie dazugehört, gibt es gute Gründe. Zum einen sind Darstellungsweise und Inhalt gerade im Zeichen einer reduktionistischen, klassifikatorischen Ära der Psychiatrie unverändert aktuell, unverändert eindrucksvoll. Zum anderen ist seit etwa zehn Jahren kein anderes Thema der Psychiatrie in Klinik und Forschung von vergleichbarer Bedeutung, wie eben die beginnende Schizophrenie. Früherkennung schizophrener Psychosen war das Leitthema der 90er-Jahre; das wird sich auch im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts nicht ändern. Allerdings ist die Perspektive eine andere. Zwar geht es bei der Früherkennungsforschung auch um lebensgeschichtliche Aspekte; geht es auch um die Wahrnehmung und Einordnung so genannter Prodromalsymptome, auch um die Erkennung versprengter früher psychotischer Zeichen und Signale. Im Mittelpunkt vor allem der Forschung aber stehen andere Faktoren: Die Suche nach neurobiologischen Frühzeichen, auch nach solchen, die sich bereits in der Kindheit manifestieren; die Suche nach frühen kognitiven Anzeichen, die auf eine spätere Psychose hinweisen könnten, die Entwicklung von psychologischen Testbatterien, die eine Früherkennung erleichtern sollen. Gerade deshalb ist Conrads ergreifende Schilderung der beginnen-

3 8 den Schizophrenie, sein»versuch einer Gestaltanalyse des Wahns«auf dem Hintergrund phänomenologischer und psychopathologischer Denkansätze, sehr wohl auch unter Einbeziehung psychodynamischer Aspekte, von unschätzbarem Wert. Dies ist der Grund, weshalb Beatrice Alder und ich seit einigen Jahren versucht haben, eine Neuausgabe zu bewerkstelligen. Wir danken der Familie des früh verstorbenen Klaus Conrad von Herzen dafür, dass sie uns das nun ermöglicht hat. Basel, im Februar 2003 Asmus Finzen

4 »Ich glaubte, ich strebte zum Licht, aber es war immer nur die Angst vor dem Dunkeln...«Ein Kranker in der beginnenden schizophrenen Psychose bei der Exploration (vgl. S. 147). 9 Vorwort Diese Studie knüpft an eine Forschungsrichtung der allgemeinen Psychopathologie an, die eine große Vergangenheit hat, aber nur noch eine geringe Gegenwart: die Psychopathologie von K. Jaspers und der Heidelberger Schule (Wilmanns, Gruhle, K. Schneider, Mayer-Gross, Bürger-Prinz u. a.). Obwohl wir unmittelbar ihre Ergebnisse fortführen, wird dennoch manches neu erscheinen, weil wir versuchen werden, jenes so hoffnungsvoll begonnene, dann aber so frühzeitig stecken gebliebene Werk mit neuem Handwerkszeug anzupacken. Wir glauben nämlich die Gründe zu kennen, warum jener Weg nicht recht weiterführte, so viel man sich auch von ihm versprochen haben mochte. Ja, selbst dieses Steckenbleibens scheint man sich kaum recht bewusst geworden zu sein, meint vielmehr, psychopathologische Forschung sei überhaupt zu einem Ende gelangt; der Hügel wäre abgetragen; das Bergwerk sei erschöpft (K. Schneider 1952). Wir indessen glauben,es liege an der zu jener Zeit einzig vorhandenen Psychologie (W. Wundt), deren letztes Ziel es war, Psychisches in seine Grundelemente und Grundfunktionen zerlegen zu wollen. Wie sollte es gelingen, mit einem solchen Instrument Probleme wie den Wahn anzufassen, dessen Wesen sich allsogleich verflüchtigt, wenn man nur den Versuch macht, ihn als Störung irgendeiner»psychischen Funktion«verstehen zu wollen. Der Eindruck der Trübung einer Flüssigkeit verschwindet bekanntlich, wenn man von dem Glase, das sie enthält, nur einen kleinen Teilausschnitt zu sehen bekommt. Sollte es mit der Trübung des Geistes nicht ähnlich sein? Sicher ist es kein Zufall, dass gerade jetzt dieser Versuch einer Wiederbelebung des Gedankengutes von Jaspers und seinen Mitarbeitern gemacht wird. Das lähmende Nichtweiterkommen hatte ver-

5 10 ständlicherweise zu anderen Versuchen geführt, psychopathologische Forschung weiterzutreiben. Aber wie es oft geschieht, können neu aufgeworfene Straßen leicht wertvolle alte Wege verschütten. So entstand Gefahr, wichtiges und lange erarbeitetes Wissensgut könne gänzlich verloren gehen. Die Diagnose der Schizophrenie ist förmlich ins Gleiten geraten. Niemand scheint auch nur Ähnliches zu meinen, der dieses Wort ausspricht und niemand weiß mehr vom andern, was er eigentlich darunter versteht. Es ist hohe Zeit, sich wieder einmal darauf zu besinnen, was bisher darüber erarbeitet wurde und zu fragen, welche Richtung der Weg der Forschung künftig nehmen solle. Dieses Buch sollte schon vor 16 Jahren geschrieben werden. Äußere Umstände verhinderten es, denn es waren unruhige Zeiten. Dann konnte sich der Autor nicht mehr entschließen, das umfängliche Bündel alter Krankenpapiere nochmals aufzubündeln, zumal andere Aufgaben ihn davon abzogen. So blieb das damals, in den Jahren 1941/42 gesammelte Material 16 Jahre liegen. Wenn es nach dieser langen Wartezeit nun doch noch zu einer Bearbeitung kam, so empfindet niemand ihre Unzulänglichkeit stärker, als der Autor selbst. Es scheint ihm allerdings und das war ein weiterer Anlass zur Bearbeitung, dass die damaligen phänomenologischen Analysen keineswegs an Aktualität verloren haben; im Gegenteil. Es ist immer schwer, ein Buch zur richtigen Zeit zu schreiben. Mitunter wird es zu früh geschrieben, dann versteht niemand, was man will oder man schreibt es zu spät, dann interessiert es niemanden mehr. Man kann es nie im Voraus wissen und immer nur hoffen, den richtigen Zeitpunkt gewählt zu haben. K. Conrad