Näher am Kunden. Akzente Consumer Industries & Retail Group. Wie Kundenservice persönlicher und gleichzeitig günstiger wird
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- Dagmar Hofmeister
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1 Consumer Industries & Retail Group Akzente 3 14 Wie Kundenservice persönlicher und gleichzeitig günstiger wird Näher am Kunden Nachhaltigkeit Die hohe See ist gesetzlos: Deshalb setzen jetzt Unternehmen Regeln für eine nachhaltige Hochseefischerei Filialgeschäft Wie stationäre Händler ihre Filialen multikanalfähig aufstellen und so gegen Onlineanbieter bestehen können Interview HDE-Präsident Josef Sanktjohanser über die Stärken des deutschen Einzelhandels im Internetzeitalter Operating Model Ein duales Modell für Unternehmen, die in Regionen mit unterschiedlichem Wachstumstempo arbeiten Digitalisierung Was die Luxusgüterbranche bei der Entwicklung einer erfolgreichen Digitalstrategie beachten sollte
2 2 Inhalt 4 McKinsey News Aktuelle Analysen Titelthema: Wer seine Kunden begeistern will, muss Nähe schaffen überall. Seite 8 Foto: istock Unternehmen im Digitalisierungsmodus; Aufsichtsräte mit und ohne Einfluss; Arbeitgeber unter der Lupe; Erfolgsmuster im Textilmaschinenbau; Verbraucher enttäuscht von mobilen Bezahlsystemen; Social Media hoch im Kurs 8 Titelthema: Näher am Kunden Ein neuer Ansatz von McKinsey schafft Kundenerlebnisse an allen Kontaktpunkten 16 Für Fisch mit gutem Gewissen Weil Regeln für nachhaltige Hochseefischerei fehlen, werden Unternehmen aktiv 22 Frischer Wind fürs Filialgeschäft Wie stationäre Händler im Wettbewerb mit Onlineanbietern bestehen können Interview: Josef Sanktjohanser setzt auf Standort- Seite 28 Foto: David Klammer 28 Wir müssen konsequent unsere Stärken ausspielen HDE-Präsident Josef Sanktjohanser über die Zukunft des deutschen Einzelhandels im Zeitalter des E-Commerce 34 Erfolgsmodelle für eine geteilte Welt Ein duales Operating Model liefert Rezepte für reife und wachstumsstarke Märkte 40 Luxus digital Die drei Komponenten einer erfolgreichen Onlinestrategie für Luxusgüter 46 Neue Wege in die engere Wahl Zwei neue BrandMatics-Module für den richtigen Umgang mit Spontankäufern 52 Service schlägt Kosten Ein neuer Leistungsindex zeigt, worauf es beim Thema Supply Chain wirklich ankommt Wer die Kaufentscheidungsprozesse genau kennt, kann auch Impulskäufer leicht überzeugen. Seite 46 Foto: Shutterstock 58 Werkstatt Aktuelle McKinsey-Initiativen 59 Impressum
3 Akzente Editorial Vom Menschen zur Marke Leser lieben Listen: Rankings werden immer populärer von den chancenreichsten Aktien über die besten Orthopäden bis zu den beliebtesten Skiorten. Jetzt hat die US-Zeitschrift Forbes zum dritten Als Maßstab galten Quantität und Qualität der namentlichen Erwähnungen in Social Media, ausgezählt wurden allerdings nur englischsprachige Beiträge. Gewonnen hat schon zum dritten Mal Phil Schiller, der Marketing - chef von Apple. Wenn er eine Meinung äußert, wird sie in den Social Media aufmerksam gehört, besonders oft geteilt und eifrig diskutiert. Mit durchschnittlich zwei Themen tritt Schiller jede Woche auf Facebook, Twitter & Co. in Erscheinung. Forbes in den Branchen Technologie, Automobil und Textilwirtschaft. Interessantes Fazit der Analysten: Die Bedeutung der Marketingchefs als Stimme und Gesicht ihrer Marke wächst. Und: Obwohl sie ja vor allem die Marke. Mit ihren Meinungsbeiträgen prägen sie die Diskussion wichtiger Themen, von Mobile Marketing bis Big Data. Klaus Behrenbeck, Partner bei McKinsey und Herausgeber von Akzente klaus_behrenbeck@mckinsey.com Foto: McKinsey Automatisch sind sie so schon Näher am Kunden, wie das Titelthema dieser Ausgabe von Akzente lautet. Was wollen wir mehr? Sichtbarkeit ist ein hohes Gut im Zeitalter von Multimedia, vielleicht sogar das höchste. Der CMO als Markenbotschafter im direkten Dialog mit den Kunden macht da nur einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. Anregende Lektüre wünscht Ihnen
4 4 News Vorfahrt für digitale Geschäftsmodelle McKinsey-Umfrage: Die Digitalisierung in den Unternehmen kommt in Schwung. Alles zielt auf den Kunden: Die Unternehmen wollen mit ihm in den digitalen Dialog treten. Foto: istock Sie haben einen sehr langen Anlauf gebraucht, doch jetzt sind die Unternehmen weltweit endgültig auf dem Weg aus der analogen in die digitale Welt: Dies ist das Resümee einer aktuellen McKinsey- Untersuchung, die auf der Befragung von 850 Topmanagern quer durch alle Branchen beruht. Stärker als je zuvor sind heute die Vorstandsvorsitzenden bei der Transformation selbst engagiert und treiben sie voran in 61 Prozent der befragten Unternehmen übernehmen sie diese Rolle. Die stärksten Bremsklötze liegen einerseits in der Organisation der Unternehmen, andererseits in der Knappheit an