3 Prostatakarzinom Diagnostik
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- Gerd Gärtner
- vor 7 Jahren
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1 3 Prostatakarzinom Diagnostik Ist die Diagnose eines Prostatakarzinoms erst einmal gestellt bzw. nach Entnahme einer Gewebeprobe aus der Vorsteherdrüse (sog. Prostata-Biopsie) bestätigt worden, existiert eine ganze Reihe von Untersuchungen und Tests, um das Ausmaß der Erkrankung näher zu bestimmen. Diese Durchuntersuchung des Patienten, in ihrer Gesamtheit auch als sog. Staging bezeichnet, soll feststellen, ob und in welchem Umfang die Krankheit bereits in Nachbarorgane oder entferntere Körperregionen gestreut hat. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bilden die Grundlage für Art und Umfang der jeweiligen Behandlung. Tastuntersuchung Die Untersuchung mit dem tastenden Finger im Enddarm, die sog. digitale rektale Untersuchung (abgekürzt: DRU, lat. digitus = der Finger, lat. rectum = der Enddarm) stellt dabei die simpelste Form der Prostatauntersuchung dar, zugleich auch die einfachste Methode, um eine erste Aussage über die Größe und Beschaffenheit der Prostata zu machen. Oberflächenund Konsistenzveränderungen lassen unter Umständen auch Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Karzinomes zu. Die meisten Karzinome sind ohnehin im hinteren Prostataanteil lokalisiert und damit dem untersuchenden Finger recht gut zugänglich. Karzinome, welche sich im Randbereich der Prostata entwickeln, lassen sich häufig als knotige Strukturen tasten. Bisweilen lässt sich sogar ertasten, ob ein Karzinom bereits über die Prostatakapsel hinausgewachsen ist. Leider bietet die Tastuntersuchung alleine keine hundertprozentige Zuverlässigkeit. Sie ist weniger aussagekräftig und versagt möglicherweise ganz bei Karzinomen, die sich in den vorderen Anteil der Prostata ausdehnen und sich damit dem untersuchenden Finger entziehen. Auch erfordert die Beurteilung der bei der Tastuntersuchung erhobenen Befunde erhebliche Erfahrung. Befunde verschiedener Untersucher können bei ein und demselben Patienten durchaus variieren, so dass diese Untersuchungsmethode nur einen ungefähren Anhaltspunkt bezüglich des lokalen Ausmaßes eines Prostatakarzinomes geben kann. Die Erfahrung zeigt, dass ungefähr die Hälfte aller Karzinome, die man als noch auf die Prostata begrenzt ertastet, bereits die Kapsel durchbrochen bzw. überschritten hat.
2 10 3 Prostatakarzinom Diagnostik PSA-Wert Das PSA (Prostata-spezifisches Antigen) ist ein Protein, das von Zellen produziert wird, welche die in der Vorsteherdrüse gelegenen Prostatakanälchen auskleiden. Winzige PSA-Mengen gelangen über die in der Prostata gelegenen Blutgefäße in den allgemeinen Blutkreislauf. Das PSA lässt sich nach Entnahme einer Blutprobe relativ einfach laborchemisch bestimmen. Prostatakarzinome haben in aller Regel die Eigenschaft, größere PSA-Mengen zu produzieren, was sich dann natürlich als höher zu messende Konzentration im Blut niederschlägt. Auch Metastasen eines Prostatakarzinoms können zu erhöhten PSA-Werten führen. PSA-Tests werden den Labors von verschiedenen Herstellern angeboten. Für die meisten Tests wird ein Normalwertbereich von 0 4 ng/ml (d. h. Nanogramm pro Milliliter Blutserum) angegeben. Werte über 4 ng/ml sind als pathologisch zu bewerten. Allerdings werden bei Prostatakarzinomen im Frühstadium häufig auch Werte unter 4 ng/ml ermittelt, so dass die Verwendung des Normalwert- Begriffes in diesem Zusammenhang nicht selten irreführend ist bzw. fälschlicherweise einen nicht vorliegenden Normalzustand suggeriert. Zur weiteren Klärung werden zusätzliche Methoden zur Testoptimierung wie z. B. altersangepasste PSA- Werte, PSA-Unterformen, PSA-Anstiegsgeschwindigkeit und andere mehr