Mühlenland Sachsen Anhalt, Teil 3 Mühlen im Landschaftsbild: Mühlengruppen

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1 1 Sachsen-Anhalt Journal für Natur- und Heimatfreunde 20 (2010) 2, Entwurfstext Von Henry Bergmann (Federführung) 1,2, Thorsten Neitzel 2, Helmuth Notzke 2, Herbert Riedel 2, und Inge Steuber 3-1 Institut für Energie- und Umwelttechnik Köthen, 2 Arbeitskreis Mühlen Sachsen-Anhalt e.v., 3 Historisches Museum Köthen Mühlenland Sachsen Anhalt, Teil 3 Mühlen im Landschaftsbild: Mühlengruppen Was früher in vielen Teilen Deutschlands ein normaler Anblick war, ist heute eine äußerste Seltenheit der gleichzeitige Blick auf mehrere Windmühlen von bestimmten Betrachterstandorten. Damit ist ein Verlust im Landschafsbild eingetreten, der nur zum Teil von den neuen Windparks kompensiert wird, die jedoch unterschiedliche Resonanz in der Bevölkerung finden. Es ist allerdings nicht bekannt, wie Mühlengruppen früher aufgenommen wurden; wahrscheinlich stellten sie für die Menschen ein gewohntes Bild dar. Ungezählte Gemälde zeigen zudem romantisierende Ansichten von Landschaften mit mehreren Mühlen. Die Mühlenliteratur weist unterschiedliche Nutzungsbereiche aus. In Nord- und Nordwestdeutschland sind windbetriebene Konstruktionen gehäuft zur Feldentwässerung bzw. Wasserregulierung eingesetzt worden. Später wurden sie oft durch Windradkonstruktionen ersetzt [1]. Andere Anwendungen waren z.b. Säge- oder Kreidemühlen [2,3]. Analysiert man die Standorte um die Wende zum 20. Jahrhundert (1895 existierten noch Windmühlen), so findet man erstaunlicherweise die höchste Dichte in Schlesien, wobei die Ursachen dafür nicht immer klar waren [4]. In jedem Fall war die Mühlenfreiheit, deren juristische Grundlagen im 18. Jahrhundert gelegt wurden eine wesentliche Voraussetzung für die Ansammlung konkurrierender Mühlen. Pro 125 km² zählte man um 1900 im Raum Bojanovo 66, um Guhrau und Rawitsch je 66 und bei Fraustadt 54 Windmühlen, die sich kranzförmig um die kleineren Städte gruppierten. (Der Volksglaube ordnete manchen Stätten 99 Mühlen zu, die hundertste müsse unweigerlich abbrennen.) Es ist aber auch aus der damaligen Literatur bekannt, dass viele der schlesischen Windmühlen nicht mehr genutzt wurden, da es versäumt worden war, sie entsprechend zu modernisieren. Etwas geringere, aber insgesamt relativ hohe Dichten von teilweise über 30 Mühlen pro 100 km² zählt man auch im Raum zwischen Elbe und Saale, insbesondere um Halle, bzw. in der Börderegion [5]. Bei guter Sicht, berichtet Hellmut Tauchmann in [6], zählte mein Vater 100 Mühlen in der Umgebung. Da die Windmotoren mit ihren Flügelkreuzen oder Rädern auf meist hoch gelegenen Punkten weitaus sichtbar tätig sind, spielen sie im Landschaftsbild eine charaktervolle und in der Geschichte der Malerei wohlbekannte Rolle; darin werden sie auch in Zukunft die Konkurrenz der ihnen sonst gefährlichen Fabrikschornsteine mit Erfolg bestehen können führt Kümmel zudem in [4] aus. Hierin irrte sich aber der Autor grundlegend, da die weitere Industrialisierung zum raschen Mühlensterben führte, das sich bei den mittelgroßen Motormühlen bis heute fortgesetzt hat. Der Begriff der Mühlengruppe ist nicht streng definiert. Der bewusste Betrachter nimmt sie unterschiedlich wahr. (Anmerkung: Windmühlenreihen an Meeresküsten und auf Bastionen werden hier nicht betrachtet, da sie nicht typisch für Sachsen-Anhalt sind). Zum einen gehören dazu Mühlen die mehr oder weniger dicht auf windgünstigen Erhebungen stehen. Beispiele dazu findet man u.a. in Eckartsberga, Landsberg und Eisleben (Bild 1). Bild 1 Landsberg (Saalkreis), Ortsansicht, aus: Wilhelm Dilichs Federzeichnungen kursächsischer und meißnerischer Ortschaften, , Quelle: Rapp-Archiv - SLUB Dresden/Deutsche Fotothek, Reproduktion

