Juristische Risiken und Nebenwirkungen in der HNO-Praxis
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- Leonard Walter
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1 Juristische Risiken und Nebenwirkungen in der HNO-Praxis 65. Tagung der Oto-Rhino-Laryngologischen Gesellschaft zu München e.v. München, 06. Dezember 2014 Rechtsanwalt Dr. Albrecht Wienke Fachanwalt für Medizinrecht
2 Patientenrechtegesetz vom Was ist wirklich neu: Alt: Aufklärung durch Arzt mit entsprechender Ausbildung (Assistenzarzt) Neu: Einwilligung und Aufklärung dokumentieren, 630 f Abs. 2 BGB Neu: Aushändigung von Abschriften der vom Patienten unterzeichneten Aufklärungs- und Einwilligungsdokumentation, 630 e Abs. 2 BGB Neu: Wirtschaftliche Aufklärung bei ungewisser Kostenübernahme nun bei allen Patienten in Ergänzung des BMV-Ä und der BO Neu: Unterstützung der Patienten durch KK ( sollen statt können ) Neu: G-BA: Mindeststandards für Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme Neu: Ruhen der Approbation bei unzureichender Haftpflichtversicherung 2
3 Richtig und zeitgerecht aufklären 1 Risikoaufklärung über Befund, Art des Eingriffs (konservativ, medikamentös, operativ (ambulant - stationär), Schönheitsoperationen), Risiken/Komplikationen, Behandlungsalternativen, Erfolgschancen, Folgen der Nichtbehandlung etc. Therapeutische oder Sicherungsaufklärung: Hinweise, Empfehlungen, Warnungen, betrifft die Lebensführung des Patienten. Informationen durch Aufklärungsbögen, anschließend individuelle Aufklärung im mündlichen Gespräch (Stufenaufklärung). Wirtschaftliche Aufklärung (IGeL). Aufklärungserfolge?? (Wundheilungsstörung, Thromboserisiko) 3
4 Richtig und zeitgerecht aufklären 2 Verständliche und individuell auf den jeweilige Patienten zugeschnittene Informationen (Kellnerin, Opernsänger, Ausländer). Schriftliche Information bei Unsicherheit der Kostenerstattung. Schriftliche Informationen über Kosten bei Privatbehandlung von GKV-Patienten und bei stationären wahlärztlicher Behandlung. 4
5 Kosmetische Operationen bei Kindern Verbot kosmetischer OP bei Kindern (Deutschland versus Österreich) Ohrmuschelanlegeplastiken (Empfehlungen der APKO) Abstehende Ohren ohne Funktionsbeeinträchtigung Selbstbestimmungsrecht des Kindes, Art. 1 und 2 GG, versus persönliche Vorstellungen der Eltern von einem Idealbild ihres Kindes Beschneidungsurteil des LG Köln (Religionsausübungsfreiheit, Erziehungsrecht der Eltern) Eingriff nur bei medizinischer Indikation Psychische oder Psychiatrische Beeinträchtigungen mit den Mittel der Psychiatrie und Psychotherapie OP erst, wenn andere Mittel versagen oder von vornherein nutzlos sind Gute Dokumentation der Gespräche (auch mit dem Kind) 5
6 Honorararzt versus Belegarzt Belegarzt und Honorarbelegarzt, 121 Abs. 5 SGB V Honorararzt nach 2 Abs. 1 und 3 KHEntG: Krankenhausleistungen nach 1 Abs. 1 sind insbesondere ärztliche Behandlung, auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte, Bei der Erbringung von allgemeinen Krankenhausleistungen durch nicht im Krankenhaus fest angestellte Ärztinnen und Ärzte hat das Krankenhaus sicherzustellen, dass diese für ihre Tätigkeit im Krankenhaus die gleichen Anforderungen erfüllen, wie sie auch für fest im Krankenhaus angestellte Ärztinnen und Ärzte gelten. Selbständig oder sozialversicherungspflichtig? Abrechnung wahlärztlicher Leistungen? BGH, Urteil vom III ZR 85/14 : Keine wahlärztlichen Leistungen durch Honorarärzte!! Teilnahme an Weiterbildung und internem Qualitätsmanagement etc.? 6
7 Hörgeräteversorgung Verkürzter Versorgungsweg zulässig (dreiseitiger Vertrag) Testpatienten in der Praxis bei verkürztem Versorgungsweg Unzulässige Empfehlungen Beteiligung an Hörgeräteakustikerunternehmen Novellierung der Hilfsmittel-Richtlinien 2014 Voraussetzungen der Erst- und der Folgeversorgung HNO-Arzt immer zu beteiligen (Verordnung und Bestätigung Muster 15), bei Erstversorgung bei Folgeversorgung, wenn erneute ärztliche Diagnose und Therapieentscheidung medizinisch geboten ist, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen bis 18. Lebensjahr neu aufgetretenem Tinnitus an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit 7