herangezogen (Hammerer/Lein 2004, Börgermann/Rübben 2006). Der Einfachheit halber wird im nachfolgenden die Einheit ng/ ml weggelassen, wenn vom PSA-Wert die Rede ist. Neben dem Prostatakarzinom können auch noch andere Umstände bzw. Erkrankungen zu einer Erhöhung des PSA-Wertes führen (Fornara et al. 2004). Häufigste Ursache ist in diesem Zusammenhang die Vergrößerung der Prostata beim älter werdenden Mann. Der medizinische Fachbegriff für diese gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse ist benigne Prostatahyperplasie (BPH). Die BPH führt in der Regel selten zu PSA-Erhöhungen über 10. Infektionen oder die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Prostata können ebenso wie wiederholte Tastuntersuchungen zu einem vorübergehenden PSA-Anstieg führen. Ein erhöhter PSA-Wert ermöglicht nicht selten eine grobe Schätzung der Größe bzw. des Ausmaßes der Krebserkrankung. So lassen deutlich erhöhte PSA-Werte häufig den Rückschluss auf große Karzinome zu. Abbildung 3-1 zeigt, dass gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für ein kapselüberschreitendes Wachstum zunimmt. Seltener kommt es allerdings auch vor, dass sehr große Karzinome zu keinem wesentlichen Anstieg der PSA-Konzentration führen. Wichtig ist daran zu denken, dass Krebsteste, wie hier der Tumormarker PSA, immer nur Wahrscheinlichkeitsangaben darstellen. So weisen einige Patienten mit sehr hohen PSA-Werten noch relativ kleine, vollständig heilbare Karzinome auf, während andere Patienten mit relativ niedrigen PSA-Werten durchaus auch ein bereits fortgeschritteneres Karzinom haben können. Ausnahmen bestätigen die Regel, und der PSA-Wert gehört heute zu den wertvollsten diagnostischen Mitteln des Arztes (Loughlin 2004). Biopsie Die Biopsie, das heißt die Entnahme einer oder mehrer Gewebeproben zur histologi-
3 Grading (Differenzierungsgrad der Zellen) 11 Prostatakarzinom. Prozentuale Wahrscheinlichkeit für ein die Kapsel überschreitendes Krebswachstum 100 % 80% 60% 40% 20% 0% > 20 PSA- Wert (in ng/ml) Abb Wahrscheinlichkeit für ein kapselüberschreitendes Wachstum des Prostatakarzinoms in Abhängigkeit von der Höhe des PSA-Wertes. schen Untersuchung der Prostata, erfolgt heute in aller Regel unter Ultraschallkontrolle durch den Enddarm (transrektale Biopsie), seltener durch den Damm hindurch (perineale Biopsie). Sind bei erhöhtem PSA-Wert Tast- und Ultraschalluntersuchung unauffällig, sollte auf alle Fälle eine sog. Sextanten-Biopsie durchgeführt werden. Dabei werden aus bestimmten Arealen der beiden Prostatahälften jeweils drei dünne Gewebezylinder mit einer Biopsienadel herausgestanzt und anschließend feingeweblich untersucht. Die gezielte Entnahme mehrerer Gewebeproben kann nicht nur den Nachweis von Karzinomzellen erbringen, sondern eine gewisse Abschätzung der Dichte der Tumorzellverbände (»Tumorlast«) und ihrer Verteilung innerhalb der Prostata ermöglichen und damit auch für die Wahl der Therapie bedeutsam sein (Lee et al. 2001). Entscheidende Aufgabe der Biopsie ist neben dem Nachweis oder Ausschluss eines Prostatakarzinoms auch die Festlegung des Differenzierungsgrades eventuell vorhandener Karzinomzellen. Ein unauffälliges, also negatives Biopsieergebnis macht bei anhaltend erhöhtem oder gar steigendem PSA-Wert eine erneute Entnahme von Gewebeproben erforderlich, im Wiederholungsfall unter Umständen auch den zusätzlichen Einsatz weiterer technischer Verfahren (z. B. PET/CT), die nachfolgend noch erläutert werden. Grading (Differenzierungsgrad der Zellen) Nicht alle Prostatakarzinome verhalten sich gleich. So ist eine breite Palette unterschiedlich aggressiv wachsender und sich ausbreitender Karzinomarten zu beobachten, was im sog. Grading zum Ausdruck kommt. Die Skala reicht von ganz langsam
