5 Diskussion 5.1 Beurteilung des klinischen Verlaufs des Prostatakarzinoms anhand verschiedener Prognosefaktoren
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- Erich Melsbach
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1 5 Diskussion 5.1 Beurteilung des klinischen Verlaufs des Prostatakarzinoms anhand verschiedener Prognosefaktoren Die Klinik wie die Erwartung des betroffenen Patienten suchen nach einer möglichst genauen Risikoabschätzung eines histologisch bestätigten Prostatakarzinoms. Dieser Anspruch ist nicht leicht zu erfüllen. Das ergibt sich aus der Heterogenität des Tumors und der daraus resultierenden unterschiedlichen Aggressivität. Nicht zuletzt muss auch die definitive Therapieentscheidung vom Proliferationspotential des Tumors abhängig gemacht werden. Deshalb ist eine Differenzierung zwischen potentiell progredienten Prostatakarzinomen und solchen, die vermutlich inapperent bleiben werden, wünschenswert wie notwendig. Noch immer klafft auch eine Lücke zwischen Mortalität und Inzidenz. Die Proliferationsrate in Prostatakarzinomen ist insgesamt niedrig, liefert aber bei der Bestimmung der Tumorprogression eine entscheidende Information (136). Die Proliferation des Prostatakarzinoms, die durch die Erfassung von Mitoserate, dem S-Phase-Anteil oder der immunhistochemischen Untersuchung des Zellzyklus wie PCNA oder Ki-67 durchführbar ist, wurde bereits in zahlreichen Studien zum klinischen Verlauf in Bezug gesetzt (137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145). Visakorpi fand bei insgesamt 60 von 139 untersuchten DNA-zytometrischen Analysen eine Aneuploidie. Diese stand in sehr engem Zusammenhang zum histologischen Grading (p<0.001) und korrelierte schwach mit der Fernmetastasierung (p=0.059). Ein direkter Bezug zum T-Stadium, zum Tumorstadium oder zum Alter des Patienten liess sich nicht nachweisen. Die immunhistochemische Untersuchung des PCNA mittels des PC 19- Antikörpers zeigte keine Korrelation mit dem T-Stadium, den Metastasen, der Grösse der Prostata oder dem Alter der Patienten. 62
2 Mittels des 19A2-Antikörpers konnte jedoch eine Korrelation zum histologischen Grading wie auch zur Grösse der Prostata und zum Alter des Patienten gefunden werden. Die prognostische Aussagekraft der DNA-Aneuploidie zeigte eine Korrelation mit einer niedrigen Überlebensrate und dem progressionsfreien Intervall. Der PCNA (PC10) liess keinen Rückschluss auf die Überlebenszeit zu. Insgesamt zeigte die Untersuchung im Hinblick auf die Überlebensdauer nur eine echte Korrelation bei M0-Prostatakarzinompatienten, wenn S+/G2/M- Zellen untersucht wurden. Vesalainen fand in seiner Untersuchung einen Zusammenhang zwischen dem mitotischen Index und dem Gleason Score und/oder dem Metastasierungsgrad. Der mitotische Index war bei T1-2M0-Tumoren von prognostischer Aussagekraft. Es fanden auch weitere Faktoren wie genotypische Charakterisierungen oder Onkogene Berücksichtigung (68, 69, 70, 146, 147). Bookstein (70) beleuchtete hier die generelle Bedeutung der Mutation von Tumorsuppressorgenen im Rahmen der Onkogenese. Beispielhaft seien hier das 1979 ursprünglich beschriebene p53 und das Retinoblastomgen (Rb) genannt, die bereits in vielen Studien untersucht wurden. Die Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen wird als fundamentaler Schritt in der Entstehung von Malignomen angesehen. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass neben den auf Chromosomenabschnitten plazierten Genloci (2.4) weitere wichtige Ansatzstellen für genetische Defekte bestehen. Insgesamt macht diese Tatsache eine prognostische Wertung schwierig. Auch eine Therapieentscheidung lässt sich allein aus diesem Parameter nicht ableiten. Desweiteren fanden die Korrelationen des histologischen Gradings und des klinischen Stagings breite Berücksichtigung in der Frage nach der Überlebenswahrscheinlichkeit. Insbesondere die Arbeiten von Gleason belegen die engen Beziehungen zwischen morphologischer Differenzierung und Lebenserwartung (6). Die Untersuchung an 1032 Patienten hatte ergeben, dass die Bestimmung des Stagings und des Gradings in Kombination diejenigen Patienten mit einer hohen 63
3 Überlebenswahrscheinlichkeit identifizieren könnte und somit substantielle aber auch eingeschränkte prognostische Aussagekraft beinhaltet. 