8 Abgabe von Nahrungsergänzungsmitteln in der Praxis 3 Abs. 2 Musterberufsordnung: Ärzten ist es untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Kompressionsstrümpfe, Verbände etc. Anderes gilt für die Ernährungsberatung bei entsprechenden Diagnosen 8
9 Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen zur Delegation: Vereinbarung zwischen KBV und GKV-Spitzenverband über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gemäß 28 Abs. 1 Satz 3 SGB V vom : Nicht delegierbare (höchstpersönliche) Leistungen des Arztes: Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten einschl. invasiver diagnostischer Verfahren, Diagnosestellung, Aufklärung und Beratung des Patienten, Entscheidungen über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien und operativer Eingriffe; Auswahlpflicht Anleitungspflicht Überwachungspflicht Anlage zum BMV-Ä: (allg. delegierbare Leistungen, wie Röntgen, CT, MRT; Labor, Injektionen, Wundversorgung, Verbandswechsel; Hausbesuche nach vorangegangenem Arztkontakt sowie fachspezifische delegierbare Leistungen). 9
10 Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen zur Substitution: Koalitionsvertrag von November 2005 und November 2013: Bei der ärztlichen Versorgung wird geprüft, inwieweit nichtärztliche Heilberufe stärker in Versorgungskonzepte einbezogen werden können. 63 Abs. 3c SGB V: (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz 2008) Modellvorhaben nach Absatz 1 können eine Übertragung der ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt und für die die Angehörigen der im Krankenpflegegesetz geregelten Berufe auf Grund einer Ausbildung nach 4 Abs. 7 des Krankenpflegegesetzes qualifiziert sind, auf diese vorsehen.... Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien fest, bei welchen Tätigkeiten eine Übertragung von Heilkunde auf die Angehörigen der in den Sätzen 1 und 2 genannten Berufe im Rahmen von Modellvorhaben erfolgen kann. Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Bundesärztekammer sowie den maßgeblichen Verbänden der Pflegeberufe Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. 10
11 Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen Heilkunde-Übertragungs-Richtlinie des G-BA vom : Besonderer Teil prozedurenbezogene heilkundliche Tätigkeiten: Wechsel von Trachealkanülen Wechsel von Trachealkanülen bei ausgebildetem Wundkanal, Festlegung, Durchführung, Kontrolle, Anpassung Tracheostomamanagement Kontrolle von (Schleim-) Haut, Wunde, Verbandswechsel, Wundtherapie, Entblockung der Trachealkanüle, Kontrolle/Messung des Cuffdruck, Auswahl der Trachealkanüle, Wechsel, Säuberung und Aufbereitung von Innen- und Außenkanüle, Anleitung von Patienten und Angehörigen bzw. Betreuungspersonal zur eigenständigen Übernahme 11
12 Korrekte PKV-Abrechnung ärztlicher Leistungen Strenge Bindung an die GOÄ Honorarvereinbarungen nach 2 GOÄ nur über den Steigerungssatz Auch bei ausländischen Patienten Keine Pauschalierungen Analogabgriffe für neue Leistungen, Verzeichnis analog abrechenbarer Leistungen der BÄK Umsatzsteuer bei nicht kurativen Leistungen (Statusgutachten, kosmetische Leistungen (17.500,-- p.a.) Zeitnahe Rechnungsstellung, Verjährung (3 Jahre ab Jahresende der Fälligkeit) und Verwirkung 12
13 Abrechnung belegärztlicher Leistungen Privat zusatzversicherte GKV-Patienten Belegarzt ist kein Wahlarzt! Abrechnung der Beleg-DRG Patientenschutz vor übereilten wirtschaftlichen Entscheidungen 18 Abs. 8 BMV-Ä: Der Vertragsarzt darf eine Vergütung vom Versicherten nur fordern, wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt. 13