2 2 Sachsen-Anhalt Journal für Natur- und Heimatfreunde 20 (2010) 2, Entwurfstext Nachweise für diese Anordnungen existieren in Europa von Spanien bis in die Ukraine. Eine andere Sicht bietet sich, wenn mehrere Mühlen im Abstand von einigen hundert Metern quasi in einer Sichtachse angeordnet sind. Altes Kartenmaterial bietet eine Fülle dieser Anordnungen (z.b. 3 Mühlen entlang der Straße zwischen Klein- und Großmühlingen), aber photographische Nachweise sind rar. Eine seltene Aufnahme in der Flur Libehna-Repau- Prosigk zeigt Bild. 2. Neuere Luftbildaufnahmen lassen noch die Standorte erkennen, genau so wie Messtischblätter von 1934 (Bild 3). Bild 2 Drei Mühlen bei Libehna-Repau-Locherau bzw. Prosigk Anfang 1900, Libehnaer Mühle im Vordergrund, Quelle: Historisches Museum Köthen Bild 3 Luftbild-Aufnahme derselben Flur, Quelle: Google-Earth Heute existieren nur noch die Libehnaer Mühle und ein Schutthaufen vor Repau. Über die Mühle in Libehna existiert eine umfangreiche Zusammenstellung [7]. Die Mühle Repau ist verfallen, ihre Reste wurden vor kurzem zusammengeschoben. Der Denkmalschutz wurde informiert; es erfolgte aber keine Reaktion. Die Mühle Prosigk wurde 1946 nach Frenz verkauft, mit Ventikantenflügeln ausgestattet, zur Paltrockmühle umgebaut und 1990 nach Parey umgesetzt. Wenig entfernt von Libehna bietet sich noch heute in Merzien ein ähnliches Bild zweier (flügelloser) Mühlen (Bild 4), wie auch einst in Güsen (Inset Bild 4), Bitterfeld, Hohenwarsleben und Schönebeck (zwei noch vorhandene Turmwindmühlenreste). Bild 4 Mühle Richter 1997, Baujahr 1686, 1911 neu aufgebaut (im Vordergrund) und Mühle Naumann, Baujahr 1868, in Merzien (Henry Bergmann) sowie Mühlenreste (Inset) in Güsen, aufgenommen 1984, heute nicht mehr als Gruppe existent (Thorsten Neitzel) Bildnachweise existieren weiterhin für Brehna, Buch bei Stendal, Burg bei Magdeburg, Glebitzsch/Köckern, Groß-Salze, Ostingersleben, Reichartswerben/Tagewerben, Rosslau, Schafstädt, Schönebeck und Steigra. Auch in Nienburg soll ein Standort existiert haben [8]. Eine besonders schöne Abbildung zeigt Bild 5. Bild 5 Mühlen bei Burg um die Jahrhundertwende (Archiv Herbert Riedel) Selten sind Orte, an denen Mühlen unmittelbar nebeneinander stehen. Die Ursachen dürften sicher in den Grundstücksbesitzverhältnissen bzw. finanziellen Möglichkeiten der Müller gelegen haben. Eine der wenigen Abbildungen (Bild 6) befindet sich im Historischen Museum Köthen. Bild 6 Mühlen am Güterseeweg in Köthen (Gemälde im Historischen Museum Köthen) Sie zeigt die Turmwindmühle am Güterseeweg und eine Bockwindmühle auf dem Feld der anderen Straßenseite. Die Turmwindmühle wurde 1869 erbaut. Die ersten Besitzer hießen Thetmann, spätere Enderling und Kahnke. Die Nabe der fünfgliedrigen Flügelrosette zerbrach im Sturm 1902 [9]. Die Bockmühle gehörte ebenfalls Christian Friedrich Thetmann. Sie

3 3 Sachsen-Anhalt Journal für Natur- und Heimatfreunde 20 (2010) 2, Entwurfstext wurde nach 1879 abgebrochen. Der bekannte Stich des Merians und das Buch von Beckmann enthalten dagegen die Darstellung zweier Mühlen südlich von vor Köthen. Das Rapp-Archiv (Deutsche Fotothek) enthält eine Reproduktion mit einer Bockwindmühle und einer benachbarten Turmwindmühle im Felde vor Biere, einem sehr altem Zweifachmühlenstandort. Ähnliches zeigt Bild 7 mit dem inzwischen verschwundenen Anblick in Warsleben, wo Mitte des 17. Jahrhunderts mehrere Mühlen errichtet wurden. Bild 7 