4 12 3 Prostatakarzinom Diagnostik wachsend bis zu sehr schnell voranschreitend. Gewebeproben aus der Prostata werden nach entsprechender Vorbereitung in hauchdünne Scheiben geschnitten und unter dem Mikroskop betrachtet. Karzinomformen, welche Ähnlichkeiten zu normalem Drüsengewebe aufweisen, werden als hoch differenziert (sog. G1-Karzinome) bezeichnet, wohingegen Krebsformen mit starken Abweichungen vom regulären Zellbild als niedrig differenziert (G3) eingestuft werden. Dazwischen einzuordnende Karzinome werden als mäßig differenziert (G2) bezeichnet. Durch die Beurteilung des Differenzierungsgrades der Zellen wird indirekt eine Abstufung von deren Aggressivität und Bösartigkeit vorgenommen. Gleason Score Mit Hilfe des Gleason Scores oder der Gleason-Skala lässt sich nun die Aggressivität bzw. Wachstumstendenz und damit letztlich auch die Bösartigkeit eines Prostatakarzinoms in Zahlen ausdrücken. Die Skala reicht von 2 für die ganz langsam wachsenden Karzinome bis 10 für sehr aggressiv sich entwickelnde Formen (Abb. 3-2). Mit steigendem Gleason Score nimmt nicht nur die Wachstumsgeschwindigkeit, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für eine bereits erfolgte Kapselüberschreitung oder auch Metastasierung zu (Abb. 3-3). Wie der PSA-Wert ermöglicht auch der Gleason Score nur eine ungefähre Abschätzung der Aggressivität eines Prostatakarzinoms. Hinzu kommt ferner, dass Prostatakarzinome oft ein sehr heterogenes, bunt gemischtes Erscheinungsbild aufweisen. Abhängig vom jeweiligen Ort der Biopsie bzw. Probeentnahme können so bestimmte Karzinomareale weitaus aggressiver aussehen als andere. Dies kann auch zu einer falschen Einstufung auf der Gleason-Skala führen. So können Patienten mit hohen Gleason Scores durchaus kleine heilbare Karzinome aufweisen, während umgekehrt auch Patienten mit niedrigen Scores an bereits fortgeschritteneren Karzinomen erkrankt sein können. Trotz möglicher Fehleinstufungen erlaubt der Gleason Score in der Regel doch eine brauchbare Abschätzung der Aggressivität eines Tumors. Abb Quantifizierung der Aggressivität eines Prostatakarzinoms nach dem mikroskopischen Bild mit Hilfe der von 2 bis 10 reichenden Gleason-Skala.
5 Gleason Score 13 Abb Wahrscheinlichkeit für ein kapselüberschreitendes Prostatakarzinomwachstum in Abhängigkeit von der Höhe des Gleason Scores. Neben dem Gleason Score existieren noch weitere Skalen zur Beurteilung der Bösartigkeit eines Prostatakarzinoms. Häufig verwendet werden zusätzlich zur heute obligaten Klassifizierung nach Gleason ebenfalls nach ihren Beschreibern benannte Schemata wie die heute noch häufig benutzte Einteilung nach Helpap sowie die WHO-Einstufung nach Mostofi (Tab. 3-1). Der Gleason Score stellt jedoch die am häufigsten verwendete Skala zur Abschätzung der Karzinomaggressivität dar (Abb. 3-4a u. b). Bei einigen Gewebeproben lässt sich nur schwer ein Gleason- Wert ermitteln. In solchen Fällen begnügt man sich mit der Angabe des Differenzierungsgrades, man spricht dann also von hoch, mäßig und niedrig differenziertem Karzinomgewebe. Tab Histologische Einteilung des Prostatakarzionoms. Gegenüberstellung verschiedener Grading-Schemata (nach Helpap/Köllermann 2003). Gleason Score Einteilung nach Helpap WHO-Grading nach Mostofi Prognose 2 G Ia G1 günstig 3 und 4 G Ib G1 (niedrigeres 5 und 6 G IIa G2 Risiko) 7 G IIb G3 ungünstig 8 und 9 G IIIa G3 (höheres 10 G IIIb G3 Risiko)
6 14 3 Prostatakarzinom Diagnostik a b Abb Histologische (feingewebliche) Schnitte unterschiedlich differenzierter Prostatakarzinome. a) Gleason 6/G IIa nach Helpap. b) Gleason 7/G IIb nach Helpap. Abb Ein Knochenszintigramm mit Darstellung von Skelettvorderund -rückseite. a) Abbildungspaar bei schwacher Geräteaussteuerung
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