Johannes Bähr und Paul Erker: "Bosch Geschichte eines Weltunternehmens"

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1 ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Johannes Bähr und Paul Erker: "Bosch Geschichte eines Weltunternehmens" Beck-Verlag 720 Seiten 39,95 Euro Rezension von Godehard Weyerer Donnerstag, (14:55 15:00 Uhr)

2 Godehard Weyerer Es ist ein gewaltiges Werk über 700 Seiten stark; allein 100 Seiten umfasst der Anmerkungsteil. Es ist ein Buch zweier Historiker, die Unternehmensgeschichte schreiben. Johannes Bähr, Professor an die Universität Frankfurt, schrieb zuletzt über MAN und den Flick-Konzern im Dritten Reich ein wenig zu milde sei sein Urteil über die umstrittene Unternehmerdynastie ausgefallen, meinte die Kritik. Paul Erker, der jüngere der beiden und Professor am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians Universität München, veröffentlichte Abhandlungen über die Spedition Dachser und die Maschinenbau GmbH Streicher aus dem niederbayrischen Deggendorf. Und nun Bosch, der Stuttgarter Weltkonzern, der kürzlich sein 125jähriges Jubiläum feierte. Die offizielle Festschrift stammt allerdings aus der Feder der unternehmenseigenen Kommunikationsabteilung darauf verweisen die beiden in ihrem Vorwort und bedanken sich zugleich bei den Mitarbeitern des Bosch-Archivs für deren Unterstützung. Ein gewisses Maß an wohlwollender Nähe zum Gegenstand, über den man schreibt, sollte schon sein es sei denn, man lässt kein gutes Haar an ihm. Im Falle der Robert Bosch GmbH scheint diese Sympathie nicht verwerflich zu sein. Der Konzern ist seinen Mitarbeitern freundlich gestimmt, stets darauf bedacht, das wirtschaftliche mit dem sozialen zu vereinen. Sei Mensch und ehre Menschenwürde. sagte der Firmengründer Robert Bosch und: Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle. Boschs soziale Aufgeschlossenheit, bekräftigt Bähr, unterschied sich stark von den Vorstellungen seiner Standesgenossen. Arbeiterausschüsse, Achtstundentag, Alters- und Hinterbliebenenfürsorge, die der Patron aus den Erträgen seines Unternehmens finanzierte. Wem das aber nicht reichte, dem begegnete Bosch mit schroffer unnachgiebiger Ablehnung.

3 Angenehm nüchtern beschreibt Johannes Bähr die Herkunft, das Leben und den Aufstieg von Robert Bosch in Albeck bei Ulm geboren, gründete er 1886 in einem Stuttgarter Hinterhof eine Werkstatt für Feinmechanik und Elektrotechnik. Der Magnetzünder wurde zur Zündkerze weiterentwickelt; bald kamen Lichtmaschinen hinzu, Scheinwerfer, Anlasser, Blinker und das Bosch-Horn, der Vorläufer der heutigen Hupe: geradezu unaufhaltsam, resümiert Johannes Bähr, stieg Bosch zu einem Fahrzeugausrüster von Weltruf auf. Im 1. Weltkrieg wurde die Produktion umgestellt auf Abwurfbolzen, Wurfminen- und Geschosszünder. Die Herstellung von Kriegsmaterial, schreibt der Autor, war dann für insgesamt vier Jahre die wichtigste Fertigung der Firma. Sie hätte dem Unternehmen das Überleben gesichert. Eine eigenwillige Interpretation, bedenkt man, dass sich in den vier Kriegsjahren der Umsatz verdreifachte. Ohnehin kommt die Einbindung der Firmengeschichte in den größeren historischen Kontext von Politik, Wirtschaft Gesellschaft ein wenig blutleer daher. Arbeiterräte, Inflation, staatliche Zwangsschlichtung, Notverordnungen und Lohnkürzungen: Die Weimarer Republik war gerade für Arbeiter, da wird die Bosch-Belegschaft keine Ausnahme machen, eine Zeit voller Aufbrüche, guter Hoffnungen und schließlich bitterer Enttäuschungen. Für die Unternehmenshistoriker scheint da die Erweiterung der Bosch-Produktpalette von größerem Interesse zu sein. Elektrowerkzeuge, Kühlschränke, Rundfunkgeräte rundete in den 20er Jahren die Bosch-Produktpalette ab. Und dann kam der 31. Januar Für Bähr ist es erklärungsbedürftig, dass Vorstandsmitglieder eines Unternehmens, das für seine Distanz zur NSDAP bekannt war, wenige Monate nach Hitlers Machtübernahme die Mitgliedschaft in dieser Partei beantragten. Auch ließ sich die Bosch-Führung damit auf einen Mechanismus ein, mit dem sie sich in immer größere Widersprüche verstrickte. Für Robert Bosch galt dies nicht. Er starb, ohne jemals Mitglieder in der NSDAP oder SS geworden zu sein, im März 1942 an einer verschleppten Mittelohrentzündung. Und natürlich arbeiteten auch bei Bosch Zwangsarbeiter, die