digitalen Talenten. Das Ziel: Mehr Umsatz Jeweils eine deutliche Mehrheit der Befragten sagt, dass die Digitalprogramme ihrer Unternehmen vor allem auf mehr Umsatz abzielen, dass der Aufwand für diese Programme in den nächsten Jahren steigen wird und dass man hofft, künftig einen Großteil des Unternehmens - wachstums aus dem digitalen Geschäft generieren zu können. Entsprechend geben mehr als drei Viertel der befragten Manager an, dass ihre Digitalprogramme das strategische Ziel verfolgen, entweder in bestehenden Geschäftsfeldern einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen oder aber ganz neue Geschäftsfelder und Profitchancen zu erschließen. Mehr als ein Drittel der Topmanager schätzt, dass in den nächsten drei Jahren mehr als 15 Prozent des Umsatzwachstums aus digitalen Kanälen stammen werden. Im Mittelpunkt der Bemühungen steht dabei der Kunde: Um mit ihm den digitalen Dialog aufzunehmen, wenden die Unternehmen das meiste Geld und die meiste Mühe auf. Das Thema Big Data hat dagegen heute noch geringen Stel- lenwert, allerdings erwarten viele Manager, dass seine Bedeutung wachsen wird (siehe Grafik). Verstehen, was wirklich Wert schafft Das größte Defizit machen die Autoren der Studie in der Einschätzung der ökonomischen Chancen aus: Vielen Unternehmen fehlt das Wissen, wo in der digitalen Welt sie am meisten Wert schaffen können. Hieran sollten sie arbeiten. Mehr zur Umfrage unter insights/mgi unter dem Studientitel The digital tipping point. In welche digitalen Trends die Unternehmen investieren Anteil der Befragten in Prozent, n = 850 Heute In 3 Jahren Digitaler Dialog mit den Kunden Digitale Innovation von Produkten, Abläufen oder Geschäftsmodell Automation Big Data und Advanced Analytics Digitale Schnittstellen zu Beschäftigten, Lieferanten, Geschäftspartnern Digitales Customer Lifecycle Management
5 Akzente Arbeitgeberwahl: Image entscheidet Erfolgreiche Aufseher Einflussreiche Aufsichtsräte investieren mehr Zeit in Unternehmen. Talente suchen innovative und erfolgreiche Arbeitgeber. Foto: istock Nachdem die Finanzkrise viele Unternehmen kalt erwischt und in ernste Probleme gestürzt hat, wuchs der Druck auf die Aufsichtsgremien, die Arbeit des Managements vorausschauender und professioneller zu begleiten. In einer Umfrage unter 772 Aufsichtsräten von Unternehmen rund um die Welt wollte McKinsey herausfinden, ob dies gelungen ist. Die Frage lautete: Was machen erfolg reiche Boards anders als die weniger erfolgreichen? Mehr als Portfolio und Innovation Zentrale Erkenntnis: Während sich alle befragten Unternehmensaufseher in den Sitzungen ihrer Gremien um Grundlegendes wie die Diversifizierung des Port folios, die Finanzsituation, Compliance-Fragen und Innovationen kümmern, befassen sich die diejenigen, die stark auf das Unternehmen einwirken, auch mit anderen Themen: Sie diskutieren mögliche Strategiealternativen, fragen, welche Geschäfte wirklich Wert schaffen, stellen Prozesse, Denk- und Arbeitsweisen in Frage. Aufsichtsräte mit hohem Einfluss auf das Unternehmen arbeiten zudem deutlich länger als diejenigen, die sich geringere Wirkung zuschreiben: 40 gegenüber 19 Tagen pro Jahr wenden sie für die Aufsicht auf. Interessant ist die Verteilung der Arbeitszeit: Beide Gruppen widmen Compliance-Fragen gleich viel Zeit vier Tage pro Jahr. Für die meisten anderen Themengebiete setzen die Räte mit der stärkeren Einwirkung auf die Organisation hingegen mindestens doppelt so viel Zeit ein wie die mit geringerem Einfluss (siehe Grafik). Dennoch müssen die Manager der Unternehmen nicht fürchten, dass engagierte Aufsichtsgremien Rolle und Aufgaben der Vorstände übernehmen wollen. Ihnen geht es vielmehr um ein tieferes Verständnis des Geschäfts sowie um Hilfestellungen bei Stresstests für vorgeschlagene Strategien und die Zuweisung von Ressourcen für die strategischen Ansätze, die diese Tests bestanden haben. So können die engagierten Aufseher nicht nur das aktive Management wirkungs - voll unterstützen ihnen selbst bringt, das belegt die Auswertung der Antworten, ihr effektiveres Wirken auch eine höhere Zufriedenheit mit der Arbeit. Die Einflussreichen befassen sich länger mit der Strategie Anzahl der Tage pro Jahr, die Aufsichtsgremien ein Thema bearbeiten Strategie Performance Management Investments und M&A Organisation und Talentmanagement Risikomanagement Governance und Compliance Sehr großer Einfluss, n = 224 Moderater/geringer Einfluss, n = Quelle: McKinsey Global Survey of 772 directors on board practices, Der Erfolg eines Unternehmens ist für Toptalente der entscheidende Faktor bei der Wahl des Arbeitgebers und damit wichtiger als Standort, Gehalt und Work-Life-Balance. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie Most Wanted, die das Karrierenetzwerk e-fellows.net und McKinsey durchgeführt haben Studierende wurden darin zu ihren Präferenzen bei der Wahl ihres künftigen Arbeitgebers befragt. Die Toptalente der Generation Y suchen herausfordernde Aufgaben und schnelle Aufstiegsmöglichkeiten. Zudem legen sie Wert darauf, dass ein Unternehmen innovativ ist und attraktive Produkte oder Dienstleistungen anbietet. Als Informationsquelle nutzen die Studierenden auf Arbeitgebersuche bevorzugt die Websites der Unternehmen, gefolgt von Familie, Bekannten und Karrieremessen. Bei Facebook hingegen informieren sich nur 29 Prozent der Befragten über potenzielle Arbeitgeber. Bewertung von Unternehmen aber haben Recruiting-Events; 35 Prozent der Befragten sind zudem in mindestens einem Talentbindungsprogramm registriert. Diesen Wunsch der Bewerber nach persönlichem Kontakt, so die Studienleiter, könnten Arbeitgeber noch stärker nutzen als bisher. Die Ergebnisse sind online abrufbar unter dem Suchbegriff Most Wanted auf
6 6 News Mehr Wachstum, mehr Service Eine Studie deckt die Erfolgsmuster im deutschen Textil - ma schinenbau auf. Traditionelle Stärke: Deutsche Textilmaschinen gehen in die ganze Welt damit das so bleibt, muss sich etwas ändern. Foto: istock Die industrielle Textilproduktion ist eine der ältesten Branchen im Maschinenbau überhaupt. Deutsche Hersteller spielen hier eine Schlüsselrolle; ihre Maschinen werden weltweit seit Jahren mit Erfolg eingesetzt. Doch wie steht es um die Zukunft der Branche hierzulande angesichts der übermächtigen Konkurrenz aus Asien? Welche Trends geben den Takt vor und was sind die Erfolgsmuster von morgen? Diesen Fragen geht eine aktuelle Analyse nach, die McKinsey gemeinsam mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) durchgeführt hat. Die Analyse ist Teil der Branchenstudie Zukunftsperspektive deutscher Maschinenbau, die im Juli 2014 veröffentlicht wurde. Dem Wettbewerb Paroli bieten Nach dem Konjunktureinbruch der Jahre 2008 bis 2010 hat der deutsche Textilmaschinenbau zu seiner alten Form zurückgefunden. Die Produktionsraten bewegen sich wieder auf Vorkrisenniveau, die Profitabilität ist zuletzt stark angestiegen und liegt nun bei 5,1 Prozent. Doch der außereuropäische Wettbewerb nimmt stetig zu, Kundenbedürfnisse wandeln sich. Beide Trends stellen die Branche, die bislang auf Premiumprodukte und den heimischen Markt fokussiert ist, vor besondere Herausforderungen. Ausgehend davon hat die Studie spezifische Erfolgsmuster ausgemacht, die der Textilmaschinenindustrie auch in Zukunft ihre Stabilität sichern können. Global agieren, Kosten senken Internationales Wachstum. 83 Prozent der befragten Textilmaschinenbauer sind hauptsächlich Exporteure, ihr Anteil lokaler Wertschöpfungsstufen ist vergleichsweise gering. Global aufgestellte Unternehmen nutzen dagegen die Vorteile lokaler Produktion im Absatzmarkt und sind im Durchschnitt 2 Prozentpunkte profitabler als die Exporteure. Ein zielgerichtetes internationales Wachstum hilft, die kritische Masse zu erreichen, um Prozesse professionalisieren und Skaleneffekte stärker ausschöpfen zu können. Zudem lässt internationale Präsenz die Hersteller näher an ihre Kunden heranrücken und erleichtert vor allem individualisierte Systemlösungen, die Kunden in steigendem Maße nachfragen. Standardisierung. Durch die Standardisierung und Modularisierung von Produkten lassen sich die Kosten deutlich senken, ohne dabei Breite und Individualität des Angebots zu verringern. Zudem reduziert sich auf lange Sicht der Aufwand für Anpassungsentwicklungen und der Einkauf gewinnt durch mehr Gleichteile an Effizienz und Effektivität. Auf diese Weise können Hersteller sowohl der steigenden Nachfrage nach kundenspezifischen Lösungen gerecht werden als auch ihren Kostenabstand zu den Wettbewerbern aus den Niedriglohnländern verringern. Ausbau des Servicegeschäfts. Im deutschen Textilmaschinenbau trägt das Aftersales- und Servicegeschäft lediglich 13 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Hier ist noch viel Luft nach oben. Der Vergleich zeigt: Branchenunternehmen mit einem hohen Serviceanteil weisen eine um 2,5 Prozentpunkte höhere EBIT-Marge auf als andere Hersteller. Der Ausbau dieses Geschäftsbereichs ist daher ein wichtiger Hebel zur Steigerung der Profitabilität. Als weniger volatiles Geschäft kann der Service zudem zur Verstetigung der Umsätze in Krisenzeiten beitragen. Individuell die Zukunft sichern Portfoliooptimierungen durch Design to Value und ein stringentes Projektmanagement sind weitere Erfolgsmuster, mit denen deutsche Textilmaschinenhersteller ihre Zukunft sichern können. Nicht alle sind für jedes Unternehmen gleich relevant. Doch dem bewährten Konzept der Branche, die seit jeher auf Fortschritt, Leistung und Zuverlässigkeit setzt, bleiben sämtliche Handlungsansätze treu. Mehr zur Studie auf (Download über Firefox/Chrome).
7 Akzente Besserverdiener wollen Service via Social Media Foto: istock Langer Weg zum E-Portemonnaie Sinkende Euphorie bei den Kunden die Anbieter müssen liefern. Portemonnaie und Brieftasche zu Hause lassen und einfach alles mit dem Handy bezahlen das reizt die Verbraucher schon. Doch nachdem zahlreiche Anbieter dieses Szenario seit Jahren ausmalen, ohne Taten folgen zu lassen, erlahmt der Enthusiasmus: Zu enttäuschend sind die täglichen Erfahrungen, weil jeder Anbieter auf sein eigenes System setzt und die Einkaufsmöglichkeiten deshalb stark beschränkt bleiben. Um herauszufinden, was Kunden von den Anbietern mobiler Bezahlsys teme erwarten, hat McKinsey jetzt US- Verbraucher im Mobile Payments Consumer Panel befragt. Schnäppchen motivieren Kunden Die US-Amerikaner denken beim Thema zuerst an die Schnäppchenjagd gute Deals und billige Angebote erwarten sie von einem Anbieter digitaler Zahldienste. Gleich danach kommt das Thema Bequemlichkeit. Das Versprechen allerdings, mit dem Handy überall und alles bezahlen zu können, stößt überwiegend auf Skepsis, ebenso die Vision, dass die Nutzer ihre Brieftasche komplett zu Hause lassen können. Durchgängig ist die Zahl derer, die diesen Versprechungen Glauben schenken, um 5 bzw. 11 Pro zent gefallen. Gewünscht: Ein einziges System Auch wenn derzeit viele Verbraucher von den Insellösungen enttäuscht sind, rechnen doch 7 von 10 Befragten da - mit, dass sie in 3 bis 5 Jahren zumindest bei Onlinebestellungen und in den sta tionären Geschäften der großen Handelsunternehmen mit ihrem Mobiltelefon bezahlen können. Wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der Kunden: 62 Prozent wollen nur ein einziges Zahlungssystem auf ihrem Handy nutzen. So steht für die fragmentierte Branche Konsolidierung auf der Agenda: Anbie - ter und Handel sollten versuchen, zu gemeinsamen Plattformen zuammenzufinden. Einen Startvorteil bei der Entwicklung akzeptierter Systeme haben in den Augen der Befragten Banken und Finanzdienstleister: Sie genießen das nötige Vertrauen. Allerdings gelten sie nicht eben als innovativ so ist das Rennen um die digitalen Brieftaschen der Verbraucher weiterhin offen. Geldscheine und Kreditkarten bleiben in der Tasche: Das Zahlen per Handy kann bequem und einfach sein. Per Social Media antworten Unternehmen schnell auf Kundenfragen. Social Media ist längst keine Veranstaltung für gelangweilte Teenies mehr. Im Gegenteil: Gerade Kunden aus den hohen und höchsten Einkommensklassen die üblicherweise die Pubertät schon lange hinter sich haben sind nicht nur begeisterte Nutzer, sondern erwarten von Unternehmen Rat und Hilfe bei Problemen und Reklamationen über Social Media. Eine Untersuchung von McKinsey in den USA zeigt, dass gerade Kunden mit einem Jahreseinkommen über US-Dollar die nikationskanälen haben. 57 Prozent von ihnen nutzen Social Media, wenn sie Kundenservice brauchen. 48 Prozent ziehen den Kontakt über soziale Netzwerke sogar dem persönlichen Gespräch mit Servicemitarbeitern vor. Dabei vernachlässigen oftmals gerade die Unternehmen, die auf wohlhabende Kundschaft zielen, den Service über Social Media. Die McKinsey-Berater leiten aus den Ergebnissen ihrer Befragung Empfehlungen ab: Unternehmen sollten für jedes Themenfeld Experten benennen, die schnell Fragen beantworten und Probleme lösen. Dazu sind Prozesse zu installieren, die sicherstellen, dass die Frontline- Mitarbeiter direkt auf die Experten zugreifen können. Foto: istock
8 8 Customer Experience Begeisterung wecken: Bei Popkonzerten gelingt es fast immer Konsumgüterunternehmen haben es meist schwerer, einzigartige Erlebnisse zu vermitteln.
9 Akzente Näher am Kunden Wow-Effekte müssen nicht teuer sein, im Gegenteil. Ein neuer Ansatz von McKinsey schafft echte Kundennähe und spart dabei sogar Geld. Foto: istock
10 10 Customer Experience Von Harald Fanderl, Jesko Perrey und Kai Vollhardt Was haben so unterschiedliche Unternehmen wie Kaffeespezialist Nespresso, Outdoor-Ausstatter Globetrotter, Onlinehandelsmulti Amazon und Otto-Tochter Sportscheck gemeinsam? Den Umgang mit dem Kunden: Sie stellen ihn konsequent in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten und vermitteln so einzigartige Kauf- und Konsumerlebnisse vom allerersten Kontaktpunkt bis zum After- Sales- Service. Customer Experience lautet das Gebot der Stunde. Im Einzelhandel und in der Konsumgüterindustrie steht Kundenorientierung inzwischen ganz oben auf der Agenda. Denn eine rundum gelungene Customer Experience beschert noch einmal ganz neue Wachstums- und Ertragschancen in einem übersättigten Markt. Viele haben erkannt: Die zahlreichen Kontaktpunkte, die sich heute aus dem zunehmend kanalübergreifenden Konsumverhalten ergeben, lassen sich nutzen, um den Kunden herausragende Kauf- und Serviceerlebnisse zu vermitteln und sich so vom Wettbewerb zu differenzieren. Mehr Zufriedenheit zu geringeren Kosten Ganz leicht ist der Weg zu wahrer Kundennähe freilich nicht: Er beginnt beim Einstellungswandel der Mitarbeiter und endet beim Umbau der gesamten Organisation. Doch der Aufwand zahlt sich aus. Projekte, die McKinsey zur Optimierung der Kundenerfahrung in den vergangenen drei Jahren begleitet hat, brachten den Unternehmen nicht nur zufriedenere Kunden und motivierte Mitarbeiter. Sie führten außerdem zu Umsatzsteigerungen von bis zu 15 Prozent und zu Kostensenkungen von 15 bis 20 Prozent. Diese Verbesserungen wurden nicht mit konventionellen Programmen erreicht. Der neue McKinsey-Ansatz zur Customer Experience zielt auf eine schnelle Optimierung, indem er aus Sicht des Kunden Schwachstellen an den herkömmlichen Kundenerlebnisprogrammen liegt im strikten Fokus auf operativen Abläufen: Er hilft den Unternehmen, ihr Geld gezielt dort einzusetzen, wo es Konsumenten direkt zu Gute kommt, und an weniger Im Mittelpunkt des Konzepts steht die Customer Journey, also die Reise entlang aller Kontaktpunkte, die ein Kunde mit einem Unternehmen oder einem Produkt hat. tem Anfang und Ende: Im Falle eines Modeeinkaufs beispielsweise reicht sie von der ersten Orientierung über die Anbietersuche und Artikelauswahl bis hin zum Kauf in einem sozialen Netzwerk. Jeder einzelne Kontaktpunkt ist für den Kunden mit emotionalen Momenten verknüpft, die sein Kaufverhalten nach- strebt sein, viele positive Erlebnisse entlang der Customer Journey zu bieten und eher negativ besetzte Momente, wie etwa den Bezahlvorgang, möglichst angenehm und reibungslos zu gestalten. Zunächst aber geht es darum, die wichtigsten Kontakt- nen? Im Internet, im Fernsehen oder auf der Straße über mich? Was nimmt er wahr, wenn er das Geschäft betritt? Was erlebt er in der Beratung, was nach dem Kauf? Als Nächstes werden die Kundenerwartungen an den einzelnen Kontaktpunkten analysiert, um Diskrepanzen zwischen den erwarteten und tatsächlich erbrachten Leistungen zu ermitteln. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse lässt sich schließlich Schritt für Schritt die gesamte Customer Journey verbessern. Analysen mit den Augen des Kunden Die Optimierung der einzelnen Kundenkontakte beginnt mit einem genauen Verständnis darüber, wie der Kunde tickt, wo seine Bedürfnisse liegen und was er im Verlauf seiner Shoppingreise erwartet. Nur selten allerdings versetzen sich Unternehmen so tief in die Kunden und er- Ein Jeanshersteller stellte sich dieser Aufgabe. Er hatte bemerkt, dass die meisten seiner männlichen Kunden den Jeanskauf als notwendiges Übel ansahen und sich von der Angebotsfülle in den Läden eher ab geschreckt als angezogen fühlten. Eine neue Customer Experience musste geschaffen werden. punkten begleitete ein Team von Analysten 30 Testkunden auf ihrer Einkaufstour durch die Jeansläden, dokumentierte ihre Shoppingwege und erforschte in ausführlichen Interviews auch verborgene Treiber ihres Verhaltens. Dabei fand das Team heraus, dass die Bedürfnisse der Kunden vom Betreten des Ladens bis zur Auswahl und Anprobe deutlich variierten hier bedurfte es einer stärkeren Segmentierung. Am Ende der Analyse wusste
11 Akzente Kundenorientierte Transformationen führen zu Verbesserungen auf allen Geschäftsebenen Resultate aus Customer-Experience-Projekten der vergangenen Jahre Kumuliert Kundenzufriedenheit Umsatzwachstum 15-20% 10-15% Kostensenkung Mitarbeitermotivation 15-20% 20-30% Quelle: McKinsey der Jeanshersteller nicht nur, was seine Kunden zu welchem Zeitpunkt wollten, sondern konnte auch durch ein übersichtlicheres Shopdesign und zielgruppengerechte Beratung neue Kundenerlebnisse schaffen, die sich positiv auf sein Geschäft auswirkten. Große Unternehmen haben nicht selten rund Kontaktpunkte, die sie gezielt gestalten können, damit ein positives Kundenerlebnis entsteht. Doch selbst kleinere Einzelhändler kommen leicht auf 50 Kontaktpunkte und mehr mit entsprechend vielen Ansatzmöglichkeiten für Verbesserungen. Denn jeder einzelne Kontakt ist verbunden mit bestimmten Erwartungen, deren Erfüllung oder Nichterfüllung sich unmittelbar auf die Kundenzufriedenheit und damit auf die Kaufrate auswirkt. Und die Ansprüche der Kunden steigen: Maximale Auswahl und Warenverfügbarkeit, rasche Orientierung im Sortiment und einfaches, schnelles Bezahlen sind in Zeiten von E-Commerce für viele Kunden selbstverständlich geworden. Um ähnliche Shoppingerlebnisse zu bieten, müssten am Kunden ausrichten vom Ladendesign über die internen Prozesse bis zum Service. Eine Frage der Kultur Transformationen hin zu mehr Kundenorientierung reichen daher über kosmetische Korrekturen an einzelnen Kontaktpunkten weit hinaus. Zu verändern sind dabei nicht nur die täglichen Arbeitsabläufe, sondern oftmals auch Einstellung und Verhalten der Mitarbeiter. Diesen Wandel durchlebte ein Einzelhandelsunternehmen, als es ein Transformationsprogramm zur Verbesserung seiner Verkaufsperformance startete. Stagnierende Umsätze, demotivierte Mitarbeiter und unzufriedene - nisse frei, die echte Kundenorientierung verhinderten: ten Prozessen in den Filialen, viele Verkäufer mieden die aktive Kundeninteraktion. Stattdessen herrschte eine Kultur des Kommandos und der Kontrolle die Moral
12 12 Customer Experience 2. Die Customer Journey ist ein klar definierter Prozess mit vielen Kontaktpunkten zwischen Unternehmen und Kunden Beispiel Modeeinkauf Positive Stimmung Neutrale/negative Stimmung Orientierung über Anbieter/ Produkt Stöbern im Sortiment Anprobe Artikelauswahl Posting im Netz Kontaktierung Verkaufspersonal Ladensuche Weg zum Laden Kauf/ Finanzierung Quelle: Unternehmenswebsites; McKinsey der Mitarbeiter war auf dem Tiefpunkt. Diese latent kommunikations- und servicefeindliche Atmosphäre blieb keinem Kunden verborgen. Mit einem umfassenden Erneuerungsprogramm nahm man sich der Probleme an. Spezielle Trainingsmodule wurden entwickelt, Workshops zum Fähigkeitenaufbau eingerichtet und individuelle Coachings durchgeführt. So genannte Mindset-Barometer maßen zweimal wöchentlich den Fortschritt. Die bisherige Performancebewertung wurde um neue Kennzahlen wie Konversionsraten, Fehlmengen und Kundenkontakte erweitert. Mystery Shopper testeten schließlich den Erfolg der Veränderungen vor Ort in den Läden. Binnen weniger Wochen stieg die Konversionsrate in und Zufriedenheit der Verkaufsmitarbeiter besserten sparte überdies auch noch ein Zehntel der Arbeitsstunden ein gewonnene Zeit, die jetzt zusätzlich in aktiven Kundenservice und Verkauf investiert werden konnte. Das Beispiel zeigt: Der Customer-Journey-Ansatz er- Kundenreise. Denn gerade die internen Prozesse hinter als nicht wertstiftend weder für den Kunden noch aus operativer Sicht. Bei der Optimierung helfen Werkzeuge der Lean-Methodik, die konsequent den Fokus auf die Kundenperspektive legen: Strukturierte Prozessanalysen, etwa im Rahmen von Workshops, legen Ansätze für Verbesserungen offen. Tägliche Meetings, in denen Kundenfeedbacks diskutiert werden, fördern den Mitarbeiteraustausch über Abteilungsschranken hinweg und erleichtern so die gemeinsame Suche nach kundenorientierten Lösungen. Dieses systematische Vorgehen deckt auch verborgene oder latente Schwachstellen auf und beseitigt sie.
13 Akzente Herausragende Kundenerlebnisse basieren auf drei zentralen Erfolgsfaktoren Ermittelt aus der Befragung von rund 100 Unternehmen verschiedener Sektoren 1. Konsistentes Wertversprechen entlang sämtlicher Kontaktpunkte 3. Kontinuierliche Erfolgsmessung anhand von Kennzahlen und Kundenwahrnehmungen Customer Journey 2. Kundenorientierte Prozesse entsprechend den Bedürfnissen der Zielgruppe Quelle: McKinsey Das Erfolgsrezept der Experten Was müssen Manager beachten, wenn sie ihren Kunden ein besseres Erlebnis bieten und gleichzeitig Kosten sparen wollen? Und wie lassen sich Kunden- und Innensicht optimal aufeinander abstimmen? Über diese Fragen sprach McKinsey mit annähernd 100 Unternehmen aus unterschiedlichen Sektoren, die mit ihren Initiativen zur Verbesserung der Customer Experience besonders erfolgreich sind. Aus der Summe dieser Interviews lassen sich drei zentrale Erfolgsfaktoren ableiten: ein konsistent eingelöstes Wertversprechen, kundenorientierte Prozesse und kontinuierliche Erfolgsmessung Konsistente Einlösung des Wertversprechens. Aus Kundensicht ist es besonders wichtig, dass sämtliche Produkt- und Servicebotschaften über alle Kontaktpunkte hinweg einheitlich und überzeugend vermittelt werden. Sei es in mündlicher, schriftlicher oder visueller Form die Kommunikation sollte kanalübergreifend konsistent sein. Unternehmen der Konsumgüter- und Einzelhandelsbranche haben zwar schon vor Jahr zehnten gelernt, ihre Wertversprechen pub likums wirksam zu formulieren, tun sich aber mit zunehmender Komplexität der Customer Journeys nicht immer leicht, diese auch konsequent einzulösen. Vorreiterunternehmen wie Nespresso leben ihre Marke an sämtlichen Kontaktpunkten. Der Erfolg des Kaffeesystemanbieters beruht nicht zuletzt auf einem einheitlichen Wertversprechen entlang der gesamten Customer Journey. Der Kunde spürt in allen Kanälen die Exklusivität der Marke: beim Onlineeinkauf genauso wie beim Besuch der Nespresso-Boutiquen und dort vom Betreten des Shops bis zur Bezahlung. Das setzt sich nach dem Einkauf fort mit dem Nespresso-Club, der mehr bietet als herkömmliche Clubmitgliedschaften, darunter eine Telefonhotline mit Kaffeespezialisten. Das Besondere an Nespressos Markenkommunikation ist die lückenlose Verzahnung: Der Kunde erkennt über alle Kontaktpunkte hinweg das verbindende Moment
14 14 Customer Experience 4. Vorreiterunternehmen vermitteln konsistente Botschaften und leben ihre Marke an sämtlichen Kontaktpunkten Umsetzung des Markenversprechens Exklusivität in der Customer Journey Beispiel Nespresso Kundenkontaktpunkte Best in cup -Qualität 48-Stunden-Lieferung Service rund um die Uhr Exklusives Boutiquennetz Premiumauftritt am POS Neueste Technik, innovatives Design Sortenvielfalt, Convenience, Frischegarantie Markenversprechen Quelle: Presseberichte; Unternehmenswebsite; McKinsey Kundenorientierte Prozesse. Während es zunächst darauf ankommt, die Reisen der Kunden losgelöst von den lebnisse zu bieten, geht es im weiteren Schritt darum, diese Journeys auch intern abzubilden und so Kosten zu senken. Dabei wird das Unternehmen ähnlich wie bei Lean-Optimierungen Prozesse vereinfachen, Schnittstellen reduzieren und Arbeitsabfolgen standardisieren. Doch wird es dies stets mit Blick auf die Kundenbedürfnisse tun, wie etwa den Wunsch nach schnellerer Bedienung oder weniger Kontaktpunkten. Mehr Kundenorientierung spart dem Unternehmen in diesem Fall bares le zu. Die besten Prozesse nützen nichts, wenn die Belegschaft nicht hinter dem Servicegedanken steht und kaum bereit ist, dem Kunden echten Mehrwert zu bieten. Und dieser Mehrwert entsteht eben nicht durch die Serviceleistung an sich, sondern durch die Extrameile, die gegangen wird, um den Kunden zu begeistern. Grundlage dafür sind klare, standardisierte Verhaltensweisen, die Mitarbeitern ermöglichen, diese Mehrleistung zu erbringen und ihre Kunden optimal zu bedienen. Kontinuierliche Erfolgsmessung. Regelmäßige Erfolgskontrollen sorgen nicht zuletzt dafür, dass die Aufmerksamkeit von Mitarbeitern und Management für das Thema lebendig erhalten bleibt. Allerdings genügt es nicht, die Zufriedenheit eines Kunden mit seiner Journey pauschal zu erheben. Vielmehr gilt es, die einzelnen Kontaktpunkte anhand von Leistungskennzahlen und Kundenwahrnehmungen im Detail zu messen. Wichtige Aufgabe der Manager ist es dabei, das Kundenfeedback zeitnah an die zuständigen Mitarbeiter zurückzuspielen.
15 Akzente Internetbefragungen der Gäste nach ihrem Aufenthalt gemessen und oft schon am nächsten Tag an die Mitarbeiter am Empfang oder im Zimmerservice weitergege- er zur Kundenzufriedenheit und zur operativen Leistung beiträgt. Der Effekt: Verbesserungen in Service und Prozess schlagen sich in guten Bewertungen nieder; Schwächen oder Versäumnissen wiederum kann schnell entgegengewirkt werden. Der Customer-Journey-Ansatz bündelt diese Erfolgsfaktoren in einem systematischen Transformationsprozess und liefert Unternehmen damit gleich dreifachen Nutzen. Denn er hilft ihnen, sowohl die Zufriedenheit ihrer Kunden wie auch die ihrer Mitarbeiter zu steigern und so spürbar höhere Erträge zu erzielen. Unternehmen, die das Programm absolviert haben, erreichten Steigerungsraten in der Kundenzufriedenheit von 15 bis 20 Prozentpunkten bei gleichzeitig sinkenden Prozesskosten und mehr Wachstum bei Umsatz und Gewinn. Kernaussagen McKinsey konzentriert sich auf die Verbesserung der Customer Experience entlang aller Kundenkontaktpunkte. Konzept hilft Unternehmen, die Zufriedenheit ihrer Kunden wie auch die Motivation der Mitarbeiter zu steigern und so spürbar höhere Erträge zu erzielen. formationen führten zu Mehr- und zu Kostensenkungen von bis Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift. Bitte an: kai_vollhardt@mckinsey.com Autoren 1 Dr. Harald Fanderl ist Partner im Münchner Büro von McKinsey. Er leitet die globale Customer Experience Serviceline und berät Unternehmen bei kommerziellen Transformationen. 2 Dr. Jesko Perrey ist Partner im Düsseldorfer Büro von McKinsey und Leiter der globalen Marke - ting & Sales Practice. Unternehmen des Konsumgüter- und Handelssektors berät er zu Fragen der Markenführung und Marketingstrategie. 3 Dr. Kai Vollhardt ist Berater im Münchner Büro von McKinsey. Er ist Mitglied der globalen Customer Experience Serviceline und konzentriert sich auf Themen rund um Commercial Excellence.
16 16 Nachhaltigkeit Für Fisch mit gutem Gewissen In der Hochseefischerei herrschen Gesetzlosigkeit und Raubbau. Weil Regeln fehlen, müssen die Unternehmen aktiv werden der Ozean wird zum Testfall für Nahrungsmittelindustrie und Handel. Von Hauke Engel, Hans-Jürgen Matern und Martin Stuchtey schmeckt und ist gesund. Mit der Weltbevölkerung und dem Pro-Kopf-Einkommen wächst folglich auch die Nachfrage nach Fisch. Doch viele der einst unerschöpflich erscheinenden Bestände sind bedroht. Denn von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet ereignet sich derzeit eine Tragödie, weil gigantische Fischerei nur die Bestände von 10 Prozent der Arten als Unterdessen verdoppelte sich das Hochseegebiet, das hat sich verfünffacht ohne dass insgesamt heute mehr gefangen wird. Wertvernichter. Denn sie betreibt nicht nur Raub bau an einer wichtigen Nahrungsquelle und natürlichen Ressource, auch ihr gesamter ökonomischer Wertbei - trag ist in Milliardenhöhe negativ. Wenn die Fischerei- durch hohe staatliche Zuschüsse. Diese dramatische Entwicklung ist jedoch schwer zu Alle - - werden. Zwar gibt es Nutzungsübereinkommen und chendeckend oder umfassen nicht alle Fischereinationen, greifen nicht tief genug oder werden schlicht ignoriert. Die Ausbeutung der Fischbestände erfolgt aus diesem rung auf gebaut und liefern sich einen Wettlauf um die lierter oder in den Fangstatistiken nicht erfasster Fisch Ist der Fang erst einmal im Hafen, lässt sich derzeit nur sehr schwer nachweisen, woher die Fische kommen und wie sie gefangen im rechtsfreien Raum oder sogar unter offener Übertretung von Fangbeschränkungen. die mit Diplomaten, Politikern, Wissenschaftlern und Wirtschaftsvertretern besetzt ist, bringt diese Umstände - den Fischfang in Zukunft effektiver regulieren, sensible Fanggebiete schließen und dies konsequent überwachen werden. - schaffen, unter denen sich die Fischbestände regenerieren und dauerhaft bewirtschaften lassen. Damit das ge- - müssen entwickelt, die Konsumenten umfassend aufgeklärt und schließlich Fangbetriebe bei der Durchsetzung von Best Practices unterstützt werden.
17 Akzente Foto: istock
18 18 Nachhaltigkeit 1. Mit dem Flottenausbau gehen weltweit die Fischbestände zurück und bewirken einen dramatischen Rückgang der Produktivität Entwicklung der weltweiten Fischbestände in Prozent Flottenproduktivität Fanggröße pro Kapazitätseinheit Flottenkapazität 0 10 Kollabiert Index 1,8 Index 3, Überfischt Maximal befischt 1,6 1,4 1,2 1,0 3,0 2,5 2,0 60 0,8 1,5 70 0,6 1,0 80 0,4 90 0,2 0,5 Ungefährdet Vergleichbare Nachhaltigkeitsstandards entwickeln aus effektiv gemanagten Beständen stammt und dass das Ökosystem durch die Aktivitäten des betreffenden gehört inzwischen zu den bekannteren Qualitätssiegeln. sind es beispielsweise 400. existieren weltweit mehr als 100 Qualitätssiegel für nach- in der Arbeit mit den Fischereibetrieben. Um Licht in den Etikettendschungel zu bringen, haben die Handelsunternehmen und - der globalen Wertschöpfungskette Fisch; unterstützt wird die Initiative im Auftrag der Bundesregierung von rungen an die Qualitätssiegel zu vereinheitlichen und
19 Akzente Unter Berücksichtigung aller gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten fällt der Wertbeitrag der Fischerei negativ aus Geschätzter Wert der weltweiten Hochseefischerei in Mrd. USD Wert des weltweiten Fangs (Umsatz) 79 Treibstoffkosten 23 Lohnkosten Andere Produktionskosten Operativer Gewinn Berechnung aus Sicht der Fischereiunternehmen Zinsen 11 Nettogewinn 5 Subventionen 27 Umweltschäden 1 Lohnzahlungen 6 23 Berechnung aus Sicht der Gesellschaft Zinszahlungen 11 Wertbeitrag (netto) für die Gesellschaft 4 wertschaffende Branche wird. - monatiger Diskussion mit allen Beteiligten ein voll- - barkeit steht jetzt ein risikobasiertes Rahmen konzept - Konsumenten aufklären und sensibilisieren Fischprodukte aus nachhaltigem Betrieb setzen sich -
20 Nachhaltigkeit 3. Neue Transparenz: Via App erhält der Kunde alle Informationen über die Herkunft des Fischs Wo kommt mein Fisch her und wann ging er ins Netz? Diese Fragen beantwortet die App follow METRO, wenn der Käufer mit seinem Smartphone den Barcode auf dem Kassenzettel scannt. Foto: Metro Notwendig ist es vielmehr, Fangort und Fangmethode Kriterien nachhaltiger Fischerei zu veröffentlichen. der Hierbei kann der Kunde künftig alle wichtigen Daten direkt von den Fischereien und allen Beteiligten der Lieferkette abrufen. Er braucht hierzu lediglich mit der Produkt zu scannen und erhält die Daten zur Herkunft Hinterlegt sind auch weitere Informationen, von der können ihn ebenfalls nutzen. schutzorganisationen sicher noch weitergehende Ansprüche stellen vor allem an die Transparenz und Ehrlichkeit von Nahrungsmittelindustrie und -handel. Weitsichtige Unternehmen bereiten sich jetzt schon darauf vor, auch solche Anforderungen zu erfüllen. Fangbetriebe unterstützen de in weniger entwickelten Ländern erweisen sich hier- etwa Trainings zum schonenden Umgang mit dem Fang nach der Anlandung, geeignete Fangmethoden zum auch Hilfestellung beim Erwerb ökologisch weniger schädlicher Fanggeräte. Die Erfahrung zeigt, dass Nahrungsmittelindustrie und Entwicklungshilfe hierbei eine schlagkräftige Allianz rantenbeziehungen, um die Fischer anzusprechen und sie von den Maßnahmen zu überzeugen; anschließend - auch bei den Fischereibetrieben entwickelter Länder zu, da sie als direkter Kunde wirksam auf nachhaltige Produktion pochen kann. in nachhaltigen und transparenten Lieferketten entwi-
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