14 Relevanz medizinisch wissenschaftlicher Leitlinien LL geben den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Standard wieder Beachtung führt nicht zur Haftungsfreistellung, Missachtung führt nicht zur Haftung Immer Einzelfallbeurteilung erforderlich Erhebliche Zunahme von LL gestützten Gerichtsverfahren BGH Urteil vom VI ZR 57/07: Leitlinien von ärztlichen Fachgremien oder Verbänden können (im Gegensatz zu den Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen) nicht unbesehen mit dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers gebotenen medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Sie können kein Sachverständigengutachten ersetzen und nicht unbesehen als Maßstab für den Standard übernommen werden. Letztlich obliegt die Feststellung des Standards der Würdigung des sachverständig beratenen Tatrichters 14
15 Umgang mit neuen Therapieverfahren Gesteigerte Informationspflicht und Aufklärungspflichten Keine unbewiesenen Vorteile einer Neulandmethode verkaufen Kostengesichtspunkte erörtern und mit KK und PKV klären Gesteigertes Haftungspotential bei Abweichen von Goldstandard Schlafapnoesyndrom: CPAP-Gerät als Goldstandard oder neue operative Verfahren 15
16 Off label use (zulassungsüberschreitende Nutzung von AM) BSG vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R): Es muss sich um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung handeln, für die keine andere Therapie verfügbar ist und auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht. 16
17 Wiederaufbereitung von Medizinprodukten in der Praxis Medizintechnische Geräte, insb. Endoskope 4 Abs. 2 Satz 3 MedProdBetrVO: Eine ordnungsgemäße Aufbereitung wird vermutet, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI und des BfArM zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (RKI-Empfehlungen) beachtet wird. HNO-Medizinprodukte in Kategorie semikrisch B Maschinelles Reinigungsverfahren ist bei der Reinigung von Medizinprodukten einem manuellen Verfahren vorzuziehen, da ein manuelles Reinigungsverfahren den Vorgaben der MedProdBetrVO in der Regel nicht entspricht. OVG NRW vom : Untersagung der BezReg, bestimmte Instrumente nicht mehr zu verwenden, rechtmäßig. CAVE: Originalarbeit von Rohrmeier et al. in HNO 10/2014: Tauchköchersysteme als manuelle Aufbereitung ausreichend?? 17
18 Schadensersatzpauschale bei versäumtem OP Termin Einzelfall-Rechtsprechung Schriftliche Vereinbarung treffen mit Hinweisen zu frühzeitiger Absage Ausreichende Entschuldigung (Erkrankung?) 18
19 Bewertungsportale und Internet Falsche Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung Schmähkritik Beleidigungen Verleumdungen müssen nicht geduldet werden, Anspruch auf Löschung gegen Betreiber wertende Kritik an Praxisführung und Behandlung muss hingenommen werden, z.b. Aussagen zu Wartezeiten und Freundlichkeit des Personals oder zur Qualität der technischen und sonstigen Ausstattung der Praxis Falsche Tatsachenbehauptung muss vom Arzt widerlegt werden (Beweisführung?) Rechtsschutz - Erfolgsaussichten Imageschaden OLG München, Beschluss vom W 1933/14 19
20 Gerichte stärken die Rechte Schwerhöriger BSG vom zu Rauchwarnmeldern mit optischen Signalen Hess. LSG vom zu optimaler Hörgeräteversorgung bei Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, Kostenübernahme auch oberhalb des Festbetrages BSG vom zur Hörgeräteversorgung nach aktuellem technischem Standard, Festbeträge dürfen im Einzelfall überschritten werden SG Duisburg (noch anhängig): zweiseitige Versorgung mit CI zum unmittelbaren Behinderungsausgleich: Hören wie Gesunde 20
21 Einzelfragen Schilddrüsenoperationen durch HNO-Ärzte nicht fachfremd VG Münster vom BVerfG vom Stationäre Durchführung von Adenotomien in Einzelfällen möglich Abrechnung von Tonsillotomien stationär GKV ambulant PKV Anstellung in Teilzeit am Krankenhaus und/oder MVZ Abrechnung präoperativer Untersuchungen vor Struma-OP Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Aspekte bei BAG 21
22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!! Rechtsanwalt Dr. iur. Albrecht Wienke Fachanwalt für Medizinrecht Rechtsanwälte Wienke & Becker Köln Sachsenring Köln awienke@kanzlei-wbk.de 22
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