4 von überall her kamen aus dem Westen, aus dem Osten, aus den Kriegsgefangenenlagern und aus den KZ s. Bähr schreibt mit großer Nachsicht: Kein Industrieunternehmen wäre in der Lage gewesen, sein Produktionsniveau ohne Zwangsarbeiter aufrechtzuerhalten, geschweige denn zu steigern. In welchem Umfang die Unternehmen vom niedrigeren Lohnniveau der Zwangsarbeiter betriebswirtschaftlich profitiert haben, ist in der historischen Forschung umstritten, da auch die Leistungsfähigkeit dieser Arbeiterinnen und Arbeiter aufgrund der schlechteren Bedingungen unter dem Niveau der Stammbelegschaft lag. Eine moralische Verpflichtung den ausgebeuteten und geschundenen Kreaturen gegenüber empfand Hans Merkle, der Vorstand der Bosch-Geschäftsführung, selbst 1998 nicht, als die Diskussion in den USA im Zuge der drohenden Sammelklagen gegen deutsche Unternehmen hochkochte und die betroffenen Firmen in letzter Minute einwilligten, die Zwangsarbeiter zu entschädigen. Fünf Milliarden DM waren angepeilt, mit Mühe und Not kam die Hälfte zusammen, die die Unternehmen, auch Bosch, obendrein als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen durften. Über dieses blamable Trauerspiel verlieren die Autoren in ihrem Buch kein Wort. Stattdessen rutschen die Unternehmenshistoriker gerne ins Managerdeutsch ab. Von Diversifikations- und Akquisitionsaktivitäten ist die Rede, von Anpassungsmaßnahmen, Rationalisierungsstrategien und Arbeitskonflikten in den 1970er Jahren. Das klingt spröde und ist auch so geschrieben. Paul Erker, der den Nachkriegsteil verantwortet, überschreibt seine Kapitel etwa Zitat: Der unaufhörliche Kampf gegen Verlust-Erzeugnisse und schildert darin, wie sich Bosch im globalen Wettbewerb Zitat breiter aufstellt. So rückt das Werk mehr und mehr in die Nähe einer Gefälligkeitsadresse. Und nicht von ungefähr schließt es mit einem beinahe halbseitigen Zitat des Gründerenkels anlässlich der Jubiläumsgala zum 125 jährigen Bestehen des Konzerns.

5 Wir nehmen uns vor, diese erstaunliche Geschichte des Unternehmens so weiterzuschreiben, dass Robert Bosch auch in Zukunft stolz darauf sein könnte, seinem Namen in allen Ländern der Welt zu begegnen. Die beiden Autoren möchten wohl mit dem vorliegenden Buch ihren Anteil dazu beitragen. Das ist ihnen gelungen. Denn die 550 Textseiten unterscheiden sich kaum von der offiziellen Festschrift, die Johannes Bähr und Paul Erker im Vorwort erwähnten und von der sie sich abzusetzen beabsichtigen. Kritische Unternehmensgeschichte, selbst aus wohlwollender Perspektive und Distanz, geht anders.