5.2 Ki-67 als Proliferationsmarker und dessen prognostische Relevanz Das proliferationsassoziierte Antigen Ki-67 findet bereits seit weit mehr als einem Jahrzehnt Berücksichtigung in der Literatur (148, 149). Die Möglichkeit der Untersuchung von entparaffinierten Schnitten eröffnete dabei breite Möglichkeiten. Die Beurteilung der Proliferation von benignen und malignen Zellverbänden wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht (47, 150, 151, 152, 153). Gallee (11) fand bei BPH-Proben eine Proliferationsrate von durchschnittlich 0,3% auf die epithelialen Zellen bezogen. Dabei zeigten die Ki-67 positiven Zellen eine Gleichverteilung unter den Basal- und den Luminalzellen innerhalb der hyperplastischen Areale. Demgegenüber fand sich bei Prostatakarzinomproben (n=33) mit 0,4% bis 9,1% (Mittel: 2,9%) eine deutlich höhere Rate proliferierender Zellen. Dabei waren solide Tumoren mit den höchsten Raten an Ki-67-positiven Zellen (Mittel: 7,6%) beteiligt. Alle Tumoren waren nicht vorbehandelt. Insgesamt fand sich bei der Untersuchung kein sicherer Zusammenhang zwischen Proliferationsrate und histologischem Grading. Bubendorf zeigte in einer Untersuchung an 137 Prostatakarzinompatienten, dass Ki-67 einen unabhängigen prognostischen Marker darstellt. Diese These konnte in einer Erhebung von Stattin (153) bestätigt werden. An 125 nicht vorbehandelten Tumoren wurde jeweils der Anteil Ki-67-positiver Zellen bestimmt und zu der verfolgten Überlebenszeit (11-19 Jahre, Mittel: 71 Monate) in Bezug gesetzt. Dabei korrelierte der Ki-67-Index mit dem Grading (p<0,0005) und mässig mit dem Staging (p<0,019) des Tumors. In dieser Untersuchung zeigte sich auch die bedeutsame Tatsache, dass jene Patienten mit einer Proliferationsrate von mehr als 3% eine um die Hälfte verringerte Lebenserwartung hatten. Coetzee (152) konnte eine Korrelation zwischen Gleason-Grad, T-Staging und Ki-67-Index herstellen. 64
4 5.3 Beurteilung der eigenen Ergebnisse Überraschenderweise ergab die Analyse des Gesamtkollektivs dieser Arbeit hinsichtlich der Überlebenszeit nach der Erstdiagnose eine durchschnittlich längere Überlebenszeit für die entdifferenzierten Karzinome. Dies liegt jedoch in der unterschiedlichen Gruppenverteilung begründet und ist nicht zuletzt Folge der kleinen Gruppe G3-Tumoren (n=15). Dennoch ist die Tatsache an sich interessant, dass bei den hier untersuchten, fortgeschrittenen und hormonunabhängig wachsenden Tumoren das Grading kaum Einfluss auf die Überlebensspanne hatte. Der Einfluss der Metastasierung auf die Überlebensspanne war erwartungsgemäss ablesbar. Die Kaplan-Meier Analyse verläuft diesbezüglich eindeutig, obwohl eine statistische Relevanz in deutlicherer Ausprägung zu erwarten gewesen wäre. Hinsichtlich der Proliferationstendenz der ossär metastasierten Patienten ergab die Gruppenzugehörigkeit (<3% Proliferation und > 3% Proliferation) keine Signifikanz im Hinblick auf die Überlebenszeit innerhalb dieser Gruppe. Ebensowenig konnte ein Zusammenhang zwischen der Proliferationstendenz, dem Grading und der Überlebenszeit der ossär metastasierten Patienten hergestellt werden, d.h. auch hier hatte die Zelldifferenzierung dieser hormonunabhängig wachsenden Karzinome keine Bedeutung. Die Patienten ohne Knochenmetastasen, die länger als drei Jahre überlebten, wiesen deutlich niedrigere Proliferationsraten auf, auch wenn dieser Unterschied kein Signifikanzniveau erreicht. Innerhalb der Gruppe der gut- und mittelgradig differenzierten Karzinome war der Unterschied der Proliferationstendenz zwischen Gruppe I und Gruppe II (<3% bzw. > 3% PI) mit einer durchschnittlichen Verlängerung der Überlebensspanne von 19 Monaten vergesellschaftet. Somit ergab innerhalb dieser Gruppe der Proliferationsindex eine zusätzliche, wichtige Information hinsichtlich der Überlebenswahrscheinlichkeit. Dementsprechend verläuft auch die Kaplan-Meier-Kurve deutlich zugunsten der niedrig proliferierenden Zellen. 65
5 Der PSA-Wert verhält sich im Vergleich zum Proliferationsindex heterogen. Eine direkte Korrelation zwischen diesen Parametern konnte insgesamt nicht gefunden werden. 5.4 Zusammenfassung Das Prostatakarzinom hat sich unter den Organmalignomen zur häufigsten Erkrankung des Mannes in Deutschland entwickelt. Es ist ein Tumor mit einem hohen Mortalitätsrisiko. Die heterogene Struktur der Prostatakarzinomzellen macht eine prognostische Aussage bezüglich der Aggressivität des Tumors schwierig. Zuverlässige prognostische Faktoren fehlen bislang. Es wurden histologische Präparate von insgesamt 57 Patienten mit fortgeschrittenen, androgenablativ behandelten Prostatakarzinomen hinsichtlich ihrer Proliferationskinetik mittels des proliferationsassoziierten, nukleären Antigens Ki-67 untersucht. Alle Patienten befanden sich im Tumorprogress, d.h. es wurden ausschliesslich hormonrefraktäre Prostatakarzinome untersucht. Die Analyse der Untersuchungsergebnisse zeigte eine eindeutige Wertigkeit dieses Parameters in Bezug zur Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten. Insbesondere bei Patienten ohne ossäre Filialiserung, die in der Zuordnung der Prognose und/oder der Überlebenswahrscheinlichkeit am schwierigsten zu beurteilen sind, kann der Proliferationsindex als zusätzliche Grösse herangezogen werden. Aus diesem Grund konnte die vorliegende Arbeit zeigen, dass das nukleäre, proliferationsassoziierte Antigen Ki-67 einen unabhängigen prognostischen Marker beim hormonrefraktären Prostatakarzinom darstellt. 66
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