Einstiger Mühlenstandort Warsleben, Mühle Kagelmann (Archiv Thorsten Neitzel, Hans Werner Trog) Bild 8 Noch vorhandener Zweifachmühlenstandort Ebersroda (Photo Herbert Riedel). Das Bild entstand Inzwischen wurden Teile an der Westmühle entfernt und Umbauten vorgenommen. Den Autoren sind weitere Bildnachweise für entsprechende Standorte bekannt. Dazu gehören: Aken (Mühle Trittel und Mühle Regeler), Ausleben-Ottleben, Ebersroda (Bild 8), Glebitzsch- Köckern, Hakeborn, Magdeburg, Rosslau, Salzfurt, Schafstädt und Wengelsdorf (noch existent). Schließlich findet man noch auf alten Darstellungen Abbildungen von Mühlenansammlungen zumeist vor den Toren größerer Städte bzw. in ertragsreichen Regionen. Das Bild 9 ist dem Standort Güsen, das Bild 10. der Lage südlich von Barby zuzuordnen. Der sechsgeschossige Turmholländer in Barby (links im Bild 10), von dem heute noch Reste existieren, war mit ca. 25 m Höhe einer der höchsten Mühlen im Lande. Der Mangel an Wassermühlen ist sicher auch ein Grund für die Häufung von Windmühlen in dieser Gegend, die von Landwirtschaft geprägt ist. Für die entsprechenden Orte an der Elbe existieren allerdings zahlreiche Schiffmühlennachweise. Bild 9 Mühlenhäufung vor Güsen (Rapp-Archiv - SLUB Dresden/Deutsche Fotothek, Reproduktion) Bild 10 Mühlen vor Barby gegen 1900 (Quelle: Archiv Herbert Riedel) Darstellungen mit der bisher größten Anzahl von Mühlen vor einer Stadt konnte für Magdeburg mit zwölf Mühlen (Darstellung aus der Zeit der Belagerung von 1629) und Stendal recherchiert werden. Ein Stadtplan aus dem 18. Jahrhundert zeigt elf Bockwindmühlen in vereinfachter Darstellung (Bild 11). Bild 11 Windmühlen vor den Toren Stendals, Quelle: Altmärkisches Museum Stendal Stadtpläne aus dem 19. Jahrhundert zeigen jeweils 6 Mühlen in südlicher Lage vor Aken und Köthen (Bild 12). Bild 12 Stadtplan Köthen 1730 (Quelle: Historisches Museum Köthen). Die nachträglich eingezeichneten schwarzen Punkte markieren die Windmühlenstandorte.

4 4 Sachsen-Anhalt Journal für Natur- und Heimatfreunde 20 (2010) 2, Entwurfstext Abbildungen mit sechs Windmühlen (1631), 5 Windmühlen (1710), 4 Windmühlen (1840) und zwei Windmühlen (1938) existieren auch für Werben (Bild 13), wo wie in vielen Orten an der Elbe Mühlen in Flussnähe errichtet wurden. Erhöhte Deichlage sowie spezielle Winde am Fluss dürften den Betrieb oft effektiver gemacht haben. Auf Konzentrierungen entlang der norddeutschen Flüsse machte auch schon der Ventikantenerfinder Bilau in seinem Buch aufmerksam [12]. Daneben weisen Kartenangaben auf Häufungen z.b. vor Burg, Helmstedt, Könnern und Osterburg hin. Die Karten größeren Maßstabes des 18.Jahrhunderts sind dabei nicht immer detailgetreu. Während der Stadtplan von Köthen (Bild 12) auf der Südseite der Stadt präzise 6 Windmühlen zeigt, ist diese Häufung in der Ansicht der Grafschaft Magdeburg [10] nur mit zwei Mühlenzeichen angedeutet. Köthen, am Rande der äußerst fruchtbaren Schwarzerde-Ebene gelegen, die sich weit nach Nordwesten erstreckt, hatte über viele Jahrhunderte einen großen Bezug zum Anbau von Korn und dessen Verarbeitung. Davon zeugen auch die Verwendung des Köthener Malters (Maldri Kotenensis) und des Köthener Scheffels (Scephili Kotenensis). Der Name des Ortes Köthen, der an der Ziethe liegt, und in dessen Nähe der frühere Ort Ziethau (noch im 18. Jahrhundert in Karten eingezeichnet) lag, wird von einigen über einen angenommenen Lautwechsel auch mit dem Wortstamm Citize als Bezeichnung für den Siedlungsraum um Köthen in Verbindung gebracht [11]. Bild 13 Werben auf einem Stich um 1840 (Quelle: Archiv Bergmann) Dieser Wortstamm ist slawischen Ursprungs (Vergl. auch Zeitz und Zittau ) und bedeutet in etwa kornreiche Gegend, Kornfeld, Kornaue. Orte mit ähnlichem Wortstamm finden sich auch an anderen Stellen Sachsen-Anhalts, wie das Studium der Karten ergibt (z.b. Zitowa im Westen Köthens oder Köte und Ziethau bei Gardelegen) sollen übrigens noch 16 Windmühlen um Köthen gestanden haben [5]. Während in den Städten in der Regel der Mehlbedarf entscheidend war für die Anzahl der Mühlen, ist im ländlichen Bereich oft der Schrotbedarf für die Viehzucht entscheidend gewesen. Die Auswertung der Bodennutzungskarte des Herzogtums Anhalt erbringt für das Jahr 1895 weiterhin eine Gesamtzahl von ca. 240 Mühlen. Das entspricht einer mittleren Mühlendichte von 6 Windmühlen pro 100 km² in deren Hautverbreitungsgebiet (ohne Harz und Harzvorland). Es sind nahe beieinander liegende bzw. Zweifachmühlenstandorte erkennbar bei Beesedau, zwischen Domnitz und Dornitz, in Großörner, zwischen Großwirschleben, bei Gommern, bei Kapelle, Klepzig, Maasdorf, bei Micheln, Pfaffendorf, Plötzkau, Repau, Rödigkau und Schköna. Dreifachmühlenstandorte waren zu verschiedenen Zeiten Eckartsberga, Groß-Rosenburg Klein-/Großmühlingen, Pabsdorf, Salzfurth, Seehausen, Ostrau, Welsleben, Wulferstedt. Größere Gruppen findet man um Aken (5), Barby (8), Bitterfeld (5), Könnern (6) und Löbejün (4), einem alten Mühlsteinzentrum. Im Westen Magdeburgs müssen im 19. Jahrhundert noch mindestens 20 Mühlen existiert haben [5]. Andere Karten zeigen Häufungen im 18. Jahrhundert bei Osterburg, Schönhausen, Helmstedt, Dodeleben, Ottersleben, Biere, Welschleben, Stemmern, Brehna, Schafstädt, Aken, Könnern und Köthen, d.h. in landwirtschaftlich ertragsreichen Gegenden und um größere Siedlungen. Viele weitere Mühlen müssen in Sichtweite voneinander gestanden haben. Spätere Messtischblätter zeigen in der Regel genaue Standorte. Die Spurensuche vor Ort verläuft heute in der Regel ergebnislos. Mitunter sind aber Hügelreste und ehemalige Grundstücke noch erkennbar. Die weitere Auswertung von Karten- und Archivmaterial wird neue Erkenntnisse bringen.

5 5 Sachsen-Anhalt Journal für Natur- und Heimatfreunde 20 (2010) 2, Entwurfstext Literatur [1] Heesch, W., Windmühlen in Schleswig Holstein, Bd. 4 und 8, Europäische Bibliothek Zaltbommel (NL) 1989 und 1996 [2] Eichhorn, H., Windmühlen im Braunschweiger Land, Appelhans-Verlag Braunschweig 1998 [3] Eichhorn, H., Söhlde einst Dorfgemeinde mit vierzehn Windmühlen, Braunschweiger Kalender 1993, [4] Kümmel, O., Petermanns Geographische Mitteilungen 30 (1903) 8, [5] Wagenbreth, O. und Mitautoren, Mühlen, Geschichte der Getreidemühlen, Technische Denkmale in Mittel- und Ostdeutschland, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, Stuttgart [6] Kahsche, M., Münchow, K., Jäckle, H.-W., Die 7 Mühlen von Brehna, Heimat und Geschichtsverein Brehna, dte, Bitterfeld 2002 [7] Zugriff [8] Vogel, E., Nienburg in alten Ansichten, Bd. 2, Europäische Bibliothek, Zaltbommel (NL) 1995 [9] Riedel, H., Fünf-Flügel-Mühlen in Deutschland um die Jahrhundertwende, Der Mühlstein, 1999, Heft 1, 2-6] [10] Landkarte: Das Herzogthum Magdeburg nebst Grafschaft Mansfeld, Nürnberg 1784 [11] Das Landschaftsbild um Cöthen, Schriftenreihe des Cöthener Heimatmuseums, Heft 2, 1926 [12] Bilau, K., Die Windausnutzung für die Krafterzeugung, Verlag Paul Parey, Berlin 1942 Danksagung Die Autoren danken der Redaktion des Sachsen-Anhalt Journals für die Möglichkeit der Veröffentlichung. Besonderer Dank gebührt Frau Roswitha Jendryschik. Sonderdrucke bzw. einzelne Heftausgaben sind beim Landesheimatbund in Halle